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Falsch-bzw Desinformationen und Regulierungsvorschläge

5. Internet als neues Medium

In diesen herausfordernden Zeiten ist es nicht nur eine Pandemie, die die Gesundheit der Bevölkerung betrifft, sondern, wie sie die WHO bezeichnet, eine „Infodemie“. Es handelt sich dabei um „eine

278 G Nr 416 vom 05.08.1981, GA Nr 215 vom 06.08.1981.

279 G Nr 223 vom 06.08.90, GA Nr 185 vom 09.08.1990.

280 Razzante, Manuale, S. 397.

übermäßige Menge von Informationen über ein Problem, die eine Lösungsfindung erschwert“.281 Falschmeldungen diskreditieren Menschen, verstärken oder verfestigen bereits bestehende Feindbil-der und Vorurteile bis hin zur Dämonisierung. Dies kann zu Arroganz und Hass führen.282

Etablierte Medienhäuser haben in den letzten Jahren an Vertrauen in der Bevölkerung verloren.283 Dieser Vertrauensverlust ist verbunden mit dem Vertrauensverlust in Suchmaschinen und soziale Netzwerke, da sie vermehrt Falschnachrichten verbreiten. Der Qualitätsjournalismus ist für Men-schen, besonders im Internet, immer schwerer als solcher erkennbar.284

Falschnachrichten gehören zum übergeordneten Thema „Recht auf Wahrheit“. Bereits im 20. Jahr-hundert haben Opfer von schweren Verbrechen gegen die Menschlichkeit ein Recht auf Wahrheit gefordert. Dieses Recht konnte sich bis heute nicht im Völkerrecht durchsetzen, auch nicht auf euro-päischer Ebene. Das Recht auf Wahrheit beinhaltet die Pflicht des Staates einzugreifen, wo im öf-fentlichen Diskurs Darstellungen erfolgen, die nicht der objektiven Wahrheit entsprechen.285

Durch Falschinformationen bzw Desinformationen können Demokratien destabilisiert, die Glaub-würdigkeit verschiedener Akteure untergraben oder geschwächt werden. Die Bürger werden verun-sichert und zweifeln immer mehr.286

Sie verlieren das Vertrauen in staatliche und unionale Strukturen. Besonders Desinformationskam-pagnen fördern die Polarisierung der öffentlichen Meinung. Sie werden auch dazu eingesetzt, das europäische Projekt zu untergraben.287

Dabei darf aber das Recht auf freie Meinungsäußerung nicht verletzt werden. Dieser wichtige Aspekt muss immer im Hintergrund bleiben, wenn Maßnahmen ergriffen werden, die gegen Falsch bzw Des-informationen wirken sollen.288

Aus diesem Grund hat die Europäische Union verschiedene Maßnahmen ergriffen, darunter ein Ak-tionsplan, der im folgenden Kapitel dargestellt wird.

B. Ursachen

Im Folgenden werden, die wichtigsten Ursachen, die die Entstehung von Falsch bzw

Desinformatio-281 Bekämpfung von Desinformation im Zusammenhang mit COVID-19 - Fakten statt Fiktion, KOM (2020) 8 endg. S.

1.

282 siehe <http://www.vatican.va/content/francesco/de/messages/communications/documents/papa-francesco_20180124_messaggio-comunicazioni-sociali.html> (17.03.2021).

283 <https://www.digitalnewsreport.org/publications/2020/trust-will-get-worse-gets-better/>(16.03.2021).

284 Ukrow/Etteldorf, “Fake News”, S.14.

285 Ukrow/Etteldorf, “Fake News”, S. 8.

286 Bekämpfung von Desinformation im Zusammenhang mit COVID-19 - Fakten statt Fiktion, KOM (2020) 8 endg. S.

3.

287 Aktionsplan gegen Desinformation, KOM (2018) 36 endg. S. 3.

288 Bekämpfung von Desinformation im Zusammenhang mit COVID-19 - Fakten statt Fiktion, KOM (2020) 8 endg. S.

5.

nen begünstigen aufgezeigt. Da dieses Thema nicht isoliert vom technischen Aspekt behandelt wer-den kann, werwer-den am Ende einige technische Begleiter beschrieben.

Durch das Internet und die sozialen Netzwerke werden Falschnachrichten auf der ganzen Welt ver-breitet. Dies kann oft innerhalb von wenigen Sekunden erfolgen.289

Klassische Medien sind häufig auf ein regionales Sprachgebiet begrenzt. Dies gilt allerdings nicht für Nachrichten im Internet. Denn mit Hilfe von Sprachassistenten sind Posts auf der ganzen Welt in die eigene Sprache übersetzbar und somit für jeden, unabhängig von Ort, Zeit und Sprache ver-ständlich.290

f. Fehlende fachliche Kompetenzen

Heute kann jeder auch ohne fachliche Kompetenzen und ohne große finanzielle Mittel journalistisch tätig werden. Jeder kann als Influencer oder auf einem Blog seine Meinung zu einem Thema äußern.

Das Internet gibt jedem die Möglichkeit, gleichzeitig Autor, Redakteur und Verlag zu sein.291

Dies hat allerdings auch einige Schattenseiten. Ohne fachliches Wissen können schnell Nachrichten verbreitet werden, die, auch ungewollt, eine Falschnachricht darstellen, da oft bei vielen Influencern das journalistische Handwerk fehlt. Zuerst wird über Mode und Kosmetik berichtet, dann aber später der Fokus auf politische Themen gerichtet.292

Sie können dabei eine große Anzahl von jungen Leuten erreichen, die die klassischen Medien kaum noch konsumieren. Im Digital News Report 2020 für Österreich gaben 68,5 % der 18- bis 24-Jährigen an, dass sie die sozialen Medien als Hauptnachrichtenquelle benutzen, bei den 25- bis 34-Jährigen liegt der Wert aktuell bei 63,2%.293

g. Trennung Werbung und redaktioneller Teil

Bei den klassischen Medien wird eine Trennung von redaktionellem Teil und Werbung gesetzlich vorgegeben. Es ist klar erkennbar, wenn es sich um Werbung handelt, im Fernsehen wird dies deutlich mit einer Einblendung Werbung gekennzeichnet. Des Weiteren sind Nachrichten oder Informations-sendungen klar von Inhalten, die der Unterhaltung dienen, vom Zuschauer unterscheidbar. Dasselbe gilt für Radio und Zeitungen. Im Internet verwischen die Grenzen zwischen Werbung und redaktio-nellem Teil.294

Oft ist es dem Zuschauer, beispielsweise auf YouTube, nicht möglich zwischen redaktionellem Inhalt

289 Caretti/Cardone, Diritto, S. 256.

290 siehe<https://www.medienanstalt-nrw.de/fileadmin/lfm-nrw/Forschung/LfM-Band-60.pdf >(17.05.2021).

291 Caretti/Cardone, Diritto, S. 254.

292 Wegert, Beauty und Amthor, in Spiegel Nr 2 vom 09.01.2021, S. 50 f.

293 siehe <http://www.digitalnewsreport.at/ > (26.03.2021).

294 Ukrow/Etteldorf, “Fake News”, S. 20.

und einem gekauften Beitrag, der sog Schleichwerbung zu unterscheiden. Bei dieser Art der Darstel-lung kann es vorkommen, dass Fakten im Sinne des Unternehmens dargestellt werden und es zu Falschmeldungen kommt.295

Zwar gibt es auch im Internet die Kennzeichnungspflichten und Trennungsgebote, sie sind aber auf digitalen Plattformen schwieriger durchzusetzen. Ein weiterer Bereich, der sich im Internet ver-mischt, sind Nachrichten und Kommentare. Der Inhaltsanbieter ist nicht nur Rezipient, sondern kom-mentiert auch auf Grundlage von anderen Kommentaren. Dadurch kann es wiederrum zur Vermi-schung und VerfälVermi-schung von Inhalten kommen.296

h. Wettbewerb

Die sog. klassischen Medien stehen immer mehr im Wettbewerb zu den sozialen Netzwerken. Soziale Medien produzieren sehr viel in sehr kurzer Zeit. Dies führt dazu, dass auch die klassischen Medien für die Erstellung von Beiträgen immer weniger Zeit veranschlagen. Dabei kann es zur Vernachläs-sigung bei der Überprüfung auf deren Korrektheit und Differenzierung kommen. Diese veränderte Arbeitsweise ermöglicht es, dass Nachrichten nicht der Wahrheit entsprechen.297

Die sozialen Netzwerke stehen auch untereinander im großen Wettbewerb. Damit sie in der Vielzahl von Online-Seiten wahrgenommen werden, greifen viele auf sogenanntes Clickbaiting zurück. Dies sind Überschriften, die besonders sensationelle Ankündigungen sind. Sie stellen Tatsachen bzw Fak-ten in einer sehr übertriebenen und zugespitzFak-ten Art und Weise dar, die aber sehr oft nichts mehr mit der Realität zu tun haben. Dies kann zu einer falschen Wahrnehmung der Wirklichkeit führen. Liest der User den dazugehörigen Bericht, bemerkt er schnell, dass es sich „nur“ um einen Köder gehandelt hat, um ihn länger auf der Seite zu halten. Klickt der User aber nicht auf die Überschrift, dann erkennt er nicht, dass es sich um eine übertriebene Darstellung des Inhalts handelt und es sich somit um eine mögliche falsche Darstellung handelt.298

Auch Unternehmen stehen immer mehr im Wettbewerb zueinander. Daraus resultiert, dass immer mehr Falschmeldungen verbreitet werden, um den Konkurrenten zu schaden.299

i. Mangel an finanziellen Mitteln klassischer Medien

Das Schalten von Werbung bei den klassischen Medien stellt eine wichtige Einnahmequelle dar. Da diese Quelle zunehmend versiegt, stehen immer weniger finanzielle Mittel zur Verfügung, die ein

295 Ukrow/Etteldorf, “Fake News”, S. 20.

296 Ukrow/Etteldorf, “Fake News”, S. 20 f.

297 Ukrow/Etteldorf, “Fake News”, S. 20.

298 Ukrow/Etteldorf, “Fake News”, S. 20.

299 Ukrow/Etteldorf, “Fake News”, S. 19.

sorgfältiges Arbeiten ermöglichen und das Produzieren von möglichen Falschnachrichten verhin-dern.300

Durch COVID-19 Krise kommen auch zusehends etablierte Medienhäuser in Bedrängnis. Aus diesem Grund stellt sich die Frage, ob es nicht auch an der Zeit ist, für qualitativ hochwertige Informationen mehr zu bezahlen.301

j. Veränderter Medienkonsum

In der Zeit der globalisierten Welt, in der alles immer schneller vonstattengeht und die Aufgaben immer vielfältiger sind, haben viele Menschen, besonders jüngere zwischen 14 und 24 Jahren kaum noch Zeit sich in Ruhe zu informieren und das Gelesene zu reflektieren bzw darüber nachzudenken.302 Auch die verkürzte Darstellung von Nachrichten auf sozialen Medien, sog. Snippets, fördern Falsch-meldungen. Besonders dann, wenn es sich um einen komplexen Inhalt handelt, der sich nicht in einer Kurznachricht zusammenfassen lässt.303

Auf der Welt finden täglich viele Ereignisse statt, die nicht alle mit Hilfe von Nachrichten der Öf-fentlichkeit zugänglich gemacht werden können. Daher braucht es eine Vorsortierung der relevanten Nachrichten für das Publikum. Bei den klassischen Medien übernimmt diese Aufgabe der Redakteur, der den Inhalt einer Nachrichtensendung festlegt. Bei sozialen Netzwerken sind dies Algorithmen, die auf Basis unseres Userverhaltens die relevanten Nachrichten zur Verfügung stellen. Dadurch wer-den schon ganz am Anfang, meistens ohne, dass es der User weiß, Informationen nicht angezeigt, die für eine kritische Auseinandersetzung wichtig wären. Der Blickwinkel wird durch den Algorithmus eingeschränkt, es wird nur das sichtbar, was einem zuspricht, alles andere bleibt außen vor.304

k. Marktmacht

In diesem Zusammenhang ist auch die Marktmacht bzw Meinungsmacht von einigen sozialen Platt-formen zu nennen. Millionen von Nutzern konsumieren diese PlattPlatt-formen täglich, was einen wesent-lichen Einfluss auf die Vielfalt der Informationen hat.305

Aus diesem Grund wird von einigen Interessengruppen gefordert, dass die große Technologie Unter-nehmen zerschlagen werden sollen, damit auch auf diesen Sektor, mehr Wettbewerb entstehen kann.306