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POLITISCHEN E BENE

3.4 Fazit und Überleitung zum nächsten Kapitel

Ziel der wissenschaftstheoretischen Reflexion auf den Forschungsgegenstand der Bio-diversität war es, einen konstruktiven Zugang zu dem in der Problemselektion aufge-zeigten methodologischen Kurzschluss der Gleichsetzung von Forschungsobjekt und Forschungskonzept aufzuzeigen, weil darüber die Rede von der Biodiversität, der Biodi-versitätskrise aber auch der Bewahrung und Förderung der Biodiversität ganz automa-tisch und ganz systemaautoma-tisch die Tendenz mit sich führt, dass es zur Begehung von natu-ralistischen und Sein-Sollen Fehlschlüssen kommt. Denn wenn die (a)biotische Vielfalt mit biologischer Vielfalt gleichgesetzt wird und Biodiversität damit bereits im Ansatz naturalisiert wird, dann wird Vielfalt dabei per se als etwas Gutes und Erstrebenswer-tes betrachtet, so dass auch der Schutz dieser Vielfalt ganz automatisch als ein guErstrebenswer-tes und erstrebenswertes Ziel angenommen wird und sei es nur, weil dessen Gegenteil, nämlich die Vernichtung der Vielfalt als dumm, sinnlos und in Bezug auf andere als un-gerecht betrachtet wird. Eben daraus ergeben sich aber vielfältige und weitreichende, nicht nur theoretisch relevante, sondern auch praktische Problematiken, die sich vor allem an der Entgrenzung und Hybridisierung der Biodiversität aufzeigen lassen (siehe Abschnitt II). Um mit diesen, mit der Entgrenzung und Hybridisierung verbundenen Problematiken konstruktiv umzugehen, wurde auf die theorieexternen und -internen Kritikpunkte am wissenschaftlichen Realismus eingegangen, der als theoretische Hin-tergrundfolie hinter dem methodologischen Kurzschluss verortet wurde. Die wichtig-sten Erkenntnisse aus dieser kritischen Reflexion sind:

1) Erstens und grundlegend muss im Einzelfall immer genau geschaut werden, was mit dem Begriff Biodiversität genau gemeint ist: Die abiotische und biotische Vielfalt als Forschungsgegenstand, wobei dann relevant ist, welche Auffassungen über das Ver-hältnis von Individuen (Organismen) und Gemeinschaften (ökologische Systeme) es sind, die jeweils dahinterstehen oder biologische Vielfalt als Forschungskonzept, wobei dann wiederum relevant ist, welche biologischen und ökologischen Theorien hinter der jeweiligen Konzeptualisierung stehen und inwiefern deren Annahmen vor dem Hinter-grund methodologischer Rekonstruktionen Geltung beanspruchen können.

2) Je nachdem, wie das Verhältnis von abiotischer und biotischer Vielfalt vor dem Hin-tergrund geistes- und ideengeschichtlicher Annahmen konstituiert wird (und hier gibt es deutlich mehr Variationen als nur die Partikular- und Ganzheitlichkeitskonzeption), hat man es mit unterschiedlichen Vorstellungen davon zu tun, was die abiotische und biotische Vielfalt als Referenzgegenstände der Biodiversitätsforschung ausmacht und welche Ansätze menschlicher Naturverhältnisse dabei eine Rolle spielen.

3) Dabei muss immer darauf geachtet werden, dass die Zustandsbeschreibungen der abiotischen und biotischen Vielfalt - sei es nun in ihrem weiten oder engen Verständnis

als ganzheitliche Vielfalt oder als aggregierte Vielzahl, als wohlgeordnete Fülle oder als bedrohte Knappheit - nicht auf natürliche Eigenschaften des Lebens bzw. des Lebendi-gen zurückgeführt werden, sondern als sozial und kulturell konstituierte VorstellunLebendi-gen von den Naturen und den menschlichen Verhältnissen zu diesen betrachtet werden.

4) Damit berücksichtigt werden kann, dass auch Wissenschaften soziale und kulturelle Praxen (aber spezielle Praxen der progressiven Problemverschiebung!) sind, müssen immer auch die methodologischen Konstruktionsbedingungen der Forschungskonzep-te (und hier genauer der biologischen Vielfalt) berücksichtigt werden. Erst wenn klar ist, wie diese konstituiert, konstruiert und in Geltung gebracht werden, kann auch ab-geschätzt werden, ob die jeweiligen Annahmen, Theorien, Modelle, Konzepte und Be-griffe zu einem theoretischen und empirischen Gehaltsüberschuss gegenüber voran-gegangen wissenschaftlichen Erkenntnissen führen.

5) Erst wenn diese vier Aspekte explizit berücksichtigt und thematisiert werden, kann die Biodiversitätskrise nicht nur terminologisch als Krise der gesellschaftlichen Natur-verhältnisse betitelt, sondern auch dementsprechend gehandhabt werden, weil dann auch ersichtlich wird, welche Naturauffassungen sowie Handlungsweisen des Men-schen es genau sind, die in die ´Krise` geführt haben und darüber selber in die Krise ge-raten sind. Daher wurde in diesem Kapitel gezeigt, welche geistes- und ideenge-schichtlichen Konstitutionsbedingungen sowie methodologischen Konstruktionsbedin-gungen das Forschungsprogramm der Biodiversität prägen.

6) Die Beantwortung der Frage, für wen, inwiefern und warum es angeraten sein soll, die abiotische und biotische Vielfalt (und gerade nicht die biologische Vielfalt!) mög-lichst umfassend zu schützen, nachhaltig zu nutzen und gerecht zu verteilen, ist keine biowissenschaftliche und auch keine wissenschaftstheoretische, sondern eine ethische Aufgabenstellung, weil das Wissen darum, was Biodiversität und wie sie erfasst, ana-lysiert und gemessen werden kann, nicht ausreichend ist, um auch begründen zu kön-nen, warum die Biodiversität bewahrt und gefördert werden sollte.

Insbesondere der letztgenannte Aspekt verweist darauf, dass zur Beantwortung der öko-sozialen Frage sowie für einen konstruktiven Umgang mit den Metaproblematiken des Biodiversitätsproblems im Anschluss an die hier erfolgte wissenschaftstheoretische Auseinandersetzung auf der inhaltlichen Ebene auf die normative Ebene übergegangen werden muss. Eben dies wird im nächsten Kapitel der Fall sein, wobei der Fokus der folgenden ethischen Analyse speziell auf der Reflexion der vielfältigen Gründe, Argu-mente und Begründungen für die Bewahrung und Förderung der Biodiversität aus der umwelt- und naturschutzethischen Perspektive liegt.

IV. ETHISCHE DETAILREFLEXION:

Die theoretische Neuausrichtung der Umwelt- und Naturschutzethik hin zu einer anwendungsorientierten Biodiversitätsethik

„Wie viel Philosophie braucht die Ökologie?

Soviel, wie jeder Mensch braucht, um sein Leben sinnvoll zu gestalten!”

(Deppert 1998:62) Ausgangspunkt der folgenden, sehr umfangreichen und binnenkomplexen, ethischen Detailreflexion ist die Frage, welche Gründe für die Bewahrung und Förderung der Bio-diversität sowohl im politischen Kontext als auch in der Umwelt- und Naturschutzethik angebracht werden und wie diese jeweils begründet werden. Dieser Fragestellung wird in mehreren Schritten nachgegangen:

Im ersten Teil wird in die argumentationstheoretischen Grundlagen der Rede von den

´guten Gründen` eingeleitet (4.1). Daraufhin werden in einer Art ´Bestandsaufnahme`

(4.2) zum einen die, im politischen Kontext, relevanten Gründe für die Erhaltung der Biodiversität in der NBS (4.2.1) als auch die umwelt- und naturschutzethischen Begrün-dungsansätze für die Erhaltung und speziell den Schutz der Biodiversität dargelegt (4.2.2). Dies wiederum macht eine umfangreichere Reflexion der Wertdebatte (4.2.2.1) sowie der physiozentrischen Begründungsansätze für den Schutz der Biodiversität um ihrer selbst willen (4.2.2.2) notwendig: Um die Bandbreite und die Spezifika der mög-lichen Eigenwertannahmen darzulegen, wird zuerst auf die instrumentellen Werte ein-gegangen (4.2.2.1.1), da diese als Abgrenzung zu den Eigenwerttypen fungieren, wo-runter eudaimonistische Eigenwerte (4.2.2.1.2), moralische Selbstwerte (4.2.2.1.3) und objektive Naturwerte (4.2.2.1.4) fallen. Im Anschluss daran wird die Reflexion der Wertedebatte in einem Zwischenfazit bilanziert (4.2.2.1.5). Aufbauend darauf werden die umwelt- und naturschutzethischen Begründungsansätze reflektiert, die über die Eigenwertannahme versuchen, direkte Pflichten des Menschen zu begründen. Hier werden, in Rückgriff auf die wissenschaftstheoretische Reflexion, diejenigen physio-zentrischen Ethiken selektiert, die sich für die Begründung von Schutzpflichten gegen-über der Biodiversität um ihrer selbst willen entweder auf die Gesamtheit aller Lebe-wesen (enges Verständnis von Biodiversität) oder auf alle LebeLebe-wesen und ihre Lebens-bedingungen (weites Verständnis von Biodiversität) beziehen. Das weite Verständnis erfordert holistische (4.2.2.2.1) oder ökozentrische (4.2.2.2.2) Begründungsansätze, während das enge Biodiversitätsverständnis im Mindesten nach einem biozentrischen Begründungsansatz verlangt (4.2.2.2.3). In einem sich daran anschließenden Zwischen-fazit wird deutlich gemacht, warum die Ergebnisse der kritischen Reflexion für eine Neuausrichtung der Umwelt- und Naturschutzethik sprechen (4.2.2.2.4).

Aufbauend darauf und in Rückgriff auf die drei in der Problemselektion herausgestell-ten Detailproblematiken auf der normativen Ebene (siehe 2.4.2), die sich ergeben, wenn die Umweltethik sich den Ansprüchen der Anwendungsorientierung stellt, wird im zweiten Teil die anvisierte theoretische Neuausrichtung der Umwelt- und Natur-schutzethik anhand der drei Detailproblematiken expliziert (4.3). Dabei sind alle Argu-mentationen, die hierunter fallen Analyse, kritische Reflexion und Fazit zugleich. Eine solche Synergie wird erreicht, indem mit Bezug auf die erste Problematik – dem zu starken Fokus auf die Inklusionsproblematik und der damit einhergehenden Replizie-rung der Gegenüberstellung von Mensch und Natur - auf die relationale Perspektive und die Ansätze einer inklusiven Umwelt- und Naturschutzethik eingegangen wird (4.3.1). Hierüber kann zwar die Fokussierung der Umwelt- und Naturschutzethik auf die Inklusionsproblematik zugunsten einer pragmatischen Fokussierung auf die Auslo-tung der individuellen und gesellschaftlichen Naturverhältnisse überwunden werden, es muss dabei aber geklärt werden, welche Annahmen mit einer solchen relationalen Perspektive einhergehen. Daher wird zum einen auf die Relationen zwischen Mensch, Natur und Gesellschaft eingegangen sowie die wesensmäßige Naturbeziehung als Grundlage der relationalen Perspektive dargelegt (4.3.1.1). Zum anderen wird auf die Relevanz eudaimonistischer Ansätze für die relationale Umwelt- und Naturschutzethik sowie die Bedeutung der Biodiversität für ein gutes Leben eingegangen (4.3.1.2). Mit Bezug auf die zweite Detailproblematik, d.h. dem zu starken Fokus der Umwelt- und Naturschutzethik auf Schutzplichtbegründungen, wird ein spezieller, auf die Biodiver-sitätszieltrias ausgerichteter Argumentationsraum zur Begründung der Bewahrung und Förderung der Biodiversität dargelegt (4.3.2). Dieser Ansatz wird dargelegt und kritisch reflektiert, wobei bezogen auf den ersten Problemaspekt, nämlich das Ansinnen der In-tegrativität der Biodiversitätszielstellung gerecht zu werden, ein konzeptionelles Pro-blem des Ansatzes herausgestellt wird (4.3.2.1). Dieser KonzeptionsproPro-blematik wird konstruktiv begegnet, indem die diskurstheoretischen Fundamente der Argumen-tationstrias rekonstruiert werden (4.3.2.2), so dass auf die pragmatischen (4.3.2.2.1), eudaimonistischen (4.3.2.2.2) und moralischen (4.3.2.2.3) Gebrauchsweisen der prakti-schen Vernunft eingegangen wird. Bezogen auf den zweiten Problemaspekt, nämlich den zu einseitigen Fokus auf Pflichtbegründungen, werden die drei Argumentations-typen wiederum in einem mehrdimensionalen Ethikverständnis verortet (4.3.2.3). Ab-schließend wird der dritten Problematik begegnet, indem die Akzeptanz- und Akzepta-bilitätsbedingungen für die Kommunikation und Aushandlung der Bewahrung und För-derung der Biodiversität herausgestellt werden (4.3.3). Eben diese Ausführungen er-möglichen wiederum eine Überleitung auf die politische Ebene und in die politik-wissenschaftliche Detailreflexion (4.4).

4.1 Die argumentationstheoretischen Grundlagen der Rede von guten Gründen

Wenn nach Gründen für die Bewahrung und Förderung der Biodiversität gefragt wird, dann empfiehlt es sich Ursachenerklärungen, epistemische Begründungen und tive Begründungen voneinander zu unterscheiden, da die Ethik sich primär mit norma-tiven Begründungen beschäftigt:

„Theoretische Begründungen beantworten in objektiver Hinsicht Warum-Fragen, die sich auf die Veränderungen von Dingen, Ereignissen und Zuständen in der rea-len Welt beziehen; solche objektiven ›Gründe‹ (rationes) nennen wir im Unter-schied zur metaphysischen Tradition ›Ursachen‹ (causae) und die ›Begründung‹

aus Ursachen nennen wir ›Erklärung‹ (…). Die subjektiv-theoretischen Begrün-dungen beantworten die Fragen, warum es sinnvoll oder geraten ist, von der Exis-tenz bestimmter Dinge, Ereignisse oder Zustände überzeugt zu sein; man nennt sie allgemein epistemische Begründungen (…). Antworten auf Warum-Fragen in praktischen Zusammenhängen, die sich auf objektive Gründe dafür beziehen, dass etwas zu tun oder zu unterlassen sei, kann man normative Begründungen nennen.“ (Schnädelbach 2006:484)

Wer etwas begründen will, und dabei ist es erst einmal irrelevant, welche Art von Be-gründung dabei zum Tragen kommt, der muss Argumente79 dafür finden und liefern, warum er meint, dass die von ihm getroffenen Feststellungen wahr (bei Erklärungen), plausibel (bei epistemischen Begründungen), richtig (bei normativen Begründungen) sein sollen (ebd., 484). Er muss folglich auf einer reflexiven Ebene zeigen, warum es ge-rechtfertigt sein soll, seine Gründe als Gründe anzuerkennen und warum diese Gründe anderen vorzuziehen sind, denn durch Argumente versuchen wir andere - aber auch uns selbst - von der Gültigkeit bestimmter Aussagen zu überzeugen, indem wir Argu-mente miteinander verknüpfen und diese gegeneinander abwägen. Wird in der Ethik argumentiert, so geht es dabei immer darum, dass von den Prämissen auf die Kon-klusion geschlossen wird und dies so, dass die Richtigkeit einer KonKon-klusion aus der Richtigkeit der Prämissen geschlussfolgert werden kann (Tetens 2004:142). Der Clou und gleichzeitig die Crux des schlussfolgernden Argumentierens besteht dabei darin, dass über die Richtigkeit der Prämissen die Richtigkeit der Konklusion aufgezeigt wer-den soll, was immer dann der Fall ist, wenn sich zeigen lässt, dass die Prämissen richtig sind und die Konklusion logisch aus den Prämissen folgt (ebd., 25).

79 Als Argument soll hier im formalen Sinne eine Folge von aufeinander bezogenen Aussagen bezeich-net werden, von denen die sogenannten Prämissen (P) als Gründe für den Schluss aus diesen, der sogenannten Konklusion (K) ausgegeben werden. Der Übergang zwischen P und K wird als Schluss-folgerung (S) bezeichnet. In diesem Sinne setzen Argumente eine bestimmte Struktur voraus, so dass unvollständige Aussagesysteme hier nicht als Argumente sondern als Enthymene bezeichnet werden sollen (Føllesdal, Walløe & Elster 1988:243).

Ist dies der Fall, dann muss die Konklusion richtig sein, ohne dass die Richtigkeit der Konklusion gesondert überprüft werden muss, weil mit jedem normativen Argument auf der Metaebene zwei aufeinander bezogene Behauptungen aufgestellt werden:

Zum einen wird behauptet, dass die Prämissen richtig sind, und zweitens, dass auch die Konklusion richtig ist, weil die Konklusion aus den Prämissen logisch folgt. Wenn folg-lich die Richtigkeit der Prämissen gezeigt werden kann und wenn das Argument einer logisch gültigen Schlussregel folgt, so hat der Argumentierende die Richtigkeit der Kon-klusion gesichert und das Argument ist als schlüssig zu bezeichnen (ebd., 23).

Die Crux des schlussfolgernden Argumentierens, einmal ganz davon abgesehen, was genau unter Richtigkeit80 zu verstehen ist, lässt sich am Begriff der Schlüssigkeit deutlichen. In der Logik wird der Ausdruck Schlüssigkeit in einem doppelten Sinn ver-wendet. Schlüssigkeit kann sich entweder ausschließlich auf die Form des Arguments beziehen und/oder auf die Inhalte der Aussagen: Wird die Schlüssigkeit auf die Form bezogen, so ist zumeist von formaler oder logischer Gültigkeit die Rede. Logisch gültig sind Argumente immer dann, wenn man die in einer Aussage vorkommenden nicht-logischen Wörter durch andere nicht-logische Wörter ersetzen kann.81 Für LogikerIn-nen könLogikerIn-nen Argumente folglich unabhängig von der konkreten Sachverhaltsbeschrei-bung der Aussagen logisch gültig sein, da die Gültigkeit eines Arguments nur von den Bedeutungen der logischen Ausdrücke eines Arguments abhängig ist (Føllesdal, Walløe

& Elster 1988:246–247), da deren Bedeutungen innerhalb der Logik eindeutig festge-legt sind (vgl. Tetens 2004:284–290). Über solche festgefestge-legten logischen Ausdrücke lassen sich allgemeingültige, unter allen Umständen gültige Schlussregeln aufstellen, die garantieren, dass von der Richtigkeit der Prämissen auf die Richtigkeit der Konklu-sion geschlossen werden kann. Weil kein logisch gültiges Argument richtige Prämissen und eine falsche Konklusion besitzen kann, wird das Argument als gültig bezeichnet, weil der Schluss von den Prämissen auf die Konklusion logisch gerechtfertigt ist. Die Standardform eines solch logisch schlüssigen Arguments ist der deduktive Syllogis-mus.82

80 Die Frage, warum eine Aussage für richtig gehalten werden kann und woran sich dies erkennen lässt, gehört zu den zentralen und damit auch umstrittensten Fragen der Philosophie (siehe auch FN 46).

Diese soll hier nicht entschieden werden.

81 Hierbei gibt es indes ein paar wichtige Regeln zu beachten (Føllesdal, Walløe & Elster 1988:247: 1):

Wenn ein logisches Wort durch ein anderes ersetzt wird, dann muss dieses Wort überall ersetzt wer-den, wo es im Argument vorkommt. 2) Jedes Wort bzw. jeder Ausdruck der ersetzt wird, muss durch ein Wort bzw. ein Ausdruck derselben semantischen Kategorie (generelle Terme, singuläre Terme, Sätze) ersetzt werden (ebd., 215-224). 3) Es dürfen ausschließlich nicht-logische Wörter und Aus-drücke gegeneinander ausgetauscht werden. Logische Wörter und AusAus-drücke hingegen sind in ihrer Bedeutung durch die formale Logik eindeutig festgelegt.

82 Hier wird deshalb von Standardform gesprochen, weil es zwar viele andere Formen schlüssiger Argu-mente gibt, der deduktive Syllogismus ist aber nach wie vor die Argumentationsform, die am häufig-sten verwandt wird.

Ein Syllogismus ist ein spezifisches Argumentationsschema, bestehend aus zwei Prä-missen, einem Obersatz und einem Untersatz, aus denen auf die Konklusion geschlos-sen wird. Deduktiv ist ein Schluss immer dann, wenn vom Allgemeinen auf das Beson-dere geschlossen wird.Aussagenlogisch lässt sich dies so darstellen:

P Obersatz: p ist der Fall.

P Untersatz: q ist der Fall.

K: Also ist q der Fall!

Löst man die aussagenlogische Form auf, dann hat man es beispielsweise mit folgen-dem Argument zu tun:

P Obersatz: Alle Straßen zerschneiden Naturflächen.

P Untersatz: Die B96 ist eine Straße.

K: Also zerschneidet die B96 Naturflächen!

Genau wie bei diesem rein deskriptiven Argument, gilt auch bei normativen Argumen-ten die Standardform, die in diesem Fall als praktischer Syllogismus bezeichnet wird.

Auch hier gelten die Grundregeln der formalen Logik: Wer die Geltung der normativen Prämisse akzeptiert, sprich sie für richtig hält, der muss auch die normative Konklusion akzeptieren, die daraus logisch folgt. Denn rein formal betrachtet ist ein normatives Argument, analog zu deskriptiven Argumenten, genau dann logisch gültig, wenn die normativen Aussagen wie deskriptive Aussagen aufgefasst werden und das Argument den logisch gültigen Schlussregeln folgt (ebd., 141).

Normative Aussagen sind aber anders als deskriptive Aussagen gerade nicht als Zu-standsbeschreibung gemeint (obwohl auch eine normative Aussage als Zustandsbe-schreibung gelesen werden kann), sondern normative Aussagen sollen andere davon überzeugen, sich so und nicht anders zu verhalten oder zu handeln. In diesem Sinne unterscheiden sich normative Aussagen von deskriptiven vor allem dadurch, dass Wertprädikate wie gut, notwendig, relevant oder wichtig bewertend (evaluativ) und/

oder handlungsanleitende Prädikate wie sollen, dürfen oder müssen vorschreibend (präskriptiv) gemeint sind, sprich Bewertungen und Vorschriften zum Ausdruck bringen sollen. Daher hängt die Stichhaltigkeit normativer Aussagen immer auch davon ab, ob und unter welchen Bedingungen man bereit ist, sich nach ihnen zu richten, sprich sich so zu verhalten und so zu handeln, dass der dabei zum Ausdruck kommenden Wertung entsprochen wird und das ´Sollen` Wirklichkeit werden kann (ebd., 141).

deduktive Schlussregel: wenn p, dann q; p ist der Fall: Also ist q der Fall.

Hilfreich ist dabei zwischen evaluativen und präskriptiven Aussagen zu unterscheiden, weil evaluative Aussagen etwas als gut bewerten (u.a. auch als moralisch gut!), wäh-rend präskriptive Aussagen etwas vorschreiben oder zumindest anraten (und zwar nicht nur in moralischer Hinsicht!). Sowohl evaluative als auch präskriptive Aussagen sollten dabei von Tatsachenbehauptungen abgrenzt werden,83 da bei normativen Ar-gumenten eine wichtige Regel hinzutritt, die bei deskriptiven ArAr-gumenten nicht von Relevanz ist (siehe 2.3.1): Normative Konklusionen brauchen dem Humeschen Gesetz zufolge mindestens eine normative Prämisse, auf die sie logisch gültig zurückgeführt werden können, da i.d.R. davon ausgegangen wird, dass die Wertung, ob etwas gut ist sich nicht schon aus der Beschreibung des Ist-Zustandes ergibt (Moores naturalisti-scher Fehlschluss) und ein Sollen nicht ausschließlich über ein Sein gerechtfertigt wer-den kann (Humes »Sein-Sollen Fehlschluss«). In beiwer-den Fällen kann das Argument als logisch ungültig eingestuft werden, weil die Konklusion logisch ungültig ist, obwohl das Argument als solches (rein inhaltlich betrachtet) schlüssig sein kann.84 Dies wiederum verweist darauf, dass die logische Gültigkeit der Form des Arguments von der Stich-haltigkeit der inhaltlichen Aussagen zu unterscheiden ist, da sich die logische Gültigkeit eben nicht auf die Inhalte bezieht, die in den Prämissen oder der Konklusion zum Aus-druck gebracht werden (Føllesdal, Walløe & Elster 1988:256–257). Eben die inhalt-lichen Unterschiede sind es aber, die deskriptive von normativen Aussagen unter-scheiden, so dass es hier nicht nur um Aspekte formaler Schlüssigkeit gehen kann.

Werden diese Grundlagen beachtet, dann kann differenziert herausgestellt werden, welche Positionen es bezüglich Tatsachenbehauptungen, evaluativen Annahmen und präskriptiven Urteilen gibt und es kann verhindert werden, dass normative Fragen auf bloß suggestive Weise beantwortet werden, indem in die Tatsachenbehauptungen be-reits evaluative Annahmen einfließen, durch die wiederum bestimmte präskriptive Ur-teile impliziert werden. Werden die Differenzierungen indes beachtet, dann wird der Fokus darauf gelegt, wie evaluative Annahmen und präskriptive Urteile begründet wer-den können. Dabei muss indes mit der Schwierigkeit umgegangen werwer-den, dass man es in der Alltagssprache oftmals mit unvollständigen Argumenten (Enthymemen) zu tun hat. Diese sind unvollständig, weil entweder die ´trivialen` Voraussetzungen, die für alle Beteiligten offensichtlich und/oder unproblematisch sind, weggelassen werden

83 Die Begründung der Tatsachenbehauptungen fällt dabei eigentlich aus dem genuinen Kompetenzbe-reich der normativen Ethik heraus, weil es der Ethik um die Fragen geht, wie Menschen sich verhal-ten und handeln sollten. Gerade wenn es aber um anwendungsorientierte Ethiken geht, wird der Graubereich zwischen Tatsachenbehauptungen und normativen Aussagen mehr als deutlich, denn es kann prinzipiell auch der Ethik nicht egal sein, ob die Faktenlage unklar ist und ob die

83 Die Begründung der Tatsachenbehauptungen fällt dabei eigentlich aus dem genuinen Kompetenzbe-reich der normativen Ethik heraus, weil es der Ethik um die Fragen geht, wie Menschen sich verhal-ten und handeln sollten. Gerade wenn es aber um anwendungsorientierte Ethiken geht, wird der Graubereich zwischen Tatsachenbehauptungen und normativen Aussagen mehr als deutlich, denn es kann prinzipiell auch der Ethik nicht egal sein, ob die Faktenlage unklar ist und ob die