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Fingal im Kampf mit Swaran

IV. DIE SZENISCHEN DARSTELLUNGEN

4. Fingal im Kampf mit Swaran

Die Kampfszene zwischen Fingal und Swaran beschreibt Stolberg in seiner Dichtung wie folgt: “Da hörten sie Fingal’s Trit; die Krieger sprangen/In Waffen auf; ‘geh, fälle den Wandrer, Swaran!’/So sagte des Starno Stolz, ‘des Vaters Schild/Ergreif, er ist Fels im Kriege!’ Swaran warf/Den schimmernden Speer, geheftet stand er fest/In Loda’s Baum; nun schreiten die Kämpfer vor,/Mit den Schwerdten, klirrend mischt sich beider Stahl./Die Klinge von Luno fährt durch Schildesgurt von Swaran; es fällt herab und rollt der Schild;/Es fällt, gespalten der Helm; da hemmte Fingal/Den gehobnen Speer;

entwaffnet stand im Zorn,/Und rollte schweigend die Augen Swaran; warf/Das Schwerd zur Erde; langsam über den Strom/Hinschreitend wallet er fort, und pfeift im Gehn:/Er blieb vom Vater nicht ungesehn; der wandte/Sich zürnend; unter zückenden Braunen

665) HS I, S. 269. Dazu Anhang, S. 5, Z. 3 − 9.

666) Daniel, Entwürfe: HS I, S. 267.

667) Berefelt 1961, S. 170 mit Abb. 81. S. oben S. 94.

668) Traeger, S. 68. Hohl in Ausst. kat. Hamburg 1974, Kat. Nr. 64. S. oben S. 60 f.

schwillt/Die laurende Wuth; er schlägt auf Loda’s Baum/Mit der Lanze, leise murmelnd stösst er vor/Gebrochnen Gesang; es wallen beyde hin,/Auf eignem trüben Pfade jeder, zum Heer/Von Lochlin, zween schaumflutenden Strömen gleich,/Wenn jeder seinem regnigten Thal entrauscht”.669)

In den Hinterlassenen Schriften skizziert Runge die Szene (Abb. 155) in zwei Sätzen:

“Fingal spaltet und entreißt dem Swaran Schild und Helm. Starno und Swaran entflie-hen über den Strom in dunkle Nacht hin. V. 160 181”.670)

Bei Daniel heißt es hierzu: “Fingal mit Speer und Schwerdt (ein Blitz hinter ihm) hat Swaran, der den großen Schild vorhält, den Helm vom Haupte geschlagen; der Speer des lezteren ist links in einen Baumstamm gefahren. Rechts weiter nach hinten sieht man wieder die Opfersteine, zwischen welchen Starno fortgeht, das schreckliche Haupt von Loda über ihm in Lüften”.671)

Runge wollte dem schwer entwirrbaren Handlungszusammenhang dadurch Ordnung geben, daß er Fingal und seine Krieger in schottischem Kilt, die Partei Starnos und Swarans dagegen in “altdeutschen” Feldpanzern des 16. Jahrhunderts darstellte: “Es kommen nun in der Ausführung Dinge vor, wie die Bekleidung u. s. w. Da die Gestalten immer wechseln, so ist es durch diese äußerlichen Zeichen allein möglich, sie festzuhalten, und die würden denn bleibend und kenntlich aus einem festen Princip durchgeführt. Das Ganze fällt auch hier in vier Theile, in Morven, Lochlin, die Inseln und Erin. Die Schilde von Morven wären rund, die von Lochlin viereckt, von Erin sechseckt, von den Inseln geflochten; so im Verhältniß die Bekleidung, Helme, Schwerdter; alles dieses schmilzt durch Variationen wohl ineinander, doch kann kein völliger Übergang eintreten”.672)

Entgegen diesen in der Textvorlage nicht zu findenden Überlegungen tragen Starno und Swaran, die feindlichen Herrscher von Lochlin (Skandinavien) in den Zeichnungen

“Der Bote von Starno und Swaran vor Fingal” (Abb. 142), “Fingal befreit Conbana”

(Abb. 145), “Starno und Swaran vor Lodas Steinen der Macht” (Abb. 150) und “Fingal im Kampf mit Swaran” (Abb. 155) jedoch sechseckige Schilde. In dem Blatt “Der Tod Conbanas” ist der erbeutete Schild Swarans achteckig (Abb. 159). Und in “Duthmarun hebt sich vom Hügel, Schlachtgetümmel”, das den Kampf der feindlichen Heere von Lochlin und Morven zeigt, sieht man schließlich runde und viereckige Schilde,

669) Stolberg, Bd. 1, S. 12 f. Die Zeichnung bei Traeger, Kat. Nr. 340. Ausst. kat. Hamburg 1974, Kat.

Nr. 65.

670) HS I, S. 269. Dazu Anhang, S. 5, Z. 10 − 14.

671) Daniel, Entwürfe: HS I, S. 267 f.

672) An Tieck, 29. März 1805: HS I, S. 263.

gen der hinter einer Tanne sich verbergende Swaran einen sechseckigen Schild trägt (Abb. 163). Bemerkenswerterweise zeigt Kochs Radierung “Fingal befreit Conbana”

den Feind Swaran mit einem gewölbten viereckigen Schild, während der Retter Fingal mit dem Rundschild auftritt (Abb. 145).

Berefelt und ihm folgend Hohl sahen die unantike Kostümierung der feindlichen Krie-ger in Runges szenischen Darstellungen in formaler Abhängigkeit von den Krie- germani-schen Trachtenstudien des Kopenhagener Akademieprofessors Wiedewelt, was auf ein Bemühen des Künstlers um ethnographische Genauigkeit hindeuten würde (Abb.

156).673) In diesem Zusammenhang vermutete Traeger jedoch, daß ein “geharnischter Ritter von Holz mit einem großen Spieß”, den Runge 1803 in seiner künftigen gemein-samen Wohnung mit Pauline in der Hamburger Schiffahrtsgesellschaft entdeckt hatte, als ganz unmittelbare Anregung gedient haben könnte. Außerdem war dort “ein würkli-cher Grönländiswürkli-cher Kahn mit einem gemachten Grönländer darin, ein großes Kriegs-schiff als Modell mit vollen Segeln, 5 Fuß lang (...)”, der nach Traeger wahrscheinlich Fingals Schiff in dem Blatt “Der Bote von Starno und Swaran vor Fingal” (Abb. 142) als Vorbild gedient hat und so Runges Bemühen um historische Authentizität − man erinnere sich an den “Stonehenge”-Bau der geplanten Einleitungsszene − in einer dem anschaulichen Denken des Künstlers entsprechenden Weise nachvollziehbar macht.674) Die 1806 in der “Allgemeinen Literatur-Zeitung” erschienene Rezension zu Ruhls Os-sian-Umrissen beurteilte das Problem folgendermaßen: “Die grosse Schwierigkeit des zu wenig bekannten Costume endlich musste den besten Künstler in eine gewisse Verle-genheit setzen, und Herr R.[uhl] konnte dabey wohl nicht ohne Verstoss durchkommen.

Die Bekleidung hat er sehr verschieden dargestellt. Zum Theil erscheinen die Helden und Fräulein beynahe nackend und barfuss, und das möchte bey der Rohheit des Volks der Wahrheit am gemässesten seyn (...). Es ist daher wohl zu wenig, dass Fingal auf der vierten Tafel ganz nackend erscheint, aber noch fehlerhafter zu viel, dass er auf der zweyten und fünften, so wie Ossian und seine Krieger auf der zehnten, Mantel und Leib-rock, zum Theil gar Panzerhemden mit blechernen Schuppen tragen (...) Die Bewaff-nung der alten Kelten war Schild, Spiess, Schwert und Bogen. Daher sind die Helme mit Flügeln und die griechischen Fußbekleidungen viel zu künstlich”.675)

Auch Joseph Anton Kochs Ossian-Illustrationen hätten unserem anonymen Rezensenten zu kritischen Worten Anlaß gegeben. Neben Rüstungen und Kostümen mit altdeutschen

673) Berefelt 1961, S. 183 f., 187 mit Abb. 120. Hohl in Ausst. kat. Hamburg 1974, Kat. Nr. 65. Vgl.

auch Okun 1967, S. 344.

674) An Pauline, 16. Dezember 1803: Degner 1940, S. 168. Traeger, Kat. Nr. 337.

675) Rez. Allg. L.-Z. 1806, Sp. 373.

Merkmalen verwendete er beispielsweise in der als Radierung ausgeführten Komposi-tion “Comala” verschiedene römische Feldzeichen wie Siegesadler, Liktorenbündel und Kohortenembleme (Abb. 157).676) In dem gleichnamigen Gedicht ist die Rede von ei-nem Heerzug Fingals gegen Caracul. Die Anmerkungen in der deutschen Übersetzung von Denis, die Koch gekannt haben dürfte, aber auch bei Stolberg besagen, daß mit Caracul der römische Kaiser Caracalla gemeint sei, der im Jahre 211 einen Feldzug ge-gen die Kaledonier (Schotten) unternommen habe. Später wird berichtet, daß schon Fin-gals Vorfahren Trathal und Trenmor über die Römer und den “König der Welt” − nach der Überlieferung sei dies der bedeutungsvolle Name für den römischen Kaiser − ge-siegt hätten.677) Als Zeichen ihres erneuten Triumphes bringen Fingals Krieger in Kochs Blatt “Comala” die römischen Feldzeichen aus der Schlacht zurück.

So dürfte in Runges Ossian-Zeichnungen die Kostümierung der Helden des Ge-schlechtes von Selma in einem historischen und idealen Sinne auf den Sieg des Lichtes über die irdische Finsternis verweisen. Schließlich zeigen die Helme Starnos und Swarans in den szenischen Darstellungen geflügelte Drachen (Abb. 143, 145, 155, 163), die nach biblischer Tradition als Verkörperung des bösen Prinzips zu verstehen sind (Joh. 12, 3.7.9; 13, 2.11; 20,2). Diese Bildidee könnte eine Erinnerung an die Beschäfti-gung mit “Achill und Skamandros” im Jahr 1801 enthalten, indem Runge in den ent-sprechenden Vorstudien einen liegenden Löwen auf dem Helm des Helden darstellte, der später zur Sphinx verwandelt wurde (Abb. 158).678) Die Adlerflügel auf dem Helm Fingals und seiner Krieger folgen dagegen der Ossianischen Dichtung. Im Rückgriff auf die bei Ossian mehrmals gebrauchte Adler-Metapher, in der sich das alte Sinnbild des Sieges und göttlicher Macht mit dem biblischen Symbol der Kraft, Erneuerung und geistiger Höhe überlagert, hat der Künstler in den Charakterbildern dem Schwert des Geschlechtes von Selma einen Adlerkopf als Griff gegeben (Abb. 65, 67).679)