• Keine Ergebnisse gefunden

DIE BEDEUTUNG DER BAUSTUFEN I BIS IV IM BAUENSEMBLE DER GROSSEN ANLAGE VON

MUSAWWARAT ES SUFRA

Mit dem Bau des Turmes 107 und des ihm vorgelagerten Raumes 108 in der Baustufe V beginnt eine tiefgreifende Umgestaltung der gesamten Großen Anlage, die sich über die Baustufen VI und VII hinzieht und in der die Große Anlage um den Tempelkomplex 200 und den Hof- und Raumkomplex 400 und 600 erweitert wird.

Diese Baustufen unterscheiden sich von den vorangegangenen Baustufen I bis IV in erster Linie durch die Anwendung einer neuen Bauweise, der Terrassenbauweise. Eine weitere Neuerung besteht ferner darin, daß die Bauten der Baustufe VI eine neue, um etwa 4° von derjenigen der Baustufe IV abweichende Orientierung erhalten.

Somit stellt die Baustufe V eine einschneidende Zäsur in der Baugeschichte der Großen Anlage dar. Beide großen Abschnitte innerhalb der Baugeschichte der Großen Anlage, die Baustufen I bis IV und die Baustufen V bis VII, sind auf entscheidende Weise miteinander verknüpft.

Diese Verknüpfung, und damit auch die Bedeutung der Baustufen I bis IV für die folgenden Baustufen, besteht darin, daß alle wesentlichen, in den Baustufen I bis IV entwickelten Baulichkeiten bei der Neugestaltung der gesamten Anlage in der Baustufe VI übernommen werden mußten bzw. übernommen worden sind. Hierzu zählen der Zentraltempel, die Westkapelle, der Tempel 300 und vielleicht auch die unvollendete Säulenhalle im Raum 501, die als Tempel 200 „neu“ errichtet worden ist.

Hierzu gehören aber nicht die Nebenräume und Umfassungsmauern, die – soweit störend – beseitigt worden sind. Mit anderen Worten: in den Baustufen I bis IV sind die aus dem Kultablauf resultierenden, wesentlichen Charakteristika (wie z.B.

ungefähre Gangbreite, Festlegung, ob Einraum- oder Mehrraumtempel, Anordnung der Gebäude) der für den Kult wesentlichen Gebäude ausgeformt und festgelegt worden.

Diese Festlegungen sind bei der Terrassierung der Großen Anlage und dem damit verbundenen Neuaufbau streng eingehalten worden, m. E. deshalb, weil sich der Kultablauf nicht wesentlich geändert hat.

Zur speziellen kultischen Funktion der in den Baustufen I bis IV errichteten Gebäude lassen sich fast gar keine Aussagen machen. Das liegt insbesondere daran, daß diese Gebäude ohne Ausnahme abgerissen worden sind und sich nur die Fundamentlagen bzw. einzelne Mauerreste erhalten haben. Lediglich einige wenige verbaut aufgefundene Architekturteile, die in der folgenden Übersicht zusammengetragen worden sind, zeugen von ihrer einstigen kultischen Bestimmung, ohne jedoch konkrete Aussagen zu ermöglichen.

Schnitt Architekturteil Herkunft und Verwendung

12010 wie Schnitt 5136 oberer Abschluß des Mauerstücks 120F

Baustufe III

5294 wie Schnitt 5136 oberer Abschluß der Mauer 416/529

4167 Eckblock Teil des Türgewändes

Türbekrönung des monumentalen Eingangstores im Osten der Großen Anlage

Baustufe IV

1013+1014 Eckstäbe, Rundstäbe, Hohlkehle zum Zentraltempel der Baustufe IV gehörend

10314 Inneneckblock zum Zentraltempel der Baustufe IV

gehörend

5171 Profilstäbe und eine Halbsäule wohl Teile des „Vorgängerbaus“

der Westkapelle

Tabelle 36: Übersicht über die von Bauten der Baustufen I bis IV stammenden Architekturteile

Die Übersicht über die von Bauten der Baustufen I bis IV stammenden Architekturteile zeigt deutlich deren begrenzten Aussagewert hinsichtlich der konkreten Funktionsbestimmung der einzelnen Gebäude. Lediglich für den Zentraltempel aus der Baustufe IV und den „Vorgängerbau“ läßt sich ihr sakraler Charakter aufgrund der Architekturteile geltend machen. Interessant hingegen ist das häufige Vorkommen des in Form eines Satteldachs ausgebildeten Abschlußsteins als oberer Mauerabschluß, das aber auf Hofmauern beschränkt bleibt. Das Vorkommen des Abschlußsteins in allen Baustufen legt nahe, daß alle Hofmauern einst mit derart geformten Abschlußsteinen bekrönt gewesen waren.

Die Werksteine der Baustufen I bis IV weisen eine große Homogenität auf. Sie unterscheiden sich deutlich von denjenigen der Baustufe VI (vgl. Hintze 1984, 334 Tabelle 4). Diese Aussage läßt sich aber anhand der folgenden statistischen

Tabelle 37: Varianzanalyse (einfache Klassifikation) der Werksteine aus den Baustufen I bis IV

Aus der Tabelle ergibt sich für die Fundamentlagen und das aufgehende Mauerwerk

16 Die Fundamentlagen 513A und 101A wurden nicht mit in die Untersuchung einbezogen, da sie sich in ihrer Streuung signifikant von den übrigen Fundamentlagen unterscheiden (s. S. 20 und 65, Tabellen 4 und 15).

17 Auch hier wurde die Fundamentlage 513A aufgrund ihrer signifikanten Abweichung nicht mit in die Untersuchung einbezogen.

ein differenziertes Bild. Während die Mittelwerte der Werksteinbreiten und Werksteinhöhen der Fundamentblöcke nicht signifikant voneinander abweichen und sich ein Gesamtmittel von 29,8 x 28,3 cm berechnen läßt, läßt sich eine Gleichheit der Mittelwerte bei den Werksteinen des aufgehenden Mauerwerks (bei Gleichheit der Streuungen!) statistisch nicht nachweisen. Diese Feststellung und die sich daraus ergebende Schlußfolgerung, daß die Mittelwerte innerhalb der einzelnen Baustufen differieren, ist um so bedeutsamer, da die Mittelwerte selbst nur eine geringe Spannweite aufweisen. Die Ursache hierfür ist in der geringen Streuung der Werksteinabmessungen in den hier ausgewerteten Mauerstücken zu suchen, die nur äußerst geringe Toleranzen der zu vergleichenden Mittelwerte zulassen. Um so schwerwiegender fallen die Unterschiede gegenüber den Werksteinabmaßen der Baustufe VI ins Gewicht, deren Mittelwerte zwischen 34,6 und 38,2 cm in der Blockbreite und 25,1 und 28,2 cm in der Blockhöhe schwanken (s. Hintze 1984, 334 Tabelle 4). Sie lassen die relative Geschlossenheit der Werksteine aus den Baustufen I bis IV gegenüber denjenigen der Baustufe VI sehr deutlich erkennen.

LITERATURVERZEICHNIS

Cailliaud, F., 1823, Voyage à Méroé, au Fleuve Blanc, au dela de Fàzoql dans le midi du Royaume du Sennár, a Syouah et dans cinq autres Oasis, fait dans les annees 1819, 1820, 1821 et 1822, Paris

Eigner, D., 2001, Architektursondagen der Kampagne 2000 in Musawwarat es Sufra, in: Mitteilungen der Sudanarchäologischen Gesellschaft zu Berlin e.V., Heft 11, Berlin, 30-33

Hinkel, F. W., 1988, Säule und Interkolumnium in der meroitischen Architektur.

Metrologische Vorstudien zu einer Klassifikation der Bauwerke, in: Studia Meroitica 1984, Meroitica 10, Berlin, 231-267

Hintze, F., 1968, Musawwarat es Sufra. Vorbericht über die Ausgrabungen des Instituts für Ägyptologie der Humboldt-Universität zu Berlin. 1963-1966 (Vierte bis Sechste Kampagne), Wissenschaftliche Zeitschrift der Humboldt-Universität zu Berlin, Gesellschafts- und sprachwissenschaftliche Reihe 17, 667-684

---, 1971, Musawwarat es Sufra. Vorbericht über die Ausgrabungen des Instituts für Ägyptologie der Humboldt-Universität zu Berlin. 1968 (Siebente Kampagne), Wissenschaftliche Zeitschrift der Humboldt-Universität zu Berlin, Gesellschafts- und sprachwissenschaftliche Reihe 20, 227-246

---, 1982, Musawwarat es Sufra, in: Lexikon der Ägyptologie IV, 226-228

---, 1984, Diskussionsbeitrag zum Thema „Meroitische Architektur“, Meroitica 7, 332-346

---, U. Hintze, 1970, Einige neue Ergebnisse der Ausgrabungen des Instituts für Ägyptologie der Humboldt-Universität zu Berlin in Musawwarat es Sufra, in: E.

Dinkler (Hrsg.), Kunst und Geschichte Nubiens in christlicher Zeit, Recklinghausen, 49-70

Müller, H., P. Neumann, R. Storm, ³1979, Tafeln der mathematischen Statistik, Berlin Mucha, R., 2001, Untersuchungen im Hof 512 der Grossen Anlage und im Komplex I

D von Musawwarat es Sufra, in: Mitteilungen der Sudanarchäologischen Gesellschaft zu Berlin e.V., Heft 11, Berlin, 34-38

Priese, K.-H., 1993, Die Architektur, in: F. Hintze (Hrsg.), Musawwarat es Sufra Bd.

I,1. Der Löwentempel, Berlin, 19-69

Shinnie, M. (ed.), 1958, Linant de Bellefonds. Journal d’un voyage à Méroé dans les années 1821 et 1822, Sudan Antiquities Service Occasional Papers No. 4, Khartoum

Wenig, St. - P. Wolf, 1998, Feldarbeiten des Seminars für Sudanarchäologie und Ägyptologie der Humboldt-Universität in Musawwarat es Sufra. Zweite Hauptkampagne 1.2.-1.4.1996, in: Mitteilungen der Sudanarchäologischen Gesellschaft zu Berlin e.V., Heft 8, Berlin, 38-49

---, 1999, Feldarbeiten des Seminars für Sudanarchäologie und Ägyptologie der Humboldt-Universität in Musawwarat es Sufra. Dritte Hauptkampagne 13.1.1997-11.4.1997, in: Mitteilungen der Sudanarchäologischen Gesellschaft zu Berlin e.V., Heft 9, Berlin, 24-37

---, 2000, Feldarbeiten des Seminars für Sudanarchäologie und Ägyptologie der Humboldt-Universität in Musawwarat es Sufra. Vierte Hauptkampagne 12.1.1998-1.4.1998, in: Mitteilungen der Sudanarchäologischen Gesellschaft zu Berlin e.V., Heft 10, Berlin, 28-48

Wolf, P., 1999, Ein antiker Tempelgarten im Sudan. Nürnberger Blätter zur Archäologie. Sudan, in: Festschrift für Steffen Wenig zum 65. Geburtstag, Nürnberg, 53-60

---, 2001, Untersuchungen zur Baugeschichte an der Nordseite der Zentralterrasse, in: Mitteilungen der Sudanarchäologischen Gesellschaft zu Berlin e.V., Heft 11, Berlin, 16-23