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Unterschiedliche Aufgabenstellungen von Bibliotheken, Archiven und Museen

Die Grundidee des BAM-Projekts ist, auf die schon vorhandenen digitalen Be-stände der Partnerinstitutionen Bibliotheksservice-Zentrum Baden-Württem-berg, Landesarchivdirektion Baden-Württemberg und Landesmuseum für Technik und Arbeit in Mannheim eine Suchmaschine aufzusetzen und Meta-informationen über die dort gespeicherten Daten in einem zentralen Index zu-sammenzuführen. Sie sollen die Grundlage für eine homogene Recherche in den Erschließungsdatensätzen bilden.

Das Internetportal für Bibliotheken, Archive und Museen hat es sich zum Ziel gesetzt, eine interdisziplinäre Plattform zur Online-Recherche in den Be-ständen der drei klassischen Dienstleister auf dem Gebiet der Kulturgutbe-wahrung und – vermittlung zur Verfügung zu stellen. Bibliotheken, Archive und Museen haben traditionell unterschiedliche Aufgaben und Ziele. Gemein-sam ist ihnen der gesellschaftliche Auftrag ihre Bestände öffentlich zugäng-lich zu machen. Dabei kann man grob folgende Nutzanforderungen unter-scheiden:

– Bibliotheken unterstützen Ausbildung verschiedenster Fachrichtungen, die allgemeine Bildung, die Forschung in verschiedensten Fachrichtungen und die Unterhaltung im weitesten Sinne.

– Archive unterstützen Sicherung staatlicher oder sonstiger Rechtsansprüche, die allgemeine historische Bildung, die historische Forschung und, sie sind nicht zuletzt Kontrollmöglichkeit bzw. Gedächtnis der Verwaltung.

– Museen unterstützen je nach Ausrichtung die Forschung in einigen be-stimmten Fachdisziplinen, die allgemeine Bildung mit Schwerpunkt Kunst, Archäologie, Geschichte und letztlich bieten sie auch Unterhaltung.

6 http://www.bsz-bw.de/diglib/.

Analog zu der historisch gewachsenen Aufgabenteilung zwischen diesen drei Institutionen, weist auch die Erschließung der Objekte unterschiedliche Struk-turen auf.

Die Unterschiede in Struktur und Aufgabenstellung haben entscheidende Ungleichheiten auch bei den Erschließungszielen und – methoden von Biblio-theken, Archiven und Museen zur Folge. Während bei Bibliotheken und Mu-seen die inhaltliche Erschließung im Vordergrund steht, spielt bei Archiven Abb. 1: Bibliothekarische Bestände sind seriell ausgerichtet und werden nur nach

äu-ßerlichen Merkmalen wie z. B. Handschrift oder Dissertation unterschieden.

Abb. 2: Archivische Bestände sind hierarchisch nach dem Provenienzprinzip geglie-dert und spiegeln historische wie aktuelle Verwaltungs- und Verfassungs-strukturen wider, also z. B. Bestände Innenministerium, Königliches Haus oder Forstverwaltung.

die Offenlegung der Strukturen die entscheidende Rolle. Die Archivare tragen dieser Anforderung durch die Anwendung des strukturorientierten Proveni-enzprinzips Rechnung. Bibliotheken und Museen hingegen erschließen ihre Ressourcen inhaltsorientiert mit Hilfe der Arbeitsinstrumente Klassifi kation, Sachschlagwort und Abstract. Entsprechend ergeben sich große Unterschiede in der Präsentation. Während Bibliotheken und Museen ihre Objekte linear, das heißt in Form von Listen präsentieren können, müssen Archivare die je-weilige Ressource (Sachakte, Rechnungsbuch) im hierarchischen Zusammen-hang der Archivtektonik präsentieren.

BAM-Konzeption

Die drei Institutionen werden aus fachlichen Gründen heraus auch in Zukunft ihre Bestände getrennt, das heißt unter Anwendung ihrer fachspezifi schen Me-thoden erschließen und präsentieren. Es kann im Rahmen des BAM-Projekts also nicht darum gehen, gemeinsame Standards zur Erschließung zu entwi-ckeln, die zwangsläufi g eine nicht vertretbare Nivellierung bedeuten würden.

Die experimentelle Portal-Lösung zielt vielmehr darauf ab, virtuell dem in-teressierten Nutzer zu bestimmten sachthematischen Fragestellungen einen Querschnitt an Informationen aus den drei genannten Fachbereichen zur Ver-fügung zu stellen.

Der Grundgedanke unseres Portals ist, digitalisierte Erschließungsinforma-tionen aus den drei PartnerinstituErschließungsinforma-tionen nach einem defi nierten und standar-disierten Verfahren auszulesen und die so entstandenen Metainformationen in einen gemeinsamen Datenpool einzubringen.

Das BAM-Portal soll zu diesem Zweck insgesamt vier Informationsebe-nen anbieten:

1. Informationen zu den beteiligten Institutionen. Es handelt sich dabei um eine Kurzvorstellung der jeweiligen Häuser verbunden mit Links zu den Startseiten der Homepages – soweit vorhanden.

2. Metadaten mit Verweis auf digitale Erschließungsdaten.

3. Digitale Erschließungsdaten der jeweiligen Institutionen.

4. Objektpräsentation mit Hilfe von fachspezifi schen Präsentationsmodulen.

Der Internetnutzer kann über seinen Browser eine strukturierte Suche in diesen Metainformationen vornehmen. Die Ergebnisse werden in Form von Trefferlisten präsentiert. Der Nutzer hat die Möglichkeit aus diesen Treffer-listen diejenigen Erschließungsdatensätze auszuwählen, die ihn interessieren.

Mit Hilfe von Sprungmarken gelangt er dann in das Internetangebot der jewei-ligen Institution. Das Portal ermöglicht auf diese Weise, gleichzeitig Bücher, Archivalien und Museumsobjekte zu einem Thema bereitzustellen.

Festzuhalten bleibt, dass das BAM-Portal nicht als Plattform für die Da-tenhaltung von Erschließungsinformationen dienen soll, sondern lediglich als Hilfsinstrument, um auf diese Plattformen zu gelangen.

Auswahl und Aufbereitung der Metadaten für das Portal Gemeinsame Schnittmenge „Industrialisierung“

Für die Erprobungsphase des BAM-Portals wurde eine Testmenge an Er-schließungsdaten zum Thema Industrialisierung im Gebiet des heutigen Ba-den-Württemberg ausgewählt, da dies eine relativ breite Schnittmenge zwi-schen den Beständen der drei Projektpartner versprach. Hierzu wurden Be-stände bzw. Erschließungsdaten mit folgenden Schwerpunkten ausgesucht:

1. Patentwesen, 2. Wasserkraftnutzung, 3. Eisenbahnverwaltung, 4. Nutzung von Dampfkraft, 5. Arbeitssicherheit.

Die Vorteile des Internetportals werden in der erleichterten Zugänglich-machung von Informationen aus den Beständen der Projektpartner liegen.

Interessiert sich ein Nutzer beispielsweise für Dampfmaschinen in Baden-Württemberg, so musste er bislang die Internetangebote von zahlreichen An-bietern durchforsten.

1. Eine Recherche im Bestand des Staatsarchivs Ludwigsburg würde beispiels-weise zu einer Patentanmeldungen auf ein Kondensations- und Vorwärm-system an Dampfmaschinen aus dem Jahr 1854 der Firma Völker & Mol-lenkopf in Stuttgart führen.

2. Wollte der Nutzer näheres über Kondensationssysteme an historischen Dampfmaschinen erfahren, könnte er im Onlinekatalog des Südwestdeut-schen Bibliotheksverbunds entsprechende Literatur ermitteln. Zum Bei-spiel ein Buch mit dem Titel Über Dampfmaschinen mit hoher Kolbenge-schwindigkeit Autor: Radinger, Johann Friedrich Verlag: Wien: Verl. d. Ver-fassers Jahr: 1870.

3. Und schließlich hätte er durch Nachforschungen im Landesmuseum für Technik und Arbeit eine so genannte Tandemverbunddampfmaschine, Typ Kolbendampfmaschine, Hersteller: Maschinenfabrik Esslingen, Herstel-lungsjahr: 1908 fi nden können, in welcher ein solches Kondensationssys-tem praktische Anwendung fand.

Das Portal wird diesem Nutzer in Zukunft erlauben, nur noch eine einzige Recherche mit dem Stichwort Dampfmaschine durchzuführen, um in einer kohärenten Resultatliste Verweise auf die Informationsressourcen in allen drei Institutionen zu bekommen.

Institutionsübergreifende Recherche: Kein neues Erschließungs para-digma für Archive – aber ein erster Schritt in eine neue und größere Welt

Die strukturellen Unterschiede zwischen Archiven einerseits und Bibliothe-ken und Museen andererseits, sowohl was Nutzungsanforderungen als auch was Struktur der verwalteten Informationsträger angeht, wirken sich auch auf die angestrebten gemeinsamen Recherchestrategien im Internet aus: Im Be-reich der Landesarchivdirektion wird eine Suchstrategie auf Basis des Prove-nienzprinzips angewandt; ein Prinzip, das aus den angeführten Gründen, dem spezifi schen Charakter des Archivguts angemessen und in der Archivwelt als internationaler Standard unbestritten ist. Eine Umstellung auf das dokumen-tarisch-bibliothekarische Prinzip der inhaltlichen Erschließung kommt daher nicht in Betracht. Die Suche über Indexbegriffe (Register- oder Schlagwortsu-che) oder über frei wählbare Begriffe (FreitextsuSchlagwortsu-che) wird daher nicht als alter-natives, sondern als zusätzliches Rechercheinstrument angesehen, das die tra-ditionelle Archivierung auf Basis der Provenienz nicht ersetzen, sondern viel-mehr ergänzen und verbreitern soll.

Die ersten Versuche archivische Erschließungsdaten nachträglich zu ver-schlagworten, haben ein ambivalentes Ergebnis gezeigt: Einerseits war das Ex-periment einer einheitlichen Erschließung mittels Verschlagwortung durchaus Abb. 3: Ausschnitt Trefferliste zum Schlagwort Dampfmaschine.

erfolgreich: Mit Hilfe dieser gemeinsamen Plattform kann ein institutionen-übergreifender Zugriff auf Erschließungsdaten unter sachthematischen Ge-sichtspunkten erzielt werden. Andererseits ist nicht zu übersehen, dass die so erzeugten Treffer durchaus nicht den vollen Umfang eines Themas widerspie-geln müssen. Ein Recherche zum Stichwort Eisenbahn kann zwar tatsächlich eine Reihe von Objekten, Büchern und Archivalien mit Bezug auf diesen Be-griff zu Tage fördern. Allein das mögliche weitere Umfeld eines BeBe-griffs – in diesem Fall z. B. Infrastrukturpolitik – bleibt dem Nutzer ebenso verborgen, wie der institutionelle Hintergrund aus dem die einzelne Information stammt.

Es besteht also die Gefahr einen Nutzer mit bloßen Trefferlisten in falscher Sicherheit zu wiegen, indem man ihn in dem Glauben lässt, seine Trefferliste sei erschöpfend.

Der Projektpartner Landesarchivdirektion hat sich deshalb dafür entschie-den, das BAM-Portal von vornherein dahingehend anzulegen, dass der Nutzer jederzeit die Möglichkeit hat, seine Treffer, die er mit Hilfe der Suchmaschine im Archivbereich erzielt, in ihrem institutionellen Zusammenhang darzustel-len. Konkret bedeutet dies, dass die Treffer in den Ergebnislisten automatisch mit Sprungmarken zu dem jeweiligen Metadatensatz im Online-Angebot der Landesarchivdirektion versehen werden. Dort werden dem Nutzer die einzel-nen Verzeichnungseinheiten in ihrem Entstehungskontext präsentiert, und es wird ihm die Möglichkeit gegeben, auch das Umfeld des Begriffs im jeweili-gen Verwaltungskontext zu überblicken.

Der Projektpartner Landesarchivdirektion Baden-Württemberg betrach-tet das BAM-Portal somit als erweiterte Zugangsmöglichkeit zu seinen Be-ständen. Dem Nutzer soll bildlich gesprochen ein Faden angeboten werden,

Abb. 4: Über Sprungmarken werden Treffer in der BAM-Suchmaschine mit dem je-weiligen Fachpräsentationssystem verknüpft und erlauben damit dem Nut-zer die tektonische und klassifi katorische Einbettung einer Archivalie zu er-kennen.

der ihn dazu animiert – nachdem er mit Hilfe der Suchmaschine einen ersten Überblick über archivische Angebote zu einem Thema gewonnen hat –, sich weiterzuklicken und so mit Hilfe der Online-Angebote der Landesarchivdi-rektion tiefer in eine Fragestellung einzutauchen. Im Idealfall nimmt er dann die Informationsangebote der Archive gezielt vor Ort wahr.