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Berufliche Bildung

Im Dokument Manifestierte Ungleichheitsstrukturen (Seite 107-115)

IV. Bildung als elementare Voraussetzung zur Partizipation im öffentlichen Bereich

4. Berufliche Bildung

Im Verlauf ihrer Schulzeit entwickeln Mädchen ähnliche Ansprüche an den Beruf wie Jungen und richten sich bei ihrer Berufswahl nach ihren Neigungen und Interessen.354

Der Beruf sollte ihnen neben der Sicherung des Lebensunterhaltes vor allem persönliche Entwicklungsmöglichkeiten bieten. Wenn Mädchen und junge Frauen sich über ihre Zukunftswünsche und –erwartungen äußern, steht an erster Stelle die Verwirklichung ihres Wunschberufes gefolgt von dem Wunsch nach einer eigenen Familie.355 Auch Jungen präferieren hinsichtlich ihrer Zukunftsplanung Familie und Beruf, aber berücksichtigen im Gegensatz zu den Mädchen nicht, den Ausschluss oder die Einschränkungen des einen bei Bevorzugung des anderen.

Sie sehen die Ermöglichung ihrer Wünsche zu 80 Prozent in der Berufsaufgabe der Frau. Diese manifestierten, tradierten Vorstellungen vieler junger Männer beeinflussen viele Frauen dahingehend, dass sie sich nur schwer vorstellen können, ihren Beruf mit der Familie in Einklang bringen zu können.356

Diese Zweifel vieler Frauen werden in der Aussage einer Schülerin zum Ausdruck gebracht:

354 Vgl. StatB 2004, S. 18.

355 Vgl. Damm-Rüger, Sigrid: Frauen – Ausbildung – Beruf. Realität und Berufsausbildung von Frauen, Bielefeld 1992, S. 3 [im folgenden zitiert als Damm-Rüger 1992].

356 Vgl. Hoppe, Heidrun: Frauenleben: Aufbruch und neue Unsicherheiten, Bielefeld 1993, S. 34 [im folgenden zitiert als: Hoppe 1993].

„Meine Zukunft? Naja, heiraten, Kinder haben und aber trotzdem berufstätig bleiben. [...] aber das ist eben fast unmöglich.“357

Diese Aussage beansprucht auch für das 21. Jahrhundert Gültigkeit. Mädchen wollen heute meist beides, sowohl ihren Beruf als auch eine Familie. Subjektiv gesehen, versuchen sie diese „Doppelorientierung“ bei der Wahl der Berufe zu berücksichtigen, indem sie Ausbildungs- und Studiengänge wählen, die noch am ehesten die Vereinbarkeit von Familie und Beruf zu gewährleisten scheinen.

Objektiv gesehen ist der Arbeitsmarkt so strukturiert, dass die Vereinbarkeit von Familie und Beruf nur auf Kosten der beruflichen Karriere von Frauen möglich ist.

Die männliche Berufsbiographie, die eine lebenslange Vollbeschäftigung suggeriert und impliziert, wird vom Arbeitgeber vorausgesetzt und als Ideal angesehen.358

Dabei ist die Schule zwar nicht als Verursacherin der geschlechtsspezifischen Arbeitsteilung und der geschlechtsspezifischen Segmentierung zu sehen, allerdings trägt sie zu deren Stabilisierung bei. Durch eine geschlechtsspezifische Wahl der Fachrichtungen vieler Mädchen in Schule und Studium bereiten sie diese auch in der Regel auf typische weibliche Berufe und somit auf ihre Zuständigkeit für den Reproduktionsbereich vor. Umgekehrt trägt die geschlechtsspezifische Arbeitsteilung im wesentlichen dazu bei, die geschlechts-spezifische Sozialisation in der Schule zu evozieren und zu perpetuieren. Daraus scheint ein Kreislauf zu resultieren, der es einer Frau nur schwer ermöglicht, sich aus diesem zu befreien.359

Auf Grund ihrer schulischen Leistungen dürften Mädchen keine Schwierigkeiten bei der Berufswahl haben, vielmehr wegen ihrer guten Abschlüsse den Jungen vorgezogen werden. Würde bei der Einstellung nur die Schulnote von Relevanz sein, so wäre die Hälfte aller Ausbildungsplätze von Mädchen besetzt.360

357 Lemmermöhle-Thüsing, Doris: „Meine Zukunft? Naja, heiraten, Kinder haben und trotzdem berufstätig bleiben. Aber das ist ja fast unmöglich.“ Über die Notwendigkeit, die Geschlechterverhältnisse in der Schule zu thematisieren: das Beispiel Berufsorientierung, in: Rabe-Kleber, Ursula (Hg.): Besser gebildet und doch nicht gleich! Frauen und Bildung in der Arbeitsgesellschaft, Bielefeld 1990, S. 163-196, hier: S. 163 [im folgenden zitiert als: Lemmermöhle-Thüsing 1990].

358 Vgl. Lemmermöhle-Thüsing 1990, S. 167.

359 Vgl. Metz-Göeckel/Nyssen 1990, S. 67; Nestvogel, Renate: Aufwachsen in verschiedenen Kulturen.

Weibliche Sozialisation und Geschlechterverhältnisse in Kindheit und Jugend, Weinheim/Basel 2002 [im folgenden zitiert als: Nestvogel 2002].

360 Vgl. Lemmermöhle-Thüsing 1990, S. 168 f.

Eine Unternehmerin erklärte zu diesem Thema bereits 1986 in der Zeitschrift Emma:

„[...] Das ist heute soweit, dass wir, wenn wir nach Testverfahren vorgehen, eigentlich nur Mädchen nehmen müssten, dann hätten wir 100 %.

Emma: Was heißt das eigentlich; sie nehmen also nicht die Besten sie nehmen die schlechteren Jungs dazu?

Unternehmerin: Wir sind ja für Gleichberechtigung, wir müssen auch den Männern eine Chance lassen.“361

Wie aus Befragungen des Mikrozensus hervorgeht, hat sich der Anteil der erwerbstätigen Frauen, die angaben, einen beruflichen Ausbildungsplatz bzw.

Hochschulabschluss zu besitzen von 81,1 Prozent im Jahr 1995 auf 80,8 Prozent (2000) kaum verringert. Zudem fand man in weiterführenden Untersuchungen heraus, dass weibliche Auszubildende meist bessere Ergebnisse in den Abschlussprüfungen erzielen, als männliche Absolventen.362

Dennoch sind die jungen Frauen bei der Lehrstellenbesetzung unterrepräsentiert.

Ihr Anteil an betrieblichen Berufsausbildungen363 lag Ende 2002 im gesamten Bundesgebiet bei 41 Prozent und somit nur um 2,8 Prozent höher als 1980.364 Auch, wie bereits in den Jahren zuvor, werden heute die meisten jungen Frauen in überwiegend weiblich oder weiblich dominierten Berufen ausgebildet. Über 70 Prozent von ihnen konzentrieren sich auf 20 von insgesamt etwa 350 Lehrberufe, vorwiegend im Dienstleistungsbereich. Sie lernen Arzthelferin, Bürokauffrau, Friseurin, Verkäuferin, etc.

Im Gegensatz dazu beträgt der Männeranteil in den 20 am häufigsten frequentierten Ausbildungsberufen – zumeist aus dem gewerblich-technischen Sektor – nur gut die Hälfte.

361 Emma Heft 7, 1986, S. 28

362 Vgl. BmFSFJ 2003, S. 23.

363 Die berufliche Ausbildung wird überwiegend im dualen System durchgeführt. „Während der Besuch der Berufsschulen der Vermittlung der fachtheoretischen Ausbildungsinhalte dient, vollzieht sich die praktische Berufsausbildung durch das unmittelbare Lernen am Arbeitsplatz oder in den Ausbildungsstätten.“ Statistisches Bundesamt (Hg.): Datenreport 2002, Band 376, Bonn 2002, S. 64 [im folgenden zitiert als: Datenreport 2002].

364 Angabe für früheres Bundesgebiet vgl. IdW 2004.

Vergleiche Tabellen 4 : Auszubildende in den 20 am stärksten besetzten Ausbildungsberufen 2003

Männliche Auszubildende

Rang-ziffer Ausbildungsberuf * Anzahl Prozent 1

Kraftfahrzeug-mechatroniker 78.442 8,4

2

Elektroiniker-Energie-Gebäudetechnik 38.793 4,1

3

Anlagemechaniker für Sanitär-, Heizungs- und Klimatechnik

36.711 3,9 4 Maler und Lackierer 31.764 3,4 5 Kaufmann im

Einzelhandel 30868 3,3

6 Koch 29.154 3,1

7 Metallbauer 27.323 2,9

8 Tischler 25.125 2,7

9 Kaufmann im Groß- und

Außenhandel 22.592 2,4

10 Mechatroniker 19.666 2,1

11

Industriemechaniker - Maschinen und Systemtechnik

18.947 2,0 12 Industriekaufmann 18.856 2,0 13 Industriemechaniker –

Betriebstechnik 17.655 1,9

14 Bürokaufmann 16.552 1,8

15 Bankkaufmann 16.011 1,7

16 Elektroniker –

Betriebstechnik 13.756 1,5

17 Maurer 13.578 1,4

18 Feinwerkmechaniker 13.006 1,4

19 Gärtner 12.522 1,3

20 Bäcker 12.431 1,3

Zusammen 1-20 493.752 52,6 Alle übrigen Berufe 445.359 47,4

Insgesamt 939.111 100,0

Weibliche Auszubildende

Rang-ziffer Ausbildungsberuf * Anzahl Prozent

1 Bürokauffrau 46.645 7,3

2 Arzthelferin 46.180 7,2

3 Kauffrau im Einzelhandel 39.780 6,2 4 Zahnmedizinische

Fachangestellte 39.634 6,2

5 Friseurin 38.688 6,0

6 Industriekauffrau 31.650 4,9

7 Fachverkäuferin im

Nahrungsmittelhandwerk 27.184 4,2 8 Kauffrau für

Bürokommunikation 26.488 4,1

9 Bankkauffrau 23.287 3,6

10 Hotelfachfrau 22.564 3,5

11 Verkäuferin 19.002 3,0

12 Steuerfachangestellte 16.553 2,6 13 Kauffrau im Groß- und

Außenhandel 16.314 2,5 14

Rechtsanwaltsfach-angestellte 15.846 2,5 15 Verwaltungsfachangestellte 11.001 1,7 16 Restaurantfachfrau 10.592 1,6

17 Köchin 9.686 1,5

18 Rechtsanwalts- und

Notarfachangestellte 8.430 1,3 19 Versicherungskauffrau 7.825 1,2

20

Pharmazeutisch-kaufmännische Angestellte 7.702 1,2 Zusammen 1-20 465.051 72,4 Alle übrigen Berufe 177.467 27,6 Insgesamt 642.518 100,0 * Gleichlautende Berufe aus verschiedenen Ausbildungsbereichen wurden

zusammengefasst. Auslaufende Ausbildungsberufe wurden den Nachfolgeberufen zugeordnet.

Quelle(beide Tabellen):www.destatis.de/daten1/stba/html/basis/d/biwiku/beruftab3.php;

Stand: August 2004

Selbst bundesweite Aktionen, Mädchen auch in Männerberufen auszubilden, wurden nur sehr zögerlich wahrgenommen. Die Vermutung, dass auch hier ein überkommendes geschlechtsspezifisches Rollenbild zum Tragen kommt, ist evident.

Gleichwohl hat sich das Berufsspektrum junger Frauen in den letzten Jahren erweitert. Es wurden ab 1990 auf Grund verschiedener Modellprojekte vor allem im gewerblich-technischen Bereich365, der mehr oder weniger eine Männerdomäne reflektiert, auch im erhöhten Maße Frauen ausgebildet. Doch eine Ausbildung impliziert noch keine Garantie auf Beschäftigung, was an den Arbeitslosenzahlen von Frauen, die jene Berufsrichtung einschlugen, deutlich wird.

Generell ist das Risiko der Erwerbslosigkeit nach der Ausbildung für Frauen in

„Männerberufen“ viermal größer als das derjenigen in typischen „Frauenberufen“.

Die Berufe gerade im Metall- und Technikbereich sind für das weibliche Geschlecht nach wie vor nur erschwert zugänglich. Dies ist vor allem durch Vorurteile zu begründen, die sich aus tradierten geschlechtsspezifischen Rollenzuweisungen entwickelt haben. Frauen werden die typischen „weiblichen Attribute“ zugesprochen und somit, ob von den Vorgesetzten oder den Kollegen, die typisch „männlichen“ abgesprochen.366

„Sie haben zwar die Hürde der Berufsfindung und der Ausbildung überwunden, scheitern aber dann an der Berufseinmündung. Die Betriebe geben vielfach jungen Männern den Vorzug, wobei Vorurteile gegenüber der Eignung von Frauen ebenso eine Rolle spielen wie die Überlegung, daß weibliche Mitarbeiter über kurz oder lang wegen Mutterschaft ausfallen könnten.“367

Diese Aspekte beanspruchen nicht nur für Frauen in Männerberufen als Einstellungshemmnis vieler Betriebe Gültigkeit.

Die daraus resultierenden Erfahrungen des weiblichen Geschlechts bleiben nicht ohne Auswirkung auf ihr Ausbildungsziel, das sie dazu veranlasst, eine für Frauen

„bewährte“ Richtung zu beschreiten. Kriterien wie Aufstiegsmöglichkeiten und besserer Verdienst sind somit sekundär.368

365 Vgl. Bundesministerium für Frauen und Jugend: Frauen in der Bundesrepublik Deutschland, Köln 1992, S. 27 [im folgenden zitiert als: BmFJ 1992]; BmFSFJ 2003, S. 24.

366 Vgl. Hoppe 1993, S. 44.

367 BpB 1997, S. 23 f.

368 Vgl. Damm-Rüger 1992, S. 48

Zahlreiche Maßnahmen und Projekte der Bundesregierungen zielen daher erneut auf eine Erweiterung des Berufsspektrums junger Frauen. Das Bundesministerium für Bildung und Forschung hat z.B. das Projekt „Job sucht mich“ ins Leben gerufen. Hierbei handelt es sich um ein Multimediaplanspiel, das verschiedene berufliche Alternativen zu kaufmännischen und Verwaltungsberufen aufweist und den Fokus auf technische Berufsvarianten lenkt. Das Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend unterstützt u.a. im Rahmen eines Modellprojekts (KONTEXIS) Bemühungen, Technikverständnis vor allem in den neuen Informations- und Kommunikationstechnologien zu verbessern.

In Verbindung mit dem Projekt IDEE-IT, einer Gemeinschaftsinitiative der Initiative D 21 und des Bundesfrauenministeriums, wird versucht, junge Frauen für die neuen IT-Kernberufe zu gewinnen.

Im Rahmen des Handlungskonzepts „Anschluss statt Ausschluss“ sollen insbesondere die Zahl der Lehrstellen in den neuen IT- und Medienberufen in den nächsten Jahren auf 60.000 erhöht werden. Es ist angedacht, den Frauenanteil unter den Auszubildenden in den IT-Berufen von derzeit 14 Prozent auf etwa 40 Prozent zu steigern.

Auch an den deutschen Hochschulen existieren zahlreiche neue Konzepte, die die Teilnahme von Frauen in den technischen, naturwissenschaftlichen und mathematischen Studiengängen verbessern können.369

Ob jedoch diese zahllosen Maßnahmen und Projekte die Berufsorientierung von Mädchen und jungen Frauen verbessern wird, bleibt offen.

Bei Betrachtung der Frauenbildung der zurückliegenden 150 Jahre, ist zu bestätigen, dass ein beschwerlicher und langwieriger Weg, gekennzeichnet von vielerlei Rückschlägen, heute in einer durchaus positiven Entwicklungstendenz mündete. Mädchen und junge Frauen haben hinsichtlich ihrer Repräsentanz und ihrer Qualifikationen vor allem an weiterführenden Schulen und Hochschulen das männliche Geschlecht nicht nur eingeholt, sondern in Teilen überrundet. Am Ende der Ausbildung erzielen sie meist bessere Ergebnisse in den Abschlussprüfungen als ihre männlichen Mitstreiter.

369 Vgl. BmFSFJ 2003, S. 23 ff.

Dennoch begegnen Mädchen von Beginn an einer geschlechtsspezifischen Segmentierung im Bildungsbereich, der einer Assoziationen typisch männlicher und typisch weiblicher Fähigkeiten und Interessen einhergeht.

Die in den vorangegangenen Abschnitten geschilderten Probleme machen deutlich, dass das bestehende Bildungssystem bestimmte, hauptsächlich von Frauen genutzte Bildungs- und Ausbildungsbereiche gegenüber anderen abwertet. Dieser Zustand reduziert die Fähigkeiten, die sich Mädchen und Frauen erarbeiten und räumt ihnen keine gleichwertige Stellung im Vergleich zu den hauptsächlich von Männern besetzten Bildungsbereichen ein. Die „Entzauberung Hierarchien begründender Legitimationen“370 wäre ein erster Schritt in Richtung gleichberechtigter Bildung.

Zudem ist der Abbau vorherrschender geschlechtsspezifischer Zuschreibungen von Fähigkeiten und angeblichen Interessen vonnöten, so dass Frauen wie auch Männer ihren Bildungsweg individuell und frei von lähmenden Stereotypen gestalten können.

Bei fehlender Reduktion dieser Zuschreibungen stellen diese ein Fundament für die geschlechtsspezifische Arbeitsteilung dar und perpetuieren somit die Sphärentrennung.

Inwieweit die bereits ersichtlich gewordenen Defizite (vgl. u.a. den negativen Frauenanteil am akademischen Hochschulpersonal und in höher dotierten technischen Ausbildungsberufen) im Bereich der politischen Partizipation und Erwerbstätigkeit von Frauen als Hauptuntersuchungsfelder für den Nachweis heutiger gesellschaftlicher patriarchaler Strukturierung zum tragen kommen, wird Gegenstand der weiteren Untersuchung sein.

Eine mindere Begabung des weiblichen Geschlechts als ausschlaggebender Faktor möglicher Asymmetrien in den beiden zur Untersuchung herangezogenen Bereichen, kann auch auf Grund der hier erarbeiteten Daten eindeutig negiert werden.

370 Hoppe 1993, S. 42.

V. Die Teilhabe von Frauen in öffentlichen Bereichen –

Im Dokument Manifestierte Ungleichheitsstrukturen (Seite 107-115)