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Welche Aspekte beeinflussen das Erleben des Klinikaufenthalts und wie wirkt sich das Erleben auf die Einstellung zum Aufenthalt aus? - wirkt sich das Erleben auf die Einstellung zum Aufenthalt aus? -

2 Die Kinder- und Jugendpsychiatrie aus Sicht der Psychiatrie-Erfahrenen und Mitarbeiter

2.2 Die Psychiatrie aus Sicht der Psychiatrie-Erfahrenen

2.2.4 Darstellung der Ergebnisse

2.2.4.2 Welche Aspekte beeinflussen das Erleben des Klinikaufenthalts und wie wirkt sich das Erleben auf die Einstellung zum Aufenthalt aus? - wirkt sich das Erleben auf die Einstellung zum Aufenthalt aus? -

2. Auswertungsphase

Die in den Variablen vorgefundenen Ergebnisse zeigen Gemeinsamkeiten und Anregungen, wie das Erleben des Aufenthalts die Einstellung zum Aufenthalt selber und zur therapeutischen Behandlung beeinflusst. Bewusst wird sich auf diejenigen Aspekte konzentriert, die besonders aufschlussreich erscheinen. Die folgenden Aspekte sind ein gewonnener Erfahrungsschatz, der das Verständnis der Patientensituation in Form einer subjektiven Nachvollziehbarkeit ermöglicht, ohne dass dafür eine vollständige Analyse von Einzelfaktoren notwendig wäre. Ziel dieser Darstellung ist die Herausarbeitung vordergründiger (nicht) förderlicher Wirkfaktoren als Orientierungspunkte für eine pädagogische Konzeptualisierung des Aufenthalts. Die Zusammenfassung am Ende der Auswertung verweist auf einen gemeinsamen Erfahrungshorizont, der in der dritten Auswertungsphase näher untersucht wird.

Das Erleben der äußeren Gestaltung der Kinder- und Jugendpsychiatrie wirkt sich bereits auf die Grundstimmung der Patienten aus. So konnte gezeigt werden, je mehr Klinik erfahren wird, umso weniger fühlen sich die Patienten wohl. Die Atmosphäre, die durch die äußere Gestaltung aufgenommen wird, vermittelt Patienten bereits, ob sie Hilfe bekommen oder nicht. Vorteilhaft ist das Erleben von Übersichtlichkeit für eine schnelle und unkomplizierte Eingewöhnung, also ein schnelles Zurechtfinden.

Unübersichtlichkeit, z. B. durch die Größenordnung, erschwert eine Eingewöhnung und wird als weitere Herausforderung im Alltag hinzukommen. Das Gefühl von Wohnlichkeit wird als bedeutsam erachtet, da sich die Patienten für einen längeren Zeitraum weg von zu Hause einstellen und sich ein Stück weit heimisch fühlen möchten. Übersichtlichkeit des Personals durch Berufskleidung wird abgelehnt, da dies wiederum ein funktionales Gefühl auslöst. Das Erleben des Settings ist somit ein erster Indikator für die Patienten zur Wahrnehmung der Klinik. Je weniger funktional dieses erscheint, umso besser wirkt die Bereitschaft für ein Einlassen auf den Aufenthalt.

Allgemein wird ein tiefergehendes Bedürfnis an Informationen geäußert. Der Umgang mit Informationen und Transparenz wirkt sich wesentlich auf die Mitarbeit in der Klinik aus. Auswirkungen haben Informationen auf die Sinnhaftigkeit und Erklärbarkeit der Handlungen und Behandlungen sowie auf das Gefühl der Selbstwirksamkeit und der Anerkennung als Person. Das passive Erleben von Rückmeldungen und Informationen an andere Personen wie die Eltern ohne Einbeziehung der eigenen Person führt zu einem

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negativen Erlebnis. Ohne angemessene Rückmeldungen wird die Effizienz und die Ausrichtung der Behandlung infrage gestellt, da kein Ziel und somit kein Sinn vor Augen vorhanden ist. Erwähnt wurde ebenfalls eine Krankheitssymptomatik, die eine mangelnde Transparenz und Aufklärung nicht rechtfertigt. Das Erleben von der Einbeziehung der eigenen Person hat einen positiven Einfluss auf den Aufenthalt.

Der Grund des Aufenthalts hat eine große Bedeutung für die Patienten. Die Sicht auf die eigenen Probleme werden als vielschichtig und komplex angesehen. Erfolgt der Blick nur auf ein Problem der Krankheit, z. B. über eine Diagnose ohne Einbeziehung der von den Patienten wahrgenommenen vielschichtigen Lebenssituation, oder wird die eigene Problemsicht relativiert, führt dies zu Frustration darüber, dass an den Problemen vorbei gearbeitet wird oder dass die eigene wahrgenommene Situation keine Anerkennung findet. Dies scheint ein Gefühl von unterschiedlichen Zielen zwischen Institution und eigenen Zielen hervorzurufen und stört das Verständnis über die Behandlungsausrichtung. Vor allem die Zeit vor der Aufnahme wird als individuelle Geschichte verstanden, an die es anzuknüpfen gilt. Die Patienten haben die Hoffnung, dass sich etwas durch den Aufenthalt positiv verändert. Dies wird jedoch durch Nichtberücksichtigung der eigenen Problemwahrnehmung beeinträchtigt. Das Erleben von der ernsthaften Berücksichtigung der eigenen Problemsicht wirkt sich positiv auf die therapeutische Behandlungsbereitschaft aus.

Die Erwartungen sind ein wesentlicher Bestandteil des Aufenthalts. Die Kinder- und Jugendpsychiatrie sowie deren Verlauf sind den meisten Patienten im Vorfeld unbekannt.

Es gibt verschiedene Erwartungen. Wichtig sind die Erwartungen der Eltern, die an den Aufenthalt gestellt werden, und die Erwartungen der Patienten selbst. Werden die elterlichen Erwartungen nicht erfüllt, wird versucht den Aufenthalt zu beenden. Werden die Erwartungen der Patienten nicht erfüllt, z. B. Unterstützung durch den zu Aufenthalt erhalten, ist von einem innerlichen Rückzug in unterschiedlichen Formen (Provokation der Zwangsentlassung, Täuschung des Wohlbefindens) die Rede. Realistische Erwartungen im Vorfeld und während des Aufenthalts zu besprechen, scheint positiv für die Einstellung zum Aufenthalt zu sein.

Die Beziehung zu den Eltern/Personensorgeberechtigten spielt während des Aufenthalts eine immense Rolle und stellt die Weiterführung der Beziehungsgestaltung vor dem Klinikaufenthalt dar. So berichten die Psychiatrie-Erfahrenen positiv von der Unterstützung durch die Eltern/Personensorgeberechtigten und belastend von dem sozialen Druck durch die Erwartungen der Eltern an das Kind. Die Arbeit mit dem

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Elternhaus hat bei dem Aufenthalt unterschiedliche Dimensionen; neue Konflikte, die durch den Aufenthalt entstanden sind, wirken zusätzlich belastend, ebenso wie Schuldgefühle, da die Patienten sich und ihre Situation als Belastung für die Eltern ansehen. Positive Erfahrungen werden gemacht, wenn die Patienten den Zusammenhalt mit den Eltern spüren. Das Bedürfnis nach dem Besprechen von Problemen auf Augenhöhe zwischen den Eltern und dem Patienten mithilfe eines Vermittlers, der die verschiedenen Sichtweisen gleichwertig moderiert, wird positiv erwähnt. Das Erleben einer verbesserten Beziehung zu den Personensorgeberechtigten oder die erlebte Unterstützung wirkt sich positiv auf das Empfinden des Aufenthalts aus.

Die Beziehung zum Personal ist nach den Angaben die entscheidendste Dimension für den Aufenthaltsverlauf. Kann kein Kontakt hergestellt werden, fühlen sich die Patienten verloren. Patienten möchten sich als Menschen erfahren, mit denen eine vertrauensvolle Beziehung eingegangen wird. Patienten möchten nicht in eine funktionale Umgebung gelangen, die die Individualität einschränkt. Vertrauen heißt bereits, dass Zusagen eingehalten werden und ein ehrlicher Umgang erfolgt – der Beziehungsaufbau und die Vorarbeiten für ein Arbeitsbündnis beginnen beim ersten Kontakt. Funktional wird die Beziehung erlebt, wenn das Gefühl entsteht, alle Fragen beziehen sich auf den Ablauf oder auf einen Zweck in der Behandlung – Resultat: gefühlte Distanziertheit und Pseudogespräche. Bei einem guten Verhältnis wissen die Mitarbeiter, wie es dem Patienten geht, und erfahren die mehr über den Patienten. Wichtig scheinen das aufrichtige Zuhören zu sein und die angemessene Unterstützung bei Anliegen. Das Erleben der Beziehung zwischen Patient und Mitarbeiter ist ein maßgeblicher Aspekt für die Einstellung zum Aufenthalt und zur therapeutischen Behandlung, da eine gute Beziehung der Schlüssel für Offenheit und Vertrauen ist.

Die Handlungen der Patienten werden aus Patientensicht als Reaktion auf das Verhalten der Mitarbeiter bezogen. Dies stärkt die Gründe für die Betrachtung des Aufenthalts anhand von Interaktionen zwischen Menschen, des Verständnisses der Mitarbeiterrolle und des Gruppenprozesses. Wichtig im Umgang sind Reaktionen auf Anliegen und Äußerungen von Patienten. Vor allem 'Motivierung zum Soll' und sich das 'verarscht fühlen' sind hochsensible Aspekte im Umgang. Auf der anderen Seite stehen die bewusste Steuerung der Behandlung durch sozial erwünschte Antworten und die Anpassung, die ein Mitmachen vortäuscht (bzw. Widerstand vermeidet). Anpassung, im Sinne davon, sich zu verstellen und eigene Bedürfnisse zurückzustellen, verursacht innerlich gefühlte Schädigungen. In diesem Zusammenhang spielt Macht eine bedeutsame Rolle. Macht

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wird hierbei verstanden als eine Entscheidungsposition (Bewilligung/Ablehnung von Bedürfnissen) und ein Einflussnehmer auf den Aufenthaltsverlauf. Gegenseitig aufeinander bezogene Interaktionen bestimmen das Erleben zwischen den Personen. Sie haben wesentlich Einfluss auf die Einstellung zum Aufenthalt und zur therapeutischen Behandlung. Das Verstehen dieser trägt maßgeblich zur Aufenthaltsgestaltung bei.

Der Schule wird unter den Patienten eine sehr hohe Wichtigkeit zugesprochen. Die Erfahrungen aus der Regelschule z. B. Reaktionen auf Verhaltensauffälligkeiten und Anschluss an einen Freundeskreis sowie die Leistungserwartung und -beurteilung sind für die Patienten enorm bedeutsam. Die Klinikschule wird dagegen eher als angenehme Erfahrung wahrgenommen. Vor allem werden die Lehrer als individuelle Unterstützung verstanden, nicht als Leistungsforderer in einem Gruppenverband. Die Schulsituation ist sehr individuell und erscheint in den Interviews nicht als Aufgabe der Kinder- und Jugendpsychiatrie. Jedoch sind dies bedeutsame Erfahrungen, die den häufig schlechten Erfahrungen zur Schulrealität positiv entgegensetzen und somit im Erleben positiv zur Aufenthaltseinstellung stehen.

Strukturen und Regeln werden von den Interviewten als sinnvoll erachtet, da diese einen geregelten Ablauf und Sicherheit bieten. Ebenfalls wird die Beschäftigung mit den Patienten als positiv angesehen. Der Sinn hinter Strukturen und Regeln wird infrage gestellt, wenn es um die Angemessenheit der Regeln z. B. aufgrund des Alters geht, diese als zu einengend empfunden werden oder der Sinn nicht verstanden wird. Als missachtend werden Floskeln empfunden, die keine Erklärung bieten (z. B. 'das machen wir halt so') oder wenn keine Alternativen angeboten werden. Regeln können als Angstmachend empfunden werden, wenn jemand noch nicht so weit ist, diese einhalten zu können. Die Durchsetzung und Ablehnung von Strukturen und Regeln sind konfliktbehaftet und können das Erleben des Aufenthalts beeinflussen. Vonseiten der Psychiatrie-Erfahrenen wird eine Ausrichtung an den alters- und störungstypischen Bedürfnissen gewünscht. Die Regeln und Strukturen sollten keine zusätzliche Belastung für die Patienten sein. Das Erleben von Regeln und deren Durchsetzung ist wesentlich für die Einstellung zum Aufenthalt, da diese als Orientierungshilfe und ein Miteinander ermöglichen sollen und nicht als erdrückend oder als zusätzliche Belastung zur eigentlichen Lebenssituation.

Eine Diagnose wird als hilfreich für die Erklärung einer Störung und als Entlastung angesehen, da es für das Problem einen Namen gibt. Eine methodische Einordnung der Behandlung nach der Diagnose wird abgelehnt, da ansonsten die individuellen Aspekte

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nicht ausreichend berücksichtigt werden. Die Beschränkung der Einschätzung von Fähigkeiten auf Testergebnisse wird als unzureichend erachtet. Die Behandlung soll die Stärken herausstellen und fördern sowie eine realistische Einschätzung geben. Der Aufenthalt kann Selbstzweifel auslösen und die Identität verunsichern (nicht mehr als Person gefühlt, und fühlte sich auf dem Wege sich selber zu verlieren) – unterstützende auf die Stärken konzentrierte Behandlungen und das Lernen für einen Umgang mit den Problemen wird positiv erlebt. Die Versteifung auf Krankheitsbilder und Tests wirkt sich negativ auf das Erleben aus, da die Patienten sich somit nicht als Person mit ihren individuellen Anteilen angenommen fühlen und auf die Bereitschaft zur Behandlungseinstellung – Gefühl, es wird am Problem vorbei gearbeitet.

In den Mitpatienten spiegeln sich die Patienten selber. Das Unverständnis für andere Störungen und die Unwissenheit über die Gründe des Aufenthalts verstärkt die Befassung mit der eigenen Person. In Abgrenzung stellen sich die Patienten als nicht so verrückt dar oder fragen sich, wie 'verrückt' man nun selber ist. Der Austausch über die eigene Störung wird als hilfreich empfunden, ebenso wie gemeinsame Erlebnisse mit Mitpatienten. Es bleibt eher der Bezug zu Patienten mit gleichen Problemlagen oder gleichen Lebenssituationen (Alter, Geschlecht). Es wird ebenfalls der 'Faktor' Mitpatienten als Beschäftigung erwähnt. Vorrangig ist der Wunsch, auf seine eigenen Probleme fokussiert zu bleiben. Besondere Freundschaften entstehen nicht in der Kinder- und Jugendpsychiatrie. Die Gruppendynamik ist jedoch wiederum wichtig, da erwähnt wird, dass bereits ein einziger Mitpatient die Gruppe und deren Funktion sprengen kann. Die Mitpatienten sollen zumindest als nicht belastend erlebt werden. Wichtig sind Rückzugsmöglichkeiten vor anderen Patienten und vor Mitarbeitern, um Gefühle rauslassen zu können, Ruhe zu haben oder Gedanken zu sortieren. Das Erleben der Mitpatienten hat eher einen geringen Einfluss auf das Behandlungserleben, da die Interviewten auf ihre eigenen Problemlagen bezogen waren und der Kontakt eher zu Mitpatienten mit gleichen Problemlagen gesucht wurde.

Die genannten Aspekte lassen sich einzeln nennen und in ihrer Wirkung einzeln beschreiben. In den Interviews zeigte sich jedoch, dass das Erleben der Psychiatrie-Erfahrenen von den Aspekten als ganzheitlich wahrgenommen wird. Das Erleben ist komplex; gute Erlebnisse und Erfahrungen können nicht addiert und mit schlechten Erlebnissen und Erfahrungen subtrahiert werden, um zu einem Ergebnis über den Aufenthalt zu kommen. Vielmehr scheint es so, dass schlechte Erfahrungen und Erlebnisse einen größeren Einfluss haben, vor allem durch die verletzliche Phase,

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Umgebung bzw. Situation der Patienten. Gute Erlebnisse und Erfahrungen werden meist als selbstverständlich angesehen, wie das authentische Fragen nach dem Befinden ohne klinische Hintergründe. Die Kinder- und Jugendpsychiatrie soll laut einem Interviewpartner ein Wohlfühlort sein. Diesen Anspruch kann sie aufgrund der Funktion als Krankenhaus zur Heilung von psychiatrischen Störungen nicht erfüllen. In dem weiteren Auswertungsschritt werden die angeführten Aspekte auf ihre ganzheitliche Bedeutung hinterfragt, um Wirkfaktoren zu diskutieren.

2.2.4.3 Welche Wirkfaktoren des Aufenthalts lassen sich aus den Aussagen der