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6. DIE BAUSTUFE IV

6.6. ERGEBNISSE DER BAUSTUFE IV

Innerhalb der Baustufe IV lassen sich fünf Baukomplexe unterscheiden, von denen sich Architekturreste erhalten haben.

1. ein neuer Zentraltempel an der Stelle des späteren Tempels 100. Dieser Einraumtempel, von dem sich Teile der Ost-, Süd- und Westwand erhalten haben, besaß eine Größe von 5,85 x 9,96 m (Innenmaße) bzw. 9,85 x 13,96 m (Außenmaße). Seine Orientierung betrug 204°20'. Ein Eingang befand sich wahrscheinlich an der Nord- oder Südseite,

2. drei sich unmittelbar südlich, östlich und westlich an den Zentraltempel anschließende und mit ihm in der Orientierung übereinstimmende Nebenräume von 7,2 x 25,6 m, 7,85 x 12,1 m und 9,0 x 25,6 m Ausdehnung (Innenmaße).

15 Diese Vermutung legt ein Vergleich mit der Orientierung der Hof- und Umfassungsmauern des Baukomplexes IV/4 nahe, die nicht mit derjenigen des Zentraltempels übereinstimmt.

Eine derartige Einbindung des Zentraltempels in ein Ensemble von Nebenräumen hat es in keiner früheren oder späteren Baustufe gegeben. Die Nebenräume haben den Zentraltempel nicht symmetrisch umschlossen. Die Fundamentlagen 103G, 103H und 108A lassen ferner vermuten, daß sich im Norden noch Nebenräume an den Zentraltempel angeschlossen haben, deren Ausdehnung und Gestalt nicht rekonstruiert werden kann,

3. der „Vorgängerbau“ der späteren Westkapelle. Der 4,9 x 4,23 m (Außenmaße) große Bau stimmt in der Orientierung mit dem Zentraltempel überein. Er weist in seinem Grundriß eine gewisse Ähnlichkeit zu den Gebäuden B/1 und III-B/2 von Musawwarat es Sufra auf und scheint wie diese als Eingangsbau gedient zu haben, den die Pilger aufsuchten, um einem darin aufgestellten Kultbild ihre Verehrung zu erweisen, bevor sie in den zentralen Teil der Großen Anlage eintraten,

4. die Nebenräume des „Vorgängerbaus“, zu denen die Mauern der Höfe 512, 513, 527 und 528 gehören. Hierbei scheinen die Räume 417, 418, 513, 518, 519 und 527 einen großen Hof gebildet zu haben, der durchschritten werden mußte, um zum Gang der Baustufe III und damit zum Zentraltempel zu gelangen. Wie schon bei anderen Nebenräumen zu beobachten gewesen ist, sind die Mauern nur zum Teil auf den Zentraltempel hin orientiert,

5. die Trennmauer 116+117+121+122a/306+305+304, die die Komplexe 100 (Zentraltempel) und 300 voneinander trennte. Sie stimmt in ihrer Orientierung mit dem Zentraltempel dieser Baustufe überein.

Das zeitliche Verhältnis der Baustufe IV zu den Baustufen I bis III ist eindeutig.

Sowohl die Grabungsbefunde der Schnitte 1161, 3062 und 22715, in denen die Trennmauer (Baukomplex IV/5) auf die durchgehende (und damit ältere) Mauer 116+306/415 bzw. 122a+304/227 der Baustufe III stößt, als auch die Grabungsbefunde der in den Schnitten 1012-1019 freigelegten Mauerreste des Zentraltempels der Baustufe IV, dessen aufgehendes Mauerwerk zum Teil auf Fundamenten der Baustufe III errichtet worden ist, sind Beweise dafür, daß die Bauten der Baustufe IV nach denen der Baustufe III und damit auch der Baustufe I und II erbaut worden sind.

Betreffs der absoluten Datierung dieser Baustufe konnten gegenüber der von F. Hintze (1968, 697) aufgestellten „vorläufigen Datierung“ keine neuen Erkenntnisse gewonnen werden. Teile der Baustufe IV sind in folgenden Baustufen abgerissen worden:

Baukomplex bzw. Mauerstück Abrißzeitpunkt

Zentraltempel Bauetappe VIa beim Bau des neuen Zentraltempels Nebenräume des Zentraltempels Bauetappe VIa beim Anlegen der Räume 102 und

103 bzw. der Zentraltempelterrasse

„Vorgängerbau“ Bauetappe VIc beim Bau der Westkapelle

520C Bauetappe VIc beim Bau der Westkapelle

517B wie Mauerstück 520C

517C wie Mauerstück 520C

517D wie Mauerstück 520C

Tabelle 32: Abrißzeitpunkte von Bauten der Baustufe IV

Somit sind von den Bauten der Baustufe IV nur Nebenräume und Trennmauern stehengeblieben und in die bauliche Konzeption der nachfolgenden Baustufen einbezogen worden. Folgende Durchgänge konnten in den Mauern der Baustufe IV festgestellt bzw. freigelegt werden:

Mauer bzw.

Mauerstück

Schnitt Durchgangsbreite Gewährleistet Zugang zu

520C (?) 5201 123 (?) Hof 527

517B (?) 5172 104 Hof 513

513/601 6017 ca. 200 Hof 513

512/513 51313 88 Hof 512 und 513

527/528 5276/5283 128 Raum 528, Hof 527

518/528 5282+5286 unklar Raum 528 und Hof

der Baustufe IV

116/306 1161/3062 126 Räume 116 und 306

305/117 3051 126 Zentraltempelhof

117/304 30414a 138 Zentraltempelhof

122a/304 30415 110 Zentraltempelhof

Tabelle 33: Durchgänge in den Mauern der Baustufe IV

Von diesen Durchgängen sind diejenigen der Schnitte 6017 und 1161/3062 erst sekundär angelegt worden, während die Durchgänge 520C und 517B fraglich sind. Die Durchgangsbreiten unterscheiden sich jedoch von denen der Baustufe III nicht signifikant (S. 92).

Anzahl Wert Testgröße Tabellenwert zufällige Abweichung a) Streuungen (s²)

Baustufe III 5 90,5

Baustufe IV 7 289,57 3,19 6,16* ja

b) Mittelwerte (x)

Baustufe III 5 112,0

Baustufe IV 7 116,71 0,56 1,81** ja

* Tabellenwert nach Müller-Neumann-Storm 1979, 141

** Tabellenwert nach Müller-Neumann-Storm 1979, 134

Tabelle 34: Vergleich der Streuungen und Mittelwerte der Türbreiten von Durchgängen der Baustufen III und IV

Der Baustufe IV lassen sich zwei keramische Funde aufgrund ihrer besonderen Fundumstände mit relativ großer Sicherheit zuweisen. Sowohl die im Schnitt 10318 (vgl. S. 98) ausgegrabenen und unter der Nummer GA/457 registrierten als auch die im Schnitt 5171 (vgl. S. 109) gefundenen und unter der Nummer GA/399 geführten Scherbenfunde lagen unterhalb der in beiden Schnitten freigelegten Fundamentlagen 103L bzw. 517C und damit in Zonen, die nach der Baustufe IV nicht mehr berührt worden sind. Im Schnitt 5171 sind Scherben von drei verschiedenen Gefäßen gefunden worden:

1. einem mittelstarkwandigen, kräftig rot und schwarz gesprenkelten, jedoch mäßig gebrannten Gefäß mit einem Durchmesser von 26 cm,

2. einem schwachwandigen, braunen, schlecht gebrannten Gefäß,

3. einem dickwandigen, braun mit weißen Farbspuren durchsetzten, mäßig gebrannten Gefäß.

Die im Schnitt 10318 gefundenen Scherben stammen ebenfalls von drei Gefäßen:

1. vom Deckel eines Gefäßes mit hohem Knauf (4,9 cm Durchmesser). Das mittelstarkwandige Bruchstück von bräunlicher bis oranger Farbe ist mäßig gebrannt,

2. vom Hals eines mittelstarkwandigen Gefäßes von mittelbrauner, z.T. grau durchsetzter Farbe, mäßig gebrannt,

3. von einem starkwandigen, orangefarbenen Gefäß mit roter Oberschicht (größtenteils abgeplatzt) mit gutem Brand.

In die Zeit der Baustufe IV gehört ferner die Sekundärinschrift MS 51, die im Raum 518 auf einem losen Block am Fuß der Mauer 518/528 gefunden wurde. Die

Fundumstände legen es nahe, daß der Block von dieser Mauer stammt. Die Inschrift ist vom Duktus her archaisch. Sekundärbilder hingegen können der Baustufe IV nicht zugewiesen werden. Folgende Steinmetzzeichen sind auf einzelnen Blöcken von stehenden Mauern der Baustufe IV angebracht worden:

1. Mauer 512/513 (7)

2. Mauer 518/528 (1)

3. Mauer 518/528 (6)

4. Mauer 512/513 (1)

5. Mauer 518/528 (1)

Von diesen insgesamt 16 Steinmetzzeichen in fünf verschiedenen Typen sind Nr. 3 schon aus der Baustufe I, Nr. 1 aus der Baustufe II und Nr. 2 aus der Baustufe III belegt, während die Typen Nr. 4 und 5 nur in dieser Baustufe vorkommen.