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Die vorliegende Arbeit verbindet psychotraumatologische sowie arbeits- und organisationspsy-chologische Fragestellungen.

Im psychotraumatologischen Teil der Arbeit wird erstens auf die Beschreibung der inhaltli-chen Qualität traumatisch erlebter Ereignisse im Polizeidienst fokussiert. In der Literatur wird darauf verwiesen, dass Polizisten überwiegend primär (eigene Bedrohung) als auch sekundär (Konfrontation mit den Folgen extremer Einsätze) von potenziell traumatisierenden Einsätzen betroffen sein können (s. Beerlage, Arndt, Hering, Nörenberg & Springer, 2008; Klemisch et al., 2005). Darüber hinaus kann angenommen werden, dass Polizisten auch außerhalb des Ein-satzgeschehens, z. B. im Rahmen von Zeugenvernehmungen, tertiär (Hören von den Folgen extremer Ereignisse) mit traumatisierendem Material konfrontiert werden (s. Kapitel 2.1 und 5.1.1).

Zudem verweisen Studienergebnisse darauf, dass weitere, herausfordernde Ereignisse im Be-rufsalltag und soziale Konflikte, die das A1 Kriterium des DSM IV (tatsächlichen oder drohenden Tod oder ernsthafte Verletzung oder eine Gefahr der körperlichen Unversehrtheit der eigenen Person oder anderer Personen) nicht erfüllen (Non Incidents), mit intensiver Furcht, Hilflosigkeit und Entsetzen erlebt werden können (Beerlage, Arndt, Hering, Nörenberg & Springer, 2008;

Fischer & Riedesser, 2003; Klemisch et al., 2005; Steinbauer, 2001). Die Zuordnung von tertiär-traumatisierenden Ereignissen und Non Incidents zu den Ereignissen mit potenziell traumatisie-rendem Potenzial entsprechend der Diagnosekriterien des DSM IV wird in der Literatur kritisch diskutiert (s. Kapitel 2.6.1). Jedoch wurde eine vergleichbare inhaltliche Differenzierung von potenziell traumatisierenden Ereignissen im Polizeidienst bisher nicht vorgenommen.

Die Analyse der subjektiv wahrgenommenen gesundheitlicher (Trauma-)Folgen unter-schiedlicher, traumatisch erfahrener Ereignisse bildet einen zweiten Schwerpunkt im psychotraumatologischen Teil der Arbeit. In der polizeilichen Gefahrenabwehr dominierte seit dem Zugunglück von Eschede die Untersuchung von Merkmalen der PTBS/der PTBS (s. Kapi-tel 6). Dabei wurden bisher insbesondere Zusammenhänge zwischen primär- und sekundär-traumatisierenden Erfahrungen, weniger zwischen tertiär-sekundär-traumatisierenden Erfahrungen im Polizeidienst und Merkmalen der PTBS betrachtet (s. Kapitel 6). Wagner und Seidler (2004) diskutieren ergänzend Verbindungen zwischen Non Incidents und Merkmalen der PTBS im Rahmen der theoretischen Annahmen des Diathese-Stress-Modells und das Kindling-Modells (s. Kapitel 2.1). Hier wird u. a. postuliert, dass Non Incidents bei Aufsummierung in einer Erho-lung nicht erlaubenden Zeit oder Vorhandensein einer spezifischen Vulnerabilität mit PTBS-spezifischen Beeinträchtigungen einher gehen können. Es kann demnach angenommen wer-den, dass primäre-, sekundär- und tertiär-traumatisierende Erfahrungen sowie Non Incidents mit Merkmalen der PTBS einhergehen.

Neben den Merkmalen der PTBS interessieren in dieser Arbeit weitere subjektiv wahrgenommeine Traumafolgen nach verschiedenen traumatisch erfahrenen Ereignissen in Ausübung des Dienstes. Im Fokus der Betrachtungen stehen depressive Verstimmungen, Angst, körperliche Einschränkungen und paranoide Gedanken. In der Literatur wird darauf ver-wiesen, dass vor allem depressive Verstimmungen, Angst und paranoide Gedanken als direkte

ten können (s. Butollo et al., 2003; Ehlers, 1999; Flatten, 2003; Kessler, et al., 1995; Maercker, 2009b; Perkonnigg et al., 2000; Siol et al., 2004, s. Kapitel 4, Kapitel 2.5).

Siol et al. (2004) merken an, dass in Abhängigkeit spezifischer Merkmale der traumatischen Erfahrung das Ausmaß der posttraumatischen Beeinträchtigungen differieren kann.Nach bishe-rigem Stand der theoretischen Diskussionen und empirischen Ergebnisse gehen primär-traumatisierende Erfahrungen mit höheren PTBS-Merkmalsausprägungen als sekundär-traumatisierende Erfahrungen einher. Tertiär-sekundär-traumatisierende Erfahrungen und Non Incidents werden einerseits mit PTBS-spezifischen Beeinträchtigungen in Verbindung gebracht. For-schungsergebnisse verweisen sogar darauf, dass die Höhe der PTBS-Merkmalsausprägungen nicht zwischen sekundär-traumatisierenden Erfahrungen und Non Incidents differiert (Beerlage et al., 2009a, b). Dem gegenüber diskutieren einige Autoren auch eher unspezifische Fehlan-passungszeichen, wie z. B. depressive Verstimmungen, Angst, subjektiv wahrgenommene kör-perliche Beeinträchtigungen, als Folgen tertiär-traumatisierender Erfahrungen und von Non Incidents (s. u. a. Daniels, 2006; Figley, 1995; Linden et al., 2006; Pearlman & Saatvitne, 1995).

Es kann demnach angenommen werden, dass das Ausmaß der wahrgenommenen Beeinträch-tigungen durch unterschiedliche Traumafolgen in Abhängigkeit der inhaltlichen Qualität der zu-grundeliegenden traumatischen Erfahrung differiert.

Zudem wurden in der Literatur häufiger langfristige Verbindungen zwischen Merkmalen der PTBS/der PTBS und dem Auftreten von depressiven Verstimmungen bzw. depressiven Störun-gen, von Angst bzw. Angststörungen sowie subjektiv wahrgenommenen körperlichen Beein-trächtigungen bzw.objektiven organischen Erkrankungen gefunden (Asmundson & Stapleton, 2008; Conrad, 2004; Hofmann et al., 2003; Lagana & Reger, 2009, 2010; Norris et al., 2006;

Palgi et al., 2009; Rubacka et al., 2010; Solomon et al., 2009; Yarvis et al., 2005, 2008; s. Kapi-tel 4). Dabei wurde der Zusammenhang zwischen PTBS-Merkmalen/der PTBS und weiteren Traumafolgestörungen/Traumafolgen durch Einflüsse gleichzeitig auftretender depressive Ver-stimmungen und von Angstmerkmalen vermittelt (s. Rauch et al., 2010). Verbindungen zwi-schen Merkmalen der PTBS/der PTBS und weiteren Traumafolgen/Traumafolgestörungen wurden im Polizeidienst bisher v. a. im Querschnitt analysiert. Die Überprüfung dieser Verbin-dungen im Längsschnitt bildet den dritten Komplex der Fragestellungen im psychotraumatologisch orientieren Teil der Arbeit ab.

Folgende drei psychotraumatologisch-orientierte Fragestellungen werden insgesamt ver-folgt:

1. Welche Ereignisse werden von den Einsatzkräften in der polizeilichen Gefahrenabwehr als potenziell traumatisierend erfahren?

2. In welchem Zusammenhang stehen unterschiedliche traumatisch erfahrene Ereignisse im Polizeidienst mit Merkmalen der PTBS, depressiven Verstimmungen, Merkmalen von Angst, subjektiv wahrgenommenen körperlichen Beeinträchtigungen und paranoiden Gedanken bzw. Misstrauen?

3. Erweisen sich die PTBS-Merkmale langfristig als Prädiktor weiterer Traumafolgen der Einsatzkräfte in der polizeilichen Gefahrenabwehr?

Auf der Basis der dargestellten theoretischen Diskussionen (s. Kapitel 2) und des Forschungs-standes (s. Kapitel 4, 5.1.1, 6) werden die folgenden Hypothesen formuliert:

Hypothese 1: Einsatzkräfte in der polizeilichen Gefahrenabwehr werden im Rahmen der Aus-übung ihres Dienstes mit Ereignissen konfrontiert, welche sie als traumatisierend erfahren. Traumatisierende Erfahrungen von Polizisten können dabei unterglie-dert werden in:

a. Primär-traumatisierende Erfahrungen (eigene Betroffenheit bzw.

Primärtraumatisierung),

b. Sekundär-traumatisierende Erfahrungen (Konfrontation mit den Umständen des Ereignisses ),

c. Tertiär-traumatisierende Erfahrungen (Hören von traumatischen Erfahrungen anderer),

d. Non Incidents (traumatisch erlebte Herausforderungen des Berufsalltages und soziale Konflikte).

Hypothese 2: Traumatische berufliche Erfahrungen im Polizeidienst stehen mit Merkmalen der PTBS sowie weiterer Traumafolgen (depressive Verstimmungen, Angst, subjektiv wahrgenommenen körperlichen Beeinträchtigungen, paranoides Denken bzw.

Misstrauen) im Zusammenhang.

a. Die Höhe der PTBS-Merkmalsausprägungen sowie der Ausprägungen weite-rer Traumafolgen ist nach primär-traumatisierenden Erfahrungen am höchs-ten.

b. Die Höhe der PTBS-Merkmalsausprägungen sowie der Ausprägungen weite-rer Traumafolgen differiert nicht zwischen sekundär- und

tertiär-traumatisierenden Erfahrungen sowie Non Incidents.

Hypothese 3: Merkmale der PTBS erweisen sich als Prädiktor für das langfristige Auftreten weiterer Traumafolgen bei Einsatzkräften in der polizeilichen Gefahrenabwehr:

3.1 PTBS-Merkmale zu t1 stehen in positivem Zusammenhang mit depressiven Merkmalen zu t2.

3.2 PTBS-Merkmale zu t1 stehen in positivem Zusammenhang mit Merkmalen von Angst zu t2.

3.3 PTBS-Merkmale zu t1 stehen in positivem Zusammenhang mit körperlichen Beeinträchtigungen zu t2.

3.4 PTBS-Merkmale zu t1 stehen in positivem Zusammenhang mit paranoiden Gedanken und Misstrauen zu t2.

Neben den Studien mit psychotraumatologischem Fokus kann für den Polizeidienst eine Zu-nahme arbeits- und organisationspsychologisch geprägter Arbeiten beobachtet werden, die gesundheitliche Folgen alltäglicher stressrelevanter Arbeitsanforderungen diskutieren (s. Kapitel

Anforderungen betrachtet. In der Längsschnitterhebung von Beerlage et al. (2009b) hing Burn-out in der polizeilichen Gefahrenabwehr (Landes- und Bundespolizei) vor allem mit der Höhe der quantitativen Arbeitslast zusammen. Organisationale Ressourcen, wie Kontrolle und Hand-lungsspielraum, Fairness etc., hatten entgegen den Erwartungen keine puffernden Effekte auf diesen Zusammenhang. Die Burnout-Raten lagen mit 15% für die Landespolizei und 25% für die Bundespolizei deutlich über den Raten für die untersuchten Einsatzkräfte im Rettungsdienst und in der Berufsfeuerwehr (9% bis 10%).

Im Job Demands-Resources Model (Bakker et al., 2010; Demerouti et al., 2001; Llorens et al., 2006; Schaufeli & Bakker, 2004) und im Multifaktoriellen Burnoutmodell (Maslach, 2000) wird Burnout als Folge eines Ungleichgewichts zwischen arbeitsbezogenen Anforderungen und Ressourcen und Prädiktor langfristiger gesundheitlicher Beeinträchtigungen diskutiert. In der vorliegenden Erhebung interessieren vor allem die Annahmen zum Einfluss von Burnout auf Einschränkungen der langfristigen Gesundheit von Polizisten. Burnout wird hier als Indikator einer höheren individuellen Vulnerabilität diskutiert. Maercker (2009, a, b, Rahmenmodell der Ätiologie der Traumafolgen) sowie Wagner und Seidler (2004, Annahmen im Diathese-Stress-Modell) weisen darauf hin, dass individuelle Vulnerabilitäten als begünstigende Momente für die Ausbildung von Traumafolgen/Traumafolgestörungen nach traumatischen Erfahrungen anzuse-hen sind.

Direkte Verbindungen zwischen Burnout und gesundheitlichen Beeinträchtigungen wur-den unabhängig von traumatischen Erfahrungen bisher bereits häufiger betrachtet. Es liegen v.

a. Studienergebnisse zum Zusammenhang zwischen Burnout und subjektiv wahrgenommenen gesundheitlichen Beeinträchtigungen, weniger zum Zusammenhang zwischen Burnout und ma-nifesten psychischen Störungen/organischen Erkrankungen vor (s. Hering, 2009; Kapitel 5).

Insbesondere das Merkmal Erschöpfung erweis sich in den Untersuchungen als ein wesentli-cher Risikofaktor für das Auftreten depressiver Verstimmungen, von Angst, körperlichen Beein-trächtigungen und in etwas geringerem Umfang auch von paranoiden Gedanken und Misstrau-en (Ahola & HakanMisstrau-en, 2007; Armon et al., 2010; Grossi et al., 2009; HokonMisstrau-en et al., 2006; Mo-hammadi, 2006; Peterson et al., 2008; Salmela-Aro, Savolainen et al., 2009; Xiao-Ming & We-nig-Zeng, 2004, s. Kapitel 5).

Im Kontext traumatischer Erfahrungen wurden Verbindungen zwischen Burnout und unter-schiedlichen Traumafolgen bisher kaum betrachtet. Es liegen v. a. Ergebnisse zum Zusam-menhang zwischen Burnout und Merkmalen der PTBS vor (Arndt et al., 2008; Carlier et al., 1997; Einav et al., 2008; Putman et al., 2009; Reinhard & Maercker, 2003; Vio & Vidallet, 2007).

Diese sind jedoch als uneinheitlich zu bezeichnen (s. Kapitel Fehler! Verweisquelle konnte nicht gefunden werden.). Die Erhebungen beruhen auf Querschnittdesigns, so dass die Prü-fung der Zusammenhänge im Längsschnitt noch aussteht.

Hier knüpft die vierte Fragestellung der Arbeit an. In der Verknüpfung von arbeits- und organisa-tionspsychologisch geprägten Annahmen zur Bedeutung von Burnout für die langfristige Ge-sundheit von Beschäftigten und psychotraumatologisch geprägten Annahmen zum Einfluss traumatischer Erfahrungen auf die Ausbildung von Traumafolgen soll folgender Fragestellung nachgegangen werden:

4. Begünstigt Burnout als ein Merkmal der individuellen Vulnerabilität langfristig die Ausbil-dung von PTBS-Merkmalen, depressiven Verstimmungen, Angst, körperlichen Beein-trächtigungen und paranoiden Gedanken im Kontext traumatischer Erfahrungen im Poli-zeidienst?

Auf der Basis der bisherigen Studienergebnisse ist anzunehmen, dass sich insbesondere das Merkmal Erschöpfung als ein einflussreicher Prädiktor erweisen wird. Es werden folgende Hy-pothesen formuliert:

Hypothese 4: Burnout begünstigt als Merkmal einer individuellen Vulnerabilität langfristig die Ausbildung subjektiv wahrgenommener Traumafolgen im Kontext traumatischer Erfahrungen im Polizeidienst.

4.1 Die Burnout-Merkmale Erschöpfung und Zynismus zu t1 stehen in

positivem, das Burnout Merkmal Professionelle Effizienz in negativem Zu-sammenhang mit Merkmalen der PTBS zu t2.

4.2 Die Burnout-Merkmale Erschöpfung und Zynismus zu t1 stehen in positivem, das Burnout Merkmal Professionelle Effizienz in negativem Zusammenhang mit depressiven Merkmalen zu t2. 4.3 Die Burnout-Merkmale Erschöpfung und Zynismus zu t1 stehen in

positivem, das Burnout Merkmal Professionelle Effizienz in negativem Zu-sammenhang mit Merkmalen von Angst zu t2.

4.4 Die Burnout-Merkmale Erschöpfung und Zynismus zu t1 stehen in

positivem, das Burnout Merkmal Professionelle Effizienz in negativem Zu-sammenhang mit subjektiv wahrgenommenen körperlichen Beeinträchtigun-gen zu t2.

4.5 Die Burnout-Merkmale Erschöpfung und Zynismus zu t1 stehen in

positivem, das Burnout Merkmal Professionelle Effizienz in negativem Zu-sammenhang mit paranoiden Gedanken zu t2.