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Expositionsmonolog, Simultanmonolog,

2 Gattungsverständnis von Hans Sachs

3.2    Expositionsmonolog, Simultanmonolog,

Auftrittsmonolog und Fremdcharakterisierung im Pluto17

Die Comedi Der Pluto ist das fünfte18 Drama von Sachs. Er dichtete es 153119 als erste Comedi unter Rückgriff auf das antike Drama Plutos20 von Aristophanes.21 Im Titel gibt Sachs den Pluto mit fünf Akten an, im Text finden sich hingegen nur vier, obwohl er auch Abschnitte aus dem fünften Akt der Vorlage über-nimmt:22

16 Stuplich 1998, S. 256.

17 Der vollständige Titel lautet Ein comedi, mit 11 person zu recidirn, der Pluto, ein gott aller reichthumb, unnd hat fünff actus.

18 Das vierte Drama Das Christus der war Messias sei kommt ohne Monologe aus.

19 Im selben Jahr dichtet Sachs ein Kampfgespräch bzw. nach dem Generalregister ein Fast-nachtspiel mit Pluto und Frau Armut.

20 Der Pluto des Aristophanes hat als einziges griechisches Drama einen ähnlichen Stellen-wert wie die römischen. Vgl. Stuplich 1998, S. 61.

21 Für die Pluto-Bearbeitung stellt sich abermals die Frage nach den Griechisch- und Latein-kenntnissen von Sachs. Sollte er tatsächlich keine genügenden Sprachkenntnisse für eine Lektüre des Originals gehabt haben, könnte der Umstand, dass keine sieben Monate nach der Comedi Thomas Venatorius’ Übersetzung des Pluto ins Lateinische erschien – sie dient hier im weiteren der Vergleichsanalyse – , in diesem Fall tatsächlich für enge Kon-takte zu Nürnberger Humanisten sprechen. Vgl. dazu Stuplich 1998, S. 61 ff., und Michael 1984, S. 331.

22 Dass man die Angabe des fünften Akts im Druck vergessen hat, ist wohl auszuschließen.

Ab dem Pluto verdeutlicht Sachs das Aktende dem Publikum regelmäßig durch eine leere Bühne und einen Dreireim. Bei der antiken Fünfaktstruktur bleibt er indes nicht stehen.

1. Akt: Der Knecht Carion und sein Herr Cremillus kommen zu dem blinden und armen Plutus. Aufgrund seiner Blindheit weiß Plutus nicht, wer gut und wer böse ist. Cremillus und sein Knecht wollen ihm helfen.

2. Akt: Plutus erhält seine Sehkraft, obwohl Penia, die Armut, dies zu verhin-dern suchte, weil nach der Heilung von Plutus niemand mehr für sie arbeiten wolle. Plutus will nur noch Frommen Reichtum verschaffen.

Auf dem Markt gerät er mit Cremillus so sehr in Bedrängnis, dass beide ins Haus müssen.

3. Akt: Ein frommer Mann, der früher arm war, will Plutus für seinen jetzigen Reichtum danken. Ein Jude will sich hingegen beschweren, die beiden diskutieren.

4. Akt: Eine alte Frau beschwert sich bei Plutus, weil sie ihr junger Liebhaber nicht mehr beachtet, seitdem Plutus da ist. Der Jüngling und die alte Frau versöhnen sich.

Der Pluto ist das erste Drama, bei dem Sachs in der produktiven Rezeption eines antiken Dramas einen Monologtyp direkt adaptiert. Von den insgesamt vier Monologen, die Sachs verwendet, sind drei in der Vorlage zu finden. Der von ihm eigenständig eingefügte ist ein Überbrückungsmonolog (KGVII, S. 75 vv. 23 – 26).

Die Spielhandlung beginnt nach dem Prolog mit einem simultanen Exposi-tionsmonolog des Knechts Carion (KGVII, S. 66 vv. 9 – 26), der zusammen mit seinem Herrn Cremillus und Plutus auftritt:

Ach gott, wie schwer ist einem knecht, 10 Solchem herren zu dienen recht,

Der seinem eigen kopff nach-geht?

Und was der knecht ie darzu redt, Gefelt es doch dem herren nicht.

Und was unraths darnach geschicht, 15 So muß der knecht die schulde han.

Wirt gleich ietzund auch also gan Mit meinem herren, der uns zwen Schafft, disem blinden nach zu gehn.

Ander leut gehn den blinden vor.

20 Mein herr aber thut als ein thor.

Was ich in frag, sagt er mir nit.

Seine Schauspiele weisen meist sieben, mitunter bis zu 10 Akte auf. Ab 1560 schreibt Sachs nur noch siebenaktige Schauspiele. Vgl. Stuplich 1998, S. 111 f.

Ach herr, zum öfftermal ich bit:

Sag mir! wer ist doch dieser blind, Dem wir so lang nach gangen sind?

25 Durch all mein dienst, die ich ie thet, Wer ist der blind, der vor uns geht?

Wie in der Vorlage gliedert sich der Monolog in zwei Teile.23 Im ersten Ab-schnitt präsentiert Sachs als Teil einer Fremdcharakterisierung Lebenshinter-gründe des Knechtes, vor allem das schwierige Verhältnis zu seinem Herrn.

Der zweite Teil ist zwar auch eine Fremdcharakterisierung, aber der aktuellen Situation gewidmet, in der beide einem Blinden hinterherlaufen. Als Teil der Exposition verankert Sachs die wichtigsten Eigenschaften der drei Hauptfiguren in den Worten des Knechts.

Der vorangestellte Prolog, der für die Rezipienten die Aussagen des Knechts relativiert, präsentiert die Vorgeschichte, wonach ein Wahrsager Cremillus rät, dem Erstbesten auf seinem Weg hinterher zu laufen. Dieser – es ist Plutus, der Gott des Reichtums – werde ihn reich machen. Mit Prolog und Expositi-onsmonolog etabliert Sachs gezielt ein vermittelndes Kommunikationssystem

23 Bei Venatorius heißt es (Plvtvs 1531, b-b2):

Pro summe Iupiter, Deique cæteri, Quam res molesta est, quamque condi tio grauis,

Vt forte serrus cesserit non admodum Sapienti hero. nam seruus et si quæ optuma Sunt moneat, haud hoc possidens tamen approbet, Oportet emergentis hinc periculi

Seruum implicari: tam suo nunquam sinit (b 2) Dominum imperare, trux Fortuna, corpori.

Sed omne ius emens sibijpsi uindicat.

Et hæc quidem sint hæc. at ipsum Apollinem Iure optumo accusauerim, qui cum aureo Ex tripode response edat, et uidelicet

Cum medicus, ut dicunt, sit, augurque sapiens, Herum meum remisit haud sanum tamen:

Qui sequitur orbum et captum utroque lumine Hominem, secus faciens, quam facere oporteat.

Solent uidentes nanque cæcos ducere,

Hic sequitur, et me impellit facere eadem insuper.

Nec interim, rogatus hæc quid sibi uelint, Quidquam mihi respondet, ac ne γρύ quidem.

Proinde ego tacere quo modo queam Haud uideo, nisi quid hunc sequamur dixeris Here. ac molestus esse nunquam desinam Tibi, necque enim cædes coronatum scio.

und verschafft den Rezipienten gegenüber den Figuren einen Informationsvor-sprung. Es zeigt sich zudem eine der von Sachs häufig angewandten dramaturgi-schen Techniken: Prolog und Expositionsrede bewirken einen radramaturgi-schen Einstieg in die Handlung und bereiten den Spannungsbogen vor. Sachs übernimmt damit ein grundlegendes Funktionsprinzip, das Monologe bereitstellen können.

Der beiseite gesprochene Monolog wirkt deutlich auf die Rezeptionsebene des Publikums ein, da er eine Trennung der Kommunikation zwischen den Figuren auf der Bühne vermittelt und die autokommunikative Gedankenrede offensichtlich auch für den Herrn des Knechts nicht hörbar ist. Dabei handelt es sich um eine komplexe Konstruktion, die Sachs in Anlehnung an die Vorlage präsentiert. Möglicherweise findet sie in den Fastnachtspielen gerade wegen dieser Komplexität nur selten Anwendung.

Das Beiseitesprechen hat ein komisches Potential, da durch die Trennung der Figur in Innen und Außen immer ein Kommentar zur Situation entsteht. Die Situation wird scheinbar angehalten oder gespiegelt, speziell dann, wenn die dem Beiseitesprechen folgende oder vorhergehende Rede oder der präsentierte Gedanke in Kontrast zur gegenwärtigen Situation steht. Komik ist dann unmit-telbar ein spannungsförderndes Element, das wesentlich von der Vorfreude der Rezipienten auf den kommenden Entwicklungsgang lebt. Ebenso verhält es sich bei aufeinanderfolgenden handlungskontrastrierenden und / oder sich wider-sprechenden Monologen. Allerdings kann hierbei sukzessiv verfahren werden.

Möglichweise verwendet Sachs die Sukzession statt der Simultanität gezielt in den Fastnachtspielen,24 weil ein Beiseitesprechen nur selten nachzuweisen ist.25 Neben dem Expositionsmonolog ist es die leere Bühne, mit der Sachs im Pluto eine Szene abgrenzt. Mit einem Auftrittsmonolog (KGVII, S. 83 vv. 4 – 13) mar-kiert er erstmalig den Beginn einer neuen Szene. Nachdem der Knecht von der Heilung Plutus’ berichtet und diese Szene den zweiten Akt beschlossen hat, tritt Plutus allein auf und spricht:

Mein mund den götter lob vergicht, 5 Die wider gaben mein gesicht.

Vor kund ich kennen keinen man,

24 Pfister 2001, S. 123 f.: Die „Informationsvergabe in dramatischen Texten hat zwei zeit-liche Achsen: die Achse der Simultaneität – in jedem Augenblick werden über die ver-schiedenen Codes und Kanäle gleichzeitig Informationen vermittelt – und die Achse der Sukzession – über jeden der Codes und Kanäle werden im zeitlichen Nacheinander linear-akkumulativ Informationen vermittelt.“

25 Einer dieser seltenen Monologe ist der erste, den Sachs im Nebentext mit ‚red mit ihm selb‘ explizit als Monolog ausweist: im Fastnachtspiel G 13 von 1544.

Und wer mir gutes hat gethan, Vor dem floch ich so gar unbillich.

Ietzt aber bin ich gar gutwillig, 10 Das ich der frommen mich erbarm

Und mach die bösen reichen arm Und bring all ding herwider, das Durch mein blindheit versaumet was.

Der geheilte Plutus berichtet analeptisch, wie er mit der Blindheit in der Ver-gangenheit gelebt hat (vv. 4 – 8). Weil er niemanden erkennen konnte, floh er auch vor denen, die ihm Gutes getan hatten. Dieser retardierende Teil bestätigt den Bericht des Knechtes über die Heilung des Plutus. Anschließend (vv. 9 – 13) erklärt dieser, wie er sich in Zukunft verhalten will. Die Frommen sollen be-lohnt und die Bösen bestraft werden, indem er sie ihres Reichtums berauben will. Die durch seine Blindheit verursachten falschen Zuweisungen möchte er korrigieren.

Der Monolog eröffnet hier ein Spannungsmoment, weil ungewiss ist, inwie-fern Plutus seine Ankündigung umsetzt. Eine Prolepse,26 wie sie im zweiten Teil der Rede begegnet, ist mit ihrem Wirkungskriterium, Spannung oder Entspan-nung zu erzeugen, ein dramatisches Charakteristikum. Anachronien wie die Analepse sind integrale Bestandteile von Dramen. Ihre Informationsvergabe ist zumeist nicht-aktional berichtend, um die Rezipienten ausreichend informiert durch das Drama zu leiten.

In der Vorlage findet sich der Monolog ebenfalls am Beginn einer neuen Sze-ne, weist dort jedoch als Ansprache an mehrere Götter eine dialogische Tendenz auf. Sachs dagegen betont den Umschwung der Handlung, indem er mittels der leeren Bühne den Szenenbeginn besonders verdeutlicht. Daran anschließend tritt, wie in der Vorlage, Cremillus auf (KGVII, S. 83 vv. 15 – 26). Sachs weist dessen Rede, entgegen der Vorlage, im Nebentext mit der Wendung ‚redt mit im selb‘ als Monolog aus, weil Plutus noch anwesend ist und darum die mono-logische Umsetzung nur simultan möglich ist:

15 Ich bin gestanden lang am marck.

Umb mich kam das gepöfel arck, Das alles wolt mein freunde sein, Weil Plutus zu mir keret ein.

Den sucht ich in des artztes hauß.

26 Korthals 2003, S. 214 f., nennt in Anlehnung an Asmuth drei Typen der Prolepse: zu-kunftsungewiss – zukunftsgewiss, Figurenrede – Autorenrede und auktoriale Prolepsen.

20 Der sagt mir, er wer schon herauß.

Nun mein ich in daheim zu finden.

Sich! steht er vor der thür dahinden!

O Pluto, ich wünsch dir groß glück Und aller seligkeit ein stück.

25 Gott wöll, das unser anefang Sich end mit glücklichem außgang!

Mehr noch als im Expositionsmonolog treffen für diesen die Kriterien des Simul-tanmonologs zu, bei dem eine Figur spricht, „ohne direkten Adressaten, aber in Anwesenheit anderer Spieler, ohne jedoch von diesen registriert zu werden“.27 Sachs hatte hier vermutlich die Wahrnehmung der Rezipienten im Blick, wenn er mit der eingefügten Regieanweisung deutlich macht, dass es sich um eine autokommunikative Gedankenrede handelt. Erkennbar ist wieder, dass Sachs um eine Klärung der Kommunikationsebenen der Figurenreden bemüht ist und mögliche Missverständnisse der monologischen Rede ausräumen will. Er setzt die Monologtechnik problembewusst ein und reflektiert auch bei Übernahmen aus der Vorlage mögliche Unklarheiten.

Im Monolog berichtet Cremillus rückblickend von dem Gedränge auf dem Markt und seinen Versuchen, Plutus zu finden, den er jetzt an der Tür stehen sieht. Das Zusammentreffen wird herausgezögert, so dass das Geschehen auf dem Markt analeptisch berichtet werden kann. In der Vorlage ist nicht ein-deutig zu klären, ob es sich um einen Monolog handelt. Venatorius vermerkt neben dem Text – möglicherweise als Regiebemerkung – , dass Cremillus, von den angeblichen Freunden bedrängt, wütend angelaufen kommt: „Indignatur Chremyl, quod in rebus secudis, tum multi accurrerent amici“. Dieser beginnt seine Rede, indem er die Freunde fortjagt: „Apage cito“ (Plvtvs 1531, i2). In affektiver Darstellung empört er sich über die drängenden ‚Freunde‘. Ob er dies zu sich selbst oder zu Plutus sagt, bleibt unklar. Sachs beseitigt die Unklarheit mit der Regieanweisung ‚redt mit im selb‘. Zusätzlich verschiebt er den Fokus von den ‚Freunden‘ auf die Suche nach Plutus und gestaltet den Monolog be-richtend statt affektiv empört.

Unabhängig von der Vorlage setzt Sachs den Monolog selbstständig zur Über-brückung ein (KGVII, S. 75 vv. 23 – 26):

Das ist von meim nachbawrn ein trew, Das er nach mir schickt in das gew, 27 Stuplich 1998, S. 161.

25 Seins glücks mir auch ein theil vergint, Wie wenig man der nachbawrn findt.

Mit der Affektdarstellung von Freude über den Nachbarn vermeidet Sachs eine leere Bühne, wenn der Knecht bei Plutus im Haus ist. Sowohl für das Hand-lungsgeschehen als auch für das Verständnis der Rezipienten ist dieser Monolog nicht relevant, er dient vorrangig der Überbrückung.

Die drei aus der Vorlage übernommenen Monologe zeigen, wie Sachs einer-seits selbstständig verfährt, wenn er für seine Intention unwichtige Abschnitte wie bspw. Anspielungen auf Götter weglässt, den Fokus auf einen anderen Ab-schnitt legt oder für die Rezipienten eine monologische Figurenrede deutlich hervorhebt. Andererseits zeigen sie, wie er sich an die Vorlage anlehnt, indem er das Stück und eine Szene mit einem Monolog beginnen lässt, diesen simultan präsentiert und handlungsbezogen Rückblicke und Vorausschauen einfügt, die das Verständnis sichern und Spannungsmomente erzeugen.

Trotz der nachgewiesenen Monologfunktionen, die bereits im Sinne der Typo-logie sind, können sie lediglich als erste Stufe im Entwicklungsprozess gesehen werden. Der Unterschied zu den Monologen im Fastnachtspiel liegt vor allem in der Uneindeutigkeit, mit der sie als autokommunikative Gedankenrede von anderen Formen der Figurenrede abgegrenzt werden können. Im Fastnacht-spiel treten die monologisierenden Figuren nur in Ausnahmefällen nicht allein auf. Für die Entwicklung der poetologischen Kompetenz entscheidend ist die Bearbeitung des Henno von Johannes Reuchlin. Darin finden sich nicht nur beinahe alle Funktionen der Typologie, sie sind auch wesentlich eindeutiger markiert als im Pluto.