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5. Burnout und (Trauma-)Folgen/-Folgestörungen

5.2. Forschungsstand Burnout und (Trauma-)Folgen/-Folgestörungen

5.2.1. Burnout und PTBS(-Merkmale)

Merkmale von Burnout und der PTBS werden in der Literatur zum einen als gemeinsame Fol-gen tertiär-traumatisierender ErfahrunFol-gen diskutiert (s. Kapitel 5.1.1). Zum anderen gingen Reinhard und Maercker (2003) sowie Arndt et al. (2008) der Frage nach, ob Burnout die Ausbil-dung von PTBS-Merkmalen/der PTBS nach traumatisch erfahrenen Ereignissen begünstigt. In Querschnittuntersuchungen bei Einsatzkräften des Rettungsdienstes und der Bundespolizei bestätigten sich die angenommenen Zusammenhänge, z. T. aber auf sehr geringem Niveau.

Im Folgenden wird ein Überblick über den Forschungsstand zum Zusammenhang zwischen Burnout und PTBS-Merkmalen/der PTBS gegeben.

5.2.1.1. Ergebnisse der Literaturrecherche

Im Juni 2010 wurde in der Datenbank PsycINFO® eine Literaturrecherche zum Zusammenhang zwischen Burnout und PTBS-Merkmalen/der PTBS durchgeführt. Die Suche mit dem Term

„Burnout AND (PTBS OR PTSD OR Trauma*)“ lieferte insgesamt 260 Treffer. In der Mehrzahl der gefundenen Arbeiten werden Compassion Fatigue oder die Stellvertretende Traumatisie-rung thematisiert. Die für diese Arbeit zugrunde gelegte Burnout-Definition entspricht der

Defini-tion von Maslach und Jackson (1983) bzw. Schaufeli und Enzmann (1998). Sie unterscheidet sich damit wesentlich von den über die Compassion Fatigue-Instrumente erfassbaren Burnout-Merkmale (z. B. depressive Verstimmtheit, Ärger, Müdigkeit, Hoffnungslosigkeit, Versagens-ängste). Vor diesem Hintergrund mussten mehr als 210 Treffer dieser ersten Recherche als irrelevant eingestuft werden.

Eingegrenzte Suchstrategie: Im Juli 2010 wurde eine erneute Recherche unter Verwendung des eingegrenzten Suchterms „Burnout AND Posttraumatic Stress Disorder“ gestartet. Die Su-che wurde auf relevante Veröffentlichungen aus dem Zeitraum 2000 bis 2010 limitiert.

Ein- und Ausschlusskriterien: In die Auswertung fanden ausschließlich empirische Arbeiten Eingang. Beiträge, die die Folgen tertiär-traumatisierender Erfahrungen unter dem Begriff Burn-out diskutierten und über Instrumente zur Erfassung von Compassion Fatigue und Stellvertre-tender Traumatisierung (z. B. CFT, CSFT, ProQOL Test, TSI) untersuchten, wurden aus den genannten Gründen in der Auswertung nicht berücksichtigt (N = 14). Ausgeschlossen wurden auch theoretische Arbeiten (N = 2) sowie Arbeiten ohne inhaltlichen Bezug zur Fragestellung (z.

B. Therapiemanuale, Präventionsprogramme etc., N = 28).

Relevante Treffer: Insgesamt brachte die Recherche in PsycINFO® N = 59 Treffer. N = 44 Treffer (75%) wurden aus der weiteren Auswertung ausgeschlossen. In die abschließende Auswertung gingen somit 15 Originalarbeiten ein. In Tabelle 7 ist die Verteilung der Veröffentli-chungen innerhalb des Recherchezeitraumes dargestellt. Deutlich wird, dass das Interesse zum Zusammenhang zwischen Burnout und der PTBS annähernd konstant bleibt im betrachteten Veröffentlichungszeitraum.

Ergebnisse der Analyse der relevanten Treffer: In allen relevanten Veröffentlichungen wer-den ausschließlich die Ergebnisse von Querschnitterhebungen berichtet. Reviews oder Metaa-nalysen finden sich nicht unter den gefundenen Veröffentlichungen. Die relevanten Treffer kön-nen inhaltlich differenziert werden.

Burnout und traumatische Erfahrungen: In vier Erhebungen wird ein Zusammenhang zwi-schen Burnout und der Anzahl der berichteten traumatisch erlebten Ereignisse im beruflichen Kontext diskutiert (Alexander & Klein, 2001; Bisset, 2002; Crabbe, Alexander, Klein, Walker &

Sinclair, 2002; Whealin et al., 2007). Alexander und Klein (2001) verweisen darauf, dass er-schöpft ausgebrannte Rettungskräfte mehr traumatisch erfahrene Einsatzsituationen benennen und weniger Erholungszeit zwischen den Einsätzen wahrnehmen. Zynisch distanziert zeigten sich vor allem die Einsatzkräfte, welche innerhalb des letzten halben Jahres eine potenziell traumatisierende Einsatzsituation erlebten. Ähnliche Ergebnisse berichten auch Bisset (2002) für Pflegekräfte nach Androhung physischer Gewalt durch Patienten, Crabbe et al. (2002) für Feuerwehrmänner nach Einsätzen bei Naturkatastrophen und Whealin et al. (2007) für Angehö-rige der US-Armee nach lebensbedrohlichen Erfahrungen.

Gemeinsame Einflussfaktoren auf Burnout und PTBS-Merkmale: In drei Veröffentlichungen werden Ergebnisse zu gemeinsamen Korrelaten der Konstrukte dargestellt (Alexander & Klein, 2001; Lindert, Maller-Nordhorn & Soares 2009; Mealer, Burnham, Goode, Rothbaum & Moss, 2009). Dabei wird deutlich, dass Burnout und PTBS-Merkmale bei jüngeren Personen stärker ausgeprägt auftreten und die personale Ressource Hardiness sowohl mit weniger Burnout als

Tabelle 7: Zeitliche Verteilung der Veröffentlichungen zum Zusammenhang zwischen Burnout und PTBS(-Merkmalen)

PsycINFO® (2000-2010) („Burnout AND Posttraumatic Stress Disorder“)

Jahr Relevant Gesamt

2000 1

2001 3 50% 6

2002 2 40% 5

2003 3

2004 1 11% 9

2005 1 33% 3

2006 1 11% 9

2007 2 33% 6

2008 2 29% 7

2009 3 33% 9

2010 1

Gesamt 15 25% 59

Anmerkung: – bedeutet keine relevanten Treffer für den Zeitraum

Burnout als Prädiktor und Outcome von PTBS-Merkmalen: In 10 Arbeiten werden direkte Zusammenhänge zwischen Burnout und Merkmalen der Posttraumatischen Belastungsstörung betrachtet (Arndt et al., 2008; Brattberg, 2006a; Einav et al., 2008; Fong, 2005; Mealer et al., 2009; Putman et al., 2009; Reinhard & Maercker, 2003; Sirrat, 2001; Smith, Kleijn & Stevens, 2001, Vio & Vidallet, 2007). Es liegen Erhebungen vor bei Einsatzkräften des Rettungsdienstes (Reinhard & Maercker, 2003), der Bundespolizei (Arndt et al., 2008), der Feuerwehr (Sirratt, 2001), bei Psychotherapeuten und psychosozialen Fachkräften (Fong, 2005; Smith et al., 2001;

Vio & Vidallet, 2007), bei Medizinern (Einav et al., 2008), bei Pflegepersonal (Mealer et al., 2009) und bei Mitarbeitern in der humanitären Hilfe (Putman et al., 2001). An der Studie von Brattberg (2006a) beteiligten sich schwedische Frauen.

In acht Veröffentlichungen werden Annahmen zu der Richtung der vermuteten Zusammenhän-ge formuliert. In sieben ErhebunZusammenhän-gen wurde Burnout als Prädiktor für PTBS-Merkmale unter-sucht (Arndt et al., 2008; Fong, 2005; Putman et al., 2009; Reinhard & Maercker, 2003; Sirratt, 2001; Smith et al., 2001; Vio & Vidallet, 2007). In einer Arbeit wird der umgekehrte Einfluss dis-kutiert (Brattberg, 2006a).

Zwischen Burnout und posttraumatischen Albträumen bei Traumatherapeuten ergaben sich Zusammenhänge bei Smith et al. (2001). Auch in weiteren Erhebungen bei Psychotherapeuten und psychosozialen Fachkräften konnten Zusammenhänge zwischen Burnout und PTBS-Merkmalen beobachtet werden (Fong, 2005; Putman et al., 2009; Vio & Vidallet, 2007). Fong (2005) fand Verbindungen zwischen emotionaler Erschöpfung und PTBS-Merkmalen. Jedoch beziehen sich die Ergebnisse nur auf eine relativ kleine Stichprobe von N = 46.

In der Studie von Vio und Vidallet (2007) bei chilenischen Therapeuten wurden schwache bis mittlere Korrelationen zwischen Burnout und PTBS-assoziierten Merkmalen deutlich. Insbeson-dere erschöpft ausgebrannte Therapeuten berichteten Intrusionen, Vermeidungsverhalten und Übererregung. Anzeichen einer zynischen Distanziertheit standen vor allem mit Vermeidungs-verhalten im Zusammenhang. Putman et al. (2009) verweisen auf schwache regressionsanaly-tisch ermittelte Effekte zwischen emotionaler Erschöpfung und der Höhe der PTBS-Merkmalsausprägung insgesamt. Die Wahrnehmung professioneller Effizienz hatte dagegen einen moderat negativen Einfluss auf die Höhe der PTBS-Merkmale.

Schwache bis mittlere Zusammenhänge zwischen Burnout und Merkmalen der PTBS wurden auch in den Untersuchungen bei Einsatzkräften der Feuerwehr und des Rettungsdienstes (Reinhard & Maercker, 2003; Sirratt, 2001) deutlich. Auch hier werden insbesondere Zusam-menhänge zwischen emotionaler Erschöpfung und PTBS-Merkmalen berichtet. Reinhard und Maercker (2003) fanden mittlere bis hohe Verbindungen zwischen Erschöpfung und den PTBS-Merkmalen Intrusionen, Vermeidung sowie Übererregung. Zynismus stand mit schwächer aus-geprägten Merkmalen von Übererregung in Verbindung. Einav et al. (2008) fanden schwache Zusammenhänge zwischen Emotionaler Erschöpfung und Übererregung (ß = .21*). Auch bei Arndt et al. (2008) waren die Zusammenhänge zwischen Burnout und PTBS-Merkmalen schwach.

Brattberg (2006a), Einav et al. (2008) und Mealer et al. (2009) erhoben Burnout in Gruppen mit PTBS-spezifischen Beeinträchtigungen und nahmen Vergleiche mit unbelasteten Kontrollgrup-pen vor.

In der Studie von Brattberg (2006a) berichteten ausgebrannte Befragte mehr traumatisch erfah-rene Lebensereignisse und mehr PTBS-Merkmale als weniger ausgebrannte Teilnehmer. Burn-out wurde hier insbesondere über Merkmale von emotionaler, physischer und kognitiver Er-schöpfung operationalisiert.

Einav et al. (2008) konnten die Ergebnisse Brattbergs (2006a) unter Verwendung des MBI rep-lizieren. In ihrer Untersuchung erlebten sich Personen, die PTBS-Merkmale aufwiesen (N = 34!), stärker erschöpft und zynisch ausgebrannt sowie weniger professionell effizient. Allerdings war diese durch PTBS-Merkmale und Burnout beeinträchtigte Gruppe auch häufiger potenziell traumatisierenden Ereignissen im außerberuflichen Kontext und einer höheren Arbeitsbelastung ausgesetzt als die unbeeinträchtigte Kontrollgruppe. Demnach kann nicht ausgeschlossen wer-den, dass Burnout hier auf die Höhe der quantitativen Arbeitslast, und die Höhe der PTBS-Merkmale auf die kumulierte Wirkung potenziell traumatisierender Ereignisse zurückzuführen waren.

Mealer et al. (2009) untersuchten das gemeinsame Auftreten von Burnout und PTBS-Symptomen bei US-amerikanischem Pflegepersonal. 98% der Studienteilnehmer, welche so hohe PTBS-Symptome berichteten, dass der Verdacht auf das Vorliegen einer PTBS bestand, zeigten auch erhöhte Ausprägungen für Burnout-Merkmale. In der Gruppe der ausgebrannten Pflegekräfte erhärtete sich noch bei 21% der Befragten der Verdacht auf das Vorliegen einer PTBS. Das gekoppelte Auftreten beider Phänomene wurde u. a. durch die Anzahl der Jahre an Berufserfahrung, durch Erwartungen an die Handhabbarkeit von Anforderungen des Lebens und das Alter der Teilnehmer moderiert.

5.2.1.2. Zusammenfassung

Insgesamt wurden Zusammenhänge zwischen Burnout und PTBS-Merkmalen bzw. traumati-schen Erfahrungen häufig untersucht. In den Studien berichteten ausgebrannte Personen ei-nerseits mehr potenziell traumatisierende Ereignisse.

Andererseits deuten die Ergebnisse darauf hin, dass Burnout die Ausbildung von Merkmalen der PTBS begünstigt. In der Mehrzahl der betrachteten Veröffentlichungen wurden schwache bis mittlere Korrelationen zwischen Burnout und PTBS-Merkmalen berichtet. Den größten Erklä-rungsbeitrag für alle PTBS-Merkmale lieferte die Komponente Erschöpfung. Professionelles Wirksamkeitserleben korrelierte negativ mit PTBS-Merkmalen. Die Ergebnisse zum Zusam-menhang zwischen Zynismus und den PTBS-Merkmalen sind uneinheitlich. Es wurden sowohl positive als auch negative Korrelationen mit Vermeidung und Übererregung deutlich.

Die Ergebnisse stützen die Annahme, dass Burnout die Vulnerabilität für die Ausbildung von PTBS-Merkmalen langfristig erhöht. In der Recherche konnten ausschließlich Veröffentlichun-gen gefunden werden, in denen die Ergebnisse von QuerschnitterhebunVeröffentlichun-gen dargestellt waren.

Ergebnisse von Längsschnittuntersuchungen zur Bedeutung von Burnout für das PTBS-Risiko wurden ausgehend von dieser Recherche bisher offensichtlich nicht veröffentlicht. Hier soll in der vorliegenden Arbeit angeknüpft werden und der langfristige Einfluss von Burnout auf die Ausbildung von PTBS-Merkmalen nach traumatisch erfahrenen Ereignissen überprüft werden.