• Keine Ergebnisse gefunden

Teil 1: Überblick

4 Ein Blick in die traditionelle chinesische Medizin (TCM)

4.1 Theoretische Grundbegriffe der TCM

4.1.7 Funktionsbereiche

Eine Ansammlung von menschlichen Funktionsäußerungen, klinischen Symptomen und äußeren Beobachtungsdaten welche auf Grund ihrer Entsprechung einer bestimmten Wandlungsphasen-Qualifikation zugeordnet wird, nennt man einen Funktionsbereich: Zang [84]. Die medizinische Wissenschaft, die alle diese Erscheinungen miteinander und mit den makrokosmischen Vorgängen in Beziehung setzt: mit dem Wetter, der Jahreszeit oder dem Stand von Sonne und Mond, heisst Zang-Xiang, die Lehre von den Erscheinungen der Funktionskreise [84]. In einem Xiang werden alle zusammengehörigen, komplexen Vorgänge zusammengefaßt, welche zu einem Funktionskreis Zang gehören. Die Benennung nach einem vermeintlichen Organ hat nur bildhafte Bedeutung. Die Namensgebung der Funktionskreise erfolgte historisch ausschließlich emblematisch nach den Organen der Lebewesen, da man ihnen bildhaft bestimmte Funktionen zuschrieb [85].

4.1.7.1 Das Konzept der Funktionskreise

Vom Arzt verlangt das außerordentliche Fähigkeiten: er muss die Anzeichen für aufkommende Leiden erkennen und deuten, noch bevor der Patient einen schweren Schaden erlitten hat. Diese Zeichen sind Vorgänge im menschlichen Körper, die an die Oberfläche dringen und hier beobachtet werden können. Die Chinesen nennen sie xiang. Das bedeutet soviel wie Erscheinungen oder Bilder. Solche Erscheinungen können zum Beispiel plötzliche Schweißausbrüche sein oder ein fahles Gesicht, eine bestimmte Qualität des Pulsschlages oder das Aussehen der Augenlider, die gesteigerte Druckempfindlichkeit bestimmter Stellen auf der Haut oder die Beschaffenheit der Fingernägel, eine charakteristische Körperausdünstung oder bestimmte Eigenschaften des Zungenbelages. Die Beobachtungsdaten, alle Symptome, werden gewertet und einem geordneten System zugeführt. Sie erhalten eine Bewertung und Ordnung nach den Fünf Wandlungsphasen [86].

4.1.7.2 Leitbahnenergetik

Die in der Akupunktur-Therapie verwendeten Einflussorte befinden sich aufgereiht auf definierten energetischen Bahnen. Diese Leit-Bahnen unterliegen einer eigenen Ordnung und energetischen Bewertung. Das Öffnen der Reizpunkte hat die gleiche Bedeutung wie das Durchgängigwerden der Leitbahnen, es treibt den Fluß des Qi an.

Die energetische Beurteilung einer Leitbahn (ob „öffnend“, „schliessend“ oder

„angelpunktartig“) hat für die Praxis der chinesischen Medizin zentrale Bedeutung [87].

Der erste Leitbahnzyklus besitzt die Funktionsbereiche Lunge, Dickdarm, Magen und Milz-Pankreas. Der zweite Leitbahnzyklus besitzt die Funktionsbereiche Herz, Dünndarm, Blase und Niere. Der dritte Leitbahnzyklus besitzt die Funktionsbereiche Pericard, Drei-Wärmebereiche, Galle und Leber.

Unpaarige Leitbahnen – Phasenenergetik: Die unpaarigen Leitbahnen bilden beim Menschen ein archaisches energetisches Verteilungssystem. Bestimmte auf den Hauptleitbahnen liegende Akupunkturpunkte haben auf die unpaarigen Leitbahnen einen besonderen Einfluß und sind von außerordentlicher klinischer Bedeutung [88].

Um die Wirkung der Akupunktur zu optimieren, hat die chinesische Medizin Berechnungsmethoden entwickelt, nach denen zeitabhängig die unterschiedlichen dynamischen Situationen von Qi und Xue sowie Yin und Yang präzise genutzt werden können. (vgl. 4.1.11).

4.1.7.3 Funktionsbereiche

Hier werden die einzelnen Funktionsbereiche und ihre Leitbahnen vorgestellt.

Lungen-Funktionsbereich [89]

Unendlich viele energetische Prozesse, Qi-Einflüsse, wirken auf jedes Individuum ein:

soziale, emotionale, der energetische Träger Sauerstoff, meteorologische Einflüsse, Nahrungseinflüsse, Krankheitserreger und Schadstoffe. Alle diese Qi-Einflüsse treffen auf die Oberfläche, das „Äußere“ des Menschen. Diese erste Kontaktinstanz gestattet den Austausch mit der Umwelt, läßt entweder die Qi-Einflüsse eintreten oder wehrt sie schützend ab. Sie entspricht der Wandlungsphase Metall, da mit diesem kleinen Yin Festigkeit geschaffen, Schutz erreicht wird. Diese Instanz nimmt das Qi auf und teilt es dem Individuum in rhythmischer Weise durch ein Fließsystem mit,

verleiht ihm durch diese Rhythmik Stabilität und Abwehrfähigkeit. Ort dieses Austausches ist der obere Körperabschnitt und wird als Funktionskreis Lunge bezeichnet. Hier wird das für ein Individuum spezifische Qi synthetisiert. Aus dem Tian-Qi, den „himmlischen“ Einflüssen (der „Himmel“ steht für die Gesamtheit der Natur) und dem Gu-Qi, den Nahrungseinflüssen, vollzieht sich die Synthese durch die Rhythmisierung des Atems. Das Qi, die aktive Energie entsteht im Funktionskreis Lunge. Er ist vergleichbar einem Minister, von dem die Ordnung des Rhythmus ausgeht.

Erkrankungsbeispiele: Hauterkrankungen, Schulter-Arm-Syndrom, Tennis-Ellbogen, Fazialisparese, Trigeminus-Neuralgie, Gesichtsneuralgie, Hemiparese.

Milz-Funktionsbereich [90]

Die aufgenommenen energetischen Qi-Einflüsse werden der zentralen Instanz, der Wandlungsphase Erde zugeführt, wo eine „Trennung des Klaren vom Trüben“ stattfindet, also geschieden wird, was dem Menschen dienlich ist, das assimiliert und integriert wird, von dem, was ihm schadet, das ausgeschieden wird.

Der Funktionskreis Milz ist vergleichbar einem Zensor. In diesem Bereich wird die aus den aufgenommenen Einflüssen erworbene Konstitution gespeichert. Der Funktionskreis Milz entspricht der Mitte, der Wandlungsphase Erde, er ist die Instanz der Zwischenspeicherung, der Assimilation, der Integration aller auf ein Individuum von außen einwirkenden Kräfte.

Erkrankungsbeispiele: Gallenerkrankungen, Erschöpfungszustand, Adipositas, rheumatische Erkrankungen.

Leber-Funktionsbereich [91]

Zwischen dem körperlichen, materiellen Widerlager aller Wirkungen eines Individuums und seiner unmittelbaren und umfassenden aktuellen Manifestation vermittelt der Funktionskreis Leber. Das kleine Yang, die Wandlungsphase Holz sorgt dafür, daß Potenzen und Begabungen, welche im Funktionskreis Niere ruhen, nach außen projiziert, mobilisiert werden können. Mit Entschlußkraft, Initiative und Phantasie führt dieser Bereich das Potential aus den Sammelbereichen der Vergangenheit an die Projektionsebene des Funktionskreises Herz. Der Funktionskreis Leber entspricht in der Wandlungsphasenqualifikation Aktivität in

ihrer höchsten Potentialität, er ist vergleichbar einem Feldherrn, von dem die Entschlüsse, die Initiativen ausgehen. Das im Funktionskreis Leber bereitgestellte Potential ist gewissermaßen die Vorstufe der sich als Funktionskreis Herz in Taten manifestierenden Projektion. Der Funktionskreis Leber entspricht also der Quelle von Phantasie und Entschlußkraft, aber auch dem Ursprung von Krafteinsatz, der Fähigkeit zum In-Bewegung-Setzen, der Fähigkeit, der Potenz zu Projektion und Identifikation.

Erkrankungsbeispiele: Kopfschmerzen, Migräne, Krampfleiden, gynäkologische Erkrankungen, Ischialgie, Coxartrhose, Schwindel, venerische Erkrankungen, Conjunctivitis.

Herz-Funktionsbereich [92]

Ein Ausleben der vorhandenen Ressourcen ist Ausdruck des Lebens schlechthin.

Aktive Lebensäußerungen, sowohl motorische, aber auch geistige, emotionale oder intellektuelle bedürfen für ihre Äußerung einer Bündelung, einer Ordnung, einer Koordination und Kohäsion. Erst eine geordnete Form der lebendigen Äußerung kennzeichnet die Unverwechselbarkeit eines Individuums. Diese aktive Instanz, die nach außen ausleben läßt, entspricht der Wandlungsphase Feuer und wird als Funktionskreis Herz, als der fürstliche Orbis bezeichnet. Von ihm gehen die klaren Richtlinien, jede Art von Koordination aus. Der Zusammenhalt, die innere Konsequenz, der Eindruck einer geschlossenen, einer geistig intakten Person, der Eindruck von Folgerichtigkeit des Denkens, von geistiger, individueller Präsenz im allgemeinen und das Bild kohärenter Funktionen, der Koordination und Stimmigkeit aller Lebensfunktionen und Vorgänge sind Zeichen für die Kraft des Funktionskreises Herz. Diese aktive Instanz, die nach außen ausleben läßt, entspricht der Wandlungsphase Feuer, dem großen Yang oder der Aktivität in ihrer höchsten Aktualität.

Erkrankungsbeispiele: Dyskardie, Hypertonus, Hypotonus, Kollapsneigung, Schlafstörungen, Suchterkrankungen, HWS-Syndrom.

Nieren-Funktionsbereich [93]

Die aktive Projektion einer Persönlichkeit basiert auf einem Potential, das im Funktionskreis Niere und im Funktionskreis Leber bereitgehalten wird. Der Funktionskreis Niere ist die Instanz der Potenzierung von Kraft.

Wasser, das große Yin, ist der Funktionskreis Niere die vollzogene und wirkliche Speicherung, Fixierung, Materialisierung - damit die Anhäufung in der Vergangenheit, Potenzierung aber auch im Hinblick auf künftige Wirkung. Der Funktionskreis Niere gilt als Sitz der angeborenen Konstitution: alles was wir als Erbgut, als Anlage, als in der gesamten Materialität des Körpers bereitgehaltene Wirkmöglichkeit verstehen.

Erkrankungsbeispiele: Urologische Erkrankungen, Cystitis, Prostatitis, Lumbalgie, LWS-Syndrom.

Yin – Agenzien und Yang - Agenzien [94]

Die Agenzien Kälte, Trockenheit und Feuchtigkeit werden als Yin-Agenzien bezeichnet. Zu den Yang-Agenzien zählt man Wind, Hitze und Glut.

Fluss des Qi und Xue (Blut) [95]

Die aktive Energie, das Qi, und die stoffliche Energie, das Xue, bilden die energetischen Grundpfeiler des Individuums. Die Vorstellung vom harmonischen Fluss dieser Energieträger im Leitbahnsystem ist ein zentrales Bild der chinesischen Medizin. Die entsprechenden pathophysiologischen Veränderungen, die sich aus einem gestörten Fluss ergeben, etwa durch Verlangsamung des Flusses, durch Stagnation, aber auch durch Beschleunigung und Überdynamik spielen in der Klinik eine entscheidende Rolle. Viele Krankheitsbilder lassen sich durch derartige Bilder verstehen.