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2. Literaturübersicht

2.2 Das Cochlea-Implantat (CI)

2.2.2 Die Katze als Versuchstier in der CI-Forschung

Experimentelle Studien mit CI-Implantationen in Versuchstieren spielen eine wichtige Rolle um die Sicherheit und Funktionalität der CIs zu testen. Für diese akuten und chronischen CI-Studien werden neben Meerschweinchen und Ratten auch häufig Katzen eingesetzt (SMITH et al. 1994; XU et al. 1997; KLINKE et al. 1999; LEAKE et al. 1999; SHEPHERD 1999; BEITEL et al. 2000). Wenn es um die Erforschung der neonatalen, auditorischen Deprivation geht, hat die Katze gegenüber dem Meerschweinchen den Vorteil, dass es zu den Nesthockern gehört und daher taub geboren wird (KRAL et al. 2005). Zusätzlich ist der hörbare Frequenzbereich der Katze mit dem des Menschen vergleichbar, v.a. was die tiefen Frequenzen betrifft (ENGELHARDT 2010). Auch die Größe der Cochlea spielt bei der Vergleichbarkeit eine Rolle, da die Maße der Katzen-Cochlea ausreicht, um humane Prototypen zu testen.

Für die Erforschung der neonatalen, auditorischen Deprivation und der Einfluss chronischer elektrischer Stimulation auf die Entwicklung des auditorischen Systems des Säugetiers stehen bei der Katze zwei Tiermodelle zur Verfügung, die unterschiedliche Vor- und Nachteile mit sich bringen (KRAL et al. 2001). Einerseits gibt es die kongenital taube, weiße Katze (engl. „congenital deaf cat“, CDC), zuerst beschrieben 1828 durch W. T. Bree (zusammengefasst in HEID et al. 1998), andererseits die pharmakologisch induziert, neonatal ertaubte Katze (LEAKE et al.

1982). CDCs tragen einen Gendefekt mit sich, der zu einer frühen Degeneration des Corti‘schen Organs führt (BOSHER u. HALLPIKE 1965). Die degenerativen Vorgänge beginnen laut BOSHER und HALLPIKE (1965) ab Tag 5 postnatal und damit vor vollständiger Entwicklung des Gehörs mit einem allmählichem Zusammenfall des Corti‘schen Organs und Degeneration der Haarzellen sowie einer Veränderung der Struktur und Form der Tektorialmembran. Die Stria vascularis atrophiert, die Reissner Membran kollabiert und legt sich der Basilarmembran auf. Ähnliche degenerative Vorgänge stellt auch MAIR in seiner CDC-Zucht ab Tag 8 postnatal fest (MAIR 1973).

Über die räumliche Ausbreitung der Degeneration gibt es unterschiedliche Beschreibungen. BOSHER und HALLPIKE (1965) beschreiben eine in allen Regionen

Degenerationsvorgänge in der oberen Hälfte der basalen Windung feststellt, die sich dann in beide Richtungen, basal und apikal, ausbreiten. SCHWARZ und HIGA jedoch beschreiben eine von basal nach apikal verlaufende Degeneration (SCHWARTZ u.

HIGA 1982). Die unterschiedliche Beschreibung verschiedener Autoren über die Art der Degeneration im Innenohr der CDCs lässt darauf schließen, dass in verschiedenen Katzenzuchten unterschiedliche Gene an der Taubheit beteiligt sind (HEID et al. 1998;

RYUGO et al. 2003). Die CDC-Zucht, aus der die Tiere für die vorliegende Arbeit als Vergleich zu unseren neonatal pharmakologisch ertaubten Katzen dienen sollen, stammt ursprünglich aus der Zucht des Instituts für Physiologie in Frankfurt am Main.

Die Beschreibungen von HEID et al. (1997, 1998) zu den degenerativen Vorgängen im Innenohr der kongenital tauben Katze stammen aus der gleichen Katzenzucht-Linie.

In den drei bis fünf Tage alten CDCs von HEID ist das Corti‘sche Organ wie bei normal hörenden Katzen noch nicht vollständig entwickelt. Der Corti‘sche Tunnel ist in den apikalen Windungen noch nicht vollständig geöffnet, die Haarzellen sind jedoch bereits vorhanden und voll entwickelt. Das Spiralganglion ist dicht gepackt mit Neuronen. Die Nervenfasern erscheinen dünner als in adulten Tieren.

In den drei Monate alten Katzen ist das Corti‘sche Organ bereits in allen Regionen der Cochlea degeneriert. Die Reissner Membran ist kollabiert und liegt als einzelne Zellschicht der Basilarmembran auf. Eingezogene Fragmente der Tektorialmembran sind noch zu beobachten. Haarzellen können nicht mehr differenziert werden, Stützzellen sind jedoch vorhanden. Auch die SGZ sowie die Nervenfasern sind in allen Windungen der Cochlea voll erhalten.

In den zwei Jahre alten Katzen fällt neben der vollständigen Degeneration der Cochlea die wesentlich dünnere Stria vascularis auf. Die Stützzellen sind immer noch vorhanden, die unterschiedlichen Typen sind jedoch nicht mehr unterscheidbar.

Während in der basalen Windung noch 90 % der SGZ vorhanden sind, ist eine deutliche SGZ-Degeneration in der mittleren Region zu sehen (27 - 55 % Erhalt). In den apikalen Windungen gibt es keinen Unterschied zwischen der SGZ-Anzahl in CDCs und normal hörenden Katzen.

In den über fünf Jahre alten Katzen ist die Degeneration bereits weit voran geschritten, nur noch einzelne Fragmente der Reissner-Membran sowie der Tektorialmembran sind noch vorhanden. Die Stria vascularis erscheint noch dünner als in den zwei Jahre alten Katzen. Zu bemerken ist, dass immer noch Stützzellen dargestellt werden können (HEID et al. 1998). Die Anzahl der SGZ hat sich weiter reduziert und beträgt in der basalen Region nur noch 20 %, in der 2. und 3. Halbwindung sind gar keine SGZ mehr zu finden.

Ein Vorteil dieses Tiermodels sehen KRAL et al. (2001) in der Vergleichbarkeit zu humanen, kongenital tauben Patienten. Die von BOSHER und HALLPIKE (1965) beschriebenen pathologischen Vorgänge der CDCs wurden auch bei humanen, kongenital tauben Patienten beschrieben (SCHEIBE 1892) und werden seitdem auch als Scheibe-Degeneration bezeichnet. Ein weiterer wichtiger Vorteil besteht in der langen Erhaltung der SGZ (KRAL et al. 2001). Nachteil dieses Tiermodels ist, dass die Ertaubung zwar nicht manuell erzeugt (HEID et al. 1997), die Ertaubung jedoch in einem frühen Stadium verifiziert werden muss, um eine eventuelle Hörerfahrung auszuschließen, da nicht alle Katzen einer Zuchtlinie taub geboren werden (HEID et al. 1998).

Im Gegensatz dazu sind pharmakologisch ertaubte Katzen einfach zu züchten und die Ertaubung ist sicher, wenn adäquate Dosierungen verwendet werden (KRAL et al.

2001). Als ein Nachteil merken KRAL et al. (2001) die schnelle SGZ-Degeneration an, die bedeutend schneller verläuft als bei den CDCs (2.1.3.1). Diese schnelle Degeneration der SGZ stellt für die vorliegende Studie jedoch eher einen Vor- als einen Nachteil dar, da der Effekt einer neurotrophen Behandlung nach einer deutlichen SGZ-Degeneration untersucht werden soll. Der Grund für die unterschiedlich schnelle Degeneration könnte die unterschiedlich lange Überlebenszeit der Stützzellen sein.

Während bei den CDCs die Stützzellen noch bei über fünf Jahre alten Katzen vorhanden sind (HEID et al. 1998), degenerieren sie bei pharmakologischer Ertaubung wesentlich schneller (2.1.3.1). Dies unterstützt die These, dass die Stützzellen eher für die neurotrophe Unterstützung und damit für den Erhalt der SGZ sorgen, als die Haarzellen selbst (ZILBERSTEIN et al. 2012; BAILEY u. GREEN 2014).

Die Gehörlosigkeit hat durch den Verlust von auditorischem Input auch in den höheren Arealen der Hörbahn morphologische Veränderungen zur Folge, ganz gleich ob die Gehörlosigkeit pharmakologisch induziert oder angeboren ist (SHEPHERD u. HARDIE 2001). Hierbei sind z.B. die Schrumpfung der Zellen, die reduzierte Anzahl und veränderte Morphologie der Synapsen in den verschiedenen Strukturen der Hörbahn (HARDIE 1998) sowie die Herunterregulation der metabolischen Aktivität (MILLER et al. 1993) zu nennen, was die Synchronizität der feuernden Neurone und somit die zeitliche Verarbeitung der Signale negativ beeinflusst (SHEPHERD u. HARDIE 2001).

Dabei sind die beschriebenen Veränderungen in ihren Auswirkungen auf die Signal-Verarbeitung gravierender, wenn die Gehörlosigkeit vor Einsetzen des Hörvermögens eintritt (HARDIE 1998).