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Der Ruf nach innerparteilicher Gleichstellung

Im Dokument Manifestierte Ungleichheitsstrukturen (Seite 147-151)

V. Die Teilhabe von Frauen in öffentlichen Bereichen – Kristallisationsbereich: politische Partizipation

4. Frauen in Parteien

4.7. Der Ruf nach innerparteilicher Gleichstellung

Die Parteien stehen bezüglich der innerparteilichen Gleichstellung auf einem unterschiedlichen Entwicklungsstand. Überlegungen zur Erhöhung des Frauenanteils stellen mehr oder weniger freiwillig inzwischen alle an.446

Das Voranbringen dieser Entwicklung beanspruchen die Bündnis-Grünen für sich:

„Mit der Einführung der Frauenquote und der Mindestparität ist unsere Partei einen wichtigen Schritt vorausgegangen. Frauen haben sich bei uns erfolgreich in allen Ebenen etabliert. Durch unser Vorbild sind Quotierungen heute in kaum einer Partei mehr wegzudenken.“447

Zur Verabschiedung der „Richtlinien zur politischen Gleichstellung der Frauen in der CDU“ kam es auf dem Bundesparteitag 1988. In diesem wurde die freiwillige Selbstverpflichtung der Partei zur Förderung weiblicher Kandidaturen wiederholt.

Man einigte sich auf einen Sollrichtwert von 25 Prozent innerhalb der 90er Jahre.

Im weiteren ging ein Appell an alle Parteimitglieder heraus, Frauen auf allen Ebenen als Kandidatinnen aufzustellen und im Wahlkampf zu unterstützen, sie bei den Wahlen zu berücksichtigen und ihnen aussichtsreiche Listenplätze zu überlassen. Eine jährliche Berichterstattung sollte über die Fortschritte Rechenschaft geben. Doch auf Grund des reinen Empfehlungscharakters dieser Beschlüsse führten diese nicht zu dem erhofften Ergebnis. Man entschloss sich 1994 nach Abwendung vieler junger Wählerinnen, ein „Quorum“ einzuführen, wonach zumindest im ersten Wahlgang ein Drittel aller Parteiämter, Mandate und Funktionen von Frauen besetzt werden sollten. Ab dem zweiten Wahlgang gilt diese Regelung dann allerdings nicht mehr. Nach einigen Anläufen und langen

444 Vgl. Helwig, Gisela: Frauen und Politik, in: Andersen, Uwe/Woyke, Wichard (Hg.): Handwörterbuch des politischen Systems der Bundesrepublik Deutschland, 4. Aufl., Bonn 2000, S. 179-183, hier: S. 182 [im folgenden zitiert als: Helwig 2000].

445 Nach Angaben des Bundesvorstands der PDS am 28.04.2004

446 Vgl. hierzu auch Cornelissen 1993, S. 335 f.; Hoecker 1995, S. 104 ff.; Lindecke, Christiane : „Frauen und andere Minderheiten.“ Zur Entstehung und Konkretisierung der US-amerikanischen Gleichstellungsregelungen zugunsten von Frauen und zur Frage eines möglichen Transfers auf die Bundesrepublik Deutschland,

München/Mering 1995 [im folgenden zitiert als: Lindecke 1995]; Maleck-Lewy/Penrose 1995, S. 65 ff.

447 www.gruene-partei.de.

Debatten wurde schließlich im Herbst 1996 das Quorum vom Bundesparteitag in Hannover beschlossen.

Eine zweistufige Quotierung hatte die SPD nach Änderung ihres Organisationsstatuts sowie der Wahlordnung 1988 beschlossen. Für Funktionen und Parteigremien galt bis 1993 eine Quote von 33,3 Prozent, die ab 1994 von einer 40-Prozent-Quote abgelöst wurde. Etwas langsamer ging es bei den Kandidaten- bzw. Kandidatinnenlisten und Mandaten voran: Ab 1990 gehörte ein Viertel, ab 1994 ein Drittel der Listenplätze den Frauen. Ab 1998 gilt die 40-Prozent-Quote bis zum Jahr 2013. Diese vorgenommene Befristung wird jedoch von Karin Junker auf dem im November 2003 stattgefundenen Parteitag der SPD in Bochum in Frage gestellt. Sie erklärt:

„Fünfzehn Jahre nach dem ‚Quotenbeschluss’ von Münster ist festzuhalten, dass Frauen in der SPD erfreulich aufgeholt, aber keineswegs überall die Mindestabsicherung von 40 Prozent erreicht haben. [...] Schon heute zeigen sich hier und dort allerlei Bemühungen, die Quote zu umgehen und am liebsten außer Kraft zu setzen. [...] Dem Parteivorstand ist daher zu danken, dass er sich das Anliegen der ASF zu Eigen gemacht hat, die Befristung aus der Satzung zu streichen.448

Die CSU sieht bezüglich dieser hier vorliegenden Thematik bis heute keinen Handlungsbedarf und hat daraus resultierend auch keine nennenswerten Bemühungen unternommen, die politische Gleichstellung von Frauen und Männern zumindest in der Partei umzusetzen. Aus der Parteisatzung geht lediglich hervor:

„Bei allen Wahlen sind Frauen zu berücksichtigen.“449

Jede Art von Quoten werden von der CSU abgelehnt. Die Frauen-Union forderte bereits konkrete Beschlüsse.

In ähnlicher Weise wie die CDU hat der Bundesvorstand der FDP 1987 den Weg der liberalen Selbstverpflichtung propagiert, einschließlich der Einsetzung von Arbeitsgruppen zur Entwicklung eines Förderplans und einer Berichtspflicht. Eine Initiative, die sich „Mehr Chancen für Frauen in der FDP“ nennt, wurde 1995 gegründet.450 Danach sollten bis 1998 Frauen zu 25 Prozent, das entspricht ihrem

448 Karin Junker, in Gleichstellungsbericht der SPD 2003, S. 6

449 Satzung der CSU vom Januar 1993, § 45 Satz 2.

450 Vgl. Beschluss des Bundesvorstandes vom 15. Mai 1995: Liberale Initiative: „Mehr Chancen für Frauen in der FDP“.

derzeitigen Mitgliederanteil, in Ämtern und Mandaten vertreten sein. Im Zuge der Bundestagswahl 1998 sah die Frauenvereinigung der FDP die Chance, den bisher gesetzten Rahmen noch zu erweitern. Einen Frauenanteil von 30 Prozent auf sicheren Listenplätzen hielt man für realistisch. Diese Forderung wurde bei weitem nicht realisiert. Quoten werden bis heute als wettbewerbswidrig abgelehnt.

Die Grünen haben in ihren Statuten für alle Wahlämter eine Mindestquote von 50 Prozent für Frauen festgeschrieben. Dass die Quote gehalten wird, garantiert das Wahlverfahren: es wird nach getrennten Listen gewählt; bei gemeinsamen Listen wechseln Frauen und Männer ab, wobei Frauen die ungeraden Listenplätze belegen. Im Gegensatz zur SPD fällt bei Fehlen weiblicher Kandidaturen die Plätze nicht automatisch den Männern zu, sondern die Wahlversammlung agiert und entscheidet über weitere Maßnahmen. Zudem wurde ein Frauenrat als eigenständiges Gremium und Organ der Partei 1995 in der Satzung der Bündnisgrünen verankert.

Wie die Grünen zeichnet sich auch die PDS durch eine Geschlechterparität in ihren Reihen aus. Zu einem Frauenanteil von mindestens 50 Prozent für alle innerparteilichen Wahlen und Normierungen von Kandidaten für öffentliche Ämter hat sich auch die PDS in ihrer Satzung verpflichtet.

Im weiteren sollen politische und organisatorisch-technische Bedingungen geschaffen werden, die sicherstellen, „daß Frauen, Alleinerziehende und Familien mit Kindern sich aktiv in das politische Leben der Partei einbringen können“.451 Bis in die 70er Jahre hinein machte es keinen Unterschied, ob in den Parteien Frauenorganisationen existierten oder nicht; in allen Parteien war der Frauenanteil verschwindend gering. Sowohl die Arbeitsgemeinschaft Sozialdemokratischer Frauen (ASF) wie auch die Vereinigungen der Unionsfrauen besaßen wenig Einfluss und standen in den Kräftefeldern der Parteien eher isoliert.

Im historischen Vergleich zeigt sich, dass Frauenforderungen nur in reformorientierten bzw. revolutionären und wirtschaftlich prosperierenden Geschichtsphasen Durchsetzungschancen hatten, die mit zunehmender Verfestigung, Oligarchisierung und nachlassender Wirtschaftskraft wieder erstickt wurden. Anders verhält es sich in der Zeit der 68er-Bewegung und der

„Reformdekade“ der sozial-liberalen Koalition. Sie hatten für die Frauen

451 Vgl. Statut der PDS, beschlossen auf der 2. Tagung des 2. Parteitages; Hoecker 1995, S. 108.

ambivalente Auswirkungen: Einerseits gab es den Aufbruch in die Neue Frauenbewegung, andererseits wurden in Überschätzung der

„Männeremanzipation“ die letzten „Sonderrechte“ (Kontingente und Frauenvertretungen) von Sozial- und Freidemokraten/demokratinnen abgeschafft.

Die Konkurrenz und das Vorbild der Neuen Frauenbewegung beeinflussten auch innerparteilich eine Infragestellung der etablierten Männermehrheiten. Forciert wurde diese Entwicklung durch die Gründung und die ersten Erfolge der Grünen, die durch eine progressive, feministisch geprägte Frauenpolitik auf die anderen Parteien einen gewissen Zugzwang ausübten. Die Grünen Frauen hatten insofern einen leichteren Stand in der Parteipolitik, als sie von Beginn an, ohne patriarchalische „Altlasten“ überwinden zu müssen, die Parteipolitik mitbestimmen konnten.

Entscheidend für den Fortschritt der Quoten- bzw. Gleichstellungsdiskussion in den etablierten Parteien war das veränderte Wählerinnenverhalten, von dem in der Hauptsache die Parteien links der Mitte profitierten. Frauenpolitik entwickelte sich zunehmend zu einem wahlrelevanten Faktor, was sich zunächst verbal-feministisch in den Parteiprogrammen niederschlug und inzwischen Frauenförderungsanstrengungen unterschiedlicher Qualität provozierte. Parallel dazu traten die Parteifrauen mit Forderungen an die Führungsgremien heran.

Festzuhalten bleibt die parteiübergreifende geringe Beteiligung von Frauen an Funktionen und Mandaten, insbesondere an Direktmandaten. Auf den Wahllisten wurden und werden Politikerinnen vorwiegend auf den hinteren Plätzen platziert.

Die ganze Quotendiskussion ist massiv von den Erfahrungen geprägt, als einzelne Frau politisch nichts durchsetzen zu können und dass Appelle wenig Erfolg zeigen. Gleichwohl können Quotierungen keine grundsätzlichen Benachteiligungen lösen, sondern umgehen diese lediglich. Beate Hoecker schreibt dazu:

„Die tatsächliche Verwirklichung der politischen Gleichberechtigung von Frauen wird nur mit einer Veränderung der bislang gültigen Prinzipien der Personalauswahl und Elitenbildung sowie einem Abbau der gesellschaftlichen Ungleichheit von Frauen zu erreichen sein.“452

452 Hoecker 1995, S. 109.

Sollte dies Berücksichtigung finden, geht dem auch eine Verbesserung der politischen Partizipationschancen einher, die wiederum Auswirkungen auf das ganze gesellschaftliche Gefüge nach sich zieht.

Im Dokument Manifestierte Ungleichheitsstrukturen (Seite 147-151)