• Keine Ergebnisse gefunden

und Gemeinderat Großverein

Im Dokument Der Verein in der Spätmoderne (Seite 65-69)

andere Vereine Tradition Religion

Abbildung 3

Die Machtstruktur in der Gemeinde ist deutlich: Einfluss haben vor allem der Bürgermeister und der Gemeinderat sowie die Vorsitzende des Großvereins.

Ihre Entscheidungen haben sind von Bedeutung und beeinflussen damit die Möglichkeiten anderer Vereine in der Gemeinde und auch die gesamte soziale Struktur.

0.3.1. Die hermeneutische und systemtheoretische Methode

Als Forschungsmethode wurde zuerst das teilstrukturierte Interview mit einem stark narrativen Befragungs-Charakter gewählt. Das hatte seinen Grund darin, dass angenommen wurde, das statistisch-mathematische Verfahren nicht zur Lösung der Fragestellung führen würden: Soziale Wirklichkeit, die einen Handlungszusammenhang repräsentieren und erschließen soll, kann als Gegenstandsbereich der Sozialwissenschaften nur über die Textanalyse erschlossen werden. (Lamnek 1995: 90) Dabei sollten die Interviewpartner nicht in einen vorgegebenen Rahmen gezwungen werden, sondern je nach Bedarf ausführlich erzählen können. Dies sollte einen natürlichen Gesprächscharakter schaffen, wie er vielleicht zwischen Freunden möglich sein könnte. Nachdem geeignete Gesprächspartner gewählt waren, wurden die groben Leitfäden für die teilstrukturierten Interviews erstellt. Sie bezogen sich vor allem auf die Stellung des Groß-Sportvereins in der Gemeinde, auf politische Ursachen, die der Fusion zum Großverein zu Grunde lagen, auf Fragen zum Ehrenamt und auf die Stellung der Kirche in der Gemeinde. Die Fragen wurden mündlich gestellt; in der Regel wurde eine weiche Form der Befragung eingesetzt, deshalb, weil dadurch eine widerstrebende Haltung des Befragten abgebaut werden sollte. Die Interviews erfolgten bei den Befragten zu Hause, oder wie beim Bürgermeister im Rathaus. Das Aufsuchen der Interviewpartner in ihrem alltäglichen Milieu sollte dazu dienen, eine möglichst natürliche Situation herzustellen, um damit authentische Informationen zu erhalten. Bewusst wurde eine vertrauensvolle und freundschaftliche Atmosphäre gesucht. Gesprächspartner, die sich nicht auf das Interview einlassen wollten, wurden auch nicht zu überreden versucht. Freiwilligkeit stand im Vordergrund. Die Hypothese der Untersuchung wurde den Befragten nicht mitgeteilt. Es wurde lediglich gesagt, dass eine Forschungsarbeit über das sich im Wandel befindende Vereinswesen in der Gemeinde gemacht werde, was der Wahrheit entsprach. Die Hypothese wurde auch deshalb nicht mitgeteilt, um nicht die Aussagen zu beeinflussen. Eine Anonymisierung der Daten wurde angeboten, aber von keinem der Befragten verlangt, später jedoch auf Bitten eines Referenten der Arbeit durchgeführt. Während den Befragungen veränderte sich der zu Grunde gelegte Gesprächsleitfaden, der allerdings wegen des narrativen Charakter der Befragung bereits sehr offen gehalten war. So rückten beispielsweise politische Motive in den Vordergrund, die bei einem der nächsten Gesprächspatner genauer hinterfragt werden konnten. Auch konnten neue Gesprächspartner durch Hinweise vorheriger Interviewpartner gefunden werden. Die Interviews dauerten zwischen einer halben und einer Stunde. Im Weiteren wurden Ergebnisse aus teilnehmenden Beobachtungen bei Vereinssitzungen, Jahresfeiern und Gesprächen mit Mitgliedern aus Vereinen, Politik und Kirche verwendet. Ebenso wurden Bemerkungen, die nach Ausschalten des Aufnahmegerätes von den Interviewpartnern gemacht wurden, teilweise in die Auswertung miteinbezogen. Anschließend wurden die Interviews jeder einzelnen Person Wort für Wort abgetippt. Im nächsten Schritt wurden entscheidende Stellen markiert und auf Ähnlichkeiten mit den Texten der anderen Interviewpartner untersucht. Es fand eine Zusammenfassung von Objekten mit übereinstimmenden Merkmalen statt. Dadurch ergaben sich die Bereiche Politik, Kultur und Religion als Problemraum. Die Frage war nun, wie wird diese Problemsituation wissenschaftlich übersetzt, und welche Methoden eignen sich zur Problemlösung? Wie können diese Merkmale wissenschaftlich verknüpft werden und zu einer Verallgemeinerung auf einer höheren Ebene führen? Als geeignetes

Verfahren, die Texte zu entschlüsseln, bot sich in einem ersten Schritt die Hermeneutik an.

Der Begriff Hermeneutik leitet sich ab vom griechischen „hermeneuein“ = aussagen, auslegen, übersehen, und befasst sich mit der Auslegung von Texten. Es handelt sich um eine Kunstlehre des Verstehens. „Ihr liegt die Überzeugung zu Grunde, dass die historische Überlieferung in subjektiv vermitteltem Sinn bestehe und die Kultur- und Sozialwissenschaften durch diese prinzipielle Unterscheidung von der Natur eine eigene Methode des Verstehens forderten.“ (Lamnek 1995: 71) Die Hermeneutik macht das Verstehen zum Gegenstand ihrer Untersuchung. „Damit meint man das Erfassen von etwas als etwas Menschlichem und von dessen Bedeutung.“ (Lamnek 1995: 87)

Als Begründer der Hermeneutik gilt der Philosoph Friedrich Schleichermacher (1768 – 1834). Nach Schleiermacher geschieht die Überwindung der Differenz zwischen dem Verstehenden und dem vom Autor gesagten (hermeneutische Differenz), dadurch, dass die Situation des Autors durch eine grammatische und psychologische Rekonstruktion wiederhergestellt wird. In den Sozialwissenschaften heißt das, dass ein Handeln erst dann verstanden ist, wenn der Handlungsentwurf, der beabsichtigte Einsatz bestimmter Mittel, also das Motiv des Handelns erkennbar wird. „Wenn die Handlungssituation so gesehen wird, wie sie der Handelnde selbst gesehen hat.“

(Lamnek 1995: 74)

Dilthey entwickelte die Hermeneutik zu einer speziellen geisteswissenschaftlichen Methode, die sich stark von der naturwissenschaftlichen abhob. Interpretation stellt für ihn eine höhere Form des Verstehens dar, die durch ein besonderes Vorgehen, den hermeneutischen Zirkel, gerechtfertigt ist. Zur Textanalyse werden zwei hermeneutische Zirkel angewandt.

Im ersten hermeneutischen Zirkel geht es darum, ein Vorverständnis über den Text zu erwerben. „Man kann nicht voraussetzungslos ein einen Text herangehen, sondern muss das eigene Vorverständnis in seiner Geschichtlichkeit erkennen.“

(Lamnek 1995: 74) Damit lässt sich der Text besser verstehen und das ursprüngliche Textverständnis erweitert sich. „Die Differenz zwischen dem ursprünglichen und dem erweiterten Textverständnis beziehungsweise dem Verständnis des Autors wird durch die zirkelförmige Bewegung überwunden.“ (Lamnek 1995: 75) Im Falle der Untersuchung bedeutete das ein Studium der Literatur über Politik, Systemtheorie, Kultursoziologie und Religionssoziologie.

Der zweite hermeneutische Zirkel dient dazu, das Verstehen durch die Relation zwischen dem Besonderen und dem Allgemeinen oder zwischen den Teilen und dem Ganzen herzustellen. Die Momente des Verstehens erfahren dadurch eine ständige Erweiterung, der Leser wird durch die Hinzunahme des zweiten Zirkels in die Lage versetzt, sein anfängliches Verständnis zu erweitern. „Die Überwindung der hermeutischen Differenz, geschieht somit in einer spiralförmigen Bewegung.

(Lamnek 1995: 75) Jetzt wurden die Inhalte der gelesenen Literatur immer wieder mit dem Text verglichen und dann an den entscheidenden Stellen in ihn hineingewoben.

Durch die zirkelförmige Bewegung des Denkens erweiterte sich das Verständnis für die Aussagen der Teilnehmer, was wiederum zu neuen Interpretationen führte.

Verstehen umfasst mehr als erklären, es versucht die Bedeutung eines Sachverhaltes zu ergründen, es versucht die Beleuchtung und Erfassung des Sinnzusammenhanges. Im hermeneutischen Sinne geht es nicht um elementares, sondern um höheres Verstehen. Höheres Verstehen liegt dann vor, wenn das Verstehende in einen größeren, übergeordneten Zusammenhang gebettet ist. Diesen übergeordneten Rahmen bildete schließlich die Theorie sozialer Systeme von Niklas Luhmann. Dieses Modell wurde gewählt, weil es sich hier um eine universelle

Analyseform handelt, die auch mehrschichtige Problemfelder in einem Sinne auflösen kann und mit der Methode des teilstrukturieten Interviews zumindestens was diese Untersuchung betrifft harmoniert. Letztlich soll aber nicht unerwähnt bleiben, dass jede Form von Sozialforschung nur interpretativ ist.

Im Dokument Der Verein in der Spätmoderne (Seite 65-69)