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Die Entwicklung der Wahlbeteiligung

Im Dokument Manifestierte Ungleichheitsstrukturen (Seite 127-130)

V. Die Teilhabe von Frauen in öffentlichen Bereichen – Kristallisationsbereich: politische Partizipation

3.1. Die Partizipationsform „Wahl“

3.1.1. Die Entwicklung der Wahlbeteiligung

Am 19. Januar 1919 waren das erste Mal in der deutschen Geschichte 17,6 Millionen Frauen aufgefordert durch ihre Stimmabgabe über die Zusammensetzung der Nationalversammlung mitzuentscheiden.

Man ermittelte eine nahezu identische Wahlbeteiligung von 82,3 Prozent bei den Frauen und 82,4 Prozent bei den Männern. In den zwanziger Jahren differierten die Quoten der Wahlbeteiligung zwischen den Geschlechtern allerdings bis zu über 10 Prozent . Es ergab sich für das Jahr 1924 eine Wahlbeteiligung von etwa 73,5 Prozent bei den Männern und ca. 62 Prozent bei den Frauen. War somit die Wahl zur Nationalversammlung von 1919 bezüglich der Frauenwahlbeteiligung eine Ausnahmewahl?

Davon ausgehend erklärt Hofmann-Göttig (1986) dieses Ergebnis mit der politischen Umbruchsituation in dieser Zeit. Er schreibt:

„Die erste Wahl ist nicht typisch für die Weimarer Republik, sondern hinsichtlich der weiblichen Wahlbeteiligung gegenüber der der Männer sowohl absolut als auch relativ eine Ausnahmewahl.“396

Eine Bestätigung findet dies bei Betrachtung der Wahlbeteiligung in anderen Ländern nach Einführung des Frauenwahlrechts. Dort war in der Regel die Beteiligung von Frauen von Beginn an niedriger als bei den Männern.

Ein wichtiges Argument gegen die „Ausnahmewahl“-These bringt Bremme ein:

„Analysiert man die Wahlbeteiligung in den verschiedenen Altersgruppen, so ist ersichtlich, dass die jüngeren Jahrgänge der Männer noch kurz vor Kriegsende eingezogen wurden und sich daher nicht an den Wahlen beteiligen konnten, obwohl sie in den Wählerlisten geführt wurden."397 Dieses Thema scheint wohl weiterhin Forschungsgegenstand zu bleiben. Lässt man die Reichstagswahl von 1919 aus gegebenem Grund außen vor, so ist ersichtlich, dass doch ein typisches Muster für die geschlechterspezifische Wahlbeteiligung in der Weimarer Republik vorherrschend war.398

396 Hofmann-Göttig 1986, S. 31.

397 Bremme 1956, S. 28.

398 Vgl. Molitor 1992, S. 22.

Nachweisbar ist, dass in der Weimarer Republik die Wahlbeteiligungsdifferenzen zwischen den Geschlechtern weiter auseinander lagen als in der Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg. Im Jahr 1953 gingen in der Bundesrepublik etwa 85 Prozent der Frauen und 88 Prozent der Männer zur Wahl. 1965 waren es jeweils 84 Prozent der Frauen und 87,5 Prozent der Männer.399

In den siebziger Jahren kommt es zu einer weiteren Angleichung der Wahlbeteiligung zwischen den Geschlechtern. Bei der Bundestagswahl 1976 entschieden sich 90 Prozent der Frauen und 90,8 Prozent der Männer den Weg zur Wahlurne auf sich zu nehmen.400 Diese Jahre spiegelten den Höchststand der Wahlbeteiligung beider Geschlechter wider.

Bei der ersten gesamtdeutschen Bundestagswahl 1990 waren es nur noch 75,9 Prozent der Frauen und 77,7 Prozent der Männer die ihre Staatsbürgerrolle nun auf dem Gebiet des vereinten Deutschlands ernst nahmen.401

Für die Jahre nach 1990 liegen keine nach Geschlecht getrennten Statistiken vor.402

2002 beteiligten sich nach Angaben des Statistischen Bundesamtes 2004 vier von fünf Frauen an der Bundestagswahl.403 79 Prozent der Wahlberechtigten Frauen und somit 3,1 Prozent mehr als im Jahr 1990 nahmen als Urnen- oder Briefwählerinnen an der Wahl zum 15. Deutschen Bundestag im September 2002 teil. Die Wahlbeteiligung der Männer lag mit 80 Prozent nur unwesentlich höher.

Tendenziell ist festzuhalten, dass die Wahlbeteiligungsraten mit zunehmenden Alter ansteigen, wobei zwischen Frauen und Männern in fast allen Altersgruppen nur marginale Unterschiede in der Wahlbeteiligung zu verzeichnen sind.

Auf Grund der Alterstruktur der deutschen Bevölkerung, stellen insbesondere die älteren Bürgerinnen und Bürger ein immenses Wählerpotential dar. Von den ca.

61,4 Prozent Wahlberechtigten (2002) gehören 32 Prozent der Gruppe der über 60-jährigen an. Mit 82 Prozent lag diese Altersgruppe um 2,6 Prozentpunkte über der durchschnittlichen Wahlbeteiligung aller Altersgruppen. Insgesamt zeigten die

399 Vgl. Hofmann-Göttig 1986, S. 36 ff.

400 Vgl. Hofmann-Göttig 1986, S. 37.

401 Vgl. Cornelissen 1993, S. 332.

402 Vgl. Cordes 1996, S.60.

403 Vgl. zu den nachstehenden Daten [Bundestagswahl 2002] StatB 2004, S. 74 ff.; Repräsentative Bundestagswahlstatistik nach Angaben des Statistischen Bundesamtes [Anmerkung: Die repräsentative Wahlstatistik beruht darauf, dass in ausgewählten Stimmbezirken nach Geschlecht und Alter gekennzeichnete Stimmzettel ausgegeben werden. Auf Grund der Klage eines Bürgers, wonach der individuelle Datenschutz bei dieser Vorgehensweise nicht gesichert sei, durften bei der Bundestagswahl 1994 und 1998 keine entsprechenden Daten mehr erhoben werden. Erst 2002 gab es wieder eine repräsentative Bundestagswahlstatistik.]; IdW 2004, S. 111 f.

60- bis 69-jährigen mit 86 Prozent der Frauen und 87 Prozent der Männer die höchste Wahlbeteiligung bei der Bundestagswahl im September 2002.

Abhängigkeit dem 70. Lebensjahr sinkt die Beteiligung der Wähler und Wählerinnen wieder ab. Diese Gruppe ist es auch, die hinsichtlich der geschlechtsspezifischen Beteiligungsraten die größten Unterschiede aufweist.

Die Wahlbeteiligung hier war bei den Frauen deutlich niedriger als bei den Männern (Frauen 75 Prozent/ Männer 84 Prozent).404

Dies dürfte jedoch damit zusammenhängen, dass sich in der betreffenden Altersgruppe deutlich mehr ältere Frauen befinden, denen eine Wahlbeteiligung mit zunehmenden Alter immer schwerer fallen dürfte: In dieser Altersgruppe stehen 6,3 Millionen Frauen mit einem Durchschnittsalter von 79 Jahren 3,5 Millionen Männern (Durchschnittsalter 77 Jahre) gegenüber.405

Bei der jüngsten Altersklasse sind die Wahlbeteiligungsraten nicht in diesem Maße different, doch sind auch hier Veränderungen zu erkennen. Seit 1980 zeichnete sich bei den jüngeren Frauen eine gewisse Wahlmüdigkeit ab. Die Differenzen zwischen Männern und Frauen lagen in der Zeit von 1953 bis 1976 bei den 21-25-jährigen (bzw. bei den 18- bis 21-21-25-jährigen ab 1972) um einen Prozentpunkt. In den darauffolgenden Jahren stiegen sie an und erreichten bei der Bundestagswahl 1987 4,3 Prozentpunkte, drei Jahre später 3,2 Prozentpunkte.

Eine Ausnahme stellt allein die Altersgruppe der etwa 30- bis 45-jährigen Frauen dar. Hier kommt es seit 1972 zu einer kontinuierlichen Angleichung der Wahlbeteiligungsraten, die sogar, wenn auch nur minimal, die der Männer übertrifft.

Weit beunruhigender als dieser dargestellte geschlechtsspezifische Unterschied ist dagegen die insgesamt deutlich rückläufige Wahlbeteiligung der jüngeren Generationen insgesamt.

Die Wahlbeteiligungsquote der 18- bis 24-Jährigen fiel von über 80 Prozent zu Beginn der 80er Jahre auf 60 Prozent 1990 zurück. Ähnliche Werte sind auch in der Altersklasse der 25-bis 35-jährigen Wahlberechtigten nachzuweisen.406

An der Bundestagswahl 2002 beteiligten sich in der Gruppe der 21- bis 24-jährigen 69 Prozent der Frauen und 68 Prozent der Männer. Die Wahlbeteiligung

404 Die diesbezüglichen Zahlen der Bundestagswahlen in den Jahren zuvor wichen noch deutlicher voneinander ab; vgl. Statistisches Bundesamt (Hg.): Wahl zum 12. Deutschen Bundestag am 2. Dezember 1990, Fachserie 1, Heft 4, S. 11 [im folgenden zitiert als: StatB 1990].

405 Vgl. dazu ausführlich Abschnitt V. 8.2. in dieser Arbeit.

406 Vgl. StatB 1990, S. 11 ff.

weiblicher und männlicher Jungwähler lag mit 68 Prozent deutlich unter der bundesdurchschnittlichen Wahlbeteiligung von etwa 80 Prozent.

Vergleiche dazu Tabelle 7: Wahlbeteiligung von Frauen und Männer bei den Bundestagswahlen 1953 bis 2002 (in Prozent)I

Jahr Männer Frauen

1953II 88,0 84,9 1957 89,6 86,3 1961 88,9 86,2 1965 87,5 84,6 1969 87,5 84,9 1972 91,4 90,2 1976 90,8 90,0 1980 88,2 87,1 1983 89,1 87,8 1987 84,2 82,1 1990III 77,7 75,9 1990IV 74,7 75,0 1990V 77,0 75,7 1994V - - 1998V - - 2002 80,0 79,0

Quelle: Repräsentative Bundestagswahlstatistik nach den Angaben des

Statistischen Bundesamtes; Deutschland in Zahlen 2004, S. 111 f.; Statistisches Bundesamt: Frauen in Deutschland, Wiesbaden 2004, S. 74 f.

I Wahlbeteiligung der Wahlberechtigten ohne Wahlschein II Bundesgebiet ohne Rheinland-Pfalz, Saarland und Bayern

III Bundesrepublik nach dem Gebietsstand vor dem 3.10.1990, ohne Berlin (West) IV Neue Bundesländer und ganz Berlin

V Bundesrepublik nach dem Gebietsstand ab dem 3.10.1990

Im Dokument Manifestierte Ungleichheitsstrukturen (Seite 127-130)