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Das von Hacı Bektaş Veli vertretene kontemplative und religiöse System ist eine Philosophie, die den Menschen in ihr Zentrum stellt. Im Mittelpunkt der Welt, des Seins, des Lebens und der gesellschaftlichen Entwicklung steht der Mensch. Zwei weitere grundlegende Elemente dieser humanistischen Philosophie sind Liebe und Toleranz. Der Glaube stützt sich auf den Menschen und erfährt in diesem seine Bedeutung. Alle metaphysischen Anschauungen bilden eigentlich einen Teil des Seins. Die Grundlage der Philosophie von Hacı Bektaş Veli drückt sich idealerweise durch İbn Arabi aus, der von der Philosophie

“Vahdet-i Vücud”, d.h. “Einheit der Gläubigen”, zur Philosophie “Vahdet-i Mevcud”, d.h.

“Einheit der Anwesenden”, die die Einheit aller vorhandenen Teile der Geschöpfe annimmt, überging.64 “Ehl-i beyt”, d.h. die Familie des Propheten Mohammed, die die Grundlage der Philosophie von Hacı Bektaş Veli bildet, stützt sich auf die ‘Liebe zu den 12 Imamen’ und auf die sufistische Tradition, die durch “Die vier Tore und die 40 Stufen” (“Dört kapı-kırk makam”) symbolisiert wird. Die Tore “şeriat” (die Scharia, d.h. das Gesetz, “tarikat” (der Weg, der mystische Weg), “marifet” (das Tor der Erkenntnis, das Wissen) und “hakikat” (die Wahrheit) sowie deren einzelnen Stufen bilden die Grundlage der Philosophie von Hacı Bektaş Veli. Alles Denken erfolgt für den Menschen. Der Mensch ist der einzige Mittelpunkt der Idealform, die als “kamillik”, d.h. die Vervollkommnung, beschrieben wird. Die Anschauung “İnsan-ı kamil”, d.h. die Vervollkommnung des Menschen, der die Weisheit erreicht hat, ist Ausdruck für den normalen, für den idealen Menschen.65 Die Philosophie von Hacı Bektaş Veli ist ein universeller Ansatz, der außerhalb von Formierungen wie Konfessionen und Sekten sowie den damit verbundenen Diskussionen bleibt, und der Nach den 1940er Jahren dagegen riss der Dialog zwischen “Dedes” und Laienanhänger ab und die Aleviten aus Gerede nahmen den sunnitischen Glauben an. Trotz des dazwischenliegenden Zeitraums wurde uns in den von uns 2008 in diesem Gebiet geführten Interviews mitgeteilt, dass “Dedes” aus den Dörfern Kargın und Sele in ihre Dörfer gekommen seien, um die “Cem”-Zeremonie auszuführen und um die “Görgü”- und die “Musahip”-Veranstaltungen durchzuführen. Manche Interviewer haben insbesondere mit den “Dedes”, die aus dem Dorf Kargın kommen, Einzelgespräche geführt. Trotz des Wandels von Identität und Glaube ist es äußerst wichtig, dass die Tatsache, dass sie dem “Şah Kalender Veli”-Orden angehören und dass ihre “Dedes” aus Çubuk gekommen waren, im Gedächtnis der Bevölkerung dieser Region gespeichert bleibt. Dieses Beispiel zeigt, wie wichtig die Ordenszugehörigkeit der alevitischen Orden ist und dass diese ein Merkmal aufweist, das akzeptiert und verinnerlicht ist. S. Coşkun Kökel, “Çankırı İlindeki Alevi Köyleri Hakkında” (Über die alevitischen Dörfer in der Provinz Çankırı), “Türk Kültürü ve Hacı Bektaş Veli Araştırma Dergisi” (Zeitschrift zu den Forschungen zur türkischen Kultur und zu Hacı Bektaş Veli), Ausgabe: 48, S. 13, Ankara 2008.

64Vgl. Schimmel, Sufismus und Volksfrömmigkeit, S.157-266, Stuttgart 1990. Mehmet Yaman, Alevilik. İnanç-Edeb-Erkân, S. 289, Istanbul 1995.

65Markus Dressler, Die Alevitische Religion, Traditionslinien und Neubestimmungen, S. 111f., Würzburg 2002.

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Stereotype wie Rasse, Geschlecht, Herkunft und Religion überwindet.66 Das Alevitentum wurde über die Jahrhunderte als “Yol”, d.h. “Weg”, definiert. Der Ausdruck “Weg” stellt das Alevitentum auf eine Position, die sich von den üblichen Definitionen von Konfession, Ordensgemeinschaft bzw. Sekte oder Gemeinde unterscheidet. Das “Alevitentum” ist zur Bezeichnung einer Glauben, Kultur, Natur, Mensch, Leben und Gesellschaft umfassenden Philosophie, eines Ansatzes, einer Weltanschauung und der Lehre geworden. Insbesondere in letzter Zeit wird beobachtet, dass sich hinsichtlich der Definition des Alevitentums unterschiedliche Formierungen entwickelt haben. Es kann beobachtet werden, dass, neben den Bestrebungen, das Alevitentum als eine Religion, eine Konfession oder eine Ordensgemeinschaft bzw. Sekte zu definieren, auch Erklärungen zur Sprache gebracht werden, die – alle einzeln – dem Fundament entgegenstehen und historischen und wissenschaftlichen Gegebenheiten widersprechen. In den Interviews, die wir in unterschiedlichen Gebieten Anatoliens einzeln mit den in Tunceli ansässigen Ordensmitgliedern geführt haben, wurde von den ordenszugehörigen “Dedes” und Laienanhänger das Alevitentum einvernehmlich als ein “Weg” definiert.67 Die Bezeichnung

“Weg” wurde in den alevitischen und Bektaşischen Sinnsprüchen und religiösen Gedichten, die die Geschichte des Wissens aus Jahrhunderten sind, häufig verwendet und wird als Definition des Alevitentums angesehen:

“Gel güzel yola gidelim Adı güzel Ali ile

Açlar doyar susuz kanar Leblerinin balı ile”

„Komm‘, lass‘ uns zum schönen Weg geh’n, Mit Ali ist sein Name schön,

Die Hungrigen werden satt, der Durstige löscht seinen Durst,

66 Anton Josef Dierl, Geschichte und Lehre des Anatolischen Alevismus-Bektaşismus, Frankfurt 1985.

67 Interviewpartner waren hier: Mitglieder des “Gözükızıl”-Ordens in Damal (Ardahan), Aleviten in Kısas (Urfa), die von den Stämmen Hıdırsor und Kâv abstammenden Aleviten, welche in Adıyaman ansässig sind, den in Gaziantep lebenden Aleviten (Avşar-, Yalavaç-Turkmenen), den überwiegend in der Schwarzmeerregion ansässigen “Dedes” und Laienanhänger, die zum “Güvenç Abdal”-Orden gehören, den Cepni- und den Tahtacı-Aleviten in der Ägäis-Region, den Tahtacı-Aleviten, die zu den in Deliorman (Bulgarien) ansässigen Pazartesili- und Çarşambalı-Brüderschaften gehören, den Aleviten, die zum “Seyyid Ali Sultan”- (“Kızıldeli”)-Derwischorden in West-Thrakien (Griechenland) gehören, den albanischen Bektaşiten, die in Albanien, Makedonien und im Kosovo ansässig sind, den Mitgliedern des Tozluoğlu-Ordens, die in Akşehir (Konya) ansässig sind, den

“Dedes” und Laienanhänger des “Hubyar Sultan”-Ordens mit Hauptsitz in Almus (Tokat), den Mitgliedern des

“Kul Himmet”- und des “Keçeci Baba”-Ordens, den Mitgliedern der Abdal Musa-Brüderschaft in Tekkeköy (Elmalı, Antalya) sowie den Mitgliedern des “Veli Baba Sultan”-Ordens in der Ortschaft Uluğbey (Senirkent, Isparta).

43 Mit dem Honig seiner Lippen.“

Pir Sultan Abdal

“Herkes ile alıp satma Helalı harama katma Yolun eğrisine gitme İncinme gönül incinme”

„Mache nicht mit jedem Geschäfte,

Mische das Gute nicht unter das Schlechte, Weiche nicht vom Weg ab,

Sei nicht gekränkt, Herz, sei nicht gekränkt.“

Pir Sultan Abdal

“Bizim yola yeni bir yol demişler Bir lokmayı kırk can ile yemişler Erenler de doğru yolu komuşlar Biz gidelim gitmeyenden bize ne”

„Unseren Weg nannten sie den Neuen Weg, Ein Mahl aßen sie mit vierzig Gläubigen, Auch die Mystiker fanden den richtigen Weg,

Egal, was die Zurückbleibenden machen, lasst uns gehen.“

Pir Sultan Abdal

“Gönlümü gönderdim neye erecek Gönül gözü ile Hakk’ı görecek Hakk’ın divanına doğru varacak Yolum var neyleyim dünya malını”

„Ich schickte mein Herz, auf dass es irgendwohin gelange, Mit seinem Auge wird es Gott schauen,

Es wird direkt zu Gottes Thron kommen,

Ich habe meinen Weg gefunden, was soll ich mit den irdischen Gütern anfangen?“

Pir Sultan Abdal

Diese Mitglieder der Orden und Brüderschaften, berichteten uns, dass das Alevitentum nicht als Religion, Konfession und Ordensgemeinschaft bzw. Sekte aufgefasst werden sollte,

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sondern die universellen Werte der Menschlichkeit sowie “Ehl-i beyt” vertrete und dass es die Antwort auf die Auslegung des Islam darstelle. Der als “Dreier”-Glaube ausgedrückte Ausspruch “Allah, Mohammed ya Ali”, d.h. “Allah, Mohammed und Ali”, wird daher in den Gebeten von “Dedes” und “Babas” häufig verwendet; dies drückt das ontologische Fundament des alevitischen Glaubens aus. Die alleinige Existenz Gottes, der Propheten- und der Heiligenglaube, die Prophetenschaft des Heiligen Mohammed, die “Velâyet”-Stufe sowie der Glaube, dass der Heilige Ali der Führer der “Veliler” sei, wird von allen Gemeinschaften alevitischen und Bektaşischen Glaubens allgemein akzeptiert. In gewisser Hinsicht ist dieser

“Dreier”-Glaube, das Hauptprinzip des Alevitentums, eine wichtige Quelle gegen die in letzter Zeit gemachten verschiedenen Erklärungen zum Alevitentum.

Wichtig ist der Prozess, den der Mensch in seiner Denkweise und in der Ausübung seiner Religion durchlebt.68 Die Philosophie von Hacı Bektaş Veli ist eine Haltung, die die

68 Annemarie Schimmel, Drei Türkische Mystiker: Yunus Emre-Kaygusuz Abdal-Pir Sultan Abdal, Bonn 1962.

Es gibt zahllose religiöse Gedichte und Sinnsprüche, die Elemente wie beispielsweise “Inanç”, d.h. der Glaube,

“Iman”, d.h. das Glauben und “Varlık”, d.h. die Existenz, das Wesen bei der inneren Wandlung des Menschen aufnehmen. Der nachstehende, von Pir Sultan geschriebene religiöse Gedicht zeigt die Verbindung zwischen Mensch und Glaube mit all ihrer Ästhetik:

‘’Gitme giden gitme haber sorayım Ya bu dünya neyin üstünde durur Pir Sultan’ım der ki ben onu gördüm Dünya da bir sarı öküzün üstünde durur

„Geh‘ nicht, Wanderer, geh‘ nicht, lass‘ mich dich etwas fragen, Nun, worauf ruht diese Welt?

Mein Pir Sultan sagt: Ich habe es gesehen, Die Welt ruht auf einem Ochsen mit hellem Fell.

Gitme giden gitme bir dahi soram Ya bu öküz neyin üstünde durur Pir Sultan’ım der ki ben onu gördüm Öküz de bir salın üstünde durur

Geh‘ nicht, Wanderer, geh‘ nicht, lass‘ mich dich noch etwas fragen, Nun, worauf ruht dieser Ochse?

Mein Pir Sultan sagt: Ich habe es gesehen, Der Ochse ruht auf einem Floß.

Gitme giden gitme bir dahi soram Ya bu sal da neyin üstünde durur Pir Sultan’ım ben onu gördüm Sal da bir balığın üstünde durur

Geh‘ nicht, Wanderer. geh‘ nicht, lass‘ mich noch etwas fragen, Nun, worauf ruht dieses Floß?

Mein Pir Sultan sagt: Ich habe es gesehen, Das Floß ruht auf einem Fisch.

Gitme giden gitme bir dahi soram Ya bu balık neyin üstünde durur

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Tatsache des Glaubens als zum Menschen zugehörig betrachtet. Die ganze Bedeutung dessen wird in folgendem Spruch ausgedrückt: “Das größte Buch, das man lesen muss, ist der Mensch”. Alle religiösen Praktiken, Gebete und Rituale gehören zur religiösen Welt jedes einzelnen Menschen. Maßgebend sind Vervollkommnung, Liebe und Toleranz. Die Philosophie von Hacı Bektaş Veli wurde bezüglich dieser grundlegenden Merkmale in manchen historischen Texten als einseitig interpretiert und bewertet.69 In gewisser Hinsicht war diese Auslegung und diese Kritik an der Philosophie von Hacı Bektaş Veli im mittelalterlichen Anatolien des 13. Jahrhunderts nur natürlich, da das damalige gesellschaftliche und geistige Profil vorherrschend eine formale und mechanische Auffassung von Religion beinhaltete.

Einer der wichtigen Punkte, der dem mechanischen und starren Verständnis der Philosophie von Hacı Bektaş Veli widersprach, war die Überwindung der Geschlechtertrennung. Die grundlegende Ausübung des alevitischen bzw. des bektaşischen Glaubens ist der “Cem”, dessen Merkmal es ist, dass er in der Gemeinschaft durchgeführt wird. Aus diesem Grund schließt das Wort “Can” (Seele, Wesen) in seiner Verwendung im Pir Sultan’ım der ki ben onu gördüm

Balık da deryanın üstünde durur

Geh‘ nicht, Wanderer, geh‘ nicht, lass‘ mich dich noch etwas fragen, Nun, worauf ruht dieser Fisch?

Mein Pir Sultan sagt: Ich habe es gesehen, Der Fisch ruht auf dem Meer.

Gitme giden gitme bir dahi soram Ya bu derya neyin üstünde durur Pir Sultan’ım der ki ben onu gördüm Derya da ikrarın üstünde durur

Geh‘ nicht, Wanderer, geh‘ nicht, lass‘ mich dich noch etwas fragen, Nun, worauf ruht dieses Meer?

Mein Pir Sultan sagt: Ich habe es gesehen, Das Meer ruht auf dem Bekenntnis.

Gitme giden gitme bir dahi soram Ya bu ikrar neyin üstünde durur Pir Sultan’ım der ki ben onu gördüm İkrar da imanın üstünde durur”

Geh‘ nicht, Wanderer, geh‘ nicht, lass‘ mich dich noch etwas fragen, Nun, worauf ruht dieses Bekenntnis?

Mein Pir Sultan sagt: Ich habe es gesehen, Das Bekenntnis ruht auf dem Glauben.“

Dieses religiöse Gedicht wurde einer Sammlung religiöser Gedichte von Aşık Salih Çevik, eines in Eskiköy (Akçaabat, Trabzon) ansässigen Laienanhänger des “Güvenç Abdal”-Ordens, entnommen.

69 Ahmed Eflâki erwähnt, dass Hacı Bektaş Veli nicht auf das Äußere geachtet, die Scharia nicht eingehalten und nicht gebetet habe. S. Ahmed Eflâki, “Ariflerin Menkıbeleri” (Die Legenden der Weisen), üb. v. Tahsin Yazıcı, Istanbul 1986.

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alevitischen bzw. bektaşischen Glauben alle Menschen ein.70 In diesem Kontext lässt sich die Paradoxität der Anstrengungen, das Alevitentum als Ausgangspunkt für die Grundlage des Islams zu definieren, bis hín zur Bezeichnung als eine Glaubensrichtung, die nicht den Islam zugehörig ist, ablesen.71 Das Alevitentum ist im Kontext des “Dreier-Glaubens” ein philosophisches und ein religiöses Systems, das sich die Werte Vereinigung, Prophetentum und Imamentum sowie Heiligenverehrung zur Grundlage gemacht hat.

Der zweite grundlegende Wert im Alevitentum ist der “Ehl-i beyt”-Glaube, der auch als “Fünfer-Glaube” bezeichnet wird. “Ehl-i beyt” ist die Familie des Propheten, und ihre Sichtung schriftlicher Quellen zu den Ordensgemeinschaften wie beispielsweise Stammbaum (“şecere”), Erlaubnis (“icazet”), Urkunde (“berat”) und Stiftungsurkunde (“vakfiye”) geht hervor, dass anerkannt wird, dass alle Familien ordenszugehöriger “Dedes” von dem Stamm der 12 Imame abstammen.72 Nach der religiösen Überzeugung der anatolischen Aleviten hat

“Ehl-i beyt” mit den “12 Imamen” und danach mit Hacı Bektaş Veli und den anderen Mystikern die Jahrhunderte überdauert und lebt bis in unsere Zeit weiter.

Die anatolischen Aleviten erkennen an, dass “Ehl-i beyt” durch die 12 Imame fortbesteht, und dass “Evlad-ı Resul” (“Sohn des Propheten”) und “Nesl-i Ali” (“Geschlecht des Ali”) über die 12 Imame an die Heiligen und die Mystiker weitergegeben wurde.

70 Bei der alevitischen und Bektaşischen “Cem”-Zeremonie drücken die Bezeichnungen “Dede”, “Baba”,

“Anabacı”, “Bacı” und “Derwisch” alle anderen religiösen Ränge aus, die nicht “Can”, d.h. die Seele, der/die Gläubige”, beschreiben.

71 Beim Zusammentragen von Informationen, die wir in Gesprächen mit “Dedes” erhalten haben, die unterschiedlichen Orden und Brüderschaften in verschiedenen Gebieten Anatoliens angehören, haben diese ihren Glauben nicht als nicht-islamisch definiert. Dahingegen haben sie Erklärungen dahingehend abgegeben, dass das Alevitentum eine religiöse Überzeugung sei, die sich vom Sunnitentum unterscheide und die ein philosophisches und religiöses System sei, das eigenständige Merkmale und Eigenschaften aufweise.

72 Der “Ali Baba”-Orden ist in Sivas organisiert und hat dort seinen Hauptsitz. Dieser Orden hat viele Laienanhänger. Ali Baba lebte im 16. Jahrhundert; in den Dokumenten und Urkunden, die sich auf den von ihm in Sivas gegründeten Derwischorden beziehen, wird die Verbindung von Ali Baba und dessen Geschlecht zu den 12 Imamen behandelt.

Auch als Hacı Bektaş Veli nach Anatolien gekommen war, wurde gesagt, dass sein Geschlecht auf die 12 Imame und auf das Geschlecht von Musa-i Kazım zurückginge und dass sein Naturell von Mohammed Ali stamme. S.

Abdülbaki Gölpınarlı, “Vilâyet-Nâme”, Manâkıb-ı Hünkâr Hacı Bektâş-ı Velî, Istanbul 1995.

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Die Organisierung zwischen den einzelnen geistlichen alevitischen “Dede”-Orden sowie das religiöse System wurde durch religiöse Praktiken, mystisches Verständnis und die Ausübung von Ritualen vervollkommnet. Das Fundament hierfür liegt in der religiösen Zeremonie, dem “Cem”. Trotz der Unterschiede der Orden, der Brüderschaften und der Regionen ist der “Cem” die grundlegende Gebetsform der Aleviten. In der traditionellen Sprache der alevitischen Gemeinschaften ist die Auslegung “Yol bir sürek bin bir” (“Ein Weg, aber tausendundeine Brüderschaft”) die Erklärung für die Existenz der alevitischen Orden. Alle Orden haben ein ihnen eigenes, religiöses Profil, das sie bewahren.

Die auch als „Erkan“, “Hizmet“ oder „On iki hizmet“ und „Sürek“ bezeichneten Ausübungen der religiösen Praktiken der einzelnen Orden weisen Unterschiede zwischen diesen auf. Diese Unterschiede haben ihren Zusammenhalt noch gestärkt, ohne Anlass für eine interne Spaltung bzw. eine Abspaltung zu geben. Die Ausübung des “Cem” in den einzelnen Orden zeigt eine Individualität. Die von den Orden weitergeführten Brüderschaften werden in zwei Hauptgruppen, die auf “Erkan” basieren, unterteilt. Eine Gruppe der geistlichen alevitischen “Dede”-Orden sind die “Pençeli”-Orden. Die “Pençeli”-Orden bekennen sich in der “Cem”-Zeremonie zu ihrem Glauben, verbrüdern sich und führen die

“Görgü”-Veranstaltung aus; hierbei führen sie das “Pençe”-Ritual aus. In den “Pençe”-Orden werden diese Zeremonien durchgeführt, indem der auf dem Fell sitzende “Dede” mit seiner rechten Hand über den Rücken eines Laienanhängers streicht.73 In einigen der “Pençe”-Orden wird dies drei-, in anderen fünfmal ausgeführt. Die rechte Hand des “Dede” und deren fünf Finger symbolisieren “Ehl-i beyt”.74 Die zweite Gruppe dagegen bilden die “Erkan”- (“Tarık”-)-Orden. In den Zeremonien der “Erkan”-Orden bekennt man sich zu seinem Glauben, verbrüdert sich und erweist Ehre und Respekt mit “Erkan” (“Tarık”). “Erkan”

(“Tarık”) stammt vom Tuba-Baum, der im Paradies steht.75 Manche Ordensmitglieder vertreten die Überzeugung, “Erkan” stelle “Rıdvan ağacı” dar. Der Ort, an dem die Hudeybiye-Huldigung stattfindet, liegt unter dem “Rıdvan”-Baum. Die Gemeinschaft, die

73 Während der “Dede” in den “Pençe”-Orden das Bekenntnis entgegennimmt, Weggefährten bestimmt bzw. die

“Görgü”-Veranstaltung abhält, streicht er mit seiner rechten Hand über den Rücken des Laienanhänger. In manchen Gebieten werden dafür Ausdrücke wie “Pençe çalmak”, “Pençelenmek”, “Pençeden geçmek”,

“Şaplak” u. ä. verwendet.

74 “Ehl-i beyt” wird im alevitischen Glauben auch als “Fünfer”-Glaube bezeichnet. “Ehl-i beyt” besteht aus dem Heiligen Mohammed, dem Heiligen Ali, der Heiligen Fatıma, dem Heiligen Hasan und dem Heiligen Hüseyin.

“Ehl-i beyt” ist die Familie des Heiligen Mohammed, das Geschlecht des Propheten, die über dessen Tochter, die Heilige Fatıma, fortgesetzt wurde. Die Nachkommen aus dem Geschlecht des Heiligen Hasan werden “Şerif”, diejenigen aus dem Geschlecht des Heiligen Hüseyin “Seyyid” genannt.

75 Bei den im Gebiet von Eskişehir ansässigen Mitgliedern des “Ali Koç Baba”-Ordens führt ein Laienanhänger, der “Tarıkçı Baba” genannt wird, die “Tarık”-Pflicht aus. In anderen Orden ist es üblich, dass der “Dede” diese Pflicht ausführt.

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einen Pakt mit dem Heiligen Mohammed schloss, hatte sich unter dem “Rıdvan”-Baum versammelt und so ihren Zusammenhalt und ihr Zusammensein mit dem Propheten bestätigt.76 Aufgrund der Tatsache, dass die “Erkan”-Quelle unter dem “Rıdvan”-Baum entsprungen ist, beziehen sich die Ordensmitglieder, die aufgrund ihres Bekenntnisses in der Geschichte auch als “Rıdvan biatı”, d.h. diejenigen, die “Rıdvan” huldigen, bezeichnet werden, auf die Verse 18 und 19 der Fetih-Sure, mit denen sie die Quelle für ihre Erklärung angeben. Der von den in den Dörfern Büyükyayla und Salihler (Eskişehir) ansässigen Mitglieder der “Ali Koç-Babas” verwendete “Erkan” wird aus dem Holz des Gemeinen Quittenbaums gefertigt. Der Gemeine Quittenbaum trägt keine Früchte. Nach der religiösen Überzeugung wurde dem Gemeinen Quittenbaum die Aufgabe übertragen, “Tarık” zu werden.

Ein Teil der im Dorf Karalar (Deliorman, Bulgarien) ansässigen “Babas” fertigen die von ihnen während der Feier verwendeten “Tarıks”” (“Erkans”) aus den Zweigen eines Baumes, der neben dem Grabmal von “Musa Baba” steht und der als heilig verehrt wird.

In der von uns in Anatolien durchgeführten Feldstudie wurde jedoch festgestellt, dass manche geistlichen alevitischen “Dede”-Orden gleichzeitig sowohl die “Pençe”- als auch die

“Erkan”- (“Tarık”)-Zeromonie vornehmen.77

Bei der Tradition der Aufnahme von Laienanhänger, die die Mitglieder des “Şeyh Hamza Dede”-Ordens mit Hauptsitz in der Ortschaft Kayabelen (Şuhut, Afyonkarahisar) ausführen, gibt es drei Stufen, “Ikrar”, d.h. das Bekenntnis, (“Sechser”), “Musahip”, d.h. der Weggefährte, (“Zwölfer”) und “Geçmeli” (“Aufgenommen”). Bei der “Cem”-Zeremonie der Mitglieder dieses Ordens werden die Stufen “Ikrar”, d.h. das Bekenntnis, (“Sechser”) und

“Musahip”, d.h. der Weggefährte, (“Zwölfer”), bei der “Pençe”-Zeremonie dagegen “Erkan”

und “Pençe” angewendet.

Während die “Dedes”, die Mitglieder des “Şücaaddin Veli”-Ordens mit Hauptsitz im Dorf Aslanbeyli (Seyitgazi, Eskişehir) sich an die “Pençe”-Tradition halten, halten dessen Laienanhänger, die Aleviten, die in Deliorman (Bulgarien) leben und als “Pazartesili”

bezeichnet werden, “Erkan“ (“Tarık”) ein.

Auch der dem “Şücaaddin Veli”-Orden unterstehende “Hasan Dede”- (“Karpuzu Büyük Hasan Dede”)-Orden und die diesem unterstehenden “Şah Kalender Veli”-, “Hacı

Auch der dem “Şücaaddin Veli”-Orden unterstehende “Hasan Dede”- (“Karpuzu Büyük Hasan Dede”)-Orden und die diesem unterstehenden “Şah Kalender Veli”-, “Hacı