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DER B IODIVERSITÄT ALS G RENZ - UND

2.2 Biodiversität als politischer Symbolbegriff für einen modernen,

2.2.2 Der nationale Kontext: Die NBS und das Bundesnaturschutzgesetz

Die drei Zielstellungen sowie die damit verbundenen politischen Ansprüche spiegeln sich (mehr oder weniger) in den jeweiligen nationalen Biodiversitätsstrategien wider.

Die Bundesrepublik Deutschland hat die CBD bereits ein Jahr nach ihrer Implementie-rung, also 1993 ratifiziert, hat aber erst 2007 mit der »Nationalen Strategie zur Biologi-schen Vielfalt« (NBS) Artikel 6 der CBD erfüllt, der besagt, dass „jede Vertragspartei (...) nationale Strategien, Pläne oder Programme zur Erhaltung und nachhaltigen Nutzung der biologischen Vielfalt entwickeln oder zu diesem Zweck ihre bestehenden Strate-gien, Pläne und Programme anpassen (soll).“ (ebd., Art. 6) Die NBS bildet mit ihren umfangreichen naturschutzpolitischen Aussagen und ihren ca. 330 Ziele und rund 430 Maßnahmen den zentralen Bezugsrahmen für die gegenwärtigen und zukünftigen Bio-diversitätspolitiken der deutschen Bundesländer und des Bundes im Kontext der euro-päischen und internationalen Umweltpolitik (vgl. BMUB 2011).27 Im Folgenden werden die nationalen Konkretisierungen der drei Ziele (a. Schutzziel; b. Nutzungsziel; c. Vertei-lungsziel) dargelegt, wobei deutlich werden soll, auf welche Bereiche sich die Ziele je-weils beziehen und welche „Visionen“ und Maßnahmen diesbezüglich existieren, um die formulierten Ziele umzusetzen. Im Anschluss daran, d) wird dann auf die (mehr oder weniger konsequente) rechtliche Integration der Biodiversität im Rahmen der 2010 erfolgten Novellierung des Bundesnaturschutzgesetzes eingegangen:

27 Die NBS wurde 2011 zwar mit neuem Cover, aber ansonsten inhaltlich unverändert, nach dem Original von 2007 nachgedruckt. Die Ausführungen beziehen sich dennoch auf die aktuelle Ausgabe (vgl. BMUB 2011).

a) Das Schutzziel wird in der NBS mit der „Vision“ verknüpft, dass es „in Deutschland eine für unser Land typische Vielfalt von natürlichen sowie durch menschliches Han-deln geprägte Landschaften, Lebensräume und Lebensgemeinschaften gibt (…). Die diesen Lebensräumen zugehörigen Arten existieren in überlebens- und langfristig an-passungsfähigen Populationen.“ (BMUB 2011:26; SL) Das Schutzziel wird dabei auf allen drei Hierarchieebenen (Artenvielfalt, Ökosystemvielfalt und genetische Vielfalt) ausbuchstabiert und ist an die Erreichung des 2010-Ziels28 geknüpft: So gilt das Schutz-ziel in Bezug auf die Vielfalt der Arten dann als erfüllt, wenn bis zum Jahr 2010 der Anteil der vom Aussterben bedrohten und stark gefährdeten Arten verringert ist (ebd., 27). In Bezug auf die Vielfalt der Lebensräume sieht die NBS das Schutzziel als erfüllt an, wenn bis 2010 der Rückgang von gefährdeten Lebensraumtypen (Wälder, Küsten und Meere, Seen, Weiher, Teiche und Tümpel, Flüsse und Auen, Moore, Gebirge und Grundwasserökosysteme sowie Wildnisgebiete aber auch Kulturlandschaften und ur-bane Landschaften) aufgehalten ist (ebd., 27–43). In Bezug auf die genetische Vielfalt von wildlebenden und domestizierten Arten soll der Verlust der genetischen Vielfalt durch ex- situ- und in-situ/on-farm Erhaltung bis 2010 aufgehalten sein, wobei insbe-sondere die regionaltypische Vielfalt von Nutztierpflanzen und Kulturpflanzensorten erhalten bleiben soll, so dass diese nachhaltig genutzt und als Lebens- und Zucht-grundlage verfügbar bleiben sowie das Landschaftsbild prägen können (ebd., 30). Des Weiteren soll hier die ´Verfälschung` bzw. ´Verarmung` der genetischen Vielfalt der wildlebenden Tier- und Pflanzenwelt einerseits durch Ansiedlung und Ausbreitung von nicht heimischen bzw. ´invasiven gebietsfremden` Tier- und Pflanzenarten verhindert werden, andererseits sollen in Zukunft keine gentechnisch veränderten Organismen mit Auskreuzungs-, Verwilderungs-, Etablierungs- und Ausbreitungspotenzial zugelas-sen werden. Um diese Schutzziele zu erreichen wird die Minimierung von Zer-schneidungseffekten, die Vermeidung von Konflikten mit dem länderübergreifenden Biotopverbund bei künftigen Planungen und Projekten der Siedlungsentwicklung sowie von Verkehrswegen, die Reduzierung der wesentlichen Gefährdungsfaktoren, die zu einer Degradation von Lebensräumen führen sowie die Regeneration gefährdeter Bio-toptypen und Biotopkomplexe und die Erhaltung und Vermehrung von extensiv ge-nutzten Lebensräumen angestrebt (ebd., 29). Des Weiteren soll das länderübergreifen-de Biotopverbundsystems »Natura 2000« bis 2010 auf minländerübergreifen-destens 10% länderübergreifen-der Lanländerübergreifen-des- Landes-fläche ausgeweitert und bis 2020 soll ein funktionierendes Managementsystem für alle Großschutzgebiete und Natura 2000-Gebiete etabliert werden (ebd., 28).

28 Das (europäische) 2010-Ziel wurde 2001 in Göteborg von den EU-Staatschefs auf dem Gipfeltreffen der Europäischen Union mit der Absicht verabschiedet, den Rückgang der Biodiversität bis zum Jahr 2010 zu stoppen. 2002 verpflichteten sich die Unterzeichnerstaaten der CBD auf das (internationale) 2010-Ziel, allerdings mit der Einschränkung den Biodiversitätsverlust auf globaler, regionaler und na-tionaler Ebene als Beitrag zur Armutsbekämpfung und zum Wohle allen Lebens auf der Erde signifi-kant zu reduzieren.

b) Das Nutzungsziel wird in der NBS mit Verweis auf die, auf der 7. Vertragsstaaten-konferenz in Kuala Lumpur im Jahr 2004 verabschiedeten »Addis Abeba-Prinzipien für nachhaltige Nutzung« konkretisiert, die wiederum im Kontext der UN-Millenniums-ziele formuliert wurden.29 Dabei wird in der NBS auch hier ein sehr komplexer Aufriss des Nutzungsziels gegeben, um deutlich zu machen, dass die Zielsetzungen der nach-haltigen Nutzung immer auch die Schutz- und Verteilungsziele beeinflussen. Dabei wird sowohl auf die Vorbildfunktion des Staates, die Auswirkungen deutscher Aktivitäten auf die Biodiversität weltweit sowie die Rolle der Landwirtschaft als auch auf die kriti-schen Faktoren der Bodennutzung, des Rohstoffabbaus, der Energiegewinnung, der Flächeninanspruchnahme für Siedlung und Verkehr, der gestiegenen Mobilität, der flächendeckenden diffusen Stoffeinträge sowie des Klimawandels eingegangen (ebd., 43–57). Es erfolgt allerdings keine dezidierte Unterscheidung der sich daran anschlie-ßenden Ziele und Maßnahmenbündel auf ihren jeweiligen Einfluss auf den drei Hierar-chieebenen, da hier immer zusammenfassend von biologischer Vielfalt oder Biodiver-sität die Rede ist. Dementsprechend ist in der NBS formuliert, dass „die wirtschaft-lichen Tätigkeiten in Deutschland im Einklang mit dem Schutz der biologischen Vielfalt erfolgen [sollen], wobei Gewinne aus der Nutzung der biologischen Vielfalt angemes-sen aufgeteilt sind.“ (ebd., 43) Des Weiteren sollen alle Produkte und Dienstleistungen, die zu einer Belastung der Biodiversität führen, ebenso wie wirtschaftliche Aktivitäten, die die Biodiversität fördern, für die Menschen besser erkennbar sein. Die Nachfrage nach umweltverträglichen Produkten und Dienstleistungen soll zudem kontinuierlich verstärkt, als auch ihr Angebot deutlich verbessert werden und es sollen immer mehr wirtschaftliche Aktivitäten einen Beitrag für die Erhaltung der Biodiversität leisten, so dass Biodiversitätsanliegen bis 2020 umfassend in die Welthandelsordnung integriert sind und die Biodiversitätsbelastungen der Produktion zurückgehen (ebd., 43).

c) Schließlich geht die NBS auch auf das Verteilungsziel näher ein. Gerade hier gab es bei den Verhandlungen zur CBD und über diese hinaus die meisten und nach wie vor hartnäckigsten Kontroversen.30 Kernstück des Verteilungszieles sind dabei die Rege-lungen zum Zugang und gerechtem Vorteilsausgleich (»Access and Benefit Sharing«,

29 Die »Addis Abeba Prinzipien« (AAP) bestehen aus vierzehn aufeinander aufbauenden Prinzipien, ope-rativen Regeln und Implementierungsinstrumenten, die die nachhaltige Nutzung der Biodiversität re-geln und bestimmen sollen (Sekretariat der CBD 2004:Artikel 1). Dabei wird die nachhaltige Nutzung als wertvolles Instrument verstanden, um den Schutz der Biodiversität zu gewährleisten und Schutz-imperative werden immer auch als Teil der nachhaltigen Nutzung angesehen (ebd., Artikel 2).

30 Anhand des Umfangs der Ausführungen in der NBS wird deutlich, dass die Konkretisierung des Ver-teilungsziels bis 2007 am wenigsten fortgeschritten war. Dies ist insofern verständlich, als dass eine intensive Weiterentwicklung der ABS-Verhandlungen erst auf der 9. und 10. Vertragsstaatenkonfe-renz 2008 in Bonn und 2010 in Nagoya erfolgte, auf denen es um einen gemeinsamen Weg zu einer international verbindlichen Vereinbarung zur gerechten Aufteilung der Vorteile aus der Nutzung der Biodiversität ging, die von der NBS (Auflage 2007) nicht berücksichtigt werden konnten, aber leider auch in der Neuauflage 2011 nicht berücksichtigt wurden.

kurz ABS), die in der CBD und damit auch in der NBS selbst nur auf genetische Ressour-cen bezogen sind. Der ABS-Mechanismus betont das souveräne Recht der einzelnen Nationalstaaten auf ihre ´natürlichen` Ressourcen, mit dem gleichzeitigen Verweis da-rauf, dass der Zugang zu diesen Ressourcen auch für Nutzer außerhalb des Territori-ums, in dem diese Ressourcen vorkommen, ermöglicht werden soll. Im Gegenzug da-zu sollen die daraus entstehenden Vorteile fair und gerecht verteilt werden.31 Aufbau-end auf diesen Regelungen wird der gerechte Vorteilsausgleich in der NBS in den „kon-kreten Visionen“ wie folgt bestimmt: „Die Herkunftsländer, die indigenen und lokalen Gemeinschaften profitieren gleichberechtigt von den Vorteilen, die sich aus der nach-haltigen Nutzung genetischer Ressourcen ergeben. Gleiches gilt für die Nutzung des mit den genetischen Ressourcen verbundenen traditionellen Wissens. Unsere Vision für die Zukunft ist: Die Nutzer genetischer Ressourcen befolgen die Zugangsregelungen des Übereinkommens über die biologische Vielfalt. Dabei werden insbesondere die Rechte indigener und lokaler Gemeinschaften berücksichtigt.“ (ebd., 57)

d) Da die NBS keine Rechtsgültigkeit besitzt, da sie als Strategiepapier weder ein Ge-setz noch ein Rechtsverordnungstext ist, ist von Relevanz, inwieweit 2010, im inter-nationalen Jahr der Biodiversität, das Bundesnaturschutzgesetz (BNatSchG) novelliert und um Biodiversitätsaspekte ergänzt worden ist:

„Natur und Landschaft sind auf Grund ihres eigenen Wertes und als Grundlage für Leben und Gesundheit des Menschen auch in Verantwortung für die künftigen Ge-nerationen im besiedelten und unbesiedelten Bereich nach Maßgabe der nachfol-genden Absätze so zu schützen, dass 1. die biologische Vielfalt, 2. die Leistungs- und Funktionsfähigkeit des Naturhaushalts einschließlich der Regenerationsfähigkeit und nachhaltigen Nutzungsfähigkeit der Naturgüter sowie 3. die Vielfalt, Eigenart und Schönheit sowie der Erholungswert von Natur und Landschaft auf Dauer gesichert sind.“ (DB 2009:Paragraph 1; SL)

31 Die internationalen Zugangs- und Teilhaberegelungen für genetische Ressourcen sind in den Artikeln 15 bis 19 der CBD festgeschrieben: In Art. 15 wird das souveräne Recht der Staaten in Bezug auf ihre Ressourcen anerkannt (Abs. 1). Den Regierungen der einzelnen Staaten wird dabei die Befugnis zu-gewiesen, den Zugang zu genetischen Ressourcen anhand ihrer innerstaatlichen Rechtsvorschriften so zu bestimmen, dass deren umweltverträgliche Nutzung über einen ausgewogenen und gerechten Vorteilsausgleich gewährleistet wird (Abs. 3), sprich deren Nutzung auch durch andere Vertragspar-teien erleichtert wird und diesen keine Beschränkungen auferlegt werden die den Zielen der CBD zu-widerlaufen (Abs. 2). Vorgesehen ist dabei eine Beteiligung der Ressourcenstaaten an der Forschung, vor allem durch ihre Verlagerung in das jeweilige Land (Abs. 4) Demensprechend hat die Zugangs-gewährung zu einvernehmlich festgelegten Bedingungen (»Mutually Agreed Terms and Conditions«, MAT) zu erfolgen, wobei der Zugang einer vorherigen informierten Zustimmung (»Prior Informed Consent«, PIC) bedarf (Abs. 5). Das soll dem Staat ermöglichen eine informierte Entscheidung über den Zugang zu treffen, womit die Verhandlungsmacht der ressourcengebenden Staaten gestärkt werden soll. Außerdem soll eine ausgewogene und gerechte Aufteilung der Ergebnisse und Vorteile aus Forschung und Entwicklung stattfinden, die sich aus der kommerziellen und sonstigen Nutzung der genetischen Ressourcen ergeben (Abs. 7). Art. 16 sieht des Weiteren einen Technologietransfer in die Entwicklungsländer vor und enthält verschärfte Kooperationspflichten zu ihren Gunsten.

„Zur dauerhaften Sicherung der biologischen Vielfalt sind entsprechend dem jeweili-gen Gefährdungsgrad insbesondere 1. lebensfähige Populationen wild lebender Tie-re und Pflanzen einschließlich ihTie-rer Lebensstätten zu erhalten und der Austausch zwischen den Populationen sowie Wanderungen und Wiederbesiedelungen zu er-möglichen, 2. Gefährdungen von natürlich vorkommenden Ökosystemen, Biotopen und Arten entgegenzuwirken, 3. Lebensgemeinschaften und Biotope mit ihren strukturellen und geografischen Eigenheiten in einer repräsentativen Verteilung zu erhalten, wobei bestimmte Landschaftsteile der natürlichen Dynamik überlassen bleiben sollen.“ (ebd., Paragraph 2)

In Kombination mit der, im Grundgesetz festgehaltenen Staatszielbestimmung Um-weltschutz (Art. 20a GG), die fordert, dass „(d)er Staat (…) auch in Verantwortung für die künftigen Generationen die natürlichen Lebensgrundlagen und die Tiere (…) [schützt]“, wird der Schutz der Biodiversität zum zentralen Leitbegriff des deutschen Naturschutzes erhoben, der Bewahrung und Förderung der Biodiversität wird hier aber nicht im Ganzen entsprochen, da hier weder die nachhaltige Nutzung noch die ge-rechte Verteilung angesprochen werden und zudem auch nur von Arten und Öko-systemen, nicht aber von der genetischen Vielfalt die Rede ist.32 Dieser Umstand lässt sich so interpretieren, dass der Schutz der Biodiversität in das BNatSchG als begriff-licher Stellvertreter für den Arten- und Biotopschutz aufgenommen worden ist, ohne dass den, mit der Bewahrung und Förderung der Biodiversität einhergehenden kon-zeptionellen Neuerungen, die insbesondere über den ökosystemaren Ansatz im Rah-men der CBD formuliert worden sind, Rechnung getragen wurde. Damit wird indes auch das konzeptionelle Problem der NBS ersichtlich:

Die Betrachtung der CBD zeigt, dass die dort anvisierte Biodiversitätspolitik - zumindest ihrem politischen Anspruch nach - weit über eine reine Naturschutzpolitik hinaus geht, indem hier der innovative politische Anspruch formuliert wird, eine Rahmenkonven-tion zur Bewahrung und Förderung der gesamten natürlichen Vielfalt zu schaffen, die nicht allein durch Schutzbemühungen, sondern gleichsam durch nachhaltige Nutzungs- und gerechte Verteilungsanstrengungen erreicht werden soll. In diesem Sinne kann die CBD als der bisher umfassendste politische Ansatz des internationalen Natur- und Um-weltschutzes betrachtet werden, dem ein hohes Innovationspotenzial zur Modernisie-rung des politischen Umwelt- und Naturschutzes zukommt. Dieses Innovationspoten-zial wird in Deutschland, wo die NBS in den Kontext einer reinen Naturschutzgesetzge-bung gestellt wird, allerdings nicht eingeholt, weil das eigentlich Innovative an der

32 An dieser Stelle könnte natürlich eingewandt werden, dass unter das Schutzziel bereits nachhaltige Nutzung subsumiert werden kann, weil natürliche Ressourcen nicht effektiv geschützt werden kön-nen, ohne dass sie auch nachhaltig genutzt werden. Nach dem Motto: ´Was weg ist, ist weg, da braucht es dann auch keinen Schutz mehr`. Schutz impliziert aber nicht in derselben Weise auch ge-rechte Verteilung, insofern ist vor allem das Verteilungsziel hier zu wenig berücksichtigt.

wahrung und Förderung der Biodiversität, nämlich die Integrativität der Zieltrias, im-mer wieder auf den bestandserhaltenden Schutz der Biodiversität verengt wird. Dies ist indes in zweierlei Hinsicht problematisch:

Zum einen weil die Fokussierung auf das Ansinnen möglichst alle Lebensformen und Lebensbedingungen so zu erhalten, wie man sie kennt, implizit davon ausgeht, dass die Natur so bleiben soll, wie sie gerade vorgefunden wird, womit erneut das statische Na-turschutzdenken betont und der Grundfehler des klassischen Naturschutzes wiederholt wird, der eigentlich über die Zielstellung der Bewahrung und Förderung der Biodiver-sität behoben werden könnte (vgl. Haber 2009). Zum anderen weist sich die Strategie damit zwar dem Namen, den Ambitionen und den Zielen nach als eigenständige Bio-diversitätsstrategie im Sinne der CBD aus, in ihrem rechtlichen Kontext gestellt ist sie aber eine klassische Naturschutzstrategie. Denn auch wenn die Erhaltung der Biodiver-sität, laut NBS, ganz ausdrücklich nicht auf Naturschutzaktivitäten beschränkt sein soll (BMUB 2011:6), so ist sie hinsichtlich der damit verbunden Maßnahmen im BNatSchG auf die klassischen Formen des Naturschutzes (Biotop-, Arten-, Landschafts- und Pro-zessschutz) festgelegt. Damit wird aber das Innovationspotenzial, was über die Bewah-rung und FördeBewah-rung der Biodiversität in den politischen Natur- und Umweltschutz hin-eingebracht wurde, im deutschen Kontext nur selten ersichtlich und bleibt ungenutzt, weil der Fokus auf die nachhaltige Nutzung und die gerechte Verteilung, die im Natur-schutz wenn überhaupt dann nur marginal thematisiert worden sind, nicht als wichtige und konstituierende Aspekte der Biodiversitätspolitik berücksichtigt werden (können).

Zum anderen ist problematisch, dass wenn die Integrativität der Zieltrias nicht in aus-reichendem Maße beachtet wird, auch die beiden anderen Innovationsmomente - der Modernisierungsaspekt und der Koordinationsaspekt - nicht in Gänze zum Tragen kom-men können, womit wiederum die strategische Relevanz des Biodiversitätskonzeptes nicht eingeholt wird. Dies zeigt sich insbesondere anhand des Verteilungsziels, das, wenn es denn überhaupt eine Rolle spielt, nur auf politische und darüber hinaus le-diglich globale und internationale Kontexte bezogen wird. Dies reicht aber nicht aus, da darüber zum einen intertemporale, nationale, lokale als auch interpersonelle Ver-teilungs- und Gerechtigkeitsfragen in Bezug auf die Erhaltung der Biodiversität aus dem Fokus geraten, als auch die normativen Grundlagen solcher Gerechtigkeitsforde-rungen nicht in ausreichendem Maße thematisiert werden (können). Die normative Frage, welchen individuellen und gesellschaftlichen Naturverhältnissen der Vorzug ge-geben werden sollte, ist indes für den Umwelt- und Naturschutz nicht erst seit der Bio-diversitätsdebatte elementar, so dass das Verteilungsziel als umfassende Gerechtig-keitsthematik verstanden werden sollte, weil die gesellschaftspolitischen Konflikte zwi-schen Schutz- und Nutzungsinteressen, die es sowohl innerhalb als auch außerhalb des Natur- und Umweltschutzes gibt sowie zwischen den Ansprüchen jetziger und

zukünf-tiger Generationen am Naturerleben einerseits und der Ressourcennutzung anderer-seits, nicht in ausreichendem Maße berücksichtigt werden können, wenn das Vertei-lungsziel primär als politisches (nicht aber auch als normatives) Ziel verstanden und dabei lediglich auf internationale und globale Kontexte beschränkt wird. Wenn das Verteilungszielhingegen im Kontext einer generellen Verteilungstheorie mit Blick auf gesellschaftliche Naturverhältnisse verstanden wird - was ja im Biodiversitätskontext bereits angelegt ist - erweitert sich der politische Fokus ganz automatisch. Hieran an-schließend ist im Folgenden die Beleuchtung der Biodiversität als Wert- und Normbe-griff relevant.