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Vom Forschungsstand ausgehend geht die Studie der Frage nach, wie sich Migrationspolitik in Polen im Zuge des Transformations- und EU-Beitrittsprozesse darstellt, inwieweit eine solche überhaupt existent ist. Es wird eine Analyse von Migrationsprozessen und des institutionellen Systems von Migrationspolitik in Polen vorgenommen. Die Untersuchung versteht sich als ein Beitrag zur

politik-wissenschaftlichen mittel- und osteuropabezogenen Transformationsforschung.

In der Studie wird davon ausgegangen, dass sich wichtige Erkenntnisse über die gesellschaftliche und politische Transformation in Polen, zu der durchaus zentral die Entwicklung von Migration und den Umgang damit gehören. Dem Forschungsprojekt liegt die Annahme zu Grunde, dass sich am Umgang mit Migration ablesen lässt, ob eine Gesellschaft sich als extern und intern offen beziehungsweise geschlossene Gesellschaft entwickelt ( vgl. Seifert 2000). In allen Staaten des ehemaligen Ostblocks waren in den Jahrzehnten des Kalten Krieges nicht nur die Reisefreiheit, sondern jegliche Wanderungsbewegungen mit starken Barrieren verbunden. Jahrzehntelang war in den mittel- und osteuropäischen Staaten keine beziehungsweise eine passive Migrationspolitik politisch gewollt, sie prägte den Alltag und ganze Biografien von Menschen. Erst im Zuge der Liberalisierung und schließlich im Verlauf des Zusammenbruchs der alten politischen Systeme erfolgte der Aufbau des Politikbereichs Migrationspolitik.

Polen gilt bezüglich seiner Bevölkerungsstruktur als homogener Staat und bis 1990 als klassisches Auswanderungsland. Der Anteil der ausländischen Bevölkerung ist im Vergleich zu anderen westeuropäischen Staaten sehr gering. Er liegt bei zirka 0,1 Prozent (vgl. Alscher 2008:5). Die offizielle Zahl des polnischen Amtes für Statistik lagen 1999/ 2000 bei rund 43.000 (vgl. CBOS 2000), wurden von regierungsunabhängigen ExpertInnen aber als zu niedrig eingeordnet. Es bestehen erhebliche Lücken in der Verfügbarkeit von Daten. Der Internationale Migrationsreport 2002 der UN Population Division (vgl. MuB 9/02) schätzte die Zahl der in Polen lebenden AusländerInnen inklusive Flüchtlinge auf zirka 2,1 Millionen Personen. Diese Zahl würde einem Ausländeranteil von 5,4 % entsprechen. Aber verfügbare Daten, die zitiert werden, sollten immer mit einer gesunden Skepsis vor der Aussagekraft von Statistiken gesehen werden.

In der vorliegenden Untersuchung wird die Herausbildung eines m i g r a t i o n s r e l e v a n t e n I n s t i t u t i o n e n s y s t e m s u n d d a s H a n d e l n v o n migrationspolitischen AkteurInnen während des Transformations- und Konsolidierungsprozesses Polens untersucht. Hierfür sind drei Untersuchungsebenen vorgesehen: Erstens wird auf die polnische Wanderungstradition und die spezifische

Wanderungssituation in Ostmittel- und Osteuropa zurückgeblickt.

Zweitens werden die einzelnen Entwicklungsphasen der polnischen Migrationspolitik unter dem Einfluss der EU-Beitrittsbemühungen aufgezeigt.

Drittens werden die einzelnen migrationsrelevanten politischen Institutionen auf ihre Entstehung und ihre institutionelle Konfiguration hin untersucht. Für dieses Analyse wurde aus der Gesamtheit der Politikbereiche Polens eine Auswahl getroffen.

Untersucht werden soll die Entwicklung einer demokratischen Migrationspolitik unter dem Einfluss der Europäisierung und nationaler Interessen.

Diese Untersuchung ist eine Analyse der Wanderungsbewegungen und des institutionellen Systems der polnischen Migrationspolitik im Transformationsprozess nach 1989.

Die Rolle Polens als klassisches Auswanderungsland stand schon mehrfach im Fokus forschungsstrategischer Perspektiven. Bereits in vielfacher Qualität ist das Auswanderungsland Polen Gegenstand zahlreicher Forschungsarbeiten in Polen und Deutschland gewesen. (vgl. Miera 2007, vgl. Bade/ Oltmer 2007, vgl. Blaschke 2001, vgl. Cyrus 2000, vgl. Fassmann 2000, vgl. Galecki/ Kerski 2000, vgl. Igliska 2001a, Mazur-Rafał 2003, vgl. Morakvasic/ Tigny 1993, vgl. Morakvasic/ Rudoloh 1994, Okólski 1994a, vgl. Pallaske 2002). Daraus resultiert, dass die migrationspolitischen Bestimmungen und Institutionen, die die Auswanderung von ethnischen PolInnen regeln, hinlänglich untersucht worden sind und nur am Rande in die Analyse des vorliegenden Forschungsprojektes einbezogen werden. Die Studie konzentriert sich daher auf die Einwanderungspolitik und schließt damit in der deutschsprachigen Forschung eine Forschungslücke. Innerhalb der migrationspolitischen Debatte besteht zwar ein wachsendes Interesse an Polen, das sich durch seine exponierte Außengrenzlage in Europa ergibt, dennoch ist die Entwicklung der polnischen Migrationspolitik, der Wandel Polens zur Aufnahme-und Einwanderungsgesellschaft bisher nicht ausreichend analysiert worden.

Für die Analyse der staatlichen Seite des Migrationssystems wurde ein institutioneller Zugang gewählt, der es ermöglichen soll, die Verortung von migrationspolitischen Fragen im polnischen Institutionengefüge zu ermitteln.

Darunter finden sich Institutionen, die sich gänzlich mit migrationsrelevanten Fragen

befassen und solche, die nur über eine teilweise Zuständigkeit verfügen. Es wird davon ausgegangen, dass nach dem Systemumbruch sämtliche Politikbereiche vom demokratischen Wandel erfasst wurden. Dementsprechend müssen sich auch im Bereich der Migrationspolitik neue Entwicklungen untersuchen lassen. Es stellt sich die zentrale Leitfrage, ob sich in Polen nach 1989 ein eigenständiges Migrations-regime entwickelt und auf welche Konzepte Polen bei der Entwicklung des Politikbereichs zurückgegriffen hat. Gefragt wird nach den Einflussfaktoren, ob es Kontinuitäten zu Vorläufer-Regimen gibt oder ob die Erfahrungen als Auswanderungsland eine Rolle spielen. In diesem Kontext wird zudem danach gefragt, welche Konfiguration das politische Institutionengefüge aufweist und ob das migrationspolitische Arrangement der Institutionen als konsolidiert oder kohärent gelten kann.

Die Forschungsarbeit wurde induktiv durchgeführt, d.h. das aufgrund empirischer Ergebnisse Aussagen über die intermediären AkteurInnen und die Entwicklung eines migrationsrelevanten politischen Institutionengefüges in einer sich konsolidieren ethnisch homogenen Demokratie getroffen werden.

Anhand der vorgelegten Fragestellung, wird der Wandel Polens zum Einwanderungsland untersucht und danach gefragt, wie dieses neue EU-Mitglied sich im Spannungsfeld unterschiedlicher Ansprüche der westlichen EU-Nachbarn und östlichen Nicht-EU-Nachbarn sowie in der Rollen als EU-Aufnahmeland für Migrierende und Flüchtlinge bewegt. Dabei wird durch eine Policy-Analyse der Zusammenhang zwischen politischer und ökonomischer Transformation einerseits und von Migrationsbewegungen andererseits thematisiert.

Dabei stehen drei Dimensionen im Mittelpunkt des Forschungsinteresses:

(1) Der Verlauf politischer Entscheidungsprozesse in der Republik Polen im Verlauf der Transformations- und EU-Beitrittsprozesse (politics-Dimension).

(2) Die Entstehung migrationsrelevanter politischer Institutionen seit dem Systemwechsel und die Errichtung eines Migrationssystems (polity-Dimension).

(3) Die Entwicklung und Ausgestaltung der polnischen Migrationspolitik (policy-Dimension).

Indem die Studie der Frage nach geht, wie die Politik der Republik Polens auf die neuen migrationspolitischen Herausforderungen nach 1989 reagiert hat und zu welchen Ergebnissen sie gelangt ist. Daraus ergeben sich zahlreiche Teilfragen nach den Einflussfaktoren:

(1) Welche Bedeutung hatten institutionelle AkteurInnen der Exekutive, Legislative, und Judikative für die Ausgestaltung der polnischen Migrationspolitik?

(2) Welche Bedeutung hatte der Transformationsprozess?

(3) Welche Bedeutung hatte „Europa“, seine AkteurInnen und Vorstellungen?

Welchen Einfluss hatten die EU-Beitrittsverhandlungen und der EU-Beitritt auf die polnische Einwanderungspolitik?

(4) Welche Bedeutung hatten innenpolitische Interessen, die Rücksicht auf die Bedürfnisse des Arbeitsmarktes?

(5) Welche Bedeutung hatten außenpolitische Interessen, die Beziehungen zu den historisch nahestehenden Nachbarstaaten in Mittel- und Osteuropa?

(6) Welche Wirkung hatten die Migrationserfahrungen, die Vergangenheit als Auswanderungsland?

2. Konzeptionelle und methodische Anlage der