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5. Diskussion

5.3 Einfluss der Behandlung auf die Funktonalität der Hörbahn nach Ertaubung

5.3.7 Diskussion der Methodik

Die wenigen signifikanten Unterschiede zwischen den Versuchsgruppen, v.a. bei den elektrophysiologischen Daten, lassen sich einerseits durch die frühzeitig beendete Behandlung begründen aber vor allem auch durch die geringe Stichprobengröße der vorliegenden Untersuchung.

Eine Bestimmung von Latenz und Amplitude war nicht in jeder Messung für alle Komponenten möglich. Vor allem bei geringen Stromintensitäten waren einzelne Komponenten noch nicht ausgebildet und die Morphologie der vorhandenen Komponenten noch sehr breit, sodass die Bestimmung schwierig bis unmöglich war.

Breitere Komponenten der ertaubten Tiere gegenüber den normal hörenden Tieren könnten zu Fehlern in der Hochpunkt-Bestimmung einzelner Komponenten geführt haben, sodass Gruppenunterschiede durch die so bedingte Erhöhung der Streuung eventuell maskiert wurden. Die Komponente I war vor allem bei höheren Stromintensitäten schwierig zu bestimmen, da hier das Stimulus-Artefakt die Komponente überdeckte. Da Gruppenvergleiche der eABR-Schwelle sowie der Latenzen und Amplituden kurz oberhalb der eABR-Schwelle keine oder nur geringe Unterschiede aufzeigten, war die Analyse bei höheren Stromintensitäten aussagekräftiger. Durch eine früh auftretende Facialis-Schwelle, die die eABR-Messung durch große Potenzialänderungen störte, konnten eABR-Messungen bei höheren Stromintensitäten oft nicht durchgeführt werden. Auch bei CI-Patienten stellt die Facialis-Reizung ein Problem dar und ist einer der Hauptgründe, warum CI-Elektroden vorübergehend deaktiviert werden müssen (STODDART u. COOPER 1999). In unserer Studie trat die Facialis-Schwelle mit den geringsten Stromintensitäten in der -GDNF-Gruppe auf, im unbehandelten Ohr sogar signifikant

früher als in der hörenden Gruppe. Ein Grund für die unterschiedlich hohen Facialis-Schwellen könnte das jeweilige Alter der Tiere bzw. damit verbunden, unterschiedlich ausgereifte Knochenstrukturen der Cochlea sein. Auch Konformitätsänderungen des Facialis-Nerven (VERDÚ et al. 2000) könnten dazu geführt haben, dass die Stromverteilung in der Cochlea anders verläuft und den Facialis-Nerv bei geringeren Stromintensitäten reizt. Dies passt insofern zu unseren Ergebnissen, als das unsere ertaubten Tiere deutlich jünger waren (im Durchschnitt 9,5 ± 0,48 Monate) als die normal hörenden, adulten Tiere (44 ± 21 Monate). Die Facialis-Schwelle der CDC-Gruppe (31 ± 6 Monate) lag zwischen denen dieser beiden Gruppen. Dies deckt sich mit der Beobachtung, dass eine Facialis-Reizung häufig als Problem bei pädiatrischen CI-Patienten auftritt (CUSHING et al. 2006). Die unterschiedlich früh auftretenden Facialis-Schwellen der gleichaltrigen Tiere der Versuchsgruppen (Mittelwert beider Ohren der Versuchsgruppen: -GDNF-Gruppe, 28 dB att., +GDNF-Gruppe, 25 dB att., +GDNF/+ES-Gruppe, 23 dB att.) können dadurch jedoch nicht erklärt werden. Da dieses Muster in den Messungen beider Ohren zu finden war, spricht das jedoch gegen einen Einfluss des SGZ-Erhalts auf die Höhe der Facialis-Schwelle.

Die RMS-Auswertung konnte einige Probleme der manuellen Komponenten-Bestimmung lösen, brachte jedoch auch einige Nachteile mit sich. Ein Vorteil der RMS-Messung ist, dass sie nicht von der Anwesenheit einer bestimmten Komponente abhängig, und auch die exakte Lage der einzelnen Komponenten nicht entscheidend ist. Dafür ist die RMS-Messung allerdings auch komponenten-unspezifisch, da die ganze Potenzialänderung innerhalb des Messfensters gewertet wird. Eine Latenzbestimmung ist dadurch nicht möglich. In unserer Studie haben wir uns für ein Messfenster von 1 bis 7 ms nach Stimulus-Gabe entschieden, da in dieser Zeit prinzipiell alle Komponenten der eABR zu sehen waren.

Ein weiterer Vorteil der RMS-Auswertung war die Möglichkeit der Kalkulation einer Wachstumskurve, da für alle Stromintensitäten zwischen eABR- und Facialis-Schwelle ein RMS-Wert berechnet wurde. Dadurch konnten auch noch andere Parameter wie maximaler RMS-Wert, Steigung und dynamischer Bereich berechnet werden. Diese Art der Auswertung könnte auch bei humanen Patienten helfen, die maximale

Amplitude zu errechnen. Diese kann oft nicht gemessen werden, da das C-Level (maximale Behaglichkeitsschwelle, engl. „maximal comfortable level“) oft vor dem Messen der maximalen Amplitude erreicht ist (RAMEKERS et al. 2014).

Die Berechnung dieser sigmoidalen Kurve war jedoch aufgrund der früh auftretenden Facialis-Schwelle nicht bei allen Messungen möglich, sodass v.a. in der Kontrollgruppe (-GDNF-Gruppe) einige Messungen komplett ausgeschlossen werden mussten, was die Stichprobengröße stark reduzierte.

Aufgrund des unerwarteten kleinen protektiven Effektes auf den SGZ-Erhalt in der -GDNF-Gruppe, wäre eine Kontrollgruppe mit implantiertem EC-Zylinder ohne Zellen wahrscheinlich sinnvoller gewesen. Was die GDNF-Applikation durch den EC-Zylinder betrifft, kann leider keine Aussage darüber getroffen werden, wie lange die GDNF-produzierenden Zellen überlebt und GDNF sezerniert haben. Da in dieser Studie u.a. die Langzeitwirkung der Applikationsmethode im Fokus stand, wurde die Behandlungsdauer ursprünglich auf einen relativ langen Zeitraum von 6 Monaten angesetzt. Ein Überleben der Zellen in dem EC-Zylinder wäre durchaus zu erwarten gewesen, da sowohl der EC-Zylinder als auch die Zelllinie zuvor schon in Tierversuchsstudien (WINN et al. 1996) sowie klinischen Studien (WAHLBERG et al.

2012) über einen längeren Zeitraum (12 Monate) erfolgreich angewendet wurde.

Unterschiedliche Behandlungsdauern zu testen, hätte den Einsatz von deutlich mehr Versuchstieren zur Folge gehabt. Aus dem gleichen ethischen Grund (Reduktion der Anzahl der Versuchstier) wurde sich gegen eine weitere Versuchsgruppe mit alleiniger ES-Behandlung entschieden, mit der man hätte herausarbeiten können, welchen Anteil die einzelnen Faktoren (GDNF-Applikation und ES) jeweils am protektiven Effekt der kombinierten Anwendung haben.

Zum Schluss darf auch nicht unerwähnt bleiben, dass neben den wenigen signifikanten Unterschieden zwischen den Gruppen, in keiner der elektrophysiologischen Auswertungen ein signifikanter Unterschied zwischen linkem, behandeltem und rechten, unbehandeltem Ohr gefunden werden konnte. Dies lässt die Hypothese zu, dass der protektive Effekt der kombinierten Anwendung Einfluss auf die Funktionalität der Hörbahn beider Seiten gehabt hat. Für die Applikation neurotropher Faktoren ist dabei schon in der Literatur beschrieben worden, dass eine

genbasierte Therapie mit GDNF zur Protektion von Haarzellen nach Ertaubung, zu einem protektiven Effekt auch auf der contralateralen Seite geführt hat (KAWAMOTO et al. 2004). Die Forscher begründeten dies mit der Verbindung der Flüssigkeitsräume beider Cochleae über den cochleären Aquädukt, der den jeweiligen perilymphatischen Raum mit der Cerebrospinalflüssigkeit verbindet. Der protektive Effekt war in dieser Studie jedoch auf histologische (und nicht auf elektrophysiologische) Auswertungen der Haarzellen bezogen. Was die ES betrifft, könnte es möglich sein, dass durch die Kreuzung der Fasern ab dem Nucleus cochlearis die Effekte der ES auf beiden Seiten protektiv auf die Funktionalität der Hörbahn gewirkt haben (FULLERTON u. KIANG 1990).