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Teil 2: Versuch

5.4 Periarthritis humeroscapularis (PHS)

5.4.7 Therapieempfehlungen

5.4.7.2 Einzelne Methoden

5.4.7.2.1 Medikamentöse Therapie a) Schmerzmittel

Bei der akuten Erkrankung steht die medikamentöse Therapie im Vordergrund, während im chronischen Stadium die physikalischen Maßnahmen, und in erster Linie die Bewegungstherapie, eine wichtige Rolle spielen. Grundsätzlich sollte aber auch bei Periarthritis humeroscapularis eine längerfristige Schmerzmittelverordnung wegen

der Gefahr der Gewöhnung oder gar Abhängigkeit vermieden werden.

Die Kombination mit schmerzdistanzierenden Antidepressiva (= Mittel gegen Depression, aber auch bei Periarthritis humeroscapularis wirksam) (z.B. Doxepin, Maprotilin) oder auch Neuroleptika hilft in vielen Fällen Schmerzmittel einzusparen.

Bei allen medikamentösen Maßnahmen ist besonders bei einer bestehenden Periarthritis humeroscapularis auf eine gezielte Bewegungstherapie durch ein vorgegebenes Programm zu achten. Nur dadurch werden Versteifungen im Schultergelenk vermieden.

b) Schmerzspitzen

Unter Schmerzspitzen versteht man Schmerzen, die bei oder trotz einer ständigen Schmerzmitteleinnahme nach Zeitplan (Dauermedikation) wegen einem Dauerschmerz zwischendurch „durchbrechen“. Bei einer entzündlichen Schmerzursache sind wiederholte Cortison-Einspritzungen hilfreich.

5.4.7.2.2 Therapeutische Lokalanästhesie

Therapeutische Lokalanästhesie bedeutet Behandlung mit einem örtlichen Betäubungsmittel bei Periarthritis humeroscapularis (PHS). Bei anhaltenden Schmerzen sollten rechtzeitig alternative Methoden eingesetzt werden. Insbesondere bei Schulterschmerzen ist eine sehr wirksame Alternative, ohne jedes Gewöhnungs- oder Suchtpotential, die therapeutische Lokalanästhesie mit einem langwirkenden örtlichen Betäubungsmittel (z.B. Bupivacain) in Form von örtlichen Betäubungen und Nervenblockaden. Dabei wird das Gelenk wiederholt (stationär zwei mal täglich) großzügig perikapsulär (= um die Gelenkkapsel herum) infiltriert. Eine weitere Möglichkeit ist bei Periarthritis humeroscapularis (PHS) die gezielte Infiltration von Triggerpunkten (= kleine in der Muskulatur) im Schulterbereich nach vorheriger Identifizierung derselben. Als nächst höhere Therapiestufe kommen wiederholte Blockaden (= Betäubungen) des Nervus suprascapularis in der Incisura suprascapularis (= kleine Kerbe am Oberrand des Schulterblattes) in Frage. Über diesen Nerv werden die Schmerzempfindungen aus dem Schulterbereich fortgeleitet.

Bei hartnäckigen und heftigen Schmerzen hat sich die sogenannte kontinuierliche, retrograd hohe Betäubung des Plexusbrachialis (= Armnervengeflecht) mit Katheter sehr bewährt. Dabei wird ein dünner Kunststoffschlauch (Katheter) nahe der Achselhöhle in die Nervenscheide des Armnervengeflechts eingepflanzt und

innerhalb derselben noch weiter nach oben vorgeschoben. Die Einpflanzung erfolgt durch eine handelsübliche Kanüle hindurch, es muß also nicht

„aufgeschnitten“ werden. In der Folge wird über diesen Katheter mehrmals täglich, jeweils nach Abklingen der vorangegangenen Dosis, das örtliche Betäubungsmittel völlig schmerzlos nachgespritzt. Während dem Einspritzen und noch kurze Zeit danach wird der Oberarm mit einer Manschette abgestaut, so daß die Betäubungsmittellösung innerhalb der Nervenscheide nach oben getrieben wird und so auch im Schulterbereich schmerzlindernd wirken kann. Das örtliche Betäubungsmittel wird bei dieser Behandlung so dosiert, dass die grobe Kraft erhalten bleibt (bei gleichzeitiger Hemmung der Schmerzreizleitung), damit begleitend krankengymnastische Übungsbehandlungen möglich bleiben. Dass die schmerzlindernde Wirkung in der Regel über die eigentliche Behandlungszeit hinaus anhält, ist unter anderem darauf zurückzuführen, daß bei dieser Blockadebehandlung auch die sogenannten vegetativen Nerven betroffen sind, woraus eine sehr deutliche Durchblutungssteigerung resultiert, die entzündlichen oder degenerativen (=

abnutzungsbedingten) Prozessen nachhaltig entgegenwirkt.

Zur Schmerzbehandlung bei Periarthritis humeroscapularis kann auch die kontinuierliche, interskalenäre (= zwischen Muskeln im seitlichen, unteren Halsbereich) Blockade des Plexus brachialis durchgeführt werden, allerdings ist diese Methode mit einem etwas größeren Risiko behaftet.

5.4.7.2.3 Physikalische Therapie bei Periarthritis humeroscapularis (PHS) Auch eine Elektrostimulation kann bei Schultergelenkschmerzen eine Beschwerdelinderung herbeiführen. Die transkutane Nervenstimulation mit Niederfrequenzgenerator hat den Vorteil, daß sich die Patienten bei Bedarf selbst behandeln können. Die Elektroden werden paarig über dem Gelenk aufgeklebt. Durch Veränderung der Stimulationsfrequenz und der Elektrodengröße kann die Wirkung optimiert werden.

Eine weitere physikalische Behandlungsmöglichkeit ist die oberflächliche Kältetherapie im Schmerzbereich. Wir verwenden einen elektrischen Kaltluftgenerator, dessen Luftstrom auf ca. -10 bis -15°C abgekühlt ist. Manche Patienten mit Periarthritis humeroscapularis empfinden allerdings lokale

Wärmeapplikationen (Rotlicht) als besser wirksam. Warme Bäder können ebenfalls Gelenkschmerzen lindern.

Eine Wärmetherapie in der Wärmekammer (Kabine) erfolgt durch Infrarot-Strahlung. Der Vorteil liegt darin, daß nicht wie z.B. in der Sauna die Umgebungsluft stark aufgeheizt wird um auf diese Weise die Wärme in den Körper zu bringen, sondern die Infrarot-Strahlung dringt sehr gleichmäßig und direkt in die Hautschichten ein. Die Tiefenwirkung beträgt ca. 5 cm. Diese Wärmebehandlung belastet Herz und Kreislauf deutlich geringer als z.B. die finnische Sauna oder eine Fango-Anwendung. Darüber hinaus bewirkt diese Wärmetherapie eine Stärkung der körpereigenen Abwehrkräfte und des Immunsystems. Indikationen (= Heil-Anzeigen) für die Wärmetherapie im Rahmen der Schmerztherapie sind: Fibromyalgie, rheumatische Schmerzen; Gelenkschmerzen (bei Beteiligung mehrerer Gelenke), z.B.

bei Arthrose; Rückenschmerzen und Ausleitung von Schadstoffen (z.B. bei Schmerzmittelentzug).

5.4.7.2.4 Physiotherapeutische Behandlungsmaßnahmen

Physiotherapeutische Behandlungsmaßnahmen (u.a. Krankengymnastik) werden im Anfangsstadium der Periarthritis humeroscapularis meist als angenehm empfunden und steigern damit das körperliche Wohlbefinden. Sie sollen dazu beitragen, den Patienten mehr Vertrauen zum eigenen Körper zu vermitteln und die Mobilität zu steigern. Werden z.B. nur Massagen verordnet, besteht die Gefahr, daß sich passive Tendenzen im Krankheitsverlauf verstärken.

5.4.7.2.5 Andere Therapiemaßnahmen bei Periarthritis humeroscapularis Der Vollständigkeit halber darf die Akupunktur zur Behandlung der Periarthritis humeroscapularis nicht unerwähnt bleiben. Hypnoide (= bewußtseinsverändernde) Verfahren wie autogenes Training oder progressive Relaxation nach Jakobson sind im Rahmen der psychologischen Schmerztherapie eine sinnvolle Ergänzung der Gesamtstrategie. Bei chronischen Schulterschmerzen ist auch ein Schmerzbewältigungstraining sinnvoll.

5.4.7.2.6 Arthroskopie

Die bewährte Methode der Arthroskopie läßt sich am weichteilgedeckten Schultergelenk besonders vorteilhaft einsetzen. Sie erlaubt - obwohl minimal invasiv -

eine wesentlich genauere Beurteilung von Gelenkschäden und ihrer Behandlung, ohne eine breite Gelenkeröffnung vornehmen zu müssen.

Eine gezielte Behandlung des Gelenkschadens wird bei geringeren Schmerzen nach der Operation, einem kurzen Krankenhausaufenthalt und nach einem einwandfreien kosmetischen Ergebnis vorgenommen.

Entscheidende Fortschritte in der Schulterdiagnostik und -therapie ermöglichte erst die Arthroskopie (Gelenkspiegelung). Sie konnte sich im Laufe der letzten 20 Jahre als Methode der Wahl zur Beurteilung und Behandlung von Gelenkschäden durchsetzen. Der große Vorteil der Methode besteht darin, daß die Gelenkoberflächen stark vergrößert dargestellt und Gelenkschäden genau gesehen werden können, ohne das Gelenk breit eröffnen und die empfindlichen Kapselbandstrukturen beeinträchtigen zu müssen. Moderne, besonders schlanke Operationsinstrumente erlauben, Eingriffe durch ganz kleine Hautschnitte gezielt vorzunehmen, für die früher das gesamte Gelenk eröffnet werden mußte.

Gerade an der Schulter werden die Vorteile der Arthroskopie deutlich, müßten doch für den offenen Zugang zum Schultergelenk erst mehrere Schichten - Muskeln, Sehnen und Bänder - in der unmittelbaren Nachbarschaft wichtiger Gefäße und Nerven durchtrennt werden. Auf der Basis der diagnostischen Arthroskopie sind gleichzeitig Möglichkeiten der Therapie entwickelt worden, die sich zur Bekämpfung des Schulterschmerzes und zur Stabilisierung des Schultergelenkes eignen.

5.4.7.2.7 Psychische Betreuung [254]

Chronische Krankheiten des Stütz- und Bewegungsapparates sind unter Umständen mit mehr oder weniger ausgeprägten Behinderungen und Verkrüppelungen verbunden, was zu starken Verunsicherungen im täglichen Leben oder im Umgang mit Freunden oder Bekannten führen kann. Oftmals kommt es zu einer erheblichen Einschränkung des Selbstwertgefühls. Daraus ergibt sich nicht selten eine zunehmende Vereinsamung, weil die Möglichkeit, Freunde und Bekannte einzuladen oder zu treffen, immer weniger wahrgenommen wird. Wer keine Familie hat, gerät somit sehr schnell in eine totale Isolation. Dem vorzubeugen, ist der Patient zu einer intensiven Auseinandersetzung mit seiner Krankheit gezwungen. Er muß lernen, mit ihr zu leben, muß ihre Eigenarten kennenlernen und sich danach richten. Eine positive Einstellung zur Behinderung ist der beste Weg, um über die Krankheit hinauszuwachsen.

Es ist verständlich, daß chronisch Kranke oft in ständiger Angst und Sorge leben. Sie machen sich Sorgen wegen eines erneut auftretenden Rezidivs, haben Angst vor weiteren Leistungseinbußen oder eines erforderlichen Krankenhausaufenthaltes. Sie sind deprimiert, weil sie von mancherlei Freuden des Lebens ausgeschlossen sind und fühlen sich oftmals auch gesellschaftlich als Außenseiter. Aus all diesen Ängsten heraus braucht der Kranke das Gespräch mit den nahen Verwandten oder Freunden.

Hier sieht man den Ansatzpunkt für die psychologische Führung des Patienten. Das Sprechen über die Krankheit kann für den Patienten entlastend und erleichternd wirken, jedoch nur dann, wenn der Gesprächspartner Zeit und Verständnis entgegenbringt.

Der Hinweis und die Ermunterung des Patienten, an Freizeitaktivitäten (z.B.

Freizeitgestaltung mit verstärkter körperlicher Aktivität: Sport treiben, Tanzen usw.) teilzunehmen, gehören zu den wichtigsten Anstößen, die man als therapeutischer Gesprächspartner dem Patienten vermitteln kann.

Wurde bisher die Behandlung der Periarthritis humeroscapularis beschrieben, so ist dem Gesagten kaum etwas hinzuzufügen, wenn es sich um andere Schultererkrankungen handelt. Auch nach einer Oberarmfraktur, nach traumatischer oder arthrotischer Schulterversteifung und im Zusammenhang mit dem Zervikalsyndrom zeigt sich im wesentlichen das geschilderte Zustandbild und geht deshalb auch die Behandlung den dargestellten Weg. Die Schulterluxation allerdings nimmt eine Sonderstellung ein. Die Nachbehandlung einer solchen, frisch oder operiert, vermeidet lange Zeit die Rotation. [255]

Vor jeder Therapie steht die Indikation. Diese wiederum gründet sich auf die Diagnose. Je feiner und exakter die Diagnose ist und je mehr sie die gestörten Funktionen eines Teiles im Hinblick auf den Gesamtenorganismus berücksichtigt, desto eher gelingt es im Einzelfall auch, das optimale therapeutische Procedere zu wählen. [256]