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2. LITERATURÜBERSICHT

2.3. Frakturen der Extremitäten bei Hund und Katze

2.3.4. Frakturen des Beckens

Frakturen des Beckens sind sehr häufig bei Hunden und Katzen. Die Inzidenz reicht beim Hund von 11,9 % bis 15,8% und liegt bei der Katze zwischen 22% und 24,8%

(LJUNGGREN 1971; HILL 1977; PHILLIPS 1979; NOLTE et al. 2005).

Beckenfrakturen beim Hund sind überwiegend die Folge eines Unfalles im Straßenverkehr (DENNY 1978; NAKASALA-SITUMA 1979; PHILLIPS 1979; VOGEL 1986; DRAFFAN et al. 2009; SADAN et al. 2015). Auch bei der Katze ist der Autounfall für einen großen Anteil der Beckenfrakturen ursächlich (BOOKBINDER u.

FLANDERS 1992; INNES u. BUTTERWORTH 1996; STROHBACH 2007). Allerdings berichtet STROHBACH (2007) auch bei 42,9% von einer unbekannten Frakturursache.

Bei NAKASALA-SITUMA (1979) wiesen 41% der Hunde zusätzliche Verletzungen auf. Besonders häufig waren weitere Frakturen mit 58,9%. Auch bei VOGEL (1986) wurden am häufigsten weitere Verletzungen des Bewegungsapparates beobachtet.

Bei Katzen war die Zahl zusätzlicher Verletzungen deutlich höher (75,5%). Bei mehr als der Hälfte (50,3%) lagen Verletzungen des Weichteilgewebes vor (STROHBACH 2007). Auch BOOKBINDER und FLANDERS (1992) berichten in 71,8% der Beckenfrakturen von zusätzlichen Verletzungen. Am häufigsten kamen Frakturen des Os sacrum mit 19,4% vor. Bei MESSMER (1995) wiesen nur 46% der Tiere weitere Verletzungen auf, am häufigsten war das Thoraxtrauma mit 25,1%. Auch bei BÖHMER (1985) traten mit 56,4% zusätzliche Verletzungen am Skelettsystem auf. In 2% der Beckenfrakturen wurden Paralysen des N. ischiadicus beobachtet (DENNY 1978).

Isolierte Frakturen nur eines Beckenknochens sind sowohl beim Hund als auch bei der Katze viel seltener anzutreffen, als kombinierte Frakturen der Beckenknochen (DENNY 1978; NAKASALA-SITUMA 1979; BÖHMER 1985; VOGEL 1986;

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STROHBACH 2007). Frakturen des Os sacrum konnten bei 4,1% zusätzlich zu Frakturen des Beckens diagnostiziert werden (STROHBACH 2007).

Zwingend erforderlich zur Beurteilung von Frakturen des Beckens sind Röntgenaufnahmen in zwei Ebenen. Eine Computertomographie (CT) ist zur Klassifizierung und dem Management von Beckenfrakturen hingegen nicht zwingend erforderlich. Diese kann allerdings bei Acetabulumfrakturen, Frakturen des Os sacrum mit neurologsicher Symptomatik sowie bei röntgenologisch ungeklärter Frakturkonstellation hilfreich sein (DRAFFAN et al. 2009). Schrägaufnahmen des Beckens können zur überlagerungsfreien Darstellung des Acetabulum angefertigt werden (VOGEL 1986).

Am häufigsten treten bei der Katze Frakturen des Beckenbodens auf, gefolgt von Luxationen des Iliosakralgelenkes, Frakturen der Darmbeinsäule sowie Frakturen des Acetabulums (BÖHMER 1985; BOOKBINDER u. FLANDERS 1992;

STROHBACH 2007). Auch beim Hund sind Frakturen des Beckenbodens mit 78,6%

am häufigsten, gefolgt von Frakturen des Os ilium mit 13,3% und Acetabulumfrakturen mit 12,2%. Diastasen treten hingegen nur zu 9,8% auf (NAKASALA-SITUMA 1979). VOGEL (1986) berichtet in seiner Arbeit von vergleichbaren Ergebnissen. Zusammenhangstrennungen der Symphyse sind bei Hund und Katze sehr selten (BÖHMER 1985; VOGEL 1986; STROHBACH 2007).

Indikationen für eine konservative Frakturversorgung sind Beckenfrakturen der nicht gewichttragenden Segmente, minimal dislozierte nichtartikuläre Frakturen sowie nicht dislozierte stabile Frakturen des kaudalen Drittels des Acetabulum. Aufgrund der voluminösen Muskulatur besteht eine gute Blutgefäßversorgung sowie Schienung der Frakturfragmente (MILLER 2002).

Eine chirurgische Versorgung wird empfohlen bei Einengungen des Beckenkanals, neurologischen Ausfallerscheinungen, Acetabulumfrakturen, Schmerzhaftigkeiten sowie, wenn nach drei Tagen konservativer Therapie keine Belastung erfolgt (LANZ 2002).

Das Mittel der Wahl bei iliosakralen Luxationen ist die operative Versorgung mittels Zugschraube (MILLER 2002). Versorgungen mittels transilialem Bohrdraht sind beschrieben (INNES u. BUTTERWORTH 1996). Eine konservative Frakturversorgung ist möglich bei stabilen, weniger als 50% dislozierten und nicht

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den Beckenkanal einengenden iliosakralen Luxationen (MILLER 2002). Mit einer Häufigkeit von 94,9% überwiegen die Dislokationen nach kranial. Kaudale, sowie kraniolaterale und ventrale iliosakrale Luxationen waren mit 5,1% seltener anzutreffen (STROHBACH 2007).

Frakturen des Corpus ilii werden am besten mittels Plattenosteosynthese versorgt.

Auch hier ist eine konservative Therapie bei stabilen Frakturen, die nicht den Beckenkanal einengen, möglich (MILLER 2002). Bohrdrähte, Zugschrauben und Cerclagen können bei kleinen Hunderassen und Katzen alleine oder bei größeren Hunderassen in Kombination mit einer Platte zur Frakturversorgung gewählt werden (INNES u. BUTTERWORTH 1996). SADAN et al. (2015) proklamieren zur Versorgung von Darmbeinfrakturen die SOP, aufgrund der geringen Anzahl postoperativer Komplikationen. Ein laterales Anbringen der Platte bei Iliumfrakturen zeigte allerdings bei Katzen in 62% Schraubenlockerungen. Außerdem wiesen alle Katzen unterschiedliche Grade von Beckeneinengungen auf. Aufgrund der geringen Knochenbreite des Darmbeines in der lateromedialen Ebene wird nur ein limitierter Schraubenhalt möglich (HAMILTON et al. 2009). Eine Alternative beschreiben LANGLEY‐HOBBS et al. (2009) mit dem dorsalen Anbringen der Platte am Knochen, mit dem Ziel einer besseren Schraubenverankerung sowie einer geringeren Beckenkanaleinengung im Vergleich zur lateralen Verplattung. Frakturen des Os Ilium sind fast immer sowohl beim Hund als auch bei der Katze im Bereich des Corpus ossis ilii lokalisiert (84% bzw. 96%) (VOGEL 1986; STROHBACH 2007). Am häufigsten handelt es sich hierbei um einfache Schrägfrakturen (SADAN et al. 2015).

Eine Stabilisierung von Acetabulumfrakturen kann mittels ORIF oder Femurkopfhalsresektion (FKHR) erfolgen (CHANDLER u. BEALE 2002; MILLER 2002; MACIAS u. MCKEE 2003). BRADEN und PRIEUR (1986) favorisieren den Einsatz der Acetabulumplatte. Ihr rundes Design erleichtert eine bessere anatomische Rekonstruktion der Gelenksfläche. VOGEL (1986) proklamiert den Einsatz der Rekonstruktionsplatte.

Nach CHANDLER und BEALE (2002) ist eine operative Versorgung kaudaler Acetabulumfrakturen nicht zwingend erforderlich, da lediglich die vorderen Zweidrittel des Acetabulum gewichtstragend sind. Auch BUTTERWORTH et al. (1994) zeigen in ihrer retrospektiven Studie von 34 Acetabulumfrakturen beim Hund, dass eine

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konservative Therapie sehr zufriedenstellende Ergebnisse, besonders bei kaudalen sowie minimal dislozierten Frakturen, liefert. BOUDRIEAU und KLEINE (1988) hingegen untersuchten 15 konservativ therapierte kaudale Acetabulumfrakturen. Alle Frakturen heilten mit Kallusbildung. 13 Hunde zeigten mittelgradige bis hochgradige degenerative Gelenksveränderungen. MILLER (2002) proklamiert deshalb eine konservative Frakturversorgung kaudaler Acetabulumfrakturen nur bei kleinen Hunderassen und Katzen.

Bei größeren Hunderassen kann infolge von degenerativen Gelenksveränderungen nach Frakturen des Acetabulum eine totale Hüftgelenkendoprothese erforderlich werden (MILLER 2002; MACIAS u. MCKEE 2003).

BECK et al. (2005) zeigten in einer kinematischen Studie an Katzen, dass die gewichtstragenden Anteile in der Bewegung das kaudale und zentrale Drittel der Hüftpfanne darstellen. Die Entscheidung, ob eine Hüftgelenksfraktur konservativ oder operativ versorgt werden soll, darf demnach nicht nur anhand der Lokalisation, sondern sollte nach dem Grad der Dislokation, der Schmerzhaftigkeit, dem Vorliegen zusätzlicher Verletzungen sowie dem Grad der Zertrümmerung gewählt werden.

Frakturen des Os ischium und des Os pubis werden, soweit keine Einengung des Beckenkanals vorliegt, konservativ therapiert (INNES u. BUTTERWORTH 1996).

NAKASALA-SITUMA (1979) sowie BÖHMER (1985) berichten allerdings von 53 - 75% Pseudarthrosebildungen nach Sitzbeinhöckerfrakturen. Auch STROHBACH (2007) wies in 27,6% der konservativ versorgten Frakturen des Os ischium eine Pseudarthrose auf.

Bei MESSMER (1995) traten Beckenfrakturen ohne Beteiligung gewichttragender Elemente mit einer Häufigkeit von 11% auf. Am häufigsten waren hierbei mit 36,1%

Frakturen des Beckenbodens mit fakultativer Beteiligung von Beckenrandfrakturen.

Beckenfrakturen mit einseitiger Beteiligung gewichttragender Elemente kamen in 52,2% der Fälle vor, gefolgt von Beckenfrakturen mit beidseitiger Beteiligung gewichttragender Elemente mit 36,9%.

NAKASALA-SITUMA (1979) berichtet von 618 behandelten Beckenfrakturen, von denen 94,9% konservativ und 5,1% operativ versorgt wurden. Bei den konservativ therapierten Frakturen konnte in 15,1% ein gutes Ergebnis, in 37,2% ein befriedigendes Ergebnis (Coxarthrose ohne Funktionsausfall) und in 47,7% ein

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unbefriedigendes Ergebnis (röntgenologische Veränderungen sowie Funktionsausfall) erzielt werden. Nach VOGEL (1986) erfolgte eine operative Versorgung des Darmbeins in 94,7% sowie der Beckenpfanne in 94% der Fälle.

Luxationen im Kreuzdarmbeingelenk wurden nur in 32% der Fälle chirurgisch versorgt. 56% zeigten ein gutes, 11% ein befriedigendes und 33% ein unbefriedigendes Ergebnis. Auch BÖHMER (1985) berichtet von 455 Katzen mit Beckenfrakturen, von denen 89,7% konservativ und 10,3% operativ versorgt wurden.

Langzeitkontrollen von STROHBACH (2007) zeigten in 32,1% der Fälle Arthrosebildungen und in 11,4% Entwicklungen von Lahmheiten. Tabelle 8 und 9 liefern eine Übersicht über die Frakturversorgungen und Ergebnisse von Beckenfrakturen bei Hunden und Katzen.

Tabelle 8: Literaturübersicht der Frakturversorgungen und Ergebnisse von Beckenfrakturen bei Hunden und Katzen (Teil 1).

Autor Lokalisation (Anzahl)

Frakturversorgung Ergebnis

Gut* Befriedigend** Unbefriedigend***

NAKASALA

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* Gut: Lahmheitsfreiheit, anatomisch korrekte Heilung, keine Veränderungen im Sinne der sekundären Arthropathia deformans

** Befriedigend: Patient läuft beschwerdefrei, röntgenologisch bestehen aber Veränderungen im Sinne der sekundären Arthropathia deformans oder Einengungen der Beckenhöhle

*** Unbefriedigend: Patient lahmt und/oder röntgenologisch nachweisbare Veränderungen sichtbar (Coxarthrose, Nearthrose, Einengung)

H: Hunde, K: Katzen

Tabelle 9: Literaturübersicht der Frakturversorgungen und Ergebnisse von Beckenfrakturen bei Hunden und Katzen (Teil 2).

Autor Lokalisation (Anzahl) Ergebnis

Gut* Befriedigend** Unbefriedigend***

a. u.

* Gut: Lahmheitsfreiheit, keine Coxarthrose

** Befriedigend: Lahmheitsfreiheit, geringgradige Coxarthrose

*** Unbefriedigend: vorliegende Lahmheit

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a.: behandlungsabhängig, u.: behandlungsunabhängig, H: Hunde, K: Katzen