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Duthmarun hebt sich vom Hügel, Schlachtgetümmel

IV. DIE SZENISCHEN DARSTELLUNGEN

7. Duthmarun hebt sich vom Hügel, Schlachtgetümmel

Die blutige Schlacht der feindlichen Heere bei Turthor’s Strom beschreibt Stolberg mit den Zeilen: “Sie gingen, jeder zu seinem trüben Hügel;/Der Schilde Ton behorchten Barden; es scholl/Dein Schild den lautesten Klang, o Duthmaruno!/Es ist dein, das Heer zu führen wider’n Feind!/Wie brausende Wasser stürzt Uthorno’s Volk/Herab; es leiten Starno die Schlacht und Swaran,/Umstürmter Inseln König; sie blickten über/Den

683) HS I, S. 270. Dazu Anhang, S. 5, Z. 34 − 40.

684) Daniel, Entwürfe: HS I, S. 268.

685) S. oben S. 99 f. Zur Bardenthematik s. oben S. 113.

686) Böttcher 1937, S. 163.

687) Zur Datierung der szenischen Darstellungen s. oben S. 26 ff. Hohl in Ausst. kat. Hamburg 1974, S.

94 f.

eisernen Schilden vor. So blickt Kruthloda,/Wenn hinter verfinstertem Mond, mit Flam-menaug’/Er schaut, und die Nacht mit seinen Zeichen streift./Die Heere begegnen sich bey Turthor’s Strom,/Sie wallen einher, wie Reih’n der Wogenfluth,/Es mischt sich lau-terschallender Waffenklang/Und über den Heeren schwebt des Todes Schemen./Die Schaaren sind den Wolken des Hagels gleich,/In deren Saum sich wirbelnde Winde dreh’n,/Wenn Schau’r auf Schauer rauschend herunterstürzt,/Und unten dunkelrollend die Tief’ aufschwillt!/Des düstern Uthorno Schlacht! ich werde nicht/Erneuen deine Wunden! Dahin bist du/Mit geschwundnen Jahren, welk vor meinem Geist!/Die eine Falte des Heers führt Starno izt/Heran, den eignen dunkelnden Flügel Swaran./Kein harmlos Feuer ist Duthmaruno’s Schwerd!/Hin, über seine Ströme, ward Lochlins Heer/Gerollt; verwirrt in Gedanken, schweigend, zürnt/Der Könige Wut; es sieht ihr finstrer Blick/Die Flucht des Landes; es tönte Fingals Horn!/Des Waldigen Albions Söhne kamen wieder,/doch viele lagen schweigend an Turthor’s Strom,/Beströmt mit ih-rem Blute, dahin gestreckt”.688)

In den Hinterlassenen Schriften findet man zur Schlachtenszene folgende Paraphrase:

“Duthmarun hebt sich vom Hügel (sein Schild war vor allen erschollen), die Helden um ihn stürzen zur Schlacht hin. Starno und Swaran mit dem Heer geworfen über Tur-thor’s Strom. Fingal stößt zum Ablassen vom Kampf in’s Horn. V. 61 90”.689) Daniel beschreibt die Zeichnung (Abb. 163) mit den Worten: “(sehr ausgeführt). Links hinter einer Tanne Swaran in voller Rüstung, wie es scheint beobachtend. Rechts hinter einem Felsstücke der Barde, die Harfe rührend, weiter hinten unter einer entlaubten Ei-che Fingal, das Horn blasend, die Sonne hinter ihm. Den bey weitem größten Theil des Blattes füllt das Getümmel und Gewühl der Schlacht; die von Lochlin werden nach vorne hin über den Strom geworfen, erschlagen, erstochen, oder fliehen”.690)

Schon Böttcher fühlte sich in der Verkettung und rhythmischen Gruppierung der Kämp-fergruppen, der häufigen Reliefreihung, der Schichtung und Staffelung der Figuren an die historischen Kompositionen der Klassizisten erinnert (Abb. 164).691) Hohl wies auf eine Schlachtenszene Hardorffs in Stolbergs Aischylos-Übersetzung hin (Abb. 165).692) Schließlich ließen sich für die einzelnen Stellungsmotive der Kämpfenden, Sterbenden und Fliehenden zahlreiche antike Vorbilder bestimmen. So dürfte der rechts neben der

688) Stolberg, Bd. 1, S. 21 f. Die Zeichnung bei Traeger, Kat. Nr. 343. Ausst. kat. Hamburg 1974, Kat.

Nr. 68.

689) HS I, S. 270. Dazu Anhang, S. 5, Z. 41 − 46.

690) Daniel, Entwürfe: HS I, S. 268.

691) Böttcher 1937, S. 163 f.

692) Hohl in Ausst. kat. Hamburg 1974, S. 96.

nach unten stürzenden Kämpfergruppe auf dem Boden liegende Gefallene mit seinem nach hinten gestreckten Arm und den überkreuzten Beinen durch die in zahlreichen Abgüssen bekannte antike Niobiden-Gruppe angeregt worden sein (Abb. 166).

Auf die Bedeutung des Barden im rechten Bildhintergrund wurde bereits hingewiesen.

Die symbolische Zuordnung des triumphierenden Fingal zur kahlen Eiche im rechten Bildhintergrund sowie Swarans zur Fichte links vorne ist nicht unmittelbar durch die zugrundeliegende Textstelle motiviert. Es konnte aber bereits gezeigt werden, daß in der Ossianischen Dichtung die Tanne und besonders die Eiche immer wieder auf das Schicksal der menschlichen Helden bezogen werden.693) Auch in dem Blatt “Starno und Swaran vor Lodas Steinen der Macht” (Abb. 150) wiederholt sich in den hochauf-ragenden, kahlen Eichen die Körperhaltung der frühzeitlichen Krieger. Und in der Zeichnung “Der Tod Duthmaruns” (Abb. 167) versinnbildlicht die Kahlheit der sich neigenden Eiche das Sterben des Helden auch in einem jahreszeitlichen Sinn.694) In

“Der Krieg von Inisthona” heißt es: “Auch Annir hat einst die Kämpfe des Speers ge-sehn!/Er erbleicht, er welkt wie die Eich’ am Lano hin”. Und wenig später: “Ich neige mich vor, wie alternder Eiche Stamm,/Und es fleusst mir immerdar die Träne des Harms!”695) Im dritten Gesang des Gedichtes “Kathloda” liest man über Starno und Swaran: “Abwärts, vom einen gekehrt der andre, steh,/Zwo Eichen gleich, sie da, die verschiedne Stürme/Vor Zeiten beugten (...)”.696) In “Karrikthura” heißt es: “Auf dem Hügel steht/Einsam der Baum,/Er bezeichnet den schimmernden Konnal (...) Wer ver-mag zu gelangen,/O Konnal, zur Quelle/Deines Geschlechts?/Wer herzuzählen/Der Väter Reihe?/Dein Stamm wuchs empor/Der Eiche des Berges gleich,/Die dem Winde begegnet/Mit hohem Haupt./Nun ward sie dem Boden entrissen!” Dann liest man über den jungen Helden: “Er stürzt, wie die Eiche der Ebne,/Wie von zackigtem Hügel der Fels”.697)

Auch im künstlerischen Schaffen Caspar David Friedrichs hat man die Eichen als Sinnbilder einer heidnisch-heroischen Lebensauffassung interpretiert (Abb. 39, 54).698)

693) S. oben S. 116, 118.

694) Traeger, S. 83.

695) Stolberg, Bd. 1, S. 258, 262. Ebd.: “(...) geh fort zu den grauen Strömen daheim,/Und modre der Eiche gleich, die entlaubt der Sturm/Hinbeugte, wo sie verdorrt, an des Balva Flut!” Ebd., S. 206:

“Der entblätterten Eiche gleich, sprach Lamor, muss/ich fallen; sie wuchs auf dem Fels, da ward gestürzt/Sie vom Sturm! an meinen Hügeln erscheint/Mein Geist (...)”.

696) Stolberg, Bd. 1, S. 30 f. Dazu Anhang, S. 6, Z. 24 ff.

697) Stolberg, Bd. 1, S. 84 f., 86.

698) Dazu Börsch-Supan 1973, Kat. Nr. 147, 254, 162, 169.

In seinem “Abend des Abendlandes” vom Frühjahr 1805 hat Runge die mächtig aufra-gende Eiche dem heidnischen Dichter zugeordnet (Abb. 22). Mit einem wenig belaub-ten, beinahe muskulös wirkenden Ast scheint der Baum “wie ein Held”699) hinüber zur Buche hinter der Quellnymphe zu greifen. Diese ist bis zum Boden mit dichtem, breit wucherndem Laubwerk besetzt und bildet so einen weiblichen Gegensatz zur männlich-kargen, fest stehenden Eiche. Der bis in die Antike zurückreichende literarische Topos der Baumhochzeit dient hier ebenso wie in Runges Gemälde “Wir drei” (1805) als na-turhaftes Sinnbild für die liebende Vereinigung von Menschen, die sich unter dem über-greifenden Bogen der Bäume ereignet.700) Runge dürfte dieses in der Romantik freilich weit verbreitete Bildmotiv unter dem Eindruck seiner Ossian-Lektüre entdeckt haben, denn im poetischen Kommentar des Künstlers heißt es: “Sie standen in ihrer Schöne schweigend da, zwey jungen Bäumen der Ebene gleich (...) über den beyden Liebenden erheben sich zwey junge Bäume”.701)