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Übergewicht und Adipositas (7-11 J., w&m) Internationaler Vergleich

3.7. Adipogenes Umfeld

3.7.1. Erziehung & Information

Hier wurde der Punkt Erziehung & Information als erster gewählt da bereits im Säuglingsalter erste Grundsteine für richtige Ernährung gelegt werden. Das Schreien eines Babys kann mehrere Gründe haben und nicht nur einem Hungerbedürfnis zugrunde liegen.

Wenn das Schreien eines Säuglings statt mit Zuwendung sofort als Bedürfnis nach Nahrung gesehen wird, lernt der Säugling das Nahrungsaufnahme eine tröstende Funktion hat, selbst wenn ein anderes unerfülltes Bedürfnis dahintersteckt (vgl. Seib 2003: 2).

Somit kann in späterer Folge als Ersatzfunktion bei Frustration, Angst, Langeweile oder Unsicherheit Frustessen entstehen, um Gefühle zu verdrängen und zu kompensieren. Nicht das Bedürfnis der Seele wird gesehen, sondern dies mit der Nahrungsaufnahme verdrängt (vgl. Frustessen: 2018). Ein Baby das statt Zuneigung der Eltern mit sofortiger Nahrungsaufnahme und in späterer Folge als Kind mit Süßigkeiten erzogen wird, lernt dadurch Gefühle zu verdrängen, und seine Körperwahrnehmung nicht mehr richtig zu deuten. Durch die Süßigkeiten entsteht ein körperliches Wohlbefinden, aber die dahinterliegenden Gefühle werden verdrängt (vgl. Kersting 2009: 145ff).

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Weitere Fehler in der Erziehung entstehen wenn Kinder immer gezwungen werden aufzuessen, obwohl diese schon satt sind. Dadurch verlernen die Kinder ihr natürliches Sättigungsgefühl zu erkennen (vgl. Seib 2003: 2f). Adipöse zeigen eine deutliche Störung der Appetit- und Sättigungsregulation. Gründe dafür könnten in der Erziehung adipöser Menschen liegen (vgl. Stahr 1995: 44f).

Vegetarische Kost und Lebensmittel aus ökologischem Anbau werden eher von Menschen, die bewusst mit ihrer Gesundheit umgehen, zu sich genommen (vgl. Seib 2003: 2ff). Die Essgewohnheiten verschiedener Menschen werden auch von ihrer Nationalität bestimmt.

In Mittelmeerländern besteht die traditionelle Küche aus Fisch, Pflanzenöl, heimischem Gemüse und Obst. Doch selbst hier kommt es zu einer Änderung der Esskultur, die durch Zeitmangel entsteht, und ungesunde Lebensmittel wie Fastfood sind auf dem Vormarsch.

Die Essgewohnheiten verändern sich dahin, dass weniger gemeinsam gekocht wird und mehr Schnellgerichte verzehrt werden und nebenbei gegessen wird.

Ein weiterer Punkt der unsere Essgewohnheiten beeinflusst sind religiöse Hintergründe. An bestimmten Feiertagen wurde mit der Familie ausgiebig gekocht und Fastenzeiten zu anderen Anlässen wurden eingehalten (vgl. Seib 2003: 3).

3.7.2. Familie

Bereits in der Schwangerschaft kann das Gewicht der Mutter und ihre Ernährung späteres Übergewicht des Kindes beeinflussen. Durch diese In-utero-Programmierung in der Schwangerschaft wird der Stoffwechsel des noch ungeborenen Kindes auf die späteren Lebensbedingungen eingestellt. Deswegen zählt eine Überernährung der Mutter, die in der Schwangerschaft weit mehr zunimmt oder bereits vorher an Adipositas oder Diabetes leidet, als zukünftiger Risikofaktor für das noch ungeborene Kind später selbst an Diabetes zu erkranken (vgl. Rabast 2010: 85f). Zu den weiteren Risikofaktoren zählen in der Schwangerschaft eine unzureichende metabolische Kontrolle bei Diabetes mellitus in der Schwangerschaft, und eine unerkannte Schwangerschaftsdiabetes. Als weitere beeinflussbare Risikofaktoren im ersten Lebensjahr des Säuglings zählen eine kurze Stillzeit und eine übermäßige Gewichtszunahme im ersten Lebensjahr (vgl. Kiess 2009:

107f).

Ein weiterer Punkt ist die Genetik, da übergewichtige Eltern zum Großteil selbst wieder übergewichtige Kinder großziehen. Laut Studien werden 40% der Kinder mit einem adipösen Elternteil, und 70% der Kinder mit zwei adipösen Elternteilen in späterer Folge selbst stark übergewichtig. Wobei nur 10% der Kinder die keine übergewichtigen Eltern haben selbst adipös werden (vgl. Logue 1995: 295ff). Belege für eine genetische Veranlagung von Adipositas wurden auch in Tierversuchen mit Mäusen und Ratten festgestellt. Indem die WissenschaftlerInnen wiederholt die am stärksten übergewichtigen Tiere sich fortpflanzen ließen, wurden diese Mäuse und Ratten bereits mit einer Neigung zu Adipositas geboren (vgl. Logue 1995: 295ff).

An Menschen zeigt sich anhand von Zwillings- und Adoptionsstudien, dass der BMI von Kindern und Jugendlichen deutlich mit dem der Zwillingsgeschwister und der biologischen

Eltern korrelierte. Es wurde weniger Zusammenhang mit dem BMI der Personen des Umfeldes in dem das Kind aufwuchs festgestellt. Anhand dieser Untersuchungen kann abgeleitet werden, dass genetische Faktoren für die Entwicklung von Übergewicht und Adipositas eine Rolle spielen (vgl. Kiess: 2009: 107).

Vererbung spielt eine weitere wichtige Rolle bei der Anzahl und auch bei der Verteilung der Fettzellen. Sobald die Fettzellen gefüllt sind ist das Hungergefühl gestillt, sind diese wiederum leer empfindet man ein Hungergefühl. In der Kindheit kommt es durch das natürliche Wachstum des Kindes am leichtesten zu einer Vermehrung der Fettzellen, wobei dies natürlich auch in jeder anderen Lebensphase geschehen kann. Ein wichtiger Punkt ist hierbei, dass die Anzahl der Fettzellen zwar vermehrt werden kann wenn es zu einer Gewichtszunahme kommt, aber bei einer Gewichtsabnahme die Anzahl der Fettzellen gleich bleibt. Deshalb ist es besonders für Menschen die einmal übergewichtig waren schwierig nicht wieder zuzunehmen (vgl. Logue 1995: 297f).

Dass die soziale Schicht in der ein Mensch aufwächst einen großen Zusammenhang mit Übergewicht und Adipositas hat konnte im MONICA-Project in Deutschland gezeigt werden.

Umso niedriger die soziale Schicht der ProbandenInnen war, umso höher war deren Körpergewicht. Im Vergleich der verschiedenen Bildungsabschlüsse wurde gezeigt, dass je niedriger der Bildungsabschluss war umso übergewichtiger die ProbandInnen waren. In diesem Fall wurde der Hauptschulabschluss mit einem höheren Schulabschluss verglichen.

Die HauptschulabgängerInnen waren 4-mal adipöser als Frauen die einen höheren Bildungsabschluss hatten (vgl. Wirth 2008: 40ff).

In einer anderen Studie an der 1350 Kinder in der Altersgruppe von 5-7 Jahren teilnahmen, erkannte man, dass Kinder die einen niedrigeren sozioökonomischen Status hatten eher ungesundes Essverhalten an den Tag legten. Weiters hatten diese Kinder wenig sportliche Betätigung und bewegten sich weniger im Alltag (vgl. Wirth 2008: 40ff).

Die Auswahl verschiedener Lebensmittel wird durch den sozialen Status mitbestimmt. In Deutschland kaufen Menschen mit einem höheren Einkommen mehr frisches Obst und Gemüse als VerbraucherInnen in einer finanziell schlechteren Situation (vgl. Seib 2003:

2ff). In diesen Familien herrscht auch oft zu wenig Wissen über gesunde Ernährung, da die Kinder und Jugendlichen meist aus bildungsfernen Familien mit sozialer Benachteiligung stammen. Essen wird des Weiteren oft als einer der wenigen leistbaren Genüsse des Lebens gesehen, da durch die finanzielle Situation der betroffenen Personen vieles nicht möglich ist. Oft fehlt auch die Überzeugung der Selbstwirksamkeit und das Vertrauen selbst in seinem Leben etwas verändern zu können. Deswegen wird gesunde Ernährung oft als ein weiterer Punkt des „Verzichten müssens“ im Leben gesehen (vgl. Kersting 2009: 130ff).

„Je stärker und stabiler das Kohärenzgefühl (die Handlungsbefähigung) bei einem Subjekt ausgeprägt ist, desto höher ist seine/ihre Wahrscheinlichkeit, Stressoren erfolgreich und mit positiven Auswirkungen auf die Gesundheit zu bewältigen und sein Leben aktiv zu steuern“ (Franzkowiak, Homfeldt, Mühlum 2011: 63).

32 Abbildung 17 Einfluss von Umwelt und Genetik (Wirth 2008: 57)

Anhand dieser Abbildung erkennt man, dass Kinder die aus einer niederen Sozialschicht stammen in der beide Eltern übergewichtig sind das höchste Risiko haben übergewichtig zu werden (vgl. Wirth 2008:57). Der Gesundheitszustand und die Gesundheitschancen der Menschen sind immer von den sozialen Bedingungen geprägt unter denen sie leben, und wirken sich deshalb auf die Gesundheit jedes einzelnen aus (vgl. Franzkowiak, Homfeldt, Mühlum 2011: 41).