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Frauen an den Hochschulen

Im Dokument Manifestierte Ungleichheitsstrukturen (Seite 102-107)

IV. Bildung als elementare Voraussetzung zur Partizipation im öffentlichen Bereich

3. Frauen an den Hochschulen

Die durchgehend guten empirischen Ergebnisse von jungen Frauen im Bereich der weiterführenden Schulen haben auch Auswirkungen auf das Geschlechterverhältnis unter den Studierenden. Kamen im Jahr 1951 noch 18.837 weibliche auf 90.711 männliche Studenten, stieg der Frauenanteil an den bundesdeutschen Hochschulen seit den 70er Jahren deutlich an (ca. 30 Prozent) und beträgt im Studienjahr 2001/2002 49,2 Prozent (342.000 Studienanfänger, darunter 168.000 Frauen); das sind 8,6 Prozent mehr als im Jahr zuvor.

Der Entschluss, der Abiturientinnen, ein Studium aufzunehmen, sank jedoch seit den 90er Jahren um etwa 10 Prozent auf 68 Prozent.345

Es stellt sich die Frage nach geschlechtsspezifischen Präferenzen bezüglich der Fächerwahl. Gibt es auch hier, wie bereits oben angenommen, typische „Frauen- oder Männerfächer“? (Die Zahlen sprechen dafür):

„Die ausgeprägte Differenzierung nach Fächern bleibt jedoch trotz einer hohen Zahl an Studentinnen ohne große Veränderungen weiter bestehen.“346

343 Vgl. Bundeszentrale für politische Bildung (Hg.): Frauen in Deutschland. Auf dem Weg zur

Gleichberechtigung, Heft Nr.254 der Informationen zur politischen Bildung, Bonn 1997, S. 21 [im folgenden zitiert als: BpB 1997].

344 Metz-Göckel/Nyssen 1990, S. 49.

345 Vgl. Statistisches Bundesamt Deutschland (Hg.): Mikrozensus 2002, in: www.destatis.de.

346 Vgl. BmFSFJ 2003, S. 27.

Das Fach Veterinärmedizin wird im Wintersemester 2001/2002 zu 81,5 Prozent von Frauen studiert. Aber auch Fächergruppen wie Sprach- und Kulturwissenschaften, Kunst und Kunstwissenschaften (ca. 63,5 Prozent) sowie Agrar-, Forst- und Ernährungswissenschaften, als auch Lehramtsstudienfächer werden überproportional von Frauen frequentiert. Dagegen sind Fächergruppen wie Ingenieurswissenschaften (Frauenanteil: 20,8 Prozent) und Mathematik eher

„männerlastig“.347

Nach Betrachtung der zehn am stärksten besetzten Studienfächer an deutschen Hochschulen ergibt sich folgendes Bild:

Vergleiche Tabelle 2: Die zehn am stärksten besetzten Studienfächer im Wintersemester 2000/2001 (deutsche Studierende)

Männer Frauen

Rang-folge Studienfach %

Rang-folge Studienfach % 1

Betriebswirt-schaftslehre 8,8 1

Betriebswirt-schaftslehre 7,0 2 Informatik 6,2 2 Germanistik/

Deutsch 6,5 3 Rechtswissen-schaft 5,8 3

Rechtswissen-schaft 5,9

Elektronik 4,5 6

Wirtschafts-wissenschaften 3,4 7 Medizin

(Allg.-Medizin) 3,8 7 Anglistik/ Englisch 3,3 8 Bauingenieurwesen/

Ingenieurbau 3,8 8 Biologie 3,1 9

Wirtschaftsingenieur-wesen 3,0 9 Psychologie 3,1

10 Architektur 2,6 10 Sozialwesen 2,7

Quelle: Statistisches Bundesamt (Hg.): Datenreport 2002. Zahlen und Fakten über die Bundesrepublik Deutschland, Bonn 2002, S. 72 [im folgenden zitiert als:

Datenreport 2002].

347 Vgl. BmFSFJ 2003, S. 27; siehe auch zu den meistbelegten Studiengängen 2001 an Universitäten und Kunsthochschulen: Institut der deutschen Wirtschaft Köln: Deutschland in Zahlen 2004, Köln 2004, S. 103 [im folgenden zitiert als: IdW 2004].

Auch aus Tabelle 2 werden die bereits oben dargestellten unterschiedlichen Präferenzen von Frauen und Männern bezüglich der Fächerwahl offensichtlich.

Das Interesse an den wirtschaftswissenschaftlichen Studienfächern ist jedoch bei beiden Geschlechtern nahezu ausgewogen. So gehören auch die Rechtswissenschaften und die Medizin traditionell zu den von Frauen wie Männern am häufigsten gewählten Studienfächern. Das Geschlechterverhältnis betreffend des Studienerfolges ist, impliziert man den Frauenanteil unter den Studierenden, weitgehend ausgeglichen.

Dieses ausgewogene Verhältnis bezüglich der Geschlechter bei den StudienanfängerInnen, den Studierenden und AbsolventInnen setzt sich in den folgenden Stadien der akademischen Laufbahn nicht fort.

Vergleiche Tabelle 3: Frauenanteile in verschiedenen Stadien der akademischen Laufbahn

Frauenanteile in verschiedenen Stadien der akademischen Laufbahn Frauenanteil in Prozent

Gegenstand der Nachweisung

2000 2001 2002

Studienanfänger 49,2 49,4 50,6

Studierende1 46,1 46,7 47,4

Absolventen 44,8 46 47

Promotionen 34,3 35,3 36,4

Habilitationen2 18,4 17,2 21,6

Hochschulpersonal insgesamt3 50,8 51,2 51,2

Hauptberufliches wissenschaftliches

und künstlerisches Personal3 25,6 27 27,7

Wissenschaftliche und künstlerische

Mitarbeiter3 30,4 31,9 32,7

Professoren3 10,5 11,2 11,9

C4-Professoren3 7,1 7,7 8

Bevölkerung insgesamt4 51,2 51,2 51,1

1 Wintersemester

2 Kalenderjahr

3 01. Dezember. Angaben für 2002

4 31. Dezember des Vorjahres

Aktualisiert am 04. Dezember 2003

Quelle: www.destatis.de/cgi-bin/rintview.pl

Es bleibt jedoch die Frage bestehen, warum bei der Entscheidung für ein Studienfach der naturwissenschaftlich-technische Bereich nach wie vor für eine große Zahl von Frauen unattraktiver zu sein scheint, als die traditionell

„weiblichen“.

Ein Erklärungsversuch gestaltet sich wie folgt:

„Die Technikdistanz der Frauen ist Produkt der alltäglichen Zuordnung von Arbeitsmitteln, Erfahrungszusammenhängen, Verhaltens- und Fähigkeitsrepertoires zu einer männlichen und zu einer weiblichen Welt, die auf ideologischen Komponenten, nicht auf Realität basieren, die aber über Sozialisation und Selbstsozialisation sich immer wieder reproduzieren.“348

Die Sozialisation und Selbstsozialisation spielt bei den geschlechtsspezifischen Zuordnungen bestimmter Interessen und Fertigkeiten demnach eine entscheidende Rolle.

Ein anderer Aspekt wird in diesem Zitat deutlich:

„Als Motiv für die Studienfachwahl bzw. die direkte Berufswahl geben Abiturientinnen wesentlich häufiger soziales Interesse und Engagement, wesentlich seltener jedoch materielle-, Status- und Karrieregründe (so z.B. Streben nach leitender Berufsposition, hohem sozialen Status, günstigen Berufs- und Einkommenschancen etc.) als Abiturienten an.“349

Dieser Aspekt lässt sich sicherlich ebenfalls auf die immer noch vorhandene unterschiedliche Sozialisation und der daraus resultierenden kognitiven Lernprozessen von Männern und Frauen, im Elternhaus wie auch im Bildungssystem, zurückführen. Das bei Frauen scheinbar seltenere Streben nach leitenden Berufspositionen und Status, spiegelt sich auch in der Statistik über die akademische Laufbahn von Frauen an deutschen Hochschulen wider.

Aus Tabelle 3 geht die eklatante Unterrepräsentanz von Frauen in den Bereichen der Doktorprüfungen, Habilitationen und Professuren hervor. Eine C4-Professur erreichen lediglich nur 8 Prozent.

348 Krüger, Helga: Gehören technische Fähigkeiten vielleicht auch zum „weiblichen Arbeitsvermögen“?, in:

Rabe-Kleber, Ursula (Hg.): Besser gebildet und doch nicht gleich! Frauen und Bildung in der Arbeitsgesellschaft, Bielefeld 1990, S. 141-159, hier: S. 142 [im folgenden zitiert als: Krüger 1990].

349 Mohr, Wilma: Frauen in der Wissenschaft. Ein Bericht zur sozialen Lage von Studentinnen und

Wissenschaftlerinnen im Hochschulbereich, Freiburg in Breisgau 1987, S.53 [im folgenden zitiert als: Mohr 1987].

„Es wird immer wieder betont, dass es zu wenig Frauen in akademischen Positionen mit hohem Statuswert gibt und von daher den Studentinnen weibliche

‚Identifikationsmodelle’ fehlen.“350

Damit reproduziert auch hier der Mangel an weiblichen qualifizierten Kräften klassische Rollenzuweisungen. Paradox ist, dass das Defizit an Frauen hier, wie auch in anderen gehobenen gesellschaftlichen Positionen, gleichzeitig Auslöser und Resultat geschlechtsspezifischer Zuschreibungen ist.

In Anlehnung daran ist ein weiterer Aspekt, der die akademische Laufbahn einer Frau meist nicht unbeeinflusst lässt, von Bedeutung: die Familienplanung.

„Auch wenn die Studentinnen derzeit (noch) keine Kinder wollen, so spielt die Frage der Vereinbarkeit von künftigem Beruf, Partnerschaft und der Wunsch, Kinder zu haben, doch schon während der Studienzeit eine Rolle [...].“351

Demnach könnte das verstärkte Interesse an erzieherischen-sozialwissenschaftlichen Wissensbereichen bei Frauen ein Versuch sein, die spätere Familie in der Studienplanung zu berücksichtigen. Der Wunsch, nach flexibleren Arbeitszeiten kann hierbei ein Anreiz sein, sich in einem derartigen Berufsfeld zu engagieren.

Nicht nur im Bezug auf den späteren Berufs- und Lebensplan von Frauen spielt die Familie eine entscheidende Rolle. Laut der 16. Sozialerhebung der deutschen Studentenwerke352 sind 7,1 Prozent der Studentinnen Mütter, 27 Prozent davon wiederum sind alleinerziehend353 und der durchschnittliche Betreuungsaufwand für Kinder im Krippenalter durch Studentinnen liegt bei 48 Wochenstunden. Bei den studierenden Vätern, die 6,3 Prozent der Studierenden ausmachen, sind nur 7 Prozent alleinerziehend und der durchschnittliche Betreuungsaufwand liegt bei 29 Wochenstunden. Studierende Väter sind zudem häufiger erwerbstätig als Mütter.

Diese Daten weisen daraufhin, dass Studentinnen, die im Studium bereits eine Familie haben, mehr Zeit für ihre Kinder investieren, als studierende Väter, was

350 Mohr 1987, S. 65.

351 Mohr 1987, S. 76.

352 Vgl. Deutsches Studentenwerk (Hg.): Die wirtschaftliche und soziale Lage der Studierenden in Deutschland , Zusammenfassung der 16. Sozialerhebung 2001, in: www.studentenwerke.de/se/2001/SozGes.pdf.

353 Das Statistisches Bundesamt bezeichnet Alleinerziehende als „Ledige, verheiratet getrenntlebende, geschiedene und verwitwete Väter und Mütter, die mit ihren minder- oder volljährigen ledigen Kindern zusammenleben.“ Statistisches Bundesamt (Hg.): Bevölkerung und Erwerbstätigkeit, Fachserie 1, Reihe 3:

Haushalte und Familien 1993, Stuttgart 1994.

sich auf Studiendauer und –abschluss auswirken kann. Auch die zeitaufwändige akademische Karriere wird so für Frauen mit Familie im Vergleich zu Männern erschwert.

Resultat der bisher genannten Punkte zur Situation von Frauen an deutschen Hochschulen ist eine deutliche Mehrzahl von männlichen Akademikern im naturwissenschaftlich-technischen Bereich, eine Minderheit von Frauen in hohen akademischen Positionen und somit nach wie vor eine deutliche Unterrepräsentanz des weiblichen Geschlechts in wissenschaftlichen und öffentlichen Machtpositionen. Die Verhältnisse an den Universitäten scheinen es Frauen nach wie vor nicht im selben Maß wie Männern zu ermöglichen, höhere Positionen in Bildung, Forschung und Wirtschaft für sich zu beanspruchen.

Im Dokument Manifestierte Ungleichheitsstrukturen (Seite 102-107)