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Estradiol, Estron

Im Dokument 60/2016 (Seite 71-75)

3 Beschreibung der Stoffe der EU-Watch-List und Relevanzbewertung für Deutschland

3.4 Ergebnisdarstellung

3.4.2 Estradiol, Estron

Estradiol oder 17-β-Estradiol, kurz E2, und Estron, kurz E1, sind natürlich vorkommende estrogen wirksame Substanzen. Der Anwendungsbereich deckt sich mit Ethinylestradiol (EE2), wobei die Wirksamkeit von Estradiol höher ist als die von EE2 (Schmitt und Welker 2006) und von Estron. Auf-grund des log kow-Wertes von 4,01 ist bei Estradiol ebenfalls von einem relevanten Akkumulationspo-tenzial in aquatischen Organismen auszugehen (BLAC 2003). Des Weiteren muss, wie bei allen endo-krinen Wirkstoffen, eine sehr niedrige Wirkschwelle bei aufnehmenden Organismen angenommen werden (LANUV 2007).

Stoffeigenschaften und Metabolismus

Im Körper wird Estradiol in erster Linie in der Leber zu den Hauptmetaboliten Estriol und Estron, so-wie deren Konjugate metabolisiert. Die Ausscheidung erfolgt zu 90 Prozent in Form von Glucuroni-den und Sulfaten über Glucuroni-den Urin. (LANUV 2007)

Wichtige Stoffeigenschaften sind in Tabelle 10 aufgeführt und werden, soweit notwendig, unter dem Unterpunkt „Umweltwirkung“ diskutiert.

Tabelle 10: Stoffeigenschaften von Estradiol und Estron

Hauptname Estradiol (E2) Estron (E1)

Weitere Bezeichnungen 17β-Estradiol;

1,3,5(10)-Estratrien-3,17β-diol 3-Hydroxyestra-1,3,5(10)-trien-17-on

Stoffgruppe natürliche Estrogene natürliche Estrogene

Summenformel C18H24O2 C18H22O2

CAS-Nummer 50-28-2 53-16-7

EG-Nummer 200-023-8

Molekulargewicht in g/mol 272,38 270,36

Schmelzpunkt in °C 177 261–264

Fettlöslichkeit als log KOW 4,01 1,31

Sorptionsverhalten als log KOC 3,45 457 bis 18.000 Bioakkumulation in

aquati-schen Organismen als Bioak-kumulationsfaktor BCF

Est. 200 54

72

Hauptname Estradiol (E2) Estron (E1)

PNEC 2,0x10-5 µg/l

(Sicherheitsfaktor 50)

1,0x10-1 µg/l

(Sicherheitsfaktor 100)

Löslichkeit eines Gases in ei-ner Flüssigkeiten als Henry-Konstante

3.6x10-11 atm-cu m/mole 3.8x10-10 atm-cu m/mole Quellen: Pubchem; Bergmann et al. (2011)

Umweltrelevanz, Umweltverhalten und Abbau

Estradiol gilt als potenteste estrogen wirksame natürliche Substanz. Estron besitzt etwa ein Drittel der biologischen Aktivität von Estradiol (Negele et al. 2003). Die Wirkschwelle für Estradiol liegt bei 1 ng/l und führt bei Regenbogenforellen zu einer Verweiblichung und zu Fortpflanzungsstörungen (LANUV 2007). Laut Bergmann et al. (2011) übersteigen die bis dato gemessenen maximalen Um-weltkonzentrationen (MECmax) bei Estradiol den PNEC-Wert um einen Faktor von 140. Umweltkon-zentrationen von Estron lagen laut Bergmann et al. (2011) unterhalb des PNEC-Wertes.

Gleichzeitig sind die natürlichen Estrogene im Vergleich zu synthetischen leichter abbaubar. Bei Un-tersuchungen zur Abbaubarkeit von Estrogenen wurde Estradiol bei Raumtemperatur unter aeroben Bedingungen innerhalb weniger Tage zu Estron oxidiert. Unter anaeroben Bedingungen war die Oxi-dation von Estradiol zu Estron teilweise reversibel und alle Abbauvorgänge verliefen deutlich langsa-mer (Jürgens et al. 1998). Es kann davon ausgegangen werden, dass Estradiol nahezu vollständig in der Umwelt abgebaut wird (LANUV 2007). Auch bei Kläranlagen wurden hohe Eliminationsleistun-gen für Estradiol (64 bis über 90 %) und Estron (über 90 %) beim Vergleich der Zu- und Ablaufkon-zentrationen beobachtet (IKSR 2010b; Schmitt und Welker 2006). Der Abbau mittels Ozonung erfolgt bei Estron mit 0,65 g O3/g DOC zu 60 Prozent und mit 1,08 g O3/g DOC zu 50 Prozent (Kreuzinger et al. 2011).

Tabelle 11: Berechnete Eliminationsraten bei Estron und Estradiol für die biologische Elimina-tion sowie die Ozonung auf einer Schweizer Abwasserreinigungsanlage

Quelle: Abegglen et al. (2009a)

Umweltkonzentrationen

Natürliche Estrogene werden verhältnismäßig selten und im Allgemeinen. nur in niedrigeren Kon-zentrationen bzw. unterhalb der Nachweisgrenzen in den verschiedenen Umweltkompartimenten ge-messen (Schneider 2005). Es sind jedoch auch Funde in bayerischen Oberflächengewässern bis 5,5 ng/l Estradiol (Bayerischer Landtag 2001) und bis zu 5 ng/l Estron sowie in bayerischem Trinkwasser bis 0,3 ng/l Estradiol und bis zu 1 ng/l Estron (Kalbfus 1998) dokumentiert.

Konzentrationen im Ablauf deutscher Kläranlagen reichten in der Vergangenheit bis 21 ng/l Estra-diol (Kalbfus 1998) und bis 76 ng/l Estron (Wegener et al. 1999). Bei einer Korrelation sogenannter Estradiol-Äquivalente und dem vermuteten Anteil an eingeleitetem Abwasser aus Kläranlagen in

ba-73 den-württembergischen Fließgewässern konnten nach Regenfällen höhere EEQ-Werte in Fließgewäs-sern gemessen werden, was auf potenzielle Einträge aus der Mischwasserkanalisation zurückgeführt wird (Triebskorn et al. 2002). Im Zulauf einer Pilotanlage wurden beide Hormone mit Konzentratio-nen um 1 ng/l nachgewiesen (Kreuzinger et al. 2011).

Im Klärschlamm wurden nach Gehring et al. (2004), Klein und Hund-Rinke (2004) und BLAC (2003) Estradiolkonzentrationen von 10 bis 56 μg/kg TS gemessen. In NRW wurden entsprechend MUNLV (2006) durchweg Hormonkonzentrationen < 10 µg/kg TS im Klärschlamm detektiert.

Tabelle 12: Gemittelte Hormonkonzentrationen* in einer Schweizer Abwasserreinigungsanlage mit eingebauter Ozonungsstufe**

Vorklä-rung in ng/l

Nachklä-rung in ng/l

Ozonung in ng/l

Sandfilter in ng/l Estron 77 ±13 4 ±2 < 0,1 < 0,4 Estradiol 13 ±3 <1,1 < 0,4 < 0,8

Quelle: Abegglen et al. (2009a); * aus 5 Kampagnen; ** mittlere Ozondosis: 0,62 ± 0,05 gO3/gDOC Abbildung 11: Vorkommen von Estradiol in verschiedenen Matrices

Quelle: Schmitt und Welker (2006) Produktion und Verwendung

74 Die Verkaufsmenge von Estradiol liegt bei rund 400 kg/a und ist seit einigen Jahren stabil (IMS Health 2015)(Abbildung 12).

Abbildung 12: Veränderung der Verkaufsmengen von Estradiol und Ethinylestradiol

Darstellung: Fraunhofer ISI. Daten: IMS Health 2015

Für Estron wird vom DIMDI eine empfohlene Tagesdosis von 1 mg angegeben, für Estradiol je nach Anwendungsart und Kombination zwischen 7,5 µg und 2 mg. Hieraus können jedoch keine konkre-ten Eintragsmengen abgeleitet werden.

Europäische Hersteller von Estradiol sind:

• Bayer Pharma AG, Deutschland, und

• Valdepharm, Frankreich.

Relevanz für Deutschland

Die bisher dokumentierten verschiedenen PNEC-Überschreitungen von Estradiol (vgl. u. a. Bergmann et al. 2011) weisen trotz der scheinbar verhältnismäßig geringen Verbrauchsmengen und trotz der im Vergleich zu dem synthetischen Hormon EE2 besseren Abbaubarkeit in der Umwelt, vor allem auf-grund der hohen endokrinen Wirksamkeit der Stoffe, auf eine hohe Relevanz bzgl. eines möglichen Handlungsbedarfes zur Verminderung bzw. Vermeidung von Einträgen in die Gewässer in Deutsch-land hin.

3.4.3 Diclofenac Übersicht

s. Hillenbrand et al. (2015) bzw. Kapitel 2.4.2 zu Diclofenac.

0 200 400 600 800 1.000 1.200

2000 2002 2004 2006 2008 2010 2012 2014

Verkaufsmenge in kg/a

Jahr

ESTRADIOL ETHINYLESTRADIOL

Basierend auf Daten von IMS Health von 2002-2013

75 Relevanz für Deutschland

Die bisher dokumentierten PNEC-Überschreitungen (vgl. u. a. Bergmann et al. 2011) weisen auf eine hohe Relevanz bzgl. eines möglichen Handlungsbedarfes zur Verminderung bzw. Vermeidung von Einträgen in die Gewässer in Deutschland hin.

3.4.4 Makrolide Antibiotika

Im Dokument 60/2016 (Seite 71-75)