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Fünfte Phase: Das Schengener Abkommen - Polen als Staat mit der EU- EU-Ostaußengrenze nach 2007

Die Europäisierung der Asyl- und Migrationspolitik nach 1989

4.2. Die Entstehung polnischer Migrationspolitik unter dem Eindruck von Transformation und Europäischer Integration – ein Phasenmodell

4.2.5. Fünfte Phase: Das Schengener Abkommen - Polen als Staat mit der EU- EU-Ostaußengrenze nach 2007

Nach einer langen Vorbereitungsphase ist Polen mit acht anderen EU-Mitgliedsstaaten37 am 21. Dezember 2007 dem Schengenraum beigetreten. Bereits im Zuge des EU-Beitrittsprozesses erklärte sich Polen und die anderen Beitrittskandidaten bereit, den gesamten europäischen Rechtsbesitzstand, den Acquis Communitaire, aus dem Bereich „Justiz und Innenpolitik“ zu übernehmen, zu dem auch die Vorschriften des Schengener Abkommens gehörten. Das Schengener Abkommen zum „schrittweisen Abbau der Kontrollen an den gemeinsamen

37 Dazu gehörten; Estland, Lettlan, Litauen, Malta, die Slowakei, Slowenien, die Tschechische Republik und Ungarn.

Grenzen“ (vgl. Schengener Übereinkommen 1990) hat tatsächlich die grundlegenden Ziele des Vertrages von Rom – freier Personen- und Güterverkehr – in größerem Ausmaß verwirklicht (vgl. Jasinski 2003:141). Das grundlegende Ziel der Verhandlungen im Vorfeld der Unterzeichnung war es, die Kontrollen an den gemeinsamen Binnengrenzen abzuschaffen, diese aber gleichzeitig an den Außengrenzen des Vertragsraumes auszubauen (vgl. Sturm/ Pehle 2006:166). Um das Abkommen umzusetzen, wurde ein Programm von Ausgleichsmaßnahmen entwickelt, um die Binnengrenzkontrollen abzuschaffen: einheitliche Standards zur Kontrolle von Außengrenzen, Implementierung einer gemeinsamen Visapolitik, restriktivere Zugangsbedingungen für Drittstaatsangehörige, Bekämpfung irregulärer Migration-, sowie Ausbau und Zusammenarbeit von Polizei und Gerichten. Die

„Schengener Philosophie“ fußt auf dem Leitsatz: Freiheit im Inneren durch rigide Kontrollen an den Außengrenzen (vgl. Sturm/Pehle 2006:166f.). Die Programmatik wird durch das Schengener Informationssystem (SIS) ergänzt, das im Rahmen der polizeilichen Zusammenarbeit den Behörden Zugriff auf persönliche Daten von Drittstaatsangehörigen ermöglicht. Die Kontrolle über die Ein- und Ausreise von Nicht-EU-Bürgern und -Bürgerinnen bildet dabei die Hauptaufgabe des SIS (vgl.

Roos 2005: 359). Um dem Schengenraum beitreten zu können, musste Polen eine Reihe von EU-Standards erfüllen. Darunter fielen der Ausbau der Infrastruktur zur Grenzsicherung, die Vorbereitung einer Verwaltung zur effektiven Ausrichtung des EU-Rechts sowie in diesem Zusammenhang die Übernahme einer Reihe von rechtlichen Lösungen wie der Einführung der EU-Visabestimmungen, die als Instrumente zur Bekämpfung illegaler Einwanderung und grenzüberschreitenden Kriminalität der Europäischen Union dienen (vgl. Schengener Übereinkommen 1990).

Um den Schengen-Acquis umsetzen zu können wurden von der polnischen Regierung unter Leitung des polnischen Innenministeriums zwei Strategieprogramme erlassen: die „Strategie zur integrierten Grenzverwaltung“

(Strategia Zintegrowanego Zarządzania Granicą) s o w i e der „Schengen Aktionsplan“ (Plan Działania w zakresie wdrażania dorobku prawnego Schengen w Polsce ) (vgl. Iglicka, Kaźmierkiewicz/ Mazur-Rafał 2003:27) . Grundlegend für die

Umsetzung des Schengen-Rechtsbestandes war der „Schengen Aktionsplan“, der am 15. August 2001 durch das Europäische Integrationskomitee verabschiedet wurde (vgl. Dietrich 2002). Dieses Dokument wurde anschließend jährlich aktualisiert, setzte sowohl Prioritäten als auch Umsetzungsarten des Rechtsbestandes des Schengen-Acquis in Polen fest und bestimmte die Abwicklungstermine einzelner Maßnahmen.

Seit dem EU-Beitritt im Mai 2004 ist die Republik Polen im Rahmen des Bereichs

„Justiz und Innenpolitik“ zur Sicherung der Ostgrenze des Landes verpflichtet, die heute die längst EU-Außengrenze bildet. Für Polen liegen derzeit die größten migrationspolitischen Herausforderung in der 1143 Kilometerlangen, schwer zur sichernden Grenze zur Ukraine, zu Belarus und zur Russischen Föderation (vgl.

Jaroszewicz 2007:10). In den Ausbau der EU-Ostaußengrenzen flossen in den vergangenen Jahrzehnten Millionen Euro, die überwiegend von der EU getragen wurden. Für die Verbesserung der Infrastruktur, die Verstärkung der Grenzpolizei und den Ausbau des Grenzschutzes erhielt Polen im Rahmen des PHARE Programms der EU von 1990 bis 1999 insgesamt rund zwei Milliarden Euro. Vor dem EU-Beitritt, in den Jahren 2000 und 2001 lagen die Zuwendungen noch bei 484 beziehungsweise 468,5 Millionen Euro (vgl. Dietrich 2002; MuB-Länderprofil Polen 05/03).

Um die Kriterien des Schengener Abkommens zu erfüllen, musste Polen die Visapflicht für seine östlichen Nachbarn einführen. Diese Forderung löste in Polen eine heftige Debatte aus und stieß auch in den Nachbarstaaten auf heftige Kritik und Widerstand (vgl. Kindler 2008), so dass wirklich erst kurz vor Beendigung der Beitrittsverhandlungen, im Herbst 2003 die Visapflicht eingeführt wurde. Seither befinden sich die Bürger und Bürgerinnen der östlichen Nachbarstaaten auf der so genannten „schwarzen Liste“ (vgl. Interview Pilaszkiewicz 2006) und dürfen nur mit einem Visum in die EU einreisen. Die Visa-Neuordnung und die verstärkten Grenzkontrollen hatten für den grenzüberschreitenden Kleinhandel und für die nachbarschaftlichen Beziehungen nach Osten, die nach dem Fall des Eisernen Vorhangs wiederbelebt werden konnten negative Auswirkungen (vgl. Iglicka u.a. ).

Vor allem um die Beziehungen zur Ukraine, mit der Polen ein positives Verhältnis nach der Wende aufbauen konnte, wurde gebangt. Die Notwendigkeit der

Visa-Einführung wird noch heute von vielen Polen und Polinnen als Rückschlag empfunden und als neue Trennlinie in Europa interpretiert (vgl. Gazeta Wyborcza vom 11.11.2003). Bis 2003 konnten Bürger und Bürgerinnen der östlichen Nachbarstaaten frei einreisen. In den Jahren 1989 bis 1993 wurden unter dem damals amtierenden Außenminister Krzysztof Skubiszewski der Mazowiecki-Regierung die Ziele einer neuen Ostpolitik formuliert. Dabei sollten „die Nähe und Verständigung der Grundstein einer Wiederannäherung auf anderen Grundsätzen als früher“

( vgl. Kicinger 2005:17) bilden. Bekräftigt wurde dieser Vorsatz Anfang der 1990er Jahre durch die Ratifizierung verschiedener bilateraler Verträge zwischen Polen und den östlichen Nachbarn. Die polnische Ostpolitik sollte die demokratischen und wirtschaftlichen Veränderungen – allen voran die Unabhängigkeitsbestrebungen der östlichen Nachbarn unterstützen und so zu einer langfristigen Stabilität im Osten beitragen (vgl. Cichocki/ Kononchuk 2009:625ff.). Die Einführung der Möglichkeit des visafreien Grenzübertritts für Bürger und Bürgerinnen der Ukraine, Belarus und Russland ergänzte diese Bestrebungen.

5. Konkretisierung und Vertiefung der polnischen