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3. Burnout

3.1. Definition von Burnout

Die unterschiedlichen Burnoutdefinitionen können zum einen danach differenziert werden, ob sie Burnout als Folge der Arbeit in helfenden Berufen oder als berufsgruppenübergreifende, arbeitsbezogene Fehlbeanspruchungsfolge beschreiben. Zum anderen ergeben sich Unter-schiede hinsichtlich des Verständnisses der Dynamik des Phänomens. Schaufeli und Kollegen

Buunk, 2003; Schaufeli & Enzmann, 1998). Gemeinsam ist allen Zustandsdefinitionen die Auf-listung verschiedener, scheinbar statischer Merkmale, die Burnout als besondere psychische Verfassung kennzeichnen. Dem gegenüber beschreiben Prozessdefinitionen einen schleichend beginnenden, langwierigen Burnoutverlauf.

Zu den zustandsbezogenen Ansätzen zählen Schaufeli und Enzmann (1998) auch die bisher am häufigsten zitierte Burnout-Definition von Maslach und Jackson (1984). Die Autoren definie-ren Burnout als Krise von Menschen in ihrer Arbeit, die in emotionaler Erschöpfung, Depersonalisierung bzw. Zynismus und reduziertem Wirksamkeitserleben mündet.

Emotionale Erschöpfung steht in helfenden Berufen kausal mit einer belastenden Helfer-Klienten- bzw. Helfer-Patienten-Beziehung im Zusammenhang, integriert berufsgruppenüber-greifend ein Gefühl des Ausgelaugtseins, der Energielosigkeit, der emotionalen Überforderung, der Unfähigkeit, sich zu erholen und des Verlustes emotionaler Ressourcen (Maslach, 2001;

Maslach & Jackson, 1984; Maslach, Jackson & Leiter, 1996).

Depersonalisierung beschreibt einen zynisch-distanzierten Umgang des Helfers mit den Klien-ten. In Folge der Entwicklung eines Messinstruments zur Erfassung von Burnout in primär nicht-helfenden Berufen (Maslach Burnout Inventory – General Survey) wurde die Komponente Depersonalisierung in Zynismus umbenannt. Es wird nun nicht mehr die Einstellung des Helfers gegenüber seinen Patienten bzw. Klienten, sondern eine zynisch distanzierte, negative Einstel-lung zur Arbeit erfasst. Zynismus bedeutet auch eine reduzierte Anteilnahme am Arbeitsge-schehen und die Aufgabe von Idealen (Maslach, 2001; Maslach & Jackson, 1984; Maslach et al., 1996).

Reduziertes Wirksamkeitserleben bzw. verminderte professionelle Effizienz integriert die Ab-nahme des beruflichen Kompetenzgefühls bzw. Selbstwertgefühls und die Bewertung, zentralen beruflichen Standards nicht mehr zu genügen bzw. der beruflichen Situation nicht mehr ge-wachsen zu sein (Maslach, 2001; Maslach & Jackson, 1984).

Die Operationalisierung der Definition in einem einfach anzuwendenden, ökonomischen Mess-instrument, dem Maslach-Burnout-Inventory (MBI, Maslach & Jackson, 1986; Maslach et al., 1996), führte dazu, dass bis heute den meisten Untersuchungen dieses Verständnis von Burn-out zugrunde liegt (Burisch, 2006; Rösing, 2003).

Ebenfalls zu den zustandsbezogenen Definitionen zählen die Autoren den Ansatz von Pines, Aronson und Kafry (1987), die ursprünglich zwischen Burnout und Überdruss (Tedium) unter-schieden. Sie postulierten, dass Burnout durch langanhaltende emotional beanspruchende Si-tuationen insbesondere in helfenden Berufen hervorgerufen werde. Überdruss hingegen könne durch jede Art chronischer, beruflicher Beanspruchung entstehen (Pines, Aronson & Kafry, 1993). Sowohl der Burnout-Begriff als auch der Überdruss-Begriff integrieren Merkmale psychi-scher (z. B. negative Haltungen zur eigenen Person, zum Leben und zur Arbeit), emotionaler (z.

B. Hilflosigkeit und Hoffnungslosigkeit) und körperlicher (z. B. eingeschränkte Belastbarkeit, erhöhte Unfallneigung, Rückenschmerzen) Erschöpfung. Gusy (1995) verweist darauf, dass sich die Differenzierung zwischen Burnout und Überdruss in unterschiedlichen Professionen nicht bewährt hat.

Prozessbezogene Ansätze liegen z. B. von Cherniss (1980), von Edelwich und Brodsky (1984) sowie von Hallsten (1993) vor.

Cherniss (1980) beschreibt einen Burnout-Verlauf über drei Stadien, in dessen Verlauf sich die Einstellungen und Verhaltensweisen des Arbeitsnehmers unter dem Einfluss von stressrelevan-ter Arbeitsanforderungen ändern. Im ersten Stadium entwickelt sich ein Ungleichgewicht zwi-schen an Intensität zunehmenden beruflichen Anforderungen und individuellen Ressourcen.

Unmittelbare Folgen dieses Ungleichgewichts äußern sich in kurzfristigen Müdigkeitserschei-nungen, Spannungszuständen oder Erschöpfungsgefühlen (Stadium zwei). Das dritte Stadium ist gekennzeichnet durch Wahrnehmungs- und Verhaltensänderungen, die defensive, vermei-dende oder abwehrende Bewältigungsstrategien, wie z. B. zynische Fixierung auf die Erfüllung eigener Bedürfnisse, integrieren. Vermeidende Bewältigungsstrategien tragen ebenso wie dispositionierende Merkmale der Person (z. B. Karriereorientierung) und der Rahmenbedingun-gen der Arbeit (z. B. geringe soziale Unterstützung) zur Entwicklung von Burnout bei. In späte-ren Arbeiten diskutiert Cherniss (1980) auch sozial-gesellschaftliche Einflüsse auf die Burnout-Entwicklung. Die explizite Benennung des Einflusses vermeidender Bewältigungsstrategien im Burnoutprozess ist jedoch die eigentlich neue Dimension dieser Burnout-Definition.

Edelwich und Brodsky (1984) definieren Burnout als fortschreitenden, unaufhaltsamen Desillu-sionierungsprozess. Dabei werden individuelle Erwartungen an die Tätigkeit durch die Berufs-realität enttäuscht und es kommt zum Verlust von Idealismus und Energie. Der Desillusionie-rungsprozess verläuft den Annahmen der Autoren folgend in vier Stadien über einen hohen Enthusiasmus und Arbeitseinsatz über eine Phase der Stagnation, der Reduzierung hoher Er-wartungen an die Tätigkeit und Fokussierung auf individuelle Bedürfnisse (z. B. ausreichende Entlohnung), über Zweifel am Wert der Arbeit, zunehmende Frustration sowie physische und psychische Beeinträchtigungen zu einem zunehmenden Rückzug von der Arbeit und Dienst nach Vorschrift. Merkmale der letzten Phase sind Absentismus, Vermeidung sozialer Kontakte im Berufsleben, Zynismus, Gefühlslosigkeit und emotionale Distanz. Die Autoren sehen den Ursprung eines Burnout-Prozesses vor allem in den Rahmenbedingungen der Arbeit helfender Menschen, wie z. B. eine geringe Bezahlung, fehlende Aufstiegschancen, fehlende soziale Un-terstützung in den Organisationen etc. und machen auf innerorganisatorische, kommunikati-onsgestützte Ansteckungsdynamiken aufmerksam.

Gemeinsam ist diesen beiden Prozessdefinitionen die Annahme, dass individuelles Stresserle-ben das Auftreten von Burnout begünstigt. StresserleStresserle-ben rührt aus einem Ungleichgewicht zwi-schen stressrelevanten Arbeitsanforderungen und vorhandenen Ressourcen bzw. aus einem Ungleichgewicht zwischen individuellen Erwartungen sowie Idealen und der Berufsrealität. In beiden Definitionen sind die letzten Burnout-Phasen vor allem durch Wahrnehmungs- und Ver-haltensänderungen gekennzeichnet.

Dem gegenüber fokussiert Hallsten (1993) stärker auf den eigentlichen Prozess des Ausbren-nens, an dessen Ende unterschiedliche Beeinträchtigungen (Erschöpfung, Müdigkeit, Frustrati-on) auftreten können, welche nicht als Burnout-spezifisch zu bezeichnen sind. Die Bedrohung einer selbstdefinierten Rolle in der Arbeit ohne angemessene Alternative wird hier als Auslöser von Burnout-Prozessen betrachtet. Zusätzliche individuelle Vulnerabilitäten (z. B. instabiles Selbstbild), eine starke Bindung an die Zielerreichung (über Erreichung des Arbeitsziels

defi-nierte Rolle) und eine ungünstige Person-Arbeitsumgebungs-Passung begünstigen die weitere Entwicklung des Burnout-Prozesses. Kernmerkmale des Prozesses sind erbitterte Versuche der Zielerreichung verbunden mit enttäuschten Erwartungen (Gefühle von Kontrollverlust, Energie-verlust, Ambivalenz gegenüber der Arbeit etc.). Burnout-Prozesse können Hallsten (1993) zu-folge u. a. in Phasen mit depressions-änhlichen Gefühlslagen münden und auch in außerberuf-lichen Kontexten auftreten.

Ebenfalls wurden für die statische Burnout-Definition von Maslach und Jackson (1984) Pro-zessannahmen formuliert. So postulieren Leiter und Maslach (1988), dass emotionale Erschöp-fung als Ergebnis des Versuchs, die Leistungsfähigkeit trotz stressrelevanter Anforderungen aufrecht zu erhalten (problemfokussiertes, aktives Coping), betrachtet werden kann. Erschöp-fung begünstigt zunächst die Entwicklung einer zynisch distanzierten Einstellung zur Arbeit.

Zynismus, Distanzierung und Rückzug von der Arbeit sowie den Klienten/Patienten und Kolle-gen werden als dysfunktionale Strategien der Bewältigung erschöpfender und energiever-schleißender Arbeitsanforderungen angesehen (emotionsfokussiertes, aktives Coping). Sie können die Interaktion im Team und mit den Patienten/Klienten sowie die Arbeitsleistung beein-trächtigen und somit zur Einschätzung einer reduzierten Leistungsfähigkeit führen. Die be-schriebenen Prozessannahmen konnten in mehreren Untersuchungen bestätigt werden (Beerlage et al., 2009b; Lee & Ashforth, 1993; Toppinen-Tanner, Kalimo & Mutanen, 2002).

Darüber hinaus werden Verläufe über Depersonalisierung zu reduziertem Wirksamkeitserleben und emotionaler Erschöpfung (Golembiewski, Munzenrieder & Stevenson, 1986) sowie Verläufe von schwindender professioneller Effizienz zu zunehmendem Zynismus und Erschöpfung disku-tiert (van Dierendonck, Schaufeli & Buunk, 2001).

Die Burnout-Definition von Maslach und Jackson (1984) wird von verschiedenen Autoren als zu eng diskutiert (Rösing, 2003; Schaufeli & Enzmann, 1998). Aufbauend auf prozessualen und zustandsbezogenen Definitionen schlagen Schaufeli und Enzmann (1998) eine einheitliche Burnout-Definition vor, auf deren Basis auch die hier vorgelegte Untersuchung basieren soll:

„Burnout is a persistent, negative, work-related state of mind in ´normal´ individuals that is primarily characterized by exhaustion, which is accompanied by distress, a sence of reduced effevtiveness, decreased motivation, and the development of dysfunctional attitudes and be-haviours at work. This psychological condition develops gradually but may remain unnoticed for a long time by the individual involved. It results from a misfit between intentions and reali-ty in the job. Often burnout is self-perpetuating because of inadequate coping strategies that are associated with the syndrome”. (S. 36)

Übersetzung:

Burnout ist ein dauerhafter, negativer, arbeitsbezogener psychischer Zustand „normaler“ In-dividuen, der vor allem durch Erschöpfung, begleitet durch Stresserleben, einem Gefühl re-duzierter Effektivität, verringerter Motivation und der Entwicklung dysfunktionaler Einstellun-gen und Verhaltensweisen bei der Arbeit gekennzeichnet ist. Dieses psychische Befinden entwickelt sich schrittweise, kann vom Individuum aber lange unbemerkt bleiben. Es resul-tiert aus einer Fehlanpassung zwischen Absichten des Individuums und der Berufsrealität.

Burnout erhält sich wegen ungünstiger Bewältigungsstrategien, die mit dem Syndrom zu-sammenhängen, oft selbst aufrecht.

Diese Definition fasst alle von Maslach und Jackson (1984) postulierten Burnout-Merkmale zu-sammen, bringt Burnout explizit in Zusammenhang mit Arbeitskontexten ohne auf helfende Be-rufe zu fokussieren, geht von einem prozesshaften Charakter des Phänomens aus, berücksich-tigt, vergleichbar dem Ansatz von Cherniss (1980) den Einfluss ungünstiger Bewältigungsstra-tegien und schließt, ähnlich den Annahmen von Edelwich und Brodsky (1984), wahrgenomme-ne Ungleichgewichte zwischen individuellen Erwartungen an die Tätigkeit und der beruflichen Realität als wesentliche Ursache ein.