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2. LITERATURÜBERSICHT

2.3. Frakturen der Extremitäten bei Hund und Katze

2.3.6. Frakturen von Tibia und Fibula

Tibiafrakturen sind häufig bei Hund und Katze. Sie sind nach den Oberschenkelfrakturen die zweithäufigsten Frakturen der langen Röhrenknochen (PFEIFFER 1977; LAND 1981; SCHEBITZ et al. 1981b; SIEME 1990; SCOTT 2005).

Die Inzidenz reicht bei der Katze von 5,4% - 18 % (HILL 1977; PHILLIPS 1979;

NOLTE et al. 2005; SCOTT 2005) und liegt beim Hund bei 14,8% (PHILLIPS 1979).

Frakturen der Diaphyse treten am häufigsten auf (PFEIFFER 1977; PHILLIPS 1979;

LAND 1981; SIEME 1990; CHANDLER u. BEALE 2002; HARARI 2002; SCOTT 2005).

In 1,8% - 5 % der Unterschenkelfrakturen werden isolierte Fibulafrakturen beobachtet (PFEIFFER 1977; PHILLIPS 1979; LAND 1981; SIEME 1990). Frakturen der Fibula müssen nicht versorgt werden, außer sie bewirken eine proximale oder distale Gelenksinstabilität (HARARI 2002).

Aufgrund der geringen Weichteilabdeckung wird oft von offenen Frakturen und Nonunions berichtet (PHILLIPS 1979; HARARI 2002; PERRY u. BRUCE 2015).

Nach NOLTE et al. (2005) ist die feline Tibia prädisponiert für die Entstehung von Nonunions (15,3%). Offene Frakturen der Tibia treten häufig im distalen Schaftbereich auf, da hier eine geringere Weichteilabdeckung der Tibia vorliegt (SCOTT 2005). Nach PFEIFFER (1977) waren 12,5% der Tibiafrakturen offene Frakturen beim Hund. LAND (1981) berichtet von 17% bei der Katze, SIEME (1990) sogar von 21%.

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Tibiaschaftfrakturen können mit allen internen Fixationsmethoden (Plattenosteosynthese, Markraumfixation, Zugschrauben) sowie mit einem Fixateur externe versorgt werden (CHANDLER u. BEALE 2002; HARARI 2002; SCOTT 2005). Bei der operativen Versorgung von Tibiaschaftfrakturen der Katze hat sich die Plattenosteosynthese als bestes Verfahren herausgestellt (LAND 1981). PERRY und BRUCE (2015) berichten von einer Komplikationsrate von 50% bei Frakturversorgungen mittels Fixateur externe im Vergleich zur ORIF mit einer Komplikationsrate von 7,7% bei der felinen Tibia. Ebenfalls ist die Nachsorge und die Anzahl der Wiedervorstellungen bei Versorgung mittels Fixateur externe aufwendiger, als nach ORIF.

Nach SCHMÖKEL et al. (2007) eignet sich die MIPO zur Versorgung von Schaftfrakturen der Tibia. Alle Patientenbesitzer berichteten von einem guten bis sehr gutem Heilungsergebnis. Bei keinem Patienten war eine weitere Operation erforderlich. Über eine proximale und eine distale Inzision erfolgte eine Anbringung der Platte (DCP) subfaszial an der medialen Tibia. Auch GUIOT und DÉJARDIN (2011) empfehlen, aufgrund der guten Heilungsrate und der geringen Komplikationsrate, die MIPO als effektive und sichere Alternative zur ORIF. Es eigneten sich sowohl die LCP als auch die DCP und LC-DCP für die MIPO bei Unterschenkelfrakturen, unter Beachtung der jeweiligen Platteneigenschaften.

Besonders bei proximalen oder distalen metaphysären Frakturen ist der Einsatz der LCP ratsam, da die Besetzung von zwei Kopfverriegelungsschrauben ausreicht und das Risiko für Implantatkomplikationen gesenkt wird (BEALE u. MCCALLY 2012).

Nach PAYNE et al. (2005) ist die normograde Platzierung eines intramedullären Bohrdrahtes problemlos bei der Katze und ohne Verletzungen im Kniegelenk begleitet, während bei der retrograden Platzierung zwar auch keine intaartikulären Strukturen verletzt werden, aber das Ligamentum patellae in allen Fällen penetriert wurde.

Nach MACIAS und MCKEE (2003) sind Avulsionsfrakturen der Tuberositas tibiae beim Hund häufig. GOWER et al. (2008) berichten von einer Häufigkeit von 86% im Wachstum befindlicher Staffordshire Bullterrier, mit Avulsionsfrakturen der Tuberositas tibiae. Es werden drei Frakturtypen unterschieden: (1.) Die isolierte Apophysiolyse der Tuberositas tibiae, (2.) mit Beteiligung der proximalen

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Epiphysenfuge, (3.) mit Beteiligung der proximalen Epiphysenfuge und kaudalem metaphysärem Ausbruchfragment (SH Typ II). PFEIFFER (1977) hingegen berichtet nur von einer Häufigkeit von 2 % Apophysiolysen beim Hund. Avulsionsfrakturen der Tuberositas tibiae sollten mittels Bohrdrähten mit oder ohne Drahtzuggurtung versorgt werden. Bei wenig dislozierten Fragmenten ist eine konservative Therapie möglich (MACIAS u. MCKEE 2003; GOWER et al. 2008). GOWER et al. (2008) berichten nur von wenigen aufgetretenen Komplikationen bei der chirurgischen Versorgung von Apophysiolysen der Tuberositas tibiae (3,3% falsch gesetzte Bohrdrähte, 4,9% Serombildungen, 4,9% gelockerte Bohrdrähte, 8,2% gebrochene Drahtzuggurtungen). Telefonische Befragungen ergaben in 77% eine Lahmheitsfreiheit nach der operativen Versorgung.

Verletzungen der proximalen Epiphyse sowie Apophysiolysen der Tuberositas tibiae sind bei der Katze selten und werden in der Literatur mit einer Häufigkeit von 1,7 – 8,4% angegeben (LAND 1981; SIEME 1990).

Beim Hund traten Frakturen der proximalen Meta- und Epiphyse mit einer Häufigkeit von 15,9% auf (PFEIFFER 1977).

Distale Epiphysenfugenfrakturen sind meist SH Typ I Frakturen und werden mittels Kreuzspickung versorgt (LAND 1981; MACIAS u. MCKEE 2003). LAND (1981) berichtet von unbefriedigenden Heilungsergebnissen in 23,8% der Fälle (Lockerung der Bohrdrähte, Achsenfehlstellungen aufgrund ungenügender Reposition sowie Wachstumsstörungen). Frakturen des Malleolus lateralis und medialis verursachen eine talokrurale Instabilität und werden mittels Bohrdrähten und Drahtzuggurtung fixiert (MACIAS u. MCKEE 2003). 3,1% der Tibiafrakturen der Katze betreffen die Malleoli (LAND 1981).

Als Hauptursache für Tibia-/Fibulafrakturen bei der Katze wird der Sturz aus der Höhe genannt (SIEME 1990). Beim Hund ist in 60% der Fälle der Verkehrsunfall ursächlich (PFEIFFER 1977; SIEME 1990). Als weitere Ursachen gelten Schussverletzungen sowie Biss- und Trittverletzungen. Der Anteil unbekannter Ursachen ist bei der Katze mit 42% sehr viel höher als beim Hund mit 14%

(PFEIFFER 1977; LAND 1981).

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Im Gegensatz zu LAND (1981) die von 29% zusätzlicher Verletzungen bei der Katze berichtet, verweist SIEME (1990) auf einen deutlich höheren Prozentsatz von 59,6 bei der Katze und 42,7 beim Hund.

LAND (1981) berichtet von 319 Tibia-/Fibulafrakturen bei der Katze, von denen 51,7% konservativ und 48,3% operativ versorgt wurden. Indikationen für eine konservative Therapie waren alte Frakturen mit bereits deutlicher Kallusbildung, unvollständige Frakturen, Frakturen ohne Dislokation sowie stabile Tibiaschaftfrakturen infolge einer intakten Fibula. Nachuntersuchungen zeigten ein gutes Ergebnis in 90,5% der konservativ therapierten Tibiaschaftfrakturen sowie 92,8% der operativ versorgten Tibiaschaftfrakturen.

Auch PFEIFFER (1977) berichtet von 292 Tibia-/Fibulafrakturen beim Hund, von denen ebenfalls mehr als die Hälfte (55%) konservativ versorgt wurden.

SIEME (1990) berichtet von einer Häufigkeit von 286 Hunden und 99 Katzen mit Unterschenkelfrakturen über einen Zeitraum von fünf Jahren. Eine konservative Behandlung erfolgte bei Hund und Katze mit einer Häufigkeit von 28,2% bzw. 11,7%, eine operative Versorgung erfolgte in 71,8% bzw. 88,3% der Fälle. Die besten Ergebnisse beim Hund konnten nach operativer Versorgung mittels Plattenosteosynthese erzielt werden (62,2% bzw. 16,6% „gut mit Vorbehalt“).

Unbefriedigende Behandlungsresultate konnten am häufigsten nach Versorgung mittels Fixateur externe (21,4%) gefolgt von der intramedullären Fixation (20%) verzeichnet werden. Die Tabelle 11 und 12 geben eine Übersicht über die Frakturversorgungen und Ergebnisse von Unterschenkelfrakturen bei Hunden und Katzen.

Tabelle 11: Literaturübersicht der Frakturversorgungen und Ergebnisse der Unterschenkelfrakturen (Teil 1).

Plattenosteosynthese (87) 77 6 25 Zugschraube (5)

Markraumfixation (15)

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Cerclage (1)

Konservativ (126) 67 2 5 43 Tuberositas tibiae (1K) Drahtzuggurtung (1) 1

Proximale Epiphysenfuge

Distale Metaphyse (21K) Konservativ (8) 7 1

Bohrdrahtspickung (2) 9 3 1 Drahtzuggurtung (6)

Schraube (2) Platte (3)

Distale Epiphyse (31K) Konservativ (11) 6 5

Bohrdrahtspickung (18) 12 5 3 Drahtzuggurtung (2)

Malleolus medialis (5K) Drahtzuggurtung (5) 3 1 1 Malleolus lateralis (5K) Konservativ (1) 1

Drahtzuggurtung (4) 1 3

Malleolus medialis (7H) Konservativ (1) 1

Operativ (6) 1 2 2 1

Mallolus lateralis/medialis Konservativ (1) 1

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(5H) Operativ (4) 1 1 2

a: behandlungsabhängig, u: behandlungsunabhängig, H: Hunde, K: Katzen, +: gutes Ergebnis, -: schlechtes Ergebnis, ?: keine Kontrolle erfolgt

Tabelle 12: Literaturübersicht der Frakturversorgungen und Ergebnisse der Unterschenkelfrakturen (Teil 2).

Autor Frakturlokalisation (Anzahl)

Frakturversorgung Ergebnis der Nachkontrolle Frage- bogen

I: gut, II: gut mit Vorgehalt, III: befriedigend, behandlungsunabhängig, IV: befriedigend, behandlungsabhängig, V: unbefriedigend, behandlungsunabhängig, VI: unbefriedigend, behandlungsabhängig, VII: nicht kontrolliert, LF: lahmheitsfrei, L: Lahmheit