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Gemeinsamkeiten und Unterschiede von Ansätzen eingliederungsorien- eingliederungsorien-tierter Arbeitnehmerüberlassung

4 Quantitative und qualitative Resultate der bisherigen Verleihtätigkeit

5.3 Gemeinsamkeiten und Unterschiede von Ansätzen eingliederungsorien- eingliederungsorien-tierter Arbeitnehmerüberlassung

Verbindliche Standards über die Gestaltung von Arbeitnehmerüberlassung zu Vermitt-lungszwecken hatten sich im Untersuchungszeitraum nicht herausgebildet. Es standen sich nach wie vor eher marktorientierte Ansätze wie im Fall von START Zeitarbeit NRW und eher sozialintegrativ ausgerichtete Ansätze gegenüber, die sich in ihrer Arbeitsweise und Organisation sowie ihren Finanzierungsvoraussetzungen mehr oder weniger deutlich unterschieden.

START Zeitarbeit NRW konzentrierte sich auf die Arbeitsmarktintegration der Leiharbeits-kräfte und musste die Kosten des Verleihs ohne Zuschüsse decken, konnte dafür aber auch leichter vermittelbare Arbeitslose einstellen und auch Auftraggeber bedienen, die zunächst keinen dauerhaften Personalbedarf signalisierten.

Steuerbegünstigte Arbeitsförderungsgesellschaften verfolgten zudem eine über die Ar-beitsmarktintegration i. e. S. hinausreichende Integrationsaufgabe für eine arbeitsmarkt-fernere Personengruppe und durften schon aus steuerrechtlichen Gründen nur in engen Grenzen wirtschaftlich betätigen (vgl. Ternes 1999: 7ff; Thielemeier 1999). Sie betteten Arbeitnehmerüberlassung überwiegend in umfassende Integrationskonzepte für beson-ders schwervermittelbare Personen ein, die zum Ziel hatten, zunächst die Handlungsfä-higkeit dieser Personen wiederherzustellen, bevor Maßnahmen zur Arbeitsmarktintegra-tion eingeleitet werden konnten. Arbeitnehmerüberlassung hatte dabei die FunkArbeitsmarktintegra-tion, letztes Glied in einer ganzen Kette von Integrationsmaßnahmen (psycho-soziale Stabilisie-rung, QualifizieStabilisie-rung, Betreuung und ggf. individuelle Unterstützungsleistungen wie

Schuldnerberatung, Drogenberatung, Sprachkurse, Unterstützung bei Bewerbungen u.a.m.) zu sein. Diese „Nachrangigkeit“ des Verleihs spiegelte sich auch in der Stellenaus-stattung vieler Projekte wider. Oft war nur eine Person mit dieser Aufgabe betraut oder die Überlassung wurde gar nicht im Stellenplan berücksichtigt, und die Akquisition und Organisation der (wenigen) Verleihfälle wurde neben dem Tagesgeschäft erledigt. Die zeitliche Reichweite der Integrationsmaßnahmen konnte sich bei Arbeitsförderungsgesell-schaften über mehrere Jahre erstrecken, was bei START Zeitarbeit NRW aus wirtschaftli-chen Gründen nicht möglich war. Verleiheinsätze von Projektteilnehmenden hatten häu-fig eher den Charakter eines „bezahlten Praktikums“ für schwervermittelbare Arbeitslose, während START Zeitarbeit NRW mit dem Anspruch, leistungsfähige Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zu verleihen, auf dem Zeitarbeitsmarkt auftrat.

Der wirtschaftliche Erfolgsmaßstab vieler kommunaler Verleihprojekte war weniger die Kostendeckung des Verleihs, sondern die Höhe der eingesparten Sozialhilfe durch die erfolgreiche Integration von Leistungsbeziehenden in den Arbeitsmarkt. Diese Einsparun-gen kamen zwar nicht unmittelbar den Projekten selbst zugute; sie truEinsparun-gen aber dazu bei, in der Kommune für den nötigen politischen Rückhalt zu sorgen, um ggf. am Ende des Geschäftsjahres einen Verlustausgleich aus öffentlichen Kassen zu erhalten.

Aus den unterschiedlichen Zielsetzungen folgten auch Unterschiede in der Arbeitsweise.

Während die Personaldisposition von START Zeitarbeit NRW den betrieblichen Bedarf zum Ausgangspunkt nahm und daraufhin geeignete Leiharbeitskräfte auswählte (= stel-lenorientierte Arbeitsweise), gingen Arbeitsförderungsgesellschaften den umgekehrten Weg und suchten einen Arbeitsplatz für eine bestimmte Person (= personenorientierte Arbeitsweise). Die Verleihprojekte orientierten sich an den Potenzialen, Wünschen und Bedürfnissen der in der Regel schwervermittelbaren Teilnehmerinnen und Teilnehmer, die z. T. im Laufe eines längeren Integrationsprozesses deutlich geworden waren. Der be-triebliche Bedarf wurde natürlich nicht ignoriert, hatte aber einen deutlich geringeren Stellenwert als bei marktorientierten Gesellschaften. Damit ähnelte der Verleih im Bereich der Arbeitsförderung eher dem Integrationsansatz der „passgenauen Vermittlung“ (vgl.

Lüttgenhorst/Seligmann 1999), während START Zeitarbeit NRW konzeptionell der „klassi-schen“ Arbeitnehmerüberlassung näher stand.

Einige Gesellschaften verliehen nur dann Arbeitskräfte an Betriebe, wenn die Übernah-mewahrscheinlichkeit gewährleistet war. Die Anforderungen, die gemeinnützige Verleih-gesellschaften etwa an die Übernahmewahrscheinlichkeit nach einem Verleiheinsatz stell-ten, erscheinen als Vorsichtsmaßnahme gegen den Missbrauch von subventionierten schwervermittelbaren Leiharbeitskräften als „billiges Arbeitsangebot“ durchaus sinnvoll.

Derartige Bedingungen waren aber unter Marktbedingungen gegenüber den Entleihbe-trieben kaum aufrechtzuerhalten. Bei einer größeren Anzahl von Leiharbeitskräften gilt dies umso mehr, da die Personen auch in verleihfreien Zeiten auf der Lohnliste der Verlei-her stehen und die „Parkmöglichkeiten“ in anderen Tätigkeitsfeldern der Träger wie

eigenen Werkstätten oder Bildungsmaßnahmen irgendwann erschöpft sein dürften.

Dann steigt auch die Wahrscheinlichkeit von betriebsbedingten Kündigungen. Ist diese Möglichkeit durch Vorgaben von Förderbedingungen ausgeschlossen (z. B. in Bayern), müssen Verleihprojekte mit Eigenmitteln einspringen, was das Instrument drastisch ver-teuern kann.

Das grundsätzliche Vorgehen bei der Akquisition und der Unterstützung des Verleihein-satzes war prinzipiell immer ähnlich. Alle Projekte nahmen für sich in Anspruch, Leihar-beitskräfte zu betreuen. Dabei reichte das Spektrum der Betreuung von der Möglichkeit eines Telefonats oder eines Gesprächs mit der Disponentin oder dem Disponenten in Zwei-Wochen-Abständen bis zu der sozialpädagogisch qualifizierten Unterstützung weit über den Verleihzusammenhang hinaus.

Die IAT-Befragung von 1996 hatte u. a. gezeigt, dass viele gemeinnützige Verleihgesell-schaften Arbeitskräfte zu Verleihsätzen anboten, die nicht die Kosten deckten. START Zeitarbeit NRW musste dagegen aus Gründen des wirtschaftlichen Überlebens kostende-ckende Preise am Markt durchsetzen. Da die START-Leiharbeitskräfte nach dem Refe-renzlohnprinzip entlohnt wurden, lag das Preisniveau z. T. sogar über den marktüblichen Preisen. Damit blieb der Grundsatz „gleicher Lohn für gleiche Arbeit“ gewahrt. Verleih-projekte, die mit besonders schwervermittelbaren Personen arbeiteten, konnten dagegen keine Marktpreise verlangen, wenn die individuellen Leistungseinschränkungen der Leih-arbeitskräfte die gewöhnlichen Einarbeitungsschwierigkeiten deutlich überstiegen. Be-triebe waren auch nicht bereit, den tariflichen Lohn für die Leiharbeitskräfte zzgl. des Aufschlags für die Verwaltungskosten zu zahlen. Entsprechend mussten Leiharbeitskräfte auch Einbußen bei der Entlohnung hinnehmen. Gegen das Referenzlohnprinzip sprach aus Sicht der Verleihprojekte außer dem hohen Verwaltungsaufwand, der mit der Lohn-abrechnung nach verschiedenen Tarifwerken verbunden ist, auch inhaltliche Gründe. Ar-gumentiert wurde besonders mit der integrationsfördernden Anreizwirkung, die von ei-nem niedrigeren Entlohnungsniveau im Verleih ausgehe: „Mögliche negative Auswirkun-gen auf einen erhöhten Anteil von Beziehern ergänzender Sozialhilfe werden bewusst in Kauf genommen, damit den Zeitarbeitnehmern die Besonderheit ihres Beschäftigungs-verhältnisses (Subventionierung mit öffentlichen Mitteln, teilweise Sozialhilfe in Lohn-form) klarer würde, sodass sie verstärkt reale Arbeitsverhältnisse zur eigenständigen Fi-nanzierung des Lebensunterhalts anstreben.“ (GBE 1998: 32 ff.) Diese Praxis hat jedoch die Nebenwirkung, dass in einem Betrieb unterschiedliche Entlohnungsniveaus angewen-det werden.75

75 Ein Integrationsprojekt in der niederländischen Stadt Deventer („Deventer werkt“), das auch Arbeitneh-merüberlassung zu Vermittlungszwecken betreibt und sich auf die Zielgruppe der arbeitslosen Jugendli-chen konzentriert, koppelt den Einsatz subventionierter Leiharbeitskräfte ausdrücklich an die Zustim-mung des Betriebsrates bzw. Personalrates des potenziellen Entleihbetriebes, um so einer

Dumping-Die meisten Projekte waren auf einen lokal/regionalen Aktionsbereich begrenzt, was u.

a. auf das Bestreben von Kommunen und Landkreisen zurückzuführen ist, Sozialhilfekos-ten einzusparen. Diese Begrenzung kann Vorteile haben, z. B. die regionale Verankerung der Träger. Sie kann aber auch zu einer Unübersichtlichkeit der arbeitsmarktpolitischen Angebote beitragen. Betriebe, die in einer Kommune gute Erfahrungen mit gemeinnützi-ger Arbeitnehmerüberlassung gemacht haben, fanden kein entsprechendes Angebot ü-ber die Gebietsgrenzen hinaus.

Es fehlte im Untersuchungszeitraum an einem „Markenzeichen“ für eingliederungsorien-tierte Arbeitnehmerüberlassung. Auf der Ebene der Bundesländer konnten sich derartige Angebote schon etablieren, wie neben START Zeitarbeit NRW in Nordrhein-Westfalen auch die Beispiele der „Gemeinnützige Arbeitnehmerüberlassung der Beruflichen Fortbil-dungszentren der Bayerischen Wirtschaft e.V.“ in Bayern und der „Gesellschaft für Ar-beitnehmerüberlassung Thüringen mbH - GeAT“ in Thüringen zeigt. Es fehlten bundes-weit aber Standards für die Gestaltung dieses Integrationsinstruments und damit die Transparenz über die jeweilige Vorgehensweise einzelner Gesellschaften oder Projekte.

Jede Initiative durchlebte ähnliche „Geburtswehen“, musste dieselben arbeits- und sozial-rechtlichen Fragen klären und die eine oder andere Gesellschaft musste auch vor dem Arbeitsgericht Lehrgeld zahlen. An vielen Standorten wurde daher immer wieder das

„Rad neu erfunden“.76

Der Anspruch der Verleihgesellschaften und -projekte, mit Integrationsbemühungen di-rekt auf den ersten Arbeitsmarkt zu zielen, muss auch professionell umgesetzt werden.

Der Regelfall dürfte sein, dass Betriebe auch von der integrationsorientierten Arbeitneh-merüberlassung eine Dienstleistung erwarten, die ihnen hilft, ihre Flexibilitätsprobleme zu lösen. Dies trifft umso mehr zu, je marktnäher die Preise gestaltet sind. Je näher die Ein-sätze an der betrieblichen Wirklichkeit angesiedelt sind, umso „ernsthafter“ wird auch der Test ausfallen, dem sich die Leiharbeitskräfte für die spätere Übernahme unterziehen.

Konkurrenz der Stammbeschäftigten durch arbeitsmarktpolitische Projekte vorzubeugen (vgl. Zander 1999b).

76 Anders sieht es etwa in Belgien aus. Dort besteht mit dem Zeitarbeitsunternehmen „T-Interim“ ein lan-desweites Angebot, dass von der öffentlichen Arbeitsvermittlung des Landesteils Flandern (VDAB) orga-nisiert wird (vgl. www.vdab.be/vdab/online/internat/dui/emp.htm, Stand Juni 1999). Das Zeitarbeitsun-ternehmen garantiert interessierten Arbeitsuchenden ausdrücklich mit Hinweis auf die institutionelle Anbindung an die Arbeitsverwaltung die Einhaltung ihrer Schutzrechte. Die Entlohnung erfolgt nach dem Referenzlohnprinzip, d.h. die Leiharbeitskräfte erhalten denselben Lohn wie eine feste Arbeitskraft mit vergleichbarem Alter und Berufserfahrung. Sie erhalten auch zusätzliche Leistungen wie Urlaubs-geld und bezahlte Feiertage. Verleihfreie Zeiten zwischen zwei Einsätzen werden in Belgien nicht vom Verleiher entlohnt. In dieser Zeit beziehen Arbeitskräfte (wieder) Lohnersatzleistungen. T-Interim bietet über den Verleih hinaus eine nach eigener Aussage „ständige und sorgfältige Betreuung“ an. Bei Quali-fizierungsbedarf kann auf Angebote des VDAB zurückgegriffen werden. Bislang verlieh T-Interim 15.935 Leiharbeitskräfte (ohne Jobstudenten) an 4.051 Betriebe (vgl. www.vdab.be).

6 Funktionen und Potenziale eingliederungsorientierter Arbeitnehmerüberlassung

Das Resümee der bisherigen Entwicklung und der Ergebnisse von START Zeitarbeit NRW hat deutlich gemacht, dass die Gesellschaft die arbeitsmarktpolitischen Ziele und die besonde-ren Anforderungen an die Gestaltung des Verleihs weitgehend erfüllen konnte, ohne dau-erhaft auf Subventionen angewiesen zu sein. Die Risiken der Beschäftigungsform Arbeit-nehmerüberlassung konnten nicht vollständig vermieden, aber in zentralen Punkten gemil-dert werden. Der Blick in andere Bundesländer hat darüber hinaus gezeigt, dass das Instru-ment der eingliederungsorientierten Arbeitnehmerüberlassung unter ganz unterschiedlichen institutionellen Rahmenbedingungen und mit einer variierten Arbeitsweise eingesetzt wer-den kann. Es gibt keine „Patentlösung“ für die Umsetzung.

Wir wollen im Folgenden zunächst die arbeitsmarktpolitischen Funktionen und Potenziale eingliederungsorientierter Arbeitnehmerüberlassung vor dem Hintergrund der Erfahrun-gen von START Zeitarbeit NRW einerseits und weiterer Überlassungsinitiativen anderer-seits beleuchten - und zwar zunächst im Kontext und im Vergleich zu anderen arbeits-marktpolitischen Maßnahmen (6.1.1) sowie anschließend bezogen auf die Eingliederung von besonderen Personengruppen (6.1.2). Weiterhin ist die Frage zu beantworten, ob und inwieweit die Erfahrungen mit eingliederungsorientierter Arbeitnehmerüberlassung die Wahrnehmung von und den Umgang mit kommerzieller Arbeitnehmerüberlassung verändert haben (6.1.3).

In unserem Fazit und den Perspektiven in 6.2 gehen wir vor dem Hintergrund der nun vorliegenden Ergebnisse einerseits auf Ansatzpunkte zur Weiterentwicklung von START Zeitarbeit NRW und andererseits auf die Potenziale einer bundesweiten Ausweitung des Ansatzes eingliederungsorientierter Arbeitnehmerüberlassung ein - auch als Alternative zu derzeit teilweise sehr populären Vorschlägen zur staatlich subventionierten Auswei-tung eines Niedriglohnsektors.