• Keine Ergebnisse gefunden

Güvenç Abdal Ocak und Cepni, aus Kürtün und die Nalcı Gemeinschaften In historischen Dokumenten wird beschrieben, dass Gemeinschaften, die mit

Bezeichnungen wie beispielsweise “Çepni eşkıyası”, d.h. “die Cepni-Bande” und “Kürtünlü”, d.h. “aus Kürtün”, erwähnt sind, sowohl in sozialer wie auch in religiöser Hinsicht in der östlichen Schwarzmeerregion – und mit Kürtün als Zentrum – aktiv waren.209 Diese unter

208 S. Urbar-Codex, der im “Tapu-Kadastro Genel Müdürlüğü Arşivi” (Archiv der Hauptdirektion für Grundbuch und Kataster) unter Nummer TD 43 registriert ist; Blatt 131, Reihe 245.

209 Dokument, das im “Başbakanlık Osmanlı Arşivi” (Osmanisches Archiv des Ministerpräsidiums) mit Grund-Code İE. ŞKRT, Ordner Nr. 6 und Aktennummer 533 registriert ist.

97

dem Namen “Çepni eşkıyası” bzw. “Kürtünlü” erwähnte Gemeinschaft sind diejenigen alevitischen und “Kızılbaş”-Gläubigen, die im Gebiet um Kürtün und in dessen Umgebung lebten. Es ist die Gemeinschaft von “Dedes” und Laienanhänger, die dem “Güvenç Abdal”-Orden angehören. Die Ausdrücke “Cepni” und “Kürtünlü” sind die Worte, die noch heute in der Schwarzmeerregion für die Mitglieder des “Güvenç Abdal”-Ordens verwendet werden.

Das Dorf Taşlıca, das das Zentrum des “Güvenç Abdal”-Ordens ist, kennt man im Gebiet um Kürtün als Dorf “Çepni”, d.h. Cepni. Und die Einwohner von Taşlıca sagen von sich, von den Cepnis abzustammen.210 Ähnliches gilt auch für diejenigen Gruppen, die im Dorf Eskiköy (Akçaabat, Trabzon) und Umgebung leben und deren Einwohner Laienanhänger des “Güvenç Abdal”-Ordens sind, die im Dorf Yunusefendi (Gölyaka, Düzce) und Umgebung sowie im Dorf Ballar (Kandıra, Kocaeli) und Umgebung ansässig sind. Auch diese Gemeinschaften sagen von sich, von den Cepnis abzustammen, und sie werden auch von der sie umgebenden Gesellschaft als Cepnis anerkannt.211 Auch die Zweige des “Güvenç Abdal”-Ordens, die im Dorf Aktaş (Şenkaya, Erzurum) sowie in den Dörfern Boyalı und Yukarısallıpınar (Kürkçü bzw. Sarıkamış, Kars) ansässig sind, werden mit der Bezeichnung “Çetmi”, d.h. Cepni, erwähnt. Die in diesen Ansiedlungen lebenden Mitglieder des “Güvenç Abdal”-Ordens bezeichnen sich selbst als “Çetmi”-Aleviten.212 In den Archivdokumenten wurden die Cepni-Gläubigen durch die osmanisch-safawidische Schlacht ideologisiert. Das Wort “Çepni”, der Name eines der wichtigen turkmenischen Stämme in Anatolien, wurde von der Zentralmacht mit den Bedeutungen “Merkez Karşıtı”, d.h. die “Oppositionellen gegen die Zentralmacht”,

“Safevi Taraftarı”, d.h. die Safawiden-Anhänger, und “Alevi-Kızılbaş”, d.h. die “alevitischen und Kızılbaş-Gläubigen”, belegt213. Die osmanischen Herrscher stellen die Cepnis aufgrund ihrer religiösen und politischen Identität unter ihre Kontrolle und sehen in diesen bei den Themen Sicherheit, Verteidigung und Geheimdienst u. a. einen gegen sie arbeitenden, strategischen Faktor.214

Dokument, das im “Başbakanlık Osmanlı Arşivi” (Osmanisches Archiv des Ministerpräsidiums) mit Grund-Code C. ZB, Ordner Nr. 31 und Aktennummer 1508 registriert ist.

Dokument, das im “Başbakanlık Osmanlı Arşivi” (Osmanisches Archiv des Ministerpräsidiums) mit Grund-Code C. ADL, Ordner Nr. 10 und Aktennummer 667 registriert ist.

210 Bei den von uns im Dorf Taşlıca geführten Interviews wurde uns gesagt, dass die ethnischen Wurzeln der Einwohner von Taşlıca cepnisch seien.

211 In den genannten Ansiedlungen wurden Interviews geführt und die mündlich gemachten Angaben aufgenommen.

212 Diese Information wurde in den von uns in den Ansiedlungen durchgeführten Feldstudien erhoben.

213 S. Dokument, das im “Başbakanlık Osmanlı Arşivi” (Osmanisches Archiv des Ministerpräsidiums) mit Grund-Code C. ADL, Ordner Nr. 10 und Aktennummer 667 registriert ist.

214 S. Beschlussbuch, das im “Başbakanlık Osmanlı Arşivi” (Osmanisches Archiv des Ministerpräsidiums) unter Nummer 7 eingetragen ist; hier: Beschlüsse 2072 u. 2281.

98

Die Cepnis sind nicht nur ein Zweig der Schwarzmeerregion; heutzutage sind auch diejenigen, die in den in der südlichen Marmara- und in der Ägäis-Region ansässigen Dörfern lebenden Menschen Anhänger des alevitischen und des “Kızılbaş”-Glaubens sind. Alle Cepnis, die in Dutzenden Städten, Ortschaften und Dörfern der Provinzen Balıkesir, Manisa, Izmir, Bursa, Çanakkale und Aydın ansässig sind, sind alevitischen Glaubens. Die Cepnis Westanatoliens, die bis zum 19. Jahrhundert ein nomadisches Leben führten, haben sich ab dem 19. Jahrhundert dort niedergelassen, wo sie noch heute leben. Es war Ahmed Vefik Pascha, Gouverneur von Bursa im 19. Jahrhundert, der die Bebauung durch die West-Cepnis ermöglicht hat. Die Cepni-Gemeinschaft spricht von Ahmed Vefik Pascha, der sie sesshaft gemacht hat, als von “Çadır Yırtan”, demjenigen, der die “Zelte eingerissen” hat.215 Im Vergleich zur Schwarzmeerregion ist die Cepni-Identität in Westanatolien eng mit der alevitischen Identität verwoben. In Westanatolien werden die Ausdrücke “Cepni” und

“Tahtacı” verwendet, um die alevitische Identität auszudrücken. Beide Namen, “Cepni” und

“Tahtacı”, sind die grundlegenden Elemente des westanatolischen Alevitentums.216 Wie die alevitischen Cepnis der Schwarzmeerregion wurden auch die Cepnis Westanatoliens im Laufe der Geschichte ständig von den jeweiligen Herrschern überwacht und kontrolliert. Hieraus geht hervor, dass die West-Cepnis in osmanischer Zeit nach Rakka in die Verbannung geschickt wurden, wonach diese angefangen haben, ab dem 18. Jahrhundert in Westanatolien ihren Einfluss geltend zu machen.217

Auch in diesem Gebiet wurden die Cepnis ständig verschiedenen Besiedlungsprozessen unterworfen; Überwachung und Kontrolle wurden zur vorrangigen Grundlage für diese von den Herrschern ausgeübte Cepni-Besiedlungspolitik. S. hierzu Anlagen 15 und 16.

Beschlussbuch, das im “Başbakanlık Osmanlı Arşivi” (Osmanisches Archiv des Ministerpräsidiums) unter Nummer 70 eingetragen ist; hier: Beschluss 393.

215 S. Faruk Sümer, “Çepniler” (Die Cepnis), S. 123, Istanbul 1992.

Aus den von uns in den cepnischen Dörfern in der südlichen Marmara- sowie in der Ägäis-Region durchgeführten Feldstudien geht hervor, dass die Cepnis sich auch heute noch an “Ahmed Vefik Paşa” als “Çadır Yırtan Paşa”, d.h. “der Pascha, der die Zelte eingerissen hat”, erinnern.

Von den im Viertel Kavakbaşı (Behçedere, Balıkesir) ansässigen “Dedes” des “Köse Süleyman”-Ordens erfuhren wir, dass “Ahmed Vefik Paşa” als Symbol dafür, dass die Cepnis von nun an sesshaft geworden waren, in jedem cepnischen Dorf Bäume pflanzen ließ, die Akazien ähnelten. Die ordenszugehörigen “Dedes” sagten, dass der “Paşa” diese Bäume als Symbol für das Sesshaftwerden der Cepnis ansah. Noch heute finden sich in den meisten cepnischen Dörfern diese Bäume, die die Cepnis selbst als “Ahmed Vefik”-Bäume bezeichnen.

216 S. Kristzina Kehl-Bodragi, Die Tahtacı, Vorläufiger Bericht über eine Etnisch-Religiöse Gruppe, Traditioneller Holz Arbeiter in Anatolien, Berlin 1988.

217 S. Faruk Sümer, “Çepniler” (Die Cepnis), S. 123, Istanbul 1992.

99

Die Cepnis, die zu den historischen Vertretern des alevitischen Glaubens in Westanatolien zählen, stellten sich aufgrund ihrer Identitäts- und Glaubensmerkmale gegen die anderen Einwohner dieses Gebiets und auch gegen die jeweils herrschenden Mächte. Die Cepnis sind eine Bevölkerungsgruppe, die von den lokalen Faktoren in Westanatolien als außerhalb des Systems stehend, sowie als systemfeindlich angesehen wird. Die Tatsache, dass die Cepnis nomadisch lebten, führte dazu, dass sie sich in diesem Gebiet immer nur für eine begrenzte Zeit niederließen und hier lebten. Dies wurde als eine Bedrohung der Sicherheit, der öffentlichen Ordnung und der Überwachung dieses Gebietet angesehen. Aus diesem Grund wurden auch die westanatolischen Cepnis – wie schon die Cepnis aus der Schwarzmeerregion – als Räuberbande angesehen und es wurde versucht, diese unter Kontrolle zu halten. S. hierzu Anlage 17.

Die osmanischen Herrscher hatten die westanatolischen Cepnis als einen Faktor ausgemacht, der die Bevölkerung dieses Gebietes sowie dessen Gesellschaftsordnung bedrohte, und legten eine Politik fest, die sich ausschließlich auf die Cepnis bezog. S. hierzu Anlage 18.

Mit dem Sesshaftwerden der Cepnis in der Zeit von Ahmed Vefik Pascha war dies in gewisser Hinsicht auch der Versuch, die nomadisch lebenden Cepnis unter Kontrolle zu bringen. Aus diesem Grund wurden diejenigen “Dedes”, die in das Gebiet kamen, um die

“Cem”-Zeremonie der Cepnis auszuführen und um Praktiken wie “Görgü”

(“gemeinschaftliche Problemlösung) und “Musahiplik”, d.h. die “Weggefährtenschaft”, auszuüben, von den Herrschern unter Überwachung gestellt; auch wurde gefordert, dass die Cepni-Laienanhänger den religiösen Kontakt zu den “Dedes” einstellten. S. hierzu Anlage 19.

Diese Politik der Überwachung der Cepni-“Dedes” durch die osmanischen Herrscher war ein Eingriff in deren religiöse Gepflogenheiten. Die angeordnete Beendigung der Beziehung zwischen “Dedes” und Laienanhänger war aus soziologischer Sicht ein Vorgehen, das einer zwangsassimilierung glich. Doch allen von den Herrschern auferlegten Zwängen zum Trotz brach der Dialog der westanatolischen Cepnis zu den “Dedes” nicht ab. Bis heute wurde und wird der Dialog zwischen “Dedes” und Laienanhänger intensiv gepflegt; auch werden die Gebetspraktiken weitergeführt. Die westanatolischen Cepnis sind eine der bedeutendsten alevitischen Gruppen, die die zum Alevitentum gehörenden geschichtlichen bzw. traditionellen Praktiken bis ins 21. Jahrhundert tradiert hat. Die Cepnis in der südlichen Marmara-Region sowie in der Ägäis-Region haben noch heute religiösen Kontakt über die

100

drei geistlichen “Dede”-Orden. Den heutzutage vorrangigen Einfluss in diesem Gebiet hat der

“Köse Süleyman”-Orden. Der “Imam Musa-i Kazım”-Orden in Gaziantep schickt “Dedes” in bestimmte Dörfer in Balıkesir und Izmir. Der dritte Orden ist der “Dede Kargın”-Orden. Ein Teil der in Westanatolien gelegenen Cepni-Dörfer beschreibt Letzteren als den historischen Orden.218

Noch heute lebt in der südlichen Marmara-Region und in der Ägäis-Region eine wichtige Cepni-alevitische Gemeinschaft. Die Cepni-Dörfer in der südlichen Marmara-Region und in der Ägäis-Marmara-Region sind:

a. Balıkesir

a.1. Balıkesir-Zentrum 1. Karamanlar

2. Kabakdere 3. Kuşkaya 4. İnkaya 5. Ortamandıra 6. Bahçedere

a. Viertel Kavakbaşı b. Viertel Fındıklı 7. Çukurhüseyin

8. Köteyli (Ein Teil der Einwohner sind Cepnis.) 9. Türkali (Ein Teil der Einwohner sind Cepnis.)

218 Die Cepnis aus der südlichen Marmara- und der Ägäis-Region berichteten uns, dass in früheren Zeiten die

“Dedes” des “Dede Kargın”-Orden in ihre Dörfer kamen, um dort die Funktion des “Dede” auszuüben. In diesem Kontext sind die von uns im Dorf Kocasinan (Sındırgı, Balıkesir) zusammengetragenen Informationen sehr wichtig.

Im Dorf Kocasinan wird durch den Ausspruch “Dede Kargın çarpsın ben bir suç işlemedim”, d.h. “Möge mich Dede Kargın treffen, ich habe mir nichts zu Schulden kommen lassen”, den eine Person, die aufgrund einer Unterlassung ungerechtfertigterweise beschuldigt wird, tut, deren Legitimität und die Tatsache, dass diese dieses Vergehen nicht begangen hat, unterstrichen.

101 10. Deliklitaş

11. Aliağa (Dübecik) 12. Aynaoğlu

13. Macarlar 14. Çiftlikköy

15. Yeşilyurt (Çoraklık) 16. Gökçeören

17. Yaylacık

a.2. Landkreis Susurluk

18. Danaveli

a.3. Landkreis Kepsut

19. Armutlu

a.4. Landkreis Sındırgı

20. Kocasinan (Cehennemdere) a.5. Landkreis İvrindi

21. Soğanbükü a.6. Landkreis Balya

22. Değirmendere (Kömürdere) 23. Kocabük

a.7. Landkreis Bigadiç

24. Akyar

25. Yeşildere (Kanlıkavak) 26. Güvemçetmi

102 27. Elyapan

28. Özgören (Yumrukluçetmi) 29. Kozpınar

a.8. Landkreis Manyas 30. Kapaklı

31. Ortschaft Salur a. Viertel Kalebayırı 32. Hekim

33. Çal b. Manisa

b.1. Landkreis Soma 34. Karaçam

35. Ularca

b.2. Landkreis Akhisar

36. Sünnetçiler (Ein Teil der Bevölkerung sind Cepnis.) 37. Ortschaft Beyoba (Ein Teil der Bevölkerung sind Cepnis.) b.3. Landkreis Saruhanlı

38. Ortschaft Dileki 39. Kemiklidere

b.4. Landkreis Turgutlu 40. Çepnidere

41. Çepnibektaş c. Çanakkale

103 c.1. Landkreis Ezine

42. Çetmi d. Izmir

d.1. Landkreis Kınık 43. Bağalanı

a. Viertel Taşpınar (Alle Einwohner sind Cepnis.)

44. Arpaseki 45. Elmadere 46. Çaltı 47. Taştepe 48. Büyükoba 49. Aziziye

d.2. Landkreis Kemalpaşa 50. Sarıçalı

d.3. Landkreis Bergama 51. Pınarköy

52. Narlıca 53. Yalnızev 54. Sarıdere 55. Tepeköy

d.4. Landkreis Dikili 56. Yaylayurt 57. Deliktaş

104 d.5. Landkreis Tire

58. Çayırlı e. Aydın

e.1. Landkreis Söke 59. Sofular

f. Bursa

f.1. Landkreis Mustafakemalpaşa 60. Taşpınar

Eine der historischen Ansiedlungen der Cepnis in Anatolien ist das Gebiet um Gaziantep. Die Region Rumkale, die heute zum Landkreis Yavuzeli der Provinz Gaziantep gehört, ist zu einem der historischen Lebensräume der Cepnis geworden. Auch die im Gebiet um Gaziantep ansässigen Cepnis gehören dem alevitischen Glauben an; noch heute leben sie in diesem Gebiet. Die Lebensräume der im Gebiet um Gaziantep ansässigen Cepnis alevitischen Glaubens sind auf die Landkreise Yavuzeli, Araban und Nizip verteilt:

1.a. Landkreis Yavuzeli (Gaziantep) 1. Sarılar

2. Aşağıkayabaşı (Ein Teil der Einwohner sind Cepnis.) 3. Bülbül

4. Göçmez (Milelis) 5. Kuzuyatağı (Miseyri) 6. Yarımca

7. Sarıbuğday (Ein Teil der Einwohner sind Cepnis.) 8. Kıroğlu (Ein Teil der Einwohner sind Cepnis.)

9. Yukarıyeniköy (Ein Teil der Einwohner sind Cepnis.) 1.b. Landkreis Araban (Gaziantep)

10. Altınpınar 11. Hasanoğlu

105 1.c. Landkreis Nizip (Gaziantep)

12. Köseler219

Bei den in der Region Gaziantep ansässigen Cepnis handelt es sich um eine Gemeinschaft, die die Traditionen, die den alevitischen Glauben ausmachen, fortsetzt. Sie setzt die traditionelle Linie der Beziehung “Dede” und Laienanhänger und “Cem” fort. Die meisten der in dieser Region lebenden Cepnis sind die Laienanhänger des “Dede Kargın”-Ordens. Dieser Zweig der Cepnis dagegen besteht aus Laienanhänger des “Imam Musa-i Kazım”-Ordens.

Heutzutage wird der Ausdruck “Cepni” in der Schwarzmeerregion in der religiösen Bedeutung auch als Beschreibung einer ethnischen Identität, die nicht die Aleviten bezeichnet, verwendet.220 Aus früheren Studien zu den in der Schwarzmeerregion lebenden Cepnis geht hervor, dass die Bezeichnung “Cepni” diese beiden unterschiedlichen Bedeutungen außer Acht lässt, und nur den Volksstamm der Turkmenen – als ethnische Wurzel – hervorhebt. In diesen wissenschaftlich strittigen Texten findet eine Negierung der historischen Verbindung der Cepnis zum alevitischen und ‘’Kızılbaş’’ Glauben statt. Bei diesen Texten wird von den in den Urbar-Codices verzeichneten Namen von Privatpersonen ausgegangen. Die Tatsache, dass zu der Identität eines so großen Gebietes wie der Schwarzmeerregion und der Cepnis, die aus historischer Sicht einen wichtigen Platz in der Geschichte der Region einnehmen, über die Namen von Privatpersonen eine Verallgemeinerung angestellt wurde, ist ein strittiger methodologischer Ansatz.

“In den einzelnen Cepni-Dörfern trifft man nicht nur im 15. Jahrhundert, sondern auch im 16. Jahrhundert häufig auf Personen, die Bekir oder Ömer heißen. Aus diesem Grund charakterisierten sich diese Cepnis niemals mit alevitischen, schiitischen oder “Kızılbaş”-Namen, da es in einem alevitischen (schiitischen oder “Kızılbaş”-) Dorf auf keinen Fall Personen gab, die Bekir, Ömer oder Osman hießen.”221 Untersucht man einen Urbar-Codex, der im Jahre 1515 für die östliche Schwarzmeerregion zusammengestellt wurde, auf die Namen von Privatpersonen hin, so wird man feststellen, dass in diesem Verzeichnis zum wiederholten Male die Namen “Şahkulu”, “Schah Veli”, “Sultan Schah”, “Nur Ali”, “Scheich

219 In den von uns 2011 in diesem Gebiet durchgeführten Feldstudien wurde die cepnische Bevölkerung in den Dörfern von Gaziantep erhoben und registriert.

220 “Çepnilik”, d.h. das Cepni-Sein, ist eine Identität, die die im Gebiet von Şalpazarı (Ağasar) (Trabzon) lebenden Turkmenen als ihre ethnische Wurzel sehen.

221 S. Faruk Sümer, “Çepniler” (Die Cepnis), S. 50, Istanbul 1992.

106

Can Ali”, “Pirî”, “Schah Hüseyin”, “Pirkulu”, “Pirkadem”, “Pirî Veli”, “Pirî Ali”, “Pîr Ali”,

“Pir Gaib”, “Dede”, “Veli”, “Pîr” u. ä. vermerkt sind.222

In früheren Studien wird behauptet, dass die Namen “Bekir”, “Ömer” und “Osman” so gut wie in jedem Dorf zu finden waren, da diese in den historischen Einträgen und Aufzeichnungen häufig vorkamen.223 Nimmt man jedoch eine objektive Analyse dieser Einträge und Aufzeichnungen vor, wird deutlich, dass hier die Namen von Privatpersonen, die die alevitische bzw. die “Kızılbaş”-Identität assoziieren, ziemlich häufig vorkommen. Eine der in diesem Kontext vorrangig zu analysierenden Angabe ist einerseits der immer wieder erscheinende Eintrag des Namens “Pir Gâib”, der im 16. Jahrhundert Leiter der

Taşlıca-“Zaviye” war, als Name einer Privatperson, und das Vorhandensein des Namens “Imad”224 als Männername. Ein Imad ist einer der wichtigsten Bediensteten in der “Cem-Erkan” des

“Güvenç Abdal”-Ordens.225

Es ist bekannt, dass in der alevitischen Tradition der Namensgebung bestimmte Namen wie beispielsweise “Bekir”, “Ömer”, “Osman” und “Ayşe” nicht sehr verbreitet waren. Trotzdem ist in dem Urbar-Codex aus dem Jahre 1515 ein “Kızılbaş”-Gläubiger namens “Ömer” eingetragen. S. hierzu Anlage 20.

Aus den zu diesem Gebiet bereits gemachten Studien geht hervor, dass die Konfessionen Sunnitentum und Hanefitentum das Fundament der Glaubensgeschichte dieses Gebietes bildeten.

“Die überwältigende Mehrheit der in diesen sieben Bezirken bzw. 103 Dörfern lebenden Einwohner waren – wie diejenigen, die in „Vilâyet-i Çepni“, d.h. die „Cepni-Provinz“ lebten – Sunniten (natürlich auch hanefitischer Konfession). Und in fast jedem Dorf dieser Bezirke gab es Menschen, die “Bekir”, “Ömer” oder “Osman” hießen. Der von diesen Namen am häufigsten vorkommende Name ist “Osman”. Man sieht auch, dass es sogar Namenskombinationen wie z.B. “Osman veled-i Ömer”’ (Osman, Sohn von Ömer) gab, die die Sohn-Vater-Beziehung beschrieben. Wie man weiß, heißen Aleviten niemals so. Darüber hinaus gab es in diesen Dörfern – selbst in denjenigen mit nur geringer Einwohnerzahl – den

222 S. diverse Blätter des Urbar-Codex, der im “Başbakanlık Osmanlı Arşivi” (Osmanisches Archiv des Ministerpräsidiums) unter Nummer TT 52 registriert ist.

223 S. Faruk Sümer, “Çepniler” (Die Cepnis), S. 50-51, Istanbul 1992.

224 S. Urbar-Codex, der im “Başbakanlık Osmanlı Arşivi” (Osmanisches Archiv des Ministerpräsidiums) unter Nummer TT 52 registriert ist; S. 616.

225 S. Urbar-Codex, der im “Başbakanlık Osmanlı Arşivi” (Osmanisches Archiv des Ministerpräsidiums) unter Nummer TT 52 registriert ist; S. 616.

107

“Imam”, den “Hatib”, den “Fakih” (islamischer Rechtsgelehrter) und den “Müezzin”. Diese Tatsache belegt einerseits, dass die Einwohner sunnitischen Bekenntnisses waren, und zeigt andererseits, dass es in diesen Dörfern auch gebildete Menschen gab. Nicht nur zu jener Zeit, sondern sogar in den vergangenen Jahrhunderten gab es in vielen anderen Regionen der Türkei nicht so viele Geistliche.”226

Es ist nur natürlich, dass sich in den historischen Einträgen und Aufzeichnungen Namen von Personen, die Aufgaben wie “Imam”, “Hatib”, “Fakih” und “Müezzin”

ausführten, in den einzelnen Ansiedlungen in diesem Gebiet finden. Die geographische Gegend um Kürtün, die diese einschließt, war bis in jüngste Zeit ein Gebiet, in dem unterschiedliche Ethnien und Glaubensgruppen neben- und miteinander gelebt haben.

Selbstverständlich haben auch Gemeinschaften sunnitischen Bekenntnisses ihren Platz in der Geschichte dieses Gebietes eingenommen. Diese Gemeinschaften und Gruppen haben ihre eigene Identität und ihren eigenen Glauben fortgeführt. Aus den historischen Quellen geht hervor, dass neben den sunnitischen Geistlichen wie “Imam” und “Müezzin” in diesem Gebiet auch die religiösen Anführer der alevitischen und der “Kızılbaş”-Gläubigen, die mit den Titeln “Halife”, “Derwisch”, “Scheich”, “Zaviye”-Leiter und “Pir” erwähnt werden, aktiv waren. S. hierzu auch Anlagen 21 und 22.

In manchen Studien zur Geschichte des Gebietes um Kürtün tritt eine eher nationalistische Sicht in den Vordergrund, die die ethnische Struktur dieses Gebietes und dessen religiöses Profil in einem mechanisch-subjektiven Ansatz interpretiert. Erklärt man die ethnische Struktur dieses Gebietes ausschließlich mit einem türkischen Element und die religiöse Identität mit dem Moslemsein bzw. unter dem Aspekt der sunnitischen Konfession, steht auch dies im Widerspruch zu den historischen Informationen.

“Alle Einwohner dieser 162, dem Kreis Kürtün angehörenden Dörfer sind moslemische Türken, und die überwältigende Mehrheit ist sunnitisch. Die Nicht-Muslime lebten nur im Küstenstreifen; sie hatten ihre Hochburgen in Giresun, Tirebolu und Görele. Im Jahre 1515 waren 828 dieser Nicht-Muslime steuerpflichtig.”227

Untersucht man die Einträge und Aufzeichnungen zur Geschichte dieses Gebietes, erfährt man, dass im Gebiet um Kürtün neben Turkmenen und Muslimen auch Byzantiner und Christen gelebt haben. In einem Urbar aus diesem Gebiet aus dem Jahre 991 nach dem

226 S. Faruk Sümer, “Çepniler” (Die Cepnis), S. 90, Istanbul 1992.

227 S. Faruk Sümer, “Çepniler” (Die Cepnis), S. 63, Istanbul 1992.

108

islamischen Hicri-Kalender (TD 29) wird erwähnt, dass im Dorf Taşlıca eine byzantinische Gemeinschaft lebte.228

Die Tatsache, dass im Dorf Taşlıca eine byzantinische Bevölkerung lebte, ist hinsichtlich der Geschichte des “Güvenç Abdal”-Ordens ebenfalls wichtig. Das Ziel der Derwische war es, den Menschen ein Leben vorzuleben, das fern von Auseinandersetzungen und Zerfall war, und die Liebe als das Wesentliche in den Vordergrund stellte.

Es ist bekannt, dass neben den subjektiven Arbeiten zur Geschichte des Gebietes um Kürtün auch objektive Feststellungen gemacht wurden. In diesen Studien wird angegeben, dass auch die geographische Gegend, in der das Gebiet um Kürtün liegt, ab dem 16.

Jahrhundert unter den Einfluss der Safawiden aus Ardebil geraten war, und dass diese eine große Anzahl innerhalb der Bevölkerung dieses Gebietes ausmachten.

“Zu Beginn des 16. Jahrhunderts gelangten die Anhöhen des Ağasar-Tals sowie die Sommerweideflächen unter den Einfluss der Safawiden. Folglich waren die Safawiden wahrscheinlich kurz vor dem Çaldıran-Krieg bis in diese Gebiete vorgedrungen und hatten die Entvölkerung dieser Ansiedlungen eingeleitet. Dabei schafften sie es, dass sich ein Großteil der Einwohner der Region ihnen anschloss.”229

Eine weitere Bezeichnung für die im Gebiet um Kürtün ansässigen alevitischen und

“Kızılbaş”-Gläubigen ist der Ausdruck “Kürtünlü”, d.h. “aus Kürtünlü”. Das Wort “Kürtünlü”

wurde in der Geschichte verwendet, um eine bestimmte Gemeinschaft zu bezeichnen. Die historische Quelle des Ausdrucks “Kürtünlü” ist die alevitische und “Kızılbaş”-Bewegung in

wurde in der Geschichte verwendet, um eine bestimmte Gemeinschaft zu bezeichnen. Die historische Quelle des Ausdrucks “Kürtünlü” ist die alevitische und “Kızılbaş”-Bewegung in