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4 Quantitative und qualitative Resultate der bisherigen Verleihtätigkeit

4.4 Integration von Frauen in den Arbeitsmarkt

4.4.1 Erfahrungen aus dem Frauenprojekt

Im Rahmen des vom Bundesfrauenministerium geförderten Projektes zur Integration von Frauen durch Arbeitnehmerüberlassung wurden seit Anfang September 1996 zunächst Frauendisponentinnen an zehn Standorten eingesetzt. Im September 1997 wurde die Anzahl der Frauendisponentinnen von zehn auf acht reduziert (Bonn, Bielefeld, Duis-burg, Düsseldorf, Hagen, Köln, Paderborn, Wuppertal). Dass es während der Laufzeit des Projektes nicht gelungen ist, den Frauenanteil zu erhöhen, ist neben den bereits aufgeführten Hemmnissen auch darauf zurückzuführen, dass die Bemühungen zeitlich mit dem tief greifenden Konsolidierungskurs der Gesellschaft, der z. T. gravierende in-terne Veränderungen mit sich brachte, zusammenfiel. Auch das Frauenprojekt litt unter einer erheblichen Fluktuation des Personals, und die neu eingestellten Disponentinnen waren zumeist branchenfremd und mussten zunächst eingearbeitet werden.

Gleichwohl sind die Erfahrungen aus dem Frauenprojekt interessant und decken sich teilweise auch mit den Erfahrungen ähnlicher Projekte in anderen Bundesländern. Die folgenden Ausführungen stützen sich auf eine schriftliche Befragung der acht Frauen-disponentinnen, die wir im Sommer 1999 durchgeführt haben, sowie auf persönliche Gespräche mit der ehemaligen Projektleiterin, den Disponentinnen und der Geschäfts-führung von START Zeitarbeit NRW.

Von den verbliebenen acht Disponentinnen waren zwei seit dem Beginn des Projektes 1996 in dieser Funktion. Sechs Frauen waren später eingestellt worden, davon vier erst im Verlauf des Jahres 1999. Die Vorbereitung auf die Tätigkeit als Frauendisponentin wurde überwiegend als ausreichend angesehen, Defizite wurden im berufskundlichen Bereich ausgemacht. Die Integration in die Niederlassungen wurde durchgehend positiv beurteilt.

Die Disponentinnen sollten in den Niederlassungen zwar insbesondere, aber nicht aus-schließlich die Integration von Frauen befördern. Sie sollten also auch männliche Bewer-ber Bewer-beraten. Im Durchschnitt führten sie zwischen 10 und 15 Bewerbungsgespräche in der Woche, wobei der Anteil der Frauen bei etwa 50 % lag. Der Anteil der Aufträge, die mit Frauen besetzt wurden, wurde auf etwa 60 % geschätzt.

Die Struktur der Entleihbetriebe, in denen Arbeitseinsätze für Frauen akquiriert werden konnten, unterschied sich an den einzelnen Standorten der Frauendisponentinnen nach Betriebsgröße, sektoraler und Branchenzugehörigkeit. Dennoch lassen sich Trends aus-machen. Die Einsätze der Frauen erfolgten überwiegend in Betrieben mittlerer Größe zwischen 100 und 200 Beschäftigten47, was den Angaben für die gesamte Gesellschaft entspricht. Kleine Betriebe akzeptierten häufig die Preise von START Zeitarbeit NRW nicht. Einsatzschwerpunkt waren vor allem kaufmännische Tätigkeiten und der Bereich der Hilfstätigkeiten.48

Nach Einschätzung der Disponentinnen eigneten sich nicht alle Bewerber/innen für den Einsatz in der Zeitarbeit. Der Anteil der Frauen, die nach einem Beratungsgespräch als nicht einsatzfähig eingestuft wurden, lag bei etwa 40 %. Als Hindernisse wurden insbe-sondere fehlende Mobilität (kein Führerschein, kein PKW), geringe Arbeitszeitflexibilität, unflexible Kinderbetreuung, schlechte Deutschkenntnisse sowie Qualifikationsdefizite genannt. Die Disponentinnen hoben in Gesprächen weiterhin hervor, dass arbeitslosen Frauen in den Bewerbungsgesprächen oft die Angst vor der unbekannten Arbeitsform Zeitarbeit genommen werden musste. Dies betraf vor allem Niederlassungen in ländli-chen Gebieten. Als positiver Faktor hat sich erwiesen, Frauen in langfristigen Einsätzen einzusetzen und ihnen so die Angst vor häufig wechselnden Einsätze zunehmen.

47 Die Kategorisierung erfolgte durch START Zeitarbeit NRW.

48 Aus den Meldungen von START Zeitarbeit NRW für die AÜG-Statistik des Jahres 1998 geht hervor, dass bei den Frauen mit 44,9 % die Organisations-, Verwaltungs- und Büroberufe überwogen. Eben-falls stark vertreten sind mit 36,7 % die Hilfstätigkeiten. Alle weiteren Berufsgruppen liegen z. T. deut-lich unter 5 %. Die geschlechtsspezifische Aufteilung der Einsatzbereiche entspricht der Branchenpra-xis in der gewerblichen Arbeitnehmerüberlassung (vgl. Rudolph/Schröder 1997: 108; Bundesanstalt für Arbeit 1999: 74).

Als Motiv der Bewerberinnen, bei START Zeitarbeit NRW zu arbeiten, wurde durchge-hend der Wunsch nach einem Dauerarbeitsplatz im Entleihbetrieb angegeben. Die Be-schäftigungsform der Zeitarbeit wurde von den Frauen offenbar bewusst als Durch-gangsstation und nicht um ihrer selbst willen gewählt.

Die Disponentinnen schätzten den Stellenwert der Öffentlichkeitsarbeit hoch ein. Im Projektverlauf wurden Kontakte zu Weiterbildungsträgern, Kooperationsstellen „Frau und Beruf“, Gleichstellungsbeauftragten u. a. geknüpft und über START Zeitarbeit NRW informiert. Als Erfolg konnte verbucht werden, dass Weiterbildungsträger Teilnehmernen auf START Zeitarbeit NRW hinwiesen und über die grundsätzliche Arbeitsweise in-formierten. Damit sank die Hemmschwelle von Frauen, sich bei START Zeitarbeit NRW zu bewerben.

4.4.2 Bewertung

Wenn als Erfolgsmaßstab für das Frauenprojekt die erreichten Verleihzahlen zugrunde gelegt werden, fällt die Bewertung ernüchternd aus. Vergleicht man den Beschäfti-gungsanteil von Frauen bei START Zeitarbeit NRW mit ihrem BeschäftiBeschäfti-gungsanteil an der Arbeitslosigkeit bzw. der Beschäftigung in NRW, so werden Frauen weit unterdurch-schnittlich erreicht. Der durchunterdurch-schnittliche Frauenanteil von 17 % liegt weit unter dem Anteil von Frauen an der Arbeitslosigkeit (43,6 %) und an der Beschäftigung (41,3 %) in Nordrhein-Westfalen (vgl. Landesarbeitsamt NRW 1999a: 1). In der Arbeitnehmerüber-lassung (West) insgesamt liegt der Frauenanteil zwar ebenfalls deutlich unter diesen Vergleichswerten, aber immerhin bei rund 20 % (vgl. Bundesanstalt für Arbeit 1999:

74).

Aus unserer Sicht lässt sich aus den Erfahrungen des Frauenprojektes bei START Zeitar-beit NRW jedoch nicht die Schlussfolgerung ziehen, dass wiedereingliederungsorientier-te Arbeitnehmerüberlassung grundsätzlich nicht zur Förderung der Inwiedereingliederungsorientier-tegration von Frau-en geeignet sei – im GegFrau-enteil: „WFrau-enn man davon ausgeht, dass die BFrau-enachteiligung von Frauen auf dem Arbeitsmarkt häufig nicht die Folge individueller Qualifikationsdefizite, sondern genereller Vorbehalte der Betriebe ist und die spezifische Funktion von .. (sozial-verträglicher Arbeitnehmerüberlassung) nicht vorrangig in der Vermittlung formaler Quali-fikationen, sondern in der Überwindung betrieblicher Vorbehalte besteht, ... (müsste diese) Frauen besonders gute Wiedereingliederungschancen eröffnen." (Weinkopf 1996a: 316)49

49 Im Original ist von „Arbeitskräftepools“ die Rede. Wir haben das Zitat an den entsprechenden Stellen angepasst.

Dass diese These nicht völlig falsch ist, zeigen die Erfahrungen, dass Frauen überdurch-schnittlich häufig von Betrieben übernommen wurden.50 Wenn es erst einmal gelungen ist, Frauen als Leiharbeitskräfte in Betrieben unterzubringen, haben sie offenbar gute Chan-cen, in feste Beschäftigung übernommen zu werden. Aber es ist im Rahmen der sozialver-träglichen Arbeitnehmerüberlassung offenbar keineswegs einfach, überhaupt Arbeitsplätze für Frauen zu akquirieren. Die Ursachen sind auf verschiedenen Ebenen zu verorten:

· die Branchenschwerpunkte der Zeitarbeit: Im gewerblichen Sektor, wo Frauen sehr viel seltener beschäftigt sind als Männer, wird häufiger auf Zeitarbeitskräfte zurückge-griffen als im Dienstleistungssektor, in dem die meisten Frauen beschäftigt sind.

· Betriebsgrößen und betriebswirtschaftliche Effizienz: Frauen arbeiten häufig eher in kleineren Betrieben. Somit ist eine gezielte Ansprache von kleinen und mittleren Be-trieben notwendig, um Arbeitsplätze für Frauen zu akquirieren. Diese Akquisition ist arbeitsaufwendig, weil „viele Klinken geputzt“ werden müssen und oft nur wenige zu-sätzliche Einsätze akquiriert werden können, weil kleine und mittlere Unternehmen sel-ten mehr als einen Arbeitsplatz zu besetzen haben. Die Akquisition in Großbetrieben bringt dagegen oftmals Einsätze für mehrere Leiharbeitskräfte. Aufwand und Ertrag stehen hier in einem günstigeren Verhältnis. Das ist besonders relevant für die betriebs-wirtschaftliche Effizienz der Arbeitnehmerüberlassung.

· konkurrierende Alternativen: In Bereichen, in denen viele Frauen beschäftigt sind, wie z. B. im Einzelhandel stehen den Betrieben andere Möglichkeiten zur Verfügung, schwankenden Personalbedarf abzudecken - z. B. geringfügige Beschäftigung, Aushil-fen, Arbeit auf Abruf und Ähnliches. Diese Alternativen sind für die Betriebe noch fle-xibler und vor allem kostengünstiger als Zeitarbeit. Solange keine Probleme dabei auf-treten, auf diesen Wegen zusätzliches Personal zu rekrutieren, solange also genug Frauen bereit sind, auf dieser Basis zu arbeiten, werden diese Betriebe kaum auf die I-dee kommen, Zeitarbeit zu nutzen.

· die Flexibilität und Mobilität der Arbeitskräfte: Von Zeitarbeitskräften wird oftmals eine noch höhere Flexibilität und Mobilität erwartet als von anderen Beschäftigten. Eine eingeschränkte zeitliche Verfügbarkeit (z. B. aufgrund von Öffnungszeiten der Kinder-betreuungseinrichtung) oder begrenzte räumliche Flexibilität erschwert somit die Ak-quisition von betrieblichen Einsätzen.

Diese Faktoren, die eine Erhöhung des Frauenanteils bei Zeitarbeit insgesamt hemmen, können nicht ohne weiteres ausgeräumt werden, weil es sich ganz überwiegend um struk-turelle Probleme handelt, die auch die Chancen von Frauen auf dem Arbeitsmarkt ins

50 Deutlicher als bei START Zeitarbeit NRW lässt sich dies anhand der Erfahrungen mit einem ähnlichen Projekt des BMFSFJ bei der GeAT in Thüringen belegen: Hier lag der Frauenanteil unter den Leihar-beitskräften insgesamt bei 30 %, unter den Übernahmen in Betriebe aber bei 45 %.

gesamt beeinträchtigen. Die Lösung oder Verringerung dieser Probleme entzieht sich somit weitgehend dem Einfluss der Personaldisponentinnen und -disponenten.

Gleichwohl sehen wir Ansatzpunkte für eine Erhöhung des Frauenanteils bei wiederein-gliederungsorientierter Arbeitnehmerüberlassung und damit auch bei START Zeitarbeit NRW: Erfolgreich kann Arbeitnehmerüberlassung offenbar vor allem in Bereichen sein, in denen keine große Reserve von billigeren Aushilfskräften zur Verfügung steht, weil z. B.

besondere Qualifikationen erforderlich sind. Daraus folgt, dass Schwerpunkte in solchen Bereichen gesetzt und versucht werden müsste, hier besondere Kompetenz zu entwickeln - durch eine gezielte Ansprache von Betrieben z. B. im Pflegebereich oder in der IT-Branche und durch eine Kooperation mit Arbeitsämtern und Bildungseinrichtungen, um auch ent-sprechend qualifiziertes Personal bereitstellen zu können. Weiterhin sollte im Interesse von Frauen versucht werden, in den Betrieben dafür zu werben, mehr Rücksicht auf besondere Flexibilitätswünsche zu nehmen bzw. zumindest zu erproben, ob z. B. neue Arbeitszeitmo-delle tatsächlich funktionieren. In diesem Sinne müsste die sozialverträgliche Arbeitnehmer-überlassung weiterhin bzw. sogar verstärkt als "Mittlerin" wirken und die Erprobung inno-vativer Lösungen fördern.

Perspektivisch wird sich der Beschäftigungsanteil von Frauen bei START Zeitarbeit NRW nur dann erhöhen lassen, wenn die Gesellschaft insgesamt mehr Aufträge aus dem Dienstleistungsbereich und insbesondere auch für die Besetzung von Teilzeitstellen ak-quiriert. START Zeitarbeit NRW ist teilweise schon jetzt in der Lage, Aufträge aus dem Dienstleistungsbereich zu besetzen. Es wird auf absehbare Zeit eine wichtige geschäfts-politische Aufgabe sein, diesen Anteil - wenn auch vermutlich in kleinen Schritten - aus-zubauen. Die Erfahrungen aus dem Modellprojekt haben aufgezeigt, dass sich auch im Dienstleistungsbereich Markt- und Wiedereingliederungschancen bieten, wenngleich zunächst mehr Kapazitäten in die Akquisition investiert werden müssen.

Die Weiterbeschäftigung der bis Sommer 1999 vom BMFSFJ geförderten Frauendispo-nentinnen, die vermutlich eine überdurchschnittliche Sensibilität und Motivation zur Förderung der Frauenbeschäftigung haben, über den Förderzeitraum hinaus kann hier auch künftig förderlich wirken. Da sich nach Einschätzung der Geschäftsleitung die Or-ganisationsform einer „Spezialabteilung“ für die Integration von Frauen nicht bewährt hat, werden die früheren Frauendisponentinnen nunmehr noch stärker in die Arbeit der Niederlassungen integriert. Es bleibt zu hoffen, dass die Erfahrungen aus dem Modell-projekt genutzt werden können, um den Frauenanteil unter den START-Leiharbeitskräften künftig zu erhöhen.