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Die Frage der Kirchenreform in Polen um die Mitte des 16. Jahrhunderts

Im Dokument DigiOst – Band 2 (Seite 60-66)

Die Reformation verbreitete sich in Polen relativ schnell. Bereits in den 1520er Jahren waren die Schriften von Luther bekannt und wurden oft gelesen. Obwohl die größte Blüte der Reformation in Polen erst auf die 1560er Jahre fiel, interessierten sich bereits eine Generation früher einige Adlige stark für die neuen Strömungen in der Theolo-gie. Die Bischöfe reagierten darauf mit zunehmender Strenge. In den 1540er Jahren wurden bereits protestantische Adlige wegen „Häresie“ verurteilt, jedoch wurden die Urteile zu diesem Zeitpunkt noch nicht vollstreckt, sondern existierten lediglich auf dem Papier. Zu Beginn der 1550er Jahre begannen die Bischöfe jedoch, die Urteile auch zu vollstrecken. Zum Beispiel wurde im Jahr 1551 Stanisław Orzechowski, der erste Priester, der in Polen öffentlich heiratete, von einem Bischof als Häretiker verur-teilt. Seine Güter wurden vom Bischof eingezogen und er wurde verbannt. Da er ein Adliger war, löste dies starke Erregung bei seinen Standesgenossen aus. Diese Erre-gung verstärkte sich noch, als die Bischöfe beschlossen, dass jeder, der die Urteile ihrer Gerichte nicht befolgen würde, exkommuniziert würde.12

11 Zum Beispiel von Voise: Frycza Modrzewskiego nauka; Bałakier: Sprawa.

Die Adligen empfanden diese bischöfliche Jurisdiktion als einen Anschlag auf ihre Freiheitsrechte. So formulierte zum Beispiel Jan Tarnowski, die führende Person der weltlichen Opposition, dass „die Bischöfe, obwohl sie zusammen mit uns unter einem Recht und einem König stehen, Ansprüche stellen und über ihnen Gleichste-hende herrschen und über uns die Macht haben möchten“.13 Es ging hier also nicht in erster Linie um die Religionsfrage, sondern vor allem um die Frage der Gleichheit der Personen aus einer sozialen Schicht. Die Bedeutung der Religionsfrage war eine Folge davon, dass die Adligen ihre Rechte durch die Ansprüche der Bischöfe gefährdet sahen, die ihnen – im Selbstverständnis der Szlachta – gleichgestellt waren. Die Adli-gen wollten diese Frage im Rahmen des Sejm lösen und im Jahr 1552 gelang es ihnen, die Religionsfrage auf die Tagesordnung zu bringen. König Sigismund August urteilte jedoch, dass die kirchliche Jurisdiktion nicht im Widerspruch zum weltlichen Recht stehe. Daher erkannte er die Urteile der Bischöfe an.14

Die Adligen versuchten daraufhin, mit den Geistlichen über eine Strafaussetzung zu verhandeln, und es gelang ihnen, das Versprechen der Bischöfe zu gewinnen, die Vollstreckung der Strafen für ein Jahr zur Bewährung auszusetzen. Die Adligen ver-pflichteten sich im Gegenzug, regelmäßig den Zehnten zu bezahlen.15 Dieses Abkom-men entspannte die Situation, aber nur für kurze Zeit, da manche Adlige ihre Ver-pflichtung nicht einhielten und auch Geistliche immer wieder ihre Jurisdiktion ausüb-ten. Das Verhältnis zwischen beiden Seiten wurde immer angespannter und der Streit führte schließlich dazu, dass die maßgeblichen Institutionen nicht regulär funktionie-ren konnten – der Sejm wurde durch die religiöse Frage fast lahmgelegt. Diese Situati-on war sowohl für die Adligen als auch für die Bischöfe ungünstig – die protestanti-schen Adligen konnten sich nicht sicher fühlen, da die Geistlichen weiter ihre Juris-diktion ausübten, während die Bischöfe weniger Einnahmen hatten und zudem in einigen Fällen von Protestanten abgesetzt wurden.

Deswegen waren beide Seiten bereit, einen Kompromiss zu suchen. Die Religi-onsthematik stand während des Sejms zu Petrikau im Jahr 1555 im Mittelpunkt der 13 Orzechowski: Kroniki, 107.

14 Zakrzewski: Powstanie, 69.

15 Orzechowski: Kroniki, 118.

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Gespräche. Sowohl die Adligen als auch die Bischöfe bereiteten sich gründlich auf die Verhandlungen vor – die Erstgenannten wählten die besten Redner unter ihnen aus und die Letztgenannten kamen in einer größeren Anzahl als sonst zu diesem Sejm.

Den ersten Entwurf für eine Übereinkunft machten die Protestanten, die unter ande-rem folgende Elemente vorschlugen: Religionsfreiheit, die Eucharistie in beiderlei Gestalt, die Aufrechterhaltung der Güter von Bischöfen auf Lebenszeit und die erneute Vergabe dieser erst nach ihrem Tod, Aufhebung der Urteile der bischöflichen Gerich-te, Abschaffung des Zölibats der Geistlichen sowie das Verbot der Lästerung der römisch-katholischen Trinitätslehre und der Überredung zur Konversion weg von der katholischen Kirche. Laut diesem Entwurf sollten die Vorschläge durch ein Universal-konzil, und falls dieses nicht zustande kommen sollte, durch ein Provinzialkonzil anerkannt werden.16

Die Bischöfe akzeptierten diesen Entwurf nicht und legten statt dessen einen eigenen Entwurf vor, gemäß welchem der König den Papst darum bitten sollte, erneut das Konzil von Trient einzuberufen oder, falls dies nicht möglich sein sollte, eine Genehmigung für ein Provinzialkonzil in Polen zu erteilen. Bis zum Konzil müssten 16 Es waren neun Vorschläge: „1. Sacerdotes, pro uniuscuisque arbitro liberum erit tam in domibus quam in templis fovere et instituere, qui predicent pure verbum divinum; 2.

Liberum erit illis ceremonias iuxta morem illorum peragere; 3. Utramque speciem sac-ramendi conae licitum sit omnibus ab illis petentibus porrigere; 4. Si qui restant veri sacerdotes romani et expulsi beneficiis suis, retituantur ad vitam illorum. Si vero mortui, aut quum morientur, liberum pro uniuscuiusque arbitrio sacerdotes instituere, absque archiepiscoporum et episcoporum confirmatione; 5. Decreta omnia archiepiscoporum, episcoporum racione religionis contra quascunque personas lata, ab omnibus citacioni-bus illorum cassata sint et annihilate; 7. Autoritas omnium spiritualism on illorum pro-venctus sit libera iuxta consuentudinem antiquam; 8. Ne in sanctam Trinitatem et sacra-mentum veri corporis et sanguinis, quod iuxta ritum ecclesie romane porrigitur, sit pub-lice blasfemia, ceremoniaque illorum ut sin tab omni impeticione secure, et possint libe-re celebrari, nec ab illius ecclesiae verbi divini interplibe-retatione, atque plibe-redicatione vi et quavis autoritate avelli, ad suamque interpretationem cuiusque condicionis hominem cogi possint; 9. Haec omnia et singular ad concordiam generalis aut provincionalis con-cilii verbo sacrae R.M. et roborrata sint, et debent per omnis condicionis hominess

einerseits die Protestanten vermeiden, die Reformation zu verbreiten, und andererseits sollten die Bischöfe so lange ihre Jurisdiktion aussetzen. Die Beschlüsse des Konzils sollten für beide Seiten verbindlich sein.17 Die Adligen lehnten diesen Vorschlag jedoch ab, da sie befürchteten, dass seine Annahme die Befestigung der privilegierten Rolle der Bischöfe bedeuten würde, und zwar nicht nur in religiösen Fragen. Außer-dem hatten sie Sorge, alle Beschlüsse des Konzils widerspruchslos annehmen zu müs-sen, denn die Bischöfe planten, dass an dem Konzil nur Geistliche teilnehmen sollten.

Dadurch könnte es – so fürchteten die Protestanten – zu der Situation kommen, dass auf dem Konzil, „nur diese [die Bischöfe, T. Ł.] selbst entscheiden würden, was in der Zukunft gültig wäre, und sie die Beschlüsse in Kraft setzen würden, ohne Rücksicht darauf zu nehmen, ob andere zustimmen oder nicht“.18 Um eine solche Situation zu vermeiden, wollten die Adligen nicht nur passive Zuschauer auf der Synode sein, son-dern aktiv an ihr teilnehmen.

Obwohl beide Seiten auf dem Sejm der Meinung waren, dass in Polen eine Eini-gung notwendig war, war der Weg zum Konsens daher nicht leicht und die Verhand-lungen dauerten lange. Da der König nicht wollte, dass der Sejm sich während der ganzen Sitzung nur mit der Religionsfrage beschäftigte, machte er einen Vorschlag zu ihrer Lösung. Er wollte den Papst um die Genehmigung für ein Provinzialkonzil bit-ten. Das Konzil würde vom Erzbischof einberufen werden und jeder Adlige sollte zu diesem Konzil kommen und ohne Angst seine Vorschläge für eine Kirchenreform dar-legen können. Der König schlug zudem vor, dass er eine Gruppe von vier bedeuten-den Personen berufen werde, die die Sicherheit gewähren würbedeuten-den und dank deren Stellung bei den Adligen das Konzil an Gewicht gewinnen würde. Bis zum Konzil soll-te alles beim Status quo bleiben.19

Die Adligen lehnten auch dieses Angebot ab, weil sie, ähnlich wie beim Vorschlag der Bischöfe, befürchteten, dass sie keinen Einfluss auf die Beschlüsse haben würden.

Sie legten daher noch einen weiteren Entwurf vor, in dem sie vorschlugen, dass der König selbst ein Konzil einberufen sollte, an dem auch die Vertreter Litauens, Schlesi-17 Orzechowski: Kroniki, 17f.

18 Zakrzewski: Powstanie, 84.

19 Zakrzewski: Powstanie, 20f.

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ens und Preußens teilnehmen würden. Die Idee der Adligen war es, dass an dem Kon-zil möglichst viele Menschen aus dem Jurisdiktionsgebiet des Erzbischofs von Gnesen (Gniezno) teilnehmen sollten, um zu verhindern, dass nachträglich Gründe für einen Widerspruch gegen die Beschlüsse des Konzils geltend gemacht würden. Die Adligen wollten darüber hinaus die Zusicherung, dass sie gegen die Beschlüsse dieses Konzils Berufung vor einem Universalkonzil einlegen können.20 Sigismund August wollte sich nicht mehr mit der Religionsfrage beschäftigen und verpflichtete sich, ein Konzil ein-zuberufen. Während des Sejms versprach der König, ein „concilium autoritate sua“21 einzuberufen. Bis dahin sollte jedoch nicht mehr über die Religionsfrage diskutiert werden. Die Landboten waren mit diesem Versprechen zufrieden und erwähnten die Frage während des Sejms von 1555 nicht mehr.

Nach dem Sejm entschied sich Sigismund August, das Konzil nicht aufgrund sei-ner eigenen Autorität einzuberufen, sondern erst mit dem Papst diese Frage zu besprechen, und schickte daher einen Gesandten nach Rom . In der Instruktion, die der Gesandte Stanisław Maciejowski bekam, wurde das Gewicht vor allem auf die Ein-berufung eines Universalkonzils gelegt. Der polnische König wollte in erster Linie, dass die Religionsfrage durch dieses Konzil verhandelt würde, weil er der Meinung war, dass diese Frage nicht in der Kompetenz des Königs, sondern in der des Papstes liege. Nur wenn es unmöglich wäre, ein Universalkonzil einzuberufen, wollte Sigis-mund August darum bitten, der Papst möge ein Provinzialkonzil genehmigen. Der König meinte, dass der Papst, wenn er weder ein Universal- noch ein Provinzialkonzil einberufe, nicht für die Entwicklung der Kirchensituation in Polen verantwortlich sein könnte.22 Außer der Genehmigung für das Konzil bat Stanisław Maciejowski zudem um die Erlaubnis für die Einführung der polnischen Sprache in der Liturgie, für die Eucharistie in beiderlei Gestalt und für die Abschaffung des Zölibats der Geistlichen.23 Der Zeitpunkt für solche Ansinnen war sehr ungünstig, da Papst Julius III. im Jahr 1555 starb. Der neue Papst, Paul IV., war ein unversöhnlicher Gegner der Refor-20 Zakrzewski: Powstanie, 26f.

21 Zakrzewski: Powstanie, 30.

22 Frankiewicz: Starania Zygmunta Augusta, hier 267.

mation. In seiner Amtszeit wurde die Inquisition stark unterstützt und er wehrte sich mit all seinen Kräften dagegen, das Konzil von Trient wieder einzuberufen. Unter die-sen Umständen war die Aufgabe von Stanisław Maciejowski von Anfang an zum Scheitern verurteilt. Der Papst lehnte seine Forderungen eindeutig ab, was bedeutete, dass die Einberufung eines Provinzialkonzils in Polen gescheitert war, da Sigismund August nicht den Mut aufbrachte, gegen den Willen Roms zu handeln. In späteren Jahren waren zwar noch Stimmen für ein Provinzialkonzil zu hören,24 aber solange Paul IV. im Amt war, blieben sie ungehört. Sie wurden deswegen in der Folge immer schwächer und hatten keine Chance, auf eine solche Resonanz zu stoßen wie noch im Jahr 1555.

Im Jahr 1559 wurde schließlich Pius IV. zum Papst gewählt, dessen Einstellung gegenüber einem Konzil eine ganz andere war als die seines Vorgängers. Pius IV. war ein Befürworter des Tridentinums. Aus diesem Grund kam ein Provinzialkonzil für Polen nicht mehr in Frage. Und auch in Polen selbst verschlechterte sich das Mei-nungsklima für ein solches Konzil zunehmend. Zwar wurde im Jahr 1555 in Koźmi-nek eine Union zwischen Kalvinisten und Böhmischen Brüdern geschlossen, aber sie trat nicht in Kraft, da die theologischen Unterschiede zwischen beiden Gruppen unüberwindlich waren. Auch innerhalb des Kalvinismus kam es immer wieder zu the-ologischen Auseinandersetzungen über die Frage der Dreifaltigkeit, die letztendlich zu einem Bruch zwischen der ecclesia maior (Kalvinisten) und der ecclesia minor (Antitri-nitarier) führten, wodurch es unmöglich wurde, eine gemeinsame Front aufzubauen, die eventuell mit den Katholiken hätte verhandeln können.

Obwohl im Jahr 1555 die Bereitschaft beider Seiten, einen Kompromiss zu suchen, groß war, zeigte es sich, dass die Unterschiede und der Wille, die eigenen, par-tikularen Interessen durchzusetzen, doch stärker waren, was eine Vereinigung der Kir-che unmöglich machte. Es sKir-cheint auch, dass – selbst wenn beide Gruppen einen Kompromiss für die Gestalt einer unifizierten Kirche gefunden hätten – das Projekt aufgrund theologischer Fragen, zu deren Diskussion es noch nicht einmal kam, gescheitert wäre. Einige Adlige legten zwar einen Vorschlag für ein

Glaubensbekennt-24 Wierzbowski: Idea, 290-300.

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nis vor,25 aber dies war ein schnell vorbereitetes Dokument, das keine größere Bedeu-tung hatte und kaum durchdacht war.26 Das alles zeigt, dass der Versuch einer Eini-gung der Kirche selbst dann zum Scheitern verurteilt gewesen wäre, wenn es eine Genehmigung für ein Konzil vom Papst gegeben hätte.

Das Programm zur Kirchenreform von Andrzej

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