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Kapitel 2 Synthese und Charakterisierung von

2.2 Theoretische Grundlagen und Forschungshintergrund zu Kapitel 2

2.2.2 Funktionalisierungsstrategien

2.2.2.1 Funktionalisierung von AuNP als Konzept in der Nanomedizin und Biotechnologie Die Möglichkeit der einfachen Funktionalisierung ist ein entscheidender Vorteil von AuNP, die funktionalisierten Partikel werden als Konjugate bezeichnet. AuNP dienen in vie-len Anwendungen als Plattform, auf der unterschiedliche Moleküle und damit unterschied-liche Funktionen kombiniert werden können.137,2,6,138,93

Funktionen können das gezielte Ansteuern bestimmter Zellen oder Gewebearten sein (engl.: targeting), das Markieren des Partikels, um dessen Detektion zu erleichtern (engl.: labeling), eine therapeutische Wirkung, die Erkennung bestimmter Substanzen (engl.: sensing), die Stabilisierung des Konjugats und der Schutz koadsorbierter Moleküle sowie die Verbesserung oder Einstellung der pharmakokinetischen und physikalischen Eigenschaften. Wenn mehrere dieser Funktionen kombiniert werden, spricht man auch von Multifunktionalisierung. Abb. 2.7 zeigt eine schematische Darstellung des Konzepts.

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Abb. 2.7: Konzept der Multifunktionalisierung von AuNP. Verschiedene Ligandentypen, die verschiedene, auch mehrere, Funktionen erfüllen, können auf dem AuNP als Plattform kombiniert werden, um komplexere Anwendungen zu ermöglichen. Auch die physikalischen Eigenschaften des AuNP selbst können dabei genutzt werden.

Typische Beispiele für Multifunktionalisierung sind die gezielte Beförderung von Wirk-stoffen an Zellen, z.B. Krebszellen, oder Gewebe, also die Kombination von Targeting und therapeutischer Wirkung, die als Drug-Delivery bezeichnet wird,139–142 und die Kombination aus Markierung bzw. Labeling und Targeting um z.B. Tumoren in einem sehr frühen Stadium zu diagnostizieren.143,63,78,90,130,144

Zusätzlich zu den Funktionen der Moleküle auf der Oberflä-che können auch die physikalisOberflä-chen Eigenschaften des AuNP selbst für verschiedene Zwecke genutzt werden. Die hohe Atommasse von Au prädestiniert AuNP z.B. als Label für den Nachweis mit Röntgenmethoden, auch in vivo, z.B. durch Computertomographie (CT),94 die plasmonischen Eigenschaften können wirkungsvoll für hyperthermale Behandlungsstrategien genutzt werden.63,6 Die Eigenschaft von AuNP, die Raman-Streuung adsorbierter Moleküle zu verstärken und die Fluoreszenz zu löschen, ermöglicht auch komplexe Labelingstrategien.

Zum Beispiel konnte die Gruppe von El-Sayed vor Kurzem demonstrieren, wie intrazelluläres Drug-Delivery durch Ausnutzung dieser Eigenschaften in Echtzeit und an einzelnen Zellen verfolgt werden kann.145 Die Vielseitigkeit von AuNP-Konjugaten weckte in den letzten ~15 Jahren ein enormes Forschungsinteresse an diesen Systemen. Die Zahl der Publikationen zum Thema Gold Nanomedizin steigt seit 2000 exponentiell an und lag 2010 bereits bei etwa 900

Publikationen pro Jahr,6 die Gesamtzahl der Publikation zum Thema Gold Nanopartikel und deren Anwendung in Medizin und Biologie wird in einem Übersichtsartikel von Alkilany, Lohse und Murphy auf etwa 15.000 geschätzt.37 Dementsprechend wertvoll sind die Übersichtsartikel zu diesem Gebiet, z.B. von Astruc und Mitarbeitern,63 Dykman und Khlebtsov,90,146 und aus den Gruppen von Rotello,147–149,140,150,151

El-Sayed,6,152 Murphy,37,153 Parak131, Mirkin154 und Weiteren.143,155,156,141,157–159

Nicht alle Studien zum Thema AuNP in medizinischen Anwendungen basieren auf multifunktionalisierten AuNP, denn zum Beispiel ist auch eine passive Aufnahme, d.h. ohne Targeting, von AuNP in Tumorgewebe durch den sogenannten EPR-Effekt (engl.: enhanced permeability and retention) möglich.6 Dieser beschreibt die erhöhte Durchlässigkeit der vaskulären Struktur von Tumorgewebe, die eine Anreicherung von Nanopartikeln im Tumorgewebe bewirken kann. Es kann aber davon aus-gegangen werden, dass immer zumindest eine einfache Funktionalisierung der AuNP für me-dizinische Anwendungen nötig ist, um sie zu stabilisieren, ihre pharmakokinetischen Eigen-schaften zu verbessern, oder ihre Toxizität zu verringern, denn die meisten AuNP sind unmittelbar nicht für die Anwendungen in physiologischer Umgebung oder an lebenden Zel-len geeignet. Citratstabilisierte sphärische AuNP sind beispielsweise nicht stabil in biolo-gischen Medien, stäbchenförmige AuNP, die sogenannten Au-Nanorods (AuNR), haben typischerweise eine Ligandenhülle aus Cetyl-trimethylammoniumbromid (CTAB), das für Zellen giftig ist. Eine entscheidende und grundlegende Funktion der Ligandenhülle ist also die Stabilisierung der Konjugate, darauf aufbauend können weitere Funktionen eingeführt werden. Eine wichtige Bedingung ist dabei, dass die Konjugate keine unspezifische Toxizität aufweisen dürfen.

2.2.2.2 Strategien zur Funktionalisierung von AuNP

Die Ligandenhülle von AuNP beinhaltet grundsätzlich Moleküle, die über eine oder mehrere funktionelle Gruppen, die Ankergruppen, mehr oder weniger stark an die Oberfläche gebunden sind.2 Neben den ein- und mehrzähnigen Thiolaten können das z.B. Amine, Dithiocarbamate, Carboxylate, Phosphine, Selenide und Isothiocyanate sein.2,6 Für die weitere Modifizierung oder Funktionalisierung der AuNP-Oberfläche sind eine Vielzahl von Strategien möglich, von denen einige in Abbildung 2.8 dargestellt sind. Möglich sind ein teilweiser oder vollständiger kompetitiver Austausch von Liganden, oder die zusätzliche An-bindung von Molekülen durch hydrophobe oder elektrostatische Wechselwirkungen, durch kovalente Bindungen mittels Methoden der Kopplungschemie, durch dative Bindungen, durch Hybridisierung von Oligonukleotiden oder durch Anbindung über photo- oder pH-labile Linker, die einen Spezialfall der kovalenten Bindung darstellt.6,93

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Abb. 2.8: Strategien zur Funktionalisierung von AuNP. Moleküle können z.B. über kompetitiven Austausch (A), kovalente oder dative Bindungen an vorhandene Liganden (B), hydrophobe (C) oder elektrostatische Wechselwirkungen (D) an den AuNP gebunden werden.

Die wichtigste und meiststudierte Ankergruppe ist die Thiolatgruppe,2,93 mit der Moleküle einfach und in vielen Lösungsmitteln an AuNP gebunden werden können. Insbesondere ist dies auch in wässrigen Lösungen mit hohen Salzkonzentrationen, also in biologischen Medien, möglich,93 und teilweise auch vorteilhaft, wie z.B. in der Gruppe von Mirkin mit Oligonukleotid-funktionalisierten AuNP demonstriert wurde.154 Es kann also jedes (Bio-) Molekül, das mit einer Thiolgruppe versehen werden kann, oder eine solche aufweist, mit sehr geringem Aufwand an AuNP gebunden werden. In vielen Studien wird eine zusätzliche Sequenz zwischen die Ankergruppe und das (Bio-) Molekül eingebaut, der sogenannte Spacer. Spacer können verschiedene Funktionen erfüllen: Erhöhung der Wasserlöslichkeit und/oder der Stabilität, Einstellung des distalen Abstandes zur Partikeloberfläche, des latera-len Abstandes der Liganden und Beeinflussung der Präsentation des gebundenen Moleküls, was vor allem bei der Funktionalisierung mit Proteinen eine Rolle spielt.93 Wichtige Spacerstrukturen sind Poly- und Oligoethylenglykole und Alkylketten, es können aber auch Aminosäure- oder Nukleotidsequenzen in Peptiden bzw. Oligonukleotiden als Spacer genutzt werden. Die gewünschten Moleküle können vor der Bindung an AuNP mit Spacern versehen werden, eine wichtige Strategie ist aber auch die Funktionalisierung der AuNP mit bifunktionellen Molekülen, die neben der Ankergruppe eine terminale funktionelle Gruppe

enthalten. An diese Ligandenhüllen können dann mit Methoden der Kopplungschemie die Zielmoleküle gebunden werden, und die Strategie kann insofern als Funktionalisierung der AuNP mit dem Spacer und darauffolgender Anbindung des Zielmoleküls aufgefasst werden.

Auch bei dieser Strategie werden überwiegend Poly- und Oligoethylenglykole und Alkylket-ten als Spacer genutzt, typische terminale Funktionen sind Amine und Carboxylgruppen oder aktivierte Carboxylgruppen wie NHS- und Sulfo-NHS-Ester (NHS: N-Hydroxysuccinimid bzw. 1-Hydroxy-2,5-pyrrolidindion; Sulfo-NHS: N-Hydroxysulfosuccinimid bzw. 1-Hydroxy-2,5-pyrrolidindion-3-sulfonat), die für Standardkopplungschemie wie die EDC-Kupplung (EDC: 1-Ethyl-3-(3-dimethylaminopropyl)carbodiimid) genutzt werden kön-nen.160,93 Von Bedeutung sind aber auch die Cu(I)-vermittelte [3+2] Azid-Alkin Cycloaddition (Huisgencycloaddition) als Verfahren der Click-Chemie, mit der Alkine und Azide verknüpft werden können,93,161 und als nicht-kovalentes Verfahren die Funktionalisie-rung der AuNP mit terminalen Nitrilotriessigsäure-Einheiten (z.B. durch Reaktion mit BisNTA-disulfid: 3,3'-Dithiobis[N-(5-N', N'-(dicarboxymethyl)amino-5-carboxypentyl)propi-onamide]), die über Chelatisierung von Nickel(II)-Ionen dann Proteine mit Histidin-Tags (eine terminale Sequenz von meist sechs Histidinen) koordinativ bzw. dativ binden können.162,163 In einigen Studien wurden auch terminale Maleimidgruppen verwendet, an die Thiole gebunden werden können.164 Vorteile dieser Strategie gegenüber einer direkten Anbindung der Thiole an die AuNP können die höhere Stabilität und bessere Kontrolle der Anzahl und Präsentation gebundener Liganden sein. Aus demselben Grund werden in sehr vielen Studien gemischte Ligandenhüllen verwendet, die neben funktionalisierbaren Liganden nicht reaktive Liganden bzw. Spacer enthalten, die ausschließlich oben genannte Funktionen wie die Stabilisierung der Konjugate erfüllen.160,6,92,93

Ebenso können gemischte Ligandenhüllen aber auch ein oder mehrere direkt gebundene Biomoleküle, Wirkstoffe oder Label und zusätzlich unreaktive Liganden enthalten, die ausschließlich der Stabilisierung oder Absättigung der Oberfläche dienen.165–167 Auch in diesem Zusammenhang können Oligo- und Polyethylenglykol-basierte Liganden als die wohl wichtigste Gruppe solcher Liganden angesehen werden.160,133,150,168,93

Eine wichtige Voraussetzung für die Synthese komplexer gemischter Ligandenhüllen ist die Kontrolle ihrer Zusammensetzungen, und diese Kontrolle wird durch die zuverlässige und unkomplizierte Gold-Thiolat-Chemie ermöglicht. Die ausge-wählten Beispiele mögen verdeutlichen, wie wenig Grenzen der Kreativität bei der Gestaltung von AuNP-Konjugaten gesetzt sind und diese Variabilität ist ein wichtiger Grund für das hohe Potential von AuNP in einer Vielzahl von Anwendungen nicht nur im medizinischen Bereich.

Strategische Aspekte beim Design von AuNP-Konjugaten sind die Stabilität des Konjugats,

Theoretische Grundlagen und Forschungshintergrund zu Kapitel 2 87 dessen pharmakokinetischen Eigenschaften, und die Präsentation des funktionstragenden Moleküls. Ob Label, Wirkstoff oder Erkennungsmoleküle (z.B. Antikörper), es hängt von der spezifischen Anwendung ab, ob z.B. eine hohe Bedeckungsdichte oder eine niedrige, eine Präsentation außerhalb der Ligandenhülle oder darin eingebettet, eine stabile oder eine labile Anbindung für die gewünschte Anwendung zielführend und erfolgsversprechend ist. So kann eine Präsentation eines Antikörpers außerhalb der Ligandenhülle in Zelltests vorteilhaft sein, während in vivo die pharmakokinetischen Eigenschaften verschlechtert werden, weil das Konjugat schneller der Immunantwort, unspezifischer Bindung oder enzymatischer Zerset-zung unterliegt. Die Verbesserung der pharmakokinetischen Eigenschaften ist ein wichtiger, wenn auch nicht der einzige, Grund für die Bedeutung von PEG-basierten Molekülen als Spacer und stabilisierendes Koadsorbat bei der Konstruktion von AuNP-Konjugaten und von Nanomaterialien im Allgemeinen.169,133,170

Diese Bedeutung wird im folgenden Abschnitt erläutert.