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1.2 Soziale Arbeit in der Kinder- und Jugendpsychiatrie .1 Bezugsgruppe Pflege- und Erziehungsdienst

1.2.6 Forschungsstand Pädagogik in der Kinder- und Jugendpsychiatrie – ein erster Einblick – ein erster Einblick

Gesamtkonzepte zur (pädagogischen) Aufenthaltsgestaltung konnten in der Literatur nicht entdeckt werden. Trutzel (2011) hat dagegen einen Überblick über Pädagogik in der Kinder- und Jugendpsychiatrie anhand einer Dokumentenanalyse nach Mayring von 206 Internetauftritten teil- und vollstationärer Einrichtungen vorgenommen und durch die Befragung per Online-Fragebogen ergänzt. Dies ist die einzig bekannte Erhebung für diesen Bereich. Gegenstand der Untersuchung der Internetseiten der Kliniken sind die Nennungen von Therapieansätzen, Leitlinien und Leitwerten, Gruppenangeboten und Trainings, fachtherapeutischen Angeboten sowie pädagogischen Stationsangeboten. Die Darstellung der Untersuchung dient dem ersten Einblick zur Ausrichtung der Kliniken in der Praxis, zum pädagogischen Leistungsangebot sowie der Berufsrolle. Als Einblick in die Studie werden ausgewählte Ergebnisse vorgestellt.

Zur Ausrichtung der Klinik wird bei Klinikansätzen und Leitlinien allen voran ein familienorientierter Ansatz (60,7 Prozent) genannt, dicht gefolgt von systemischen Ansätzen (51,2 Prozent). Interdisziplinäre Arbeit betonen fast die Hälfte (45,6 Prozent) der Befragten, dagegen einen Ansatz, der aus mehreren Behandlungsarten besteht nur 20,4 Prozent. Während 58,7 Prozent eine Behandlung speziell auf die Störung ausgerichtet angeben, nennen nur 13,6 Prozent einen ganzheitlichen Ansatz, was auf eine eher funktionale Behandlung verweist. Eine Ressourcenorientierung wird von etwas mehr als 20 Prozent genannt. Hieran lässt sich erahnen, welche Schlüsselwörter zurzeit in der Praxis der Kinder- und Jugendpsychiatrie aktuell sind. Da eine Online-Untersuchung den Nachteil birgt, dass lediglich Namen abgefragt wurden, ist dies noch keine Aussage über

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die Umsetzung von Maßnahmen oder ob Konzepte lediglich nicht erwähnt werden. So wird bei den Fachtherapien nur von 24,3 Prozent die Soziotherapie erwähnt, obwohl diese vorgeschrieben ist, und bleibt damit sogar unter der Beschäftigungs-/Arbeitstherapie (29,6 Prozent).

Zu den pädagogischen Leistungsangeboten zählen Gruppenangebote, Trainings und pädagogische Angebote im Stationsalltag. Diese gehören hauptsächlich zum Aufgabengebiet des PED. Zu den pädagogischen Angeboten im Stationsalltag gehört in dieser Erhebung das Bezugspersonensystem. Dieses erwähnen 9 von 10 Einrichtungen und nennen dabei einen strukturierten Tagesablauf, als Grundvoraussetzung für die Arbeit mit den Kindern und Jugendlichen und als zentrale milieutherapeutische Funktion.

Die Orientierung des Stationsangebots an einem normalen Alltag der Kinder und Jugendlichen nennen 42,2 Prozent. Nicht ersichtlich wird hier, ob die Struktur des Alltags mehr einem Dienstplan und der Ablauforganisation oder mehr alterstypischen Bedürfnissen entspricht z. B. Nachtruhe weil Schichtwechsel nicht weil alterstypische Schlafenszeit. Zu den Gruppenangeboten und Trainings zählen in absinkender Reihenfolge:

Entspannungstraining (53,9 Prozent); Soziales Kompetenztraining; Aufbau Bewältigungsstrategie für den Alltag (30,6 Prozent); Aufmerksamkeits-/Konzentrationstraining; Nachstationäres Training (19,9 Prozent);

Selbstsicherheitstraining, Selbständigkeitstraining, Elterntraining (12,1 Prozent). Da es sich hier nur um Nennungen handelt, sind Aussagen, dass Entspannungstraining häufiger angeboten wird als Soziales Kompetenztraining schwer einzuschätzen. Dagegen wird angenommen, dass das Elterntraining meist in der Familientherapie mit eingebunden wird und somit aus dem Zuständigkeitsbereich des PED herausgenommen ist. Auffallend ist weiterhin, dass lebenslagen- und lebensalterspezifisches Arbeiten in der Untersuchung nicht erwähnt wird obwohl diese als eine Grundlage pädagogischer Arbeit anzusehen ist.

Es ist anzunehmen, dass diese Aspekte in der Praxis eine hohe Berücksichtigung finden und in dieser Untersuchung nicht erwähnt werden.10

10Trutzel nimmt im Rahmen pädagogischer Angebote im Stationsalltag zwei weitere Aspekte auf; die Gestaltung

des Stationsmilieus und die daraus resultierenden Möglichkeiten für Kompetenztraining und Erfahrungslernen aus dem Ausprobieren von Verhaltensweisen. Hierbei handelt es sich um keine neuen Aspekte, sondern um eine

Aneinanderreihung von nicht näher bestimmten Begrifflichkeiten, wie bereits moniert. Siehe hierzu 6.2 Soziotherapie in diesem Kapitel.

1.2 Soziale Arbeit in der Kinder- und Jugendpsychiatrie

Die Untersuchung des Internets wurde mittels eines Online-Fragebogens ergänzt.

Gegenstand des Fragebogens waren Sichtweisen und Beurteilungen von Mitarbeitern der Einrichtungen hinsichtlich des pädagogischen Konzepts, ihres eigenen Stellenwerts und möglicher Entwicklungschancen. Hierzu wurden 787 E-Mail-Einladungen (meist an Klinikleitungen) versendet. Aufgrund der Nicht-Erreichbarkeit von Empfängern wurde von 500 korrekt zugestellten E-Mails ausgegangen. Hieraus resultieren 100 vollständige Fragebögen und 82 unvollständige. An der Umfrage beteiligten sich überwiegend Stationsleitungen, Ärzte/Fachärzte, Oberärzte und Pflegedienstleitungen. Heil-/Sonderpädagogen sowie Diplom-Pädagogen kamen auf 3 Prozent, da der Anteil dieser Berufsgruppen in Einrichtungen unterrepräsentiert ist. Sozialpädagogen waren immerhin mit 10 Prozent vertreten. Bei der Untersuchung per Fragebogen ist die niedrige Rücklaufquote, die allgemein als gering anzusehende Anzahl der ausgefüllten Fragebögen und die Zusammenfassung der unterschiedlichen Professionen ein Manko, da keine Repräsentativität gegeben ist oder keine Aussage getroffen werden kann, welche Berufsgruppe welche Aussagen trifft. Es lässt sich hieran erahnen, wie schwer der Zugang zum Feld für Untersuchungen herstellbar ist, und somit eine allgemeine Übersicht über pädagogische Arbeit in der Kinder- und Jugendpsychiatrie zu erfassen. Für einen ergänzenden Einblick werden die Aussagen zu den Thesen vorgestellt.

Der These I: „Psychiatrisch-therapeutisches Handeln und Pädagogik sind in der Kinder- und Jugendpsychiatrie eng miteinander verzahnt“ wurde mit fast dreiviertel Mehrheit zugestimmt. Eine befragte Person äußerte, dass dies in der Praxis nicht so sei. Es fehlt eine Erläuterung, was die fehlenden 25,8 Prozent nennen. Bei These II: „Alle Mitarbeiter auf der Station müssen Erziehungsaufgaben leisten“ ist interessant, dass fast 10 Prozent nicht zustimmten – hier wäre eine Verteilung der Antworten auf die unterschiedlichen Professionen erkenntnisreich gewesen. Anmerkungen der Probanden erfolgten über die Zuständigkeit der Erziehung oder das Infrage stellen einer therapeutischen Funktion auf der Station. Es macht den Anschein, dass Erziehung/Pädagogik nicht als selbstverständlich anzusehen ist.

Zufrieden mit der pädagogischen Arbeit auf der Station waren lediglich 45,06 Prozent, 7,15 Prozent waren unzufrieden und 8,79 Prozent konnten sich nicht entscheiden. Die anderen fast 40 Prozent können nicht nachvollzogen werden. Ähnlich verhielt es sich zu der Frage zur Qualität der pädagogischen Arbeit. Die geringe Zufriedenheit lässt vermuten, dass etwas fehlt, um eine höhere Zufriedenheit zu erhalten. Interessant erscheinen hierbei die genannten Mängel wie fehlende pädagogische Ausbildung

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pädagogischer Mitarbeiter, fehlende fachspezifische Fortbildung, fehlende Zeit, fehlendes (pädagogisches) Personal. Auffällig sind ebenfalls die angegebenen Mängel:

Fehlende pädagogische Strukturierung (auch durch zu viele Personen), fehlende Zusammenarbeit und uneinheitliche Konzepte, mangelnde Reflexion über Methoden, unzureichende pädagogische Fähigkeiten bei neueren Ärzten. Die Mängel weisen auf einen Bedarf an der Stärkung pädagogischer Themen sowie pädagogischer Konzeptualisierungen hin. Aussagen über Chancen durch pädagogisches Handeln für Mitarbeiter und Patienten wurden häufig gleichgesetzt. Es wurden mehrfach Wünsche geäußert, eine inadäquate Medizinalisierung abzubauen und pädagogische Handlungsausrichtungen zu stärken, auch gegenüber krankenpflegerischer Prägung.

Anhand weiterer Fragen wurde angegeben, dass lediglich 31,32 Prozent der antwortenden Mitarbeiter eine pädagogische Handlungskompetenz für wichtig halten. Die vorher genannte Wertung der engen Verzahnung kann daher nicht nachvollzogen werden.

Obwohl Trutzel (2011) einen umfangreichen Blick über die Darstellung von Pädagogik in der Kinder- und Jugendpsychiatrie bietet, ist eine anknüpfende genauere Tiefe der Befragung zur Umsetzung der Maßnahmen zu bemängeln. Die Untersuchung ist die einzige Bekannte zur Pädagogik in der Kinder- und Jugendpsychiatrie, eine exakte Darstellung und Einschätzung von pädagogischer Arbeit oder einem Verständnis in der Kinder- und Jugendpsychiatrie ist hierüber nicht möglich. Zusammenfassend lässt sich erkennen, dass Ergebnisse und Aussagen bislang nicht vergleichbar und somit uneindeutig sind.

1.2.7 Soziale Arbeit im Gegensatz zum medizinischen Arbeitsverständnis Bosshard (1996) und Ebert (1996) haben Unterschiede von Sozialen Arbeitern im Gegensatz zu Medizinern im psychiatrischen Bereich anhand von Befragungen herausgestellt. Ebert (1996) führt drei Problemkomplexe an: divergierende Problemzugänge, diskrepante Erwartungen und Umgang mit der eigenen Kompetenz.

Der ärztliche Problemzugang lässt sich als lineares Vorgehen in Form von Behandlungsschritten ausgehend von Diagnosen beschreiben, die komplexen Lebensumstände sind unbedeutend, es geht nur um die Krankheit. Es bestehen in der Sozialen Arbeit dagegen kaum Möglichkeiten, die Arbeitsabläufe zu standardisieren.

Soziale Arbeit ist ein offener Prozess, der umfassend Lebenszusammenhänge versucht einzubeziehen, welche ebenfalls verwirrende Bezüge beinhalten können. Der auf den