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Gemein ist dabei sowohl den wissenschaftlichen als auch den politischen Abhandlun-gen über Biodiversität, dass sie sich zumeist - implizit oder explizit - an der theoretisch-praktischen Aufgaben- und Zielstellung ausrichten, die Biodiversität sowohl zu bewah-ren als auch zu befördern. Eben diese übergreifende Aufgaben- und Zielstellung ist seit der Verabschiedung der »Internationalen Biodiversitätskonvention« (»Convention on Biological Diversity«, CBD) mit den drei integrativen4 Zielstellungen des möglichst um-fassenden Schutzes, der möglichst nachhaltigen Nutzung sowie der möglichst gerech-ten Verteilung der genetischen und ökosystemaren Vielfalt sowie der Argerech-tenvielfalt ver-bunden (UN 1992: Art. 1).5 Sowohl politische als auch wissenschaftliche Beschäftigun-gen mit der Biodiversität haben daher die, die Biodiversitätszieltrias als Ganzes umfas-sende, Bewahrung und Förderung der Biodiversität zum Ziel.6 Gemäß dieser Zielstell-ung wird die Arbeit auf das Leitbild der Bewahrung und Förderung der Biodiversität ausgerichtet, die als eine eigenständige, spezifische Aufgabenstellung des politischen und wissenschaftlichen Umwelt- und Naturschutzes verstanden wird, deren besondere Herausforderung vor allem darin besteht, Schutz-, Nutzungs- und Verteilungsaspekte gleichermaßen zu berücksichtigen:

4 Das, was hierbei mit integrativ gemeint ist, kann und wird unterschiedlich ausgelegt (Theobald 1998:

7–8): Aus der naturwissenschaftlichen Perspektive meint integrativ zumeist „medienübergreifend“

(ebd., 7), sprich Gene, Arten und Ökosysteme umfassend, womit die Gegenstände der Bewertung er-fasst werden – „die zu bewertende Wirklichkeit (Umwelt), aufgeer-fasst als ökosystemares Modell.“

(ebd.) Was die Wertesysteme angeht, wird integrativ aus der Perspektive der PhilosophInnen, Sozio-logInnen, der TheologInnen und/oder ÖkonomInnen auch als Aggregierung oder Synthetisierung ver-schiedener (bspw. ethischer, rechtlicher, ökonomischer, äs-thetischer, sozialer, kultureller, religiöser) Bewertungsaspekte verstanden (ebd.). Für die Erreichbarkeit integrativer Zielstellungen ist es dabei wichtig und unverzichtbar, dass Bewertungs- und Begründungsmaßstäbe auf der jeweiligen Ebene loalisiert werden (ebd. 12) und dass hierbei die Frage gestellt und beantwortet wird, wer etwas in Hinblick auf welches Ziel unter Verwendung welcher Kriterien bewertet. In einem dritten Sinne er-scheint integrativ im Kontext der Politik und Politikwissenschaft, wenn von einer sektorübergreifen-den Integration die Rede ist. Hier geht es darum die Querschnittsthematik in allen relevanten Poli-tikbereichen zu etablieren und die Kooperation und Zusam-menarbeit zwischen den politischen Ressorts auszubauen (Töller & Böcher 2012:96). Alle drei Varianten von ´integrativ` sind im Laufe der Arbeit relevant.

5 Auf die drei Biodiversitätszielstellungen wird an späterer Stelle noch einmal ausführlicher eingegan-gen (siehe 2.2.1).

6 Es gibt derzeit keinen einheitlichen Sprachgebrauchzur Bezeichnung der Biodiversitätszieltrias. Über-geordnet ist zumeist von Erhaltung die Rede, wobei damit mal alle drei Zielstellungen, sprich Schutz, Nutzung und Verteilung gleichermaßen, mal Schutz und Nutzung in Kombination und mal nur Schutz gemeint sind. In dieser Arbeit wird terminologisch einheitlich von Bewahrung und Förderung ge-sprochen, wenn alle drei Zielstellungen gleichermaßen gemeint sind. Die Bezeichnung Erhaltung soll demgegenüber nur für die Kombination aus Schutz- und Nutzungsziel gebraucht werden.

Der Terminus der Bewahrung ist im Kontext des sogenannten ökosystemaren Ansatzes zu verstehen: Der ökosystemare Ansatz ist ein System von Prinzipien und Manage-mentregeln im Umgang mit Umwelt und Natur,7 über den im Kern die Ansicht zum Ausdruck gebracht wird, dass die Biodiversität nur dann erfolgreich bewahrt und ge-fördert werden kann, wenn man die Wechselwirkungen von Menschen mit und in den Ökosystemen betrachtet (Stadler 2007:177). Aus diesem Ansatz heraus ergeben sich bestimmte Annahmen und Konsequenzen, zu denen u.a. die Integration von Umwelt- und Naturschutzanliegen unter dem Dach der Bewahrung und Förderung der Biodiver-sität zählt. Hierbei ist wichtig, dass der Schutz, vor allem der belebten Natur, als die zentrale Aufgabenstellung des Naturschutzes, die nachhaltige Nutzung der Umweltme-dien Wasser, Boden und Luft hingegen als zentrale Aufgabenstellung des Umwelt-schutzes angesehen wird. Dies ist relevant, da sich Handlungen zum Schutz der Umwelt bereits begrifflich auf die Umwelt des Menschen und die Nutzungsinteressen des Men-schen an der Natur als Ressource für das menschliche Wohlergehen beziehen, so dass hierbei vor allem die Bedürfnisse des Menschen im Vordergrund stehen. Bei Hand-lungen zum Schutz der (belebten) Natur steht indes die Natur bzw. die menschlichen Verständnisse von Natur im Vordergrund, die sich nicht per se als Umwelt des Men-schen verstehen lassen müssen. Vielmehr kann Natur, bspw. als Gegenbegriff zu Kul-tur, auch das nicht vom Menschen Gemachte und Geschaffene bedeuten, so dass beim Naturschutz - erst einmal nur rein begrifflich betrachtet - von Bedürfnissen und Nutz-ungsinteressen des Menschen abstrahiert werden kann. Daher stellen sich im Kontext des Naturschutzes immer auch die Fragen, ob und inwieweit Menschen die Natur auch jenseits von menschlichen Interessen an ihr schützen können und sollten.

Die Thematisierung der Bewahrung bzw. Erhaltung der Biodiversität reicht indes noch nicht aus, denn Leitbilder beinhalten immer auch ´proaktive` Momente, bei denen es darum geht, die bestehenden Verhältnisse so zu verändern, dass diese sich dem Ideal annähern. Wie wichtig dabei die Perspektive auf gesellschaftspolitische Veränderungs-prozesse ist, wird vor allem in solchen Fällen ersichtlich, wo bspw. Schutz- und (nach-haltige) Nutzungsbemühungen nicht automatisch positiv zusammenwirken und zur Er-haltung der Biodiversität beitragen (können). Da die nachhaltige Nutzung eine be-stimmte Form der Nutzung ist, die es anzustreben gilt, die aber bei weitem kein

7 Zu diesen Prinzipien gehören, dass die Managementziele gesellschaftlichen Entscheidungen obliegen sollen (Deliberationsprinzip), dass die Gestaltung des Managements möglichst dezentral sein sollte (Subsidiaritätsprinzip), dass bei der Ausgestaltung die aktuellen und potenziellen Folgen und Neben-folgen beachtet werden sollen (Umsichtigkeitsprinzip), dass der Schutz der Strukturen und Funktio-nen des Ökosystems ein Hauptziel darstellen sollte (prioritärer Schutz von Ökosystemleistungen), dass die Zielsetzungen für das Management langfristig ausgelegt und ausgerichtet sein sollten (Prin-zip der Zukunftsverantwortung), dass Veränderungen in Ökosystemen unvermeidbar sind (Prin(Prin-zip des Wandels), dass einschlägige Informationen jeglicher Art in der Praxis Berücksichtigung finden sollen (Prinzip der Praxistauglichkeit) und dass alle einschlägigen Bereiche der Gesellschaft und der Wissenschaft einbezogen werden sollen (Integrationsprinzip) (Sekretariat der CBD 2000:Abschnitt 6).

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ungsstandard ist, können Schutzbemühungen und Nutzungsformen immer nur unter günstigen Umständen bei der Erhaltung der Biodiversität zusammenwirken. Daher muss, vor dem Hintergrund der weiterhin andauernden und stellenweise auch stetig steigenden Vernichtung der Biodiversität, immer auch die gesellschaftspolitische Aus-gestaltung und gesetzliche Regelung der Umwelt- und Naturschutzanliegen themati-siert werden. Diese Thematisierung kann wiederum auf unterschiedlichen Abstrak-tionsebenen geschehen: Die niedrigste Abstraktionsebene ergibt sich über die Betrach-tung konkreter Fälle, Situationen und Konflikte, die wiederum einen konkreten, fallspe-zifischen Problemlösungsansatz erfordern. Auf der mittleren Abstraktionsebene geht es um konkrete Instrumente, Maßnahmen, Verfahren und Prozesse, die hinsichtlich ihrer Tauglichkeit und Zweckmäßigkeit zur Lösung allgemeiner und fallspezifischer Proble-matiken untersucht werden. Auf der höchsten Abstraktionsebene geht es wiederum um die Rolle politischer, ökonomischer und sozialer Problematiken sowie um dazu pas-sende Problemlösungsmechanismen und -ressourcen, bei der, bspw. die Rolle des Poli-tischen im weitesten Sinne und die Funktion politischer Institutionen und des Staates im engeren Sinne im Vordergrund stehen. Die zentrale Frage, die sich auf dieser Ebene stellt, lautet, welche Art und Weise der Umsetzung der Bewahrung und Förderung der Biodiversität politisch-strategisch angestrebt wird und werden sollte. Dazu bedarf es einer Gesamtstrategie zur Koordination und Umsetzung der damit verbundenen Ziele und Maßnahmen. Eben diese politikstrategischen Aspekte sollen hier über den Ter-minus der Förderung erfasst werden.

Um diesen Gesamtzusammenhang zu erschließen, kann bereits auf zahlreiche Arbeiten zurückgegriffen werden, die aus unterschiedlichen Perspektiven zentrale Erkenntnisse auf Biodiversität sowie deren Bewahrung und Förderung generieren. Der Großteil der bisherigen wissenschaftlichen Arbeiten zur Biodiversität ist dabei fachwissenschaftlich ausgerichtet, so dass es bisher nur sporadisch um die Beleuchtung der wechselseitigen Einflüsse von biowissenschaftlichen Erkenntnissen, normativen Werte- und Moralvor-stellungen im Umgang mit der Biodiversität sowie politisch-strategischen Fragen der Umsetzung der Biodiversitäzsziele und -maßnahmen ging. Des Weiteren sind nur we-nige dieser Arbeiten auch um die Herausstellung praktischer Desiderate bemüht, die mit der Bewahrung und Förderung der Biodiversität einhergehen. Vor diesen Hinter-gründen ist es der Anspruch und die Zielstellung dieser Arbeit, eine interdisziplinäre und zugleich, mit Blick auf die Hindernisse und Potenziale bezüglich der Bewahrung und Förderung der Biodiversität, problem- und lösungsorientierte Arbeit vorzulegen:

Das Modell von Interdisziplinarität, das hierbei zur Anwendung kommt, richtet sich an der interdisziplinären Bearbeitung disziplinenübergreifender Problemfelder aus, wie sie durch Heinrich Parthey am Modell der persönlichen Interdisziplinarität dargelegt worden ist (vgl. Parthey 1999). Parthey hinterfragt dabei die gängige Annahme, dass

Interdisziplinarität erst durch die Zusammenarbeit von VertreterInnen verschiedener Disziplinen beginnt (Bobach 1999:119), indem er anmerkt, dass „Interdisziplinarität im Denken von Wissenschaftlern mit Problemen und Methoden (…) dann beginnt, wenn Neues zu erfahren mit dem Risiko verbunden ist, die disziplinäre Forschungssituation zu verlassen.“ (Parthey 1999: 244) Parthey zur Folge ist folglich die persönliche Bereit-schaft Probleme disziplinenübergreifend anzugehen und vor dem Hintergrund unter-schiedlicher disziplinärer Ansätze zu reflektieren das entscheidende Kriterium für Inter-disziplinarität. Interdisziplinarität ist somit eine spezielle Reflexionsmethodik, bei der wiederum entscheidend ist, dass es verschiedene Ebenen der Reflexion gibt und dass sich Reflexion als Methodik gerade dadurch auszeichnet, dass diese unterschiedlichen Reflexionsebenen auch unterschiedliche Ansätze nach sich ziehen und verschiedene theoretische Fertigkeiten verlangen:

Die Reflexion als Selbstbeobachtung (Reflexion erster Ordnung) bedeutet, dass die Be-wahrung und Förderung der Biodiversität, die ja bereits als Lösungsstrategie für das praktische Problem der Vernichtung der Biodiversität angedacht ist, selbst als theore-tisch-praktischer Problemzusammenhang begriffen und rekonstruiert werden muss.

Allgemeiner ausgedrückt: Es wird davon ausgegangen, dass Problem- und Lösungszu-sammenhänge nicht einfach vorhanden sind, sondern diese werden als „Interpreta-tionskonstrukte“ verstanden (Lenk 1993:606–608). Das bedeutet, dass Probleme je nach Perspektive unter anderen Gesichtspunkten interpretiert werden und damit nicht nicht wertneutral beschrieben werden können, weil sie erst unter bestimmten Werte-standards überhaupt als Probleme erkannt werden und dass Probleme eine substan-zielle Herausforderung an das Handeln darstellen, weil die betreffenden Schwierigkei-ten gezielt in wünschenswerter Weise verändert werden sollen (Kettner 2014:27–29).

In diesem Sinne dreht sich jeder Problemzusammenhang, allgemein betrachtet, um die Frage, wie man von einem gegebenen Ausgangszustand (dem Ist-Zustand) zu einem er-strebten Zustand (dem Sollzustand) gelangen kann (Deppert 1998:36).

Sobald etwas als Problem oder auch als Lösung festgestellt wird, stellt sich die Frage, warum die, für die Feststellung verwandten Ansätze die richtigen bzw. adäquaten sein sollten. Die Reflexion erster Ordnung zieht daher ein reflexives Begründungsverfahren (Reflexion zweiter Ordnung) nach sich (Ricken 2003:15). Ein solches Begründungsver-fahren ist dabei bereits kommunikativ verankert, da dieses „nicht mehr eine Sache des Erkenntnissubjekts [ist], das sich objektivierend auf sich selbst bezieht.“ (Habermas 1985:375) Wer etwas begründet, begibt sich in einen argumentativen Diskurs mit an-deren, in dem es entweder um die Wahrheit von Tatsachenbehauptungen oder um die Richtigkeit von normativen Aussagen als Wertaussagen oder als vorschreibende (präs-kriptive) Aussagen geht. Die Wahrheit bzw. die Richtigkeit von Aussagen erweist sich indes immer erst über eine intersubjektive, d.h. von allen Teilnehmern einer

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schaft anerkannte Begründung, wobei Begründungen selbst immer nur insoweit als le-gitime Ausweisungen für die Wahrheit und Richtigkeit von Aussagen, Argumenten und Urteilen angesehen werden können, wie zugleich davon ausgegangen werden kann, dass es intersubjektiv geteilte Urteilspraxen gibt (Kannetzky 1999:227).

Dies wiederum zeigt, dass auch die Reflexion zweiter Ordnung ein weiteres Mal auf der Ebene sprachlich-semantischer Reflexion (Reflexion dritter Ordnung) reflektiert werden kann und ggf. sogar muss, wenn in Frage steht, ob Aussagen überhaupt als wahr oder richtig begründet werden können (Ricken 2003:15).8 Auf dieser Reflektionsebene geht es darum, welche Bedeutungen die Begriffe Wahrheit und Richtigkeit haben und wel-che Grundannahmen hierbei zugrunde liegen.

Die Beachtung dieser drei Reflexionsebenen führt dazu, dass ausgehend von der Be-stimmung der Zieltrias in der »Internationalen Biodiversitätskonvention« und darauf aufbauend den Spezifizierungen dieser Zielstellungen in der »Nationalen Strategie zur Biologischen Vielfalt« eine Reihe von Grundlagen- und Detailreflexionen vorlegt wird.9 Die Reflexionsebene erster Ordnung wird hierbei als Grundlagenreflexion und die Re-flexionsebenen zweiter (und ggf. auch dritter Ordnung) als Detailreflexion bezeichnet.

Grundlegend wird hierbei von der Annahme ausgegangen, dass die Ziele und Maß-nahmen zur Bewahrung und Förderung der Biodiversität durch eine ganze Reihe von Problemen zu einer praktisch-theoretischen Herausforderung sowohl für die Wissen-schaft als auch für die Praxis werden. Diese Problematiken, die es zu analysieren gilt, stehen dem Ziel entgegen, zu einer Praxis gelingender gesellschaftlicher Naturverhält-nisse zu gelangen. Wenn diese Probleme indes detailliert dargelegt und dafür kon-struktive Lösungsmöglichkeiten aufgezeigt und erarbeitet werden, dann besteht die Möglichkeit, dem Ideal einer gelingenden Praxis zumindest entgegenzukommen. In diesem Sinne geht es in dieser Arbeit darum, einen konstruktiven Beitrag dazu zu leis-ten, das Leitbild der Bewahrung und Förderung der Biodiversität zu bekräftigen und zu bestärken, indem aufgezeigt werden soll, dass es bei weitem nicht nur darum geht, dem vordergründigen Problem der Vernichtung der Biodiversität Herr zu werden, sondern dass man es bei der Bewahrung und Förderung der Biodiversität mit einer Reihe an untereinander verbundener Metaproblematiken zu tun hat:

„Die Menschheit hat nicht nur ein Biodiversitätsproblem - sie hat offensichtlich auch ein Problem mit dem Biodiversitätsproblem. (…) Solange sich die

8 Wenn hier gesagt wird, dass die Bedeutungsanalyse eine notwendige Bedingung für die Einlösung der Begründungsanforderung ist, dann bleibt dabei offen, ob sie auch hinreichend ist.

9 Da sich die Arbeit oft auf die NBS beziehen wird, haben die Reflexionen einen spezifisch deuschen Kontext, obwohl speziell die allgemeinen theoretischen Überlegungen, die anhand der NBS lediglich konkretisiert und veranschaulicht werden sowie die daran anschließenden Lösungsansätze sicherlich auch auf andere Länder übertragbar sein dürften. Dies ist indes nicht die Zielstellung der Arbeit und daher lediglich als Nebenprodukt, denn als explizites Desiderat der Arbeit anzusehen.

schaft nicht einigen kann, was Biodiversität ist, welchen gesellschaftlichen Wert sie darstellt und welche Maßnahmen zur Erhaltung der Biodiversität notwendig sind, solange fehlt auch die Grundlage für eine rationale Biodiversitätspolitik.“

(Hoffmann, Hoffmann & Weimann 2005:20; SL)

In Bezug auf die Zielstellung eine problem- und lösungsorientierte Arbeit vorzulegen, geht es daher darum, die der Bewahrung und Förderung der Biodiversität ´im Wege stehenden` Problematiken in Bezug auf das Verständnis, den Wert und die Umsetzung der Biodiversität erst einmal zu identifizieren und als Probleme auszuweisen und da-raufhin nachvollziehbare und praktisch relevante Lösungen aufzuzeigen. Daher soll in der Grundlagenreflexion (Abschnitt II) geklärt werden, welche Problematiken sich bei der Beschäftigung mit der Biodiversität und ihrer Bewahrung und Förderung ergeben und in den, sich daran anschließenden Detailreflexionen (Abschnitte III, IV und V) wird dann wiederum auf ganz bestimmte, sich aus der Grundlagenreflexion ergebende, De-tailproblematiken eingegangen (zur Darlegung dieser spezifischen Problematiken siehe 2.4.1; 2.4.2 und 2.4.3).

Die Erkundung der Metaproblematiken mit dem Biodiversitätsproblem ist bereits in gewisse Kontexte eingebettet. Wenn es also darum gehen soll, zu erkunden, was Bio-diversität ist, welcher gesellschaftliche Wert ihr zukommt und wie die Bewahrung und Förderung der Biodiversität umgesetzt werden kann und soll, dann generieren diese drei Fragstellungen bereits gewisse Präliminarien (Setzungen), die grundlegend und damit richtungsweisend für die gesamte Arbeit sind und die im Folgenden ausgeführt werden sollen.

1.2 Präliminarien

Die Präliminarien der Arbeit werden im Folgenden dargelegt, so dass danach der Auf-bau und Fortgang der Arbeit expliziert (1.3) und anschließend mit der Grundlagenre-flexion (Abschnitt II) begonnen werden kann. Im Fall dieser Arbeit sind dies:

 die wissenschaftlichen Kontexte um das Konzept der gesellschaftlichen Naturverhältnisse zur Beantwortung der Frage, was Biodiversität ist (1.2.1),

 der wissenschaftliche Kontext einer auf Anwendungsorientierung ausgerichteten Umwelt- und Naturschutzethik zur Beantwortung der Frage, welchen

gesellschaftlichen Wert die Biodiversität hat (1.2.2) sowie

 der wissenschaftliche Kontext um eine »Good Biodiversity Governance« zur Beantwortung der Frage, wie die Bewahrung und Förderung der Biodiversität realisiert werden kann und soll (1.2.3).

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1.2.1 Das Konzept der gesellschaftlichen Naturverhältnisse zum Verständnis der Biodiversität

Das Konzept der gesellschaftlichen Naturverhältnisse (vgl. insb. Görg 1999d; Becker

& Jahn 2003; Brand & Görg 2003; Görg 2003; Becker & Jahn 2006; Becker, Hummel

& Jahn 2011) geht auf die ältere kritische Theorie und hier insbesondere die Arbeiten von Max Horkheimer und Theodor Adorno zurück (vgl. Görg 2003:14). Bereits hier wird die Untersuchung der Entwicklung der Naturverhältnisse zu einer zentralen Aufgabe der Gesellschaftswissenschaften erklärt, bei der die Wechselwirkungen und Vermitt-lungen zwischen Natur und Gesellschaft sowie die wechselnden Konstellationen von Individuum, Gesellschaft und Natur zentral sind (ebd., 27–28).10 In der Umweltdebatte wurde der Begriff seit den 1980er Jahren vor allem von der Forschungsgruppe »Soziale Ökologie« eingebracht, die als praxisbezogene Forschung zum einen nach Lösungen für gesellschaftliche Probleme sucht, während sie als theorethische Wissenschaft zum an-deren das methodisch erzeugte Wissen begrifflich zu ordnen versucht (Becker & Jahn 2006:7). Insofern geht es ihr auf beiden Ebenen um die inter- bzw. transdisziplinäre Auslotung der in sich vielschichtigen und zudem wechselseitigen Beziehungsstrukturen zwischen individuellen Lebensformen, sozialen Handlungsstrukturen und ökologischen Zusammenhängen (ebd., 70–85), so dass es beim Begriff der gesellschaftlichen Natur-verhältnisse um die gesellschaftstheoretische Erschließung der ökologischen Problema-tik (Görg 2003:14–15) sowie um die Auslotung der damit verbundenen Problembe-reiche (Reproduktions-, Risiko-, Abgrenzungs- und Normativitätsprobleme) geht (ebd., 15–22). Nach Görg wirft die Gestaltung der gesellschaftlichen Naturverhältnisse zum einen die Reproduktionsproblematik auf, sprich die materialen Probleme des ´Stoff-wechsels` mit der Natur sowie den Disput um den Zugang zu Natur. Des Weiteren stellt sich die Risikoproblematik, worunter der Umgang mit Unsicherheiten und Nichtwissen fällt, die wiederum in engem Zusammenhang mit der Abgrenzungsproblematik steht, sprich, dass wissenschaftliche Beschreibungsmuster, durch die wiederum in Frage ste-henden Grenzziehungen von Umwelt und Gesellschaft, Natur und Technik sowie Men-sch und Natur verMen-schwimmen. Alle drei Problematiken werden wiederum von der Nor-mativitätsproblematik überlagert, bei der es um die Beurteilungsmaßstäbe bezüglich des richtigen Umgangs mit der Natur geht.

In Bezug auf alle vier Problematiken muss im Besonderen betont werden, dass sich das Konzept der gesellschaftlichen Naturverhältnisse von vornherein gegen ein Naturver-ständnis sperrt, das nur die Natur als für sich seiende Einheit und nicht von vornherein das menschlich-gesellschaftliche Verhältnis zur Natur meint. Demnach kann weder

10 Das Konzept der gesellschaftlichen Naturverhältnisse ist, wie an dieser Charakterisierung bereits er-sichtlich wird, sehr viel umfassender als es hier dargelegt werden kann. Daher werden nur die für die Arbeit relevanten theoretischen Bezüge dargelegt. Expliziert werden diese Bezüge dann an verschie-denen Stellen in der Arbeit.

sellschaft unabhängig von Natur thematisiert werden, da „der soziale Prozess konstitu-tiv mit Natur vermittelt ist“, noch zielt der geschichtliche Prozess auf „eine immer um-fassendere Kontrolle der Natur.“ (Brand & Görg 2003:17) Gesellschaft kann also den Abhängigkeiten im Verhältnis zur Natur nicht entkommen, weil der gesellschaftliche Prozess auf den ´Stoffwechsel` mit der Natur angewiesen ist. So wird darauf verwiesen, dass der Prozess der Moderne auf einem Anwachsen der ´Naturbeherrschung` beruht.

Diese führte aber nicht zu einer wachsenden Kontrolle, sondern zeigt sich vielmehr an der Zerstörung der Natur und in einer immer größer werdenden Abhängigkeit von den Folge- und Nebenwirkungen der Versuche der Beherrschung der Natur, die keine voll-ständige Beherrschbarkeit ist. Aber auch die Natur ist gesellschaftlich ´überformt` und das nicht nur in der Hinsicht, dass es spätestens seit Beginn des 21. Jhd. keine vom Menschen ´unberührte` Natur mehr gibt. Vielmehr muss die gesellschaftliche Überfor-mung der Natur dahingehend verstanden werden, dass das Verständnis davon was Na-tur ist, kulNa-turell, situativ und historisch kontingent ist, so dass es die NaNa-tur als Singular

Diese führte aber nicht zu einer wachsenden Kontrolle, sondern zeigt sich vielmehr an der Zerstörung der Natur und in einer immer größer werdenden Abhängigkeit von den Folge- und Nebenwirkungen der Versuche der Beherrschung der Natur, die keine voll-ständige Beherrschbarkeit ist. Aber auch die Natur ist gesellschaftlich ´überformt` und das nicht nur in der Hinsicht, dass es spätestens seit Beginn des 21. Jhd. keine vom Menschen ´unberührte` Natur mehr gibt. Vielmehr muss die gesellschaftliche Überfor-mung der Natur dahingehend verstanden werden, dass das Verständnis davon was Na-tur ist, kulNa-turell, situativ und historisch kontingent ist, so dass es die NaNa-tur als Singular