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Erfüllung zentraler Nutzenerwartungen von Vielfliegern durch strate- strate-gische Luftverkehrsallianzen

Im Dokument Strategische Allianzen im Luftverkehr (Seite 165-170)

2. Strategische Luftverkehrsallianzen im Spannungsfeld zwischen End- End-nutzern, Absatzmittlern und Wettbewerbern End-nutzern, Absatzmittlern und Wettbewerbern

2.2 Konzeptionelle Überlegungen und empirische Befunde zu den end- end-nutzergerichteten Beziehungen strategischer Luftverkehrsallianzen

2.3.3 Erfüllung zentraler Nutzenerwartungen von Vielfliegern durch strate- strate-gische Luftverkehrsallianzen

Die Diskussionen in den Focusgruppen ergaben insgesamt sechs Nutzendimen-sionen von Flugdienstleistungen, die von den befragten Vielfliegern als beson-ders relevant angesehen wurden. In ihrer idealen Ausprägung handelte es sich um folgende Nutzenerwartungen:

weltweiter Sicherheitsstandard,

höchstes Komfortniveau,

weltweites Streckennetz mit flexiblen Buchungsoptionen,

nahtloses Reisen,

weltweite Vielfliegervorteile sowie

individualisierte Betreuung.425

425 Diese Nutzenerwartungen weisen damit teilweise hohe Überschneidungen zu den Ergebnissen der in Kapitel B 2.2.3 vorgestellten empirischen Studien zur Nutzensegmentierung bei Flugdienstleistungen auf.

Frithjof Netzer - 978-3-631-75092-6

Der idealerweise gegebene weltweite Sicherheitsstandard wurde in den Grup-penexplorationen mit den Vielfliegern in zwei Komponenten aufgeteilt. Die als

„Zutrauen, Vertrauen" (,.confidence") bezeichnete Komponente gab das zwischen Fluggast und Fluggesellschaft wachsende Vertrauensverhältnis wieder, das zu einem Abbau von Unsicherheit im Vorfeld einer Flugdienstleistung beiträgt. Der Bedeutungsinhalt wurde durch Zitate wie „You never know what you'II fly on" und .,lt's critical that you trust the airlines" reflektiert. Als zweite Komponente beschrie-ben die Vielflieger ein Gefühl der Seelenruhe (,.peace of mind"), die an Bord eines von ihnen als sicher eingestuften Flugzeugs empfunden wurde. Bei der Beurtei-lung der Fähigkeit strategischer Luftverkehrsallianzen zur ErfülBeurtei-lung dieser Nut-zenerwartung wurde von den Befragungspersonen ein möglicher allianzspezifi-scher Halo-Effekt hervorgehoben.426 Die Vielflieger stellten damit auf die Signal-wirkung einer Allianz für die Sicherheitsbewertung einzelner Partner-Airlines ab, die zu einer Senkung des erhöhten wahrgenommenen Risikos bei der Inan-spruchnahme bisher nicht genutzter Fluggesellschaften beiträgt.

Der Komfort an Bord des Flugzeugs wurde von den Befragungspersonen vor-nehmlich über die Sitzqualität und Beinfreiheit definiert. Ein höchstmögliches Komfortniveau korrespondierte dabei mit dem Selbstverwirklichungsbedürfnis der Vielflieger, welche die Luftverkehrsallianzen als tendenziell unterlegen gegen-über einzeln agierenden Fluggesellschaften beurteilten, dieses Bedürfnis zu befriedigen. Dieser Befund bestätigt die oben geführten Plausibilitätsüberlegun-gen, nach denen aus partnerbedingt unterschiedlichen Servicestandards negative Beurteilungen resultieren können. Offenbar scheint ein einheitlich hohes Komfort-niveau bedeutsamer zu sein als ein diesbezüglicher Variantenreichtum zwischen den Partnern-Fluggesellschaften.

Die Nutzenerwartung „weltweites Streckennetz mit flexiblen Buchungsoptio-nen" stellte die Idealausprägung einer Eigenschaft dar, die in den Focusgrup-peninterviews in weitere drei Komponenten unterteilt wurde. Zum einen bekunde-ten die befragbekunde-ten Vielflieger in Anlehnung an das oben genannte

Problemfrei-426 Unter Halo-Effekt wird die Beeinflussung der Wahrnehmung bestimmter Leistungseigenschaften durch eine generelle Einstellung zu der Leistung verstanden. Im Beispielfall könnte eine positive Einstellung zu einer bestimmten Luftverkehrsallianz die negative Einzelwahrnehmung des Sicherheitsmerkmals einer Partner-Airline positiv beeinflussen. Vgl. z.B. Meffert, H., Marketingforschung und Käuferverhalten, a.a.O., S. 62.

heitsbedürfnis den Wunsch nach einem zeitsparenden Reiseablauf. Aus dem Angebot allianzseitig geschaffener Zusatzflüge auf bestimmten Strecken resul-tierte für sie unmittelbar ein Nutzenzuwachs, da Terminverlegungen oder Ver-spätungen auf diese Weise abgefedert werden konnten. Zum anderen maßen sie einem erhöhten Angebot in Form von zusätzlichen Strecken und Verbindungen pro Strecke eine unmittelbar streßreduzierende Wirkung bei - genannt wurden insbesondere das als lästig empfundene Warten und „Herumsitzen" an Flugstei-gen oder in Lounges. Damit bestätiFlugstei-gen sich wiederum die Plausibilitätsüberlegun-gen, denen zufolge der Verbindungsqualität eine zentrale Bedeutung beim Fit zwischen Leistungsangebot und Nutzenerwartung zukam. Darüber hinaus hoben die Befragungspersonen in den Focusgruppeninterviews Spareffekte durch die Inanspruchnahme spezieller „Around the World Tickets" hervor, die von einigen Luftverkehrsallianzen angeboten werden. Zudem wurde der Wegfall zusätzlicher Kosten bei einer Umbuchung innerhalb des Allianzsystems explizit als positive Eigenschaft mit nutzenstiftender Wirkung herausgestellt.

Ohne Überschneidungsfreiheit zur Verbindungsqualität/Buchungsflexibilität auf-zuweisen, wurde ein nahtloses Reisen (,.seamless travel") als Nutzenerwartung identifiziert. Unter diesem Merkmal wurde die Auflösung aller schnittstellenbe-dingten Probleme subsumiert, die im Zuge einer Flugdienstleistung und insbeson-dere einer Umsteigeverbindung auftreten können. Als allianzspezifische Vorteile bei der Erfüllung dieser Nutzenerwartung werteten die Vielflieger die nur einmal notwendige Gepäckaufgabe bei Code Share-Flugdienstleistungen, die - verbun-den mit einem verantwortungsvollen Gepäckhandling - zu einer individuellen Ent-lastung beitrug. Auch die mit einem nahtlosen Reisen verbundene Zeitersparnis nahm Bezug auf das Problemfreiheitsbedürfnis der Befragungspersonen.

Genannt wurden insbesondere Zeitvorteile und Ersparnis von Ärger durch die Schaffung einer größeren räumlichen Nähe der Partner-Flugsteige an Flughäfen sowie das einmalige Check-in bei einer Allianz-Flugdienstleistung. Zudem hoben die Vielflieger die mit einer besseren Schnittstellenabstimmung seitens der Part-ner einher gehende Erleichterung und Streßreduzierung für sie selbst hervor.

Stellvertretend sei folgendes Zitat angeführt: ,.Why not let them [the airlines, Anm.

d. Verf.] handle things so I can relax and unwind". Die in Kapitel B 2.2.3 in Erwä-gung gezogene negative Auswirkung durch partnerschaftliche Abstimmungspro-bleme bleibt bei dieser Eigenschaft demnach unberücksichtigt, während sich die vermuteten positiven Ausprägungen empirisch bestätigen.

Frithjof Netzer - 978-3-631-75092-6

Mit weltweiten Vielfliegervorteilen erfaßte die Untersuchung eine Nutzenerwar-tung, die in den Studien zur Nutzensegmentierung nur peripher berührt wurde.427 Für die in den Focusgruppeninterviews befragten Vielflieger bestanden bei dieser Nutzenerwartung die höchsten Potentiale strategischer Luftverkehrsallianzen, der Idealausprägung nahe zu kommen und sich gegenüber einzeln agierenden Fluggesellschaften abzugrenzen. Als Grund hierfür wurde auf die Möglichkeit hin-gewiesen, Privilegien wie Loungenutzung, Priorisierung auf Wartelisten sowie bevorzugtes Einchecken von bisher einer Fluggesellschaft auf dann mehrere Partner-Airlines ausdehnen zu können. Neben diesen prozeßbezogenen Eigen-schaften hoben die Befragungspersonen das schnellere Erreichen kritischer Mei-lengrenzen sowie größere Streckennetze zum ,Abfliegen" von Meilen mit Allianz-partnern hervor. Derartige Privilegien wurden von den Befragungspersonen oft als Belohnung oder Kompensation für die berufliche Tätigkeit gewertet wurden (,.rewards are my treat...light at the end of the tunnel"). In diesem Fall sprachen die Befragten auch von „tangible rewards".

Abweichungen im Antwortverhalten ergaben sich diesbezüglich für britische und asiatische Vielflieger, die in größerem Maße am Sammeln von Meilen interessiert waren als die übrigen Focusgruppenteilnehmer. Begründet wurde dies im Fall der Briten mit einer größeren Streuung der Buchungen auf mehrere verschiedenen Fluggesellschaften und bei den Asiaten mit der relativen Neuigkeit dieses Kun-denbindungsinstruments, das in ihrem Heimatmarkt für einige Strecken und Tarife keine Gültigkeit besaß.

Mit der Nutzenerwartung einer individualisierten Betreuung verbanden die Viel-flieger schließlich einen persönlichen Service an Bord, der idealerweise proaktiv von den Flugbegleitern ausging und von einer unaufdringlichen Aufmerksamkeit geprägt war. Im Gegensatz zum Komfort bezog sich diese Eigenschaft wesentlich auf das Personal der Fluggesellschaft, wenngleich die Auswirkungen persönlicher Betreuung ähnliche Züge wie ein höchstmöglicher Komfort oder nahtloses Reisen trugen und sich damit am Problemfreiheitsbedürfnis und z.T. auch am Selbstver-wirklichungsbedürfnis orientierten. Genannt wurden Entspannung, Erleichterung und Leichtigkeit als Komponenten einer ideal ausgeprägten individualisierten Be-treuung. Einzeln agierende Fluggesellschaften wurden tendenziell als besser in

427 Sie findet Berücksichtigung als „statusbezogene Leistungen" im Geschäftsreisenden-Segment der „Road Warriors" in der Studie von United Airlines. Vgl. Kapitel B 2.2.3.

der Lage eingeschätzt, diese Nutzenerwartung zu erfüllen. Damit ergibt sich eine gewisse Konsistenz zu den Plausibilitätsüberlegungen, die im Zuge der Untersu-chung Stegmüllers mit dem Merkmal ,Aufmerksamkeit an Bord" geführt wurden.

Kulturell bedingte Inkompatibilitäten der Servicephilosophie oder auch Sprachpro-bleme könnten hier als Ursachen einer Inferiorität von Allianzen gewertet wer-den.

Überblickartig ergibt sich damit die in Abbildung 17 zusammengefaßte Beurteilung des Erfüllungsgrads strategischer Luftverkehrsallianzen bezüglich der sechs iden-tifizierten Nutzenerwartungen. Mit Ausnahme des Komfortniveaus und der indivi-dualisierten Betreuung beurteilten die befragten Vielflieger strategische Luftver-kehrsallianzen demnach als überlegen gegenüber einzeln agierenden Fluggesell-schaften.

Erfüllungsgrad durch stra~ische Luftverkehrsallianzen Weltweiter Sicherheits- Hoch. Grund: Allianzen können von einem Halo-Effekt profi-standard tieren, der mit einem partnerübergreifenden

Sicherheitssie-gel zu vergleichen ist.

Höchstes Komfortniveau Gering. Grund: Unterschiedliche Komfortniveaus werden schlechter beurteilt als Komfort „aus einer Hand".

Weltweites Streckennetz Hoch. Grund: Zusätzliche Streckenverbindungen und enge mit flexiblen Buchungs- Buchungsabstimmungen werden als einzeln agierenden optionen Airlines mit kleinerem Streckennetz überlegen beurteilt.

Nahtloses Reisen Hoch. Grund: Abstimmung der Allianzpartner wird mit den Vorteilen des einmaligen Eincheckens, kürzeren Wegen und partnerschaftlicher Gepäckweiterleitung verbunden.

Weltweite Vlelfliegervor- Sehr hoch. Grund: Privilegien werden auf mehrere Airlines teile ausgedehnt, ohne einer bestimmten Fluggesellschaft

ver-haftet bleiben zu müssen.

Individualisierte Betreu- Gering bis sehr gering. Grund: Inkompatibilitäten der Ser-ung vicephilosophie bei länderspezifisch geprägten Erwartungen

lassen bei einzeln agierenden Fluggesellschaften weniger Schwierigkeiten erwarten.

Abb. 17: Beurteilung des allianzbezogenen Erfüllungsgrads zentraler Nut-zenerwartungen durch Vielflieger

Um Aussagen über die relative Bedeutung der damit erörterten Nutzenerwartun-gen zueinander zu gewinnen, wurde daraufhin eine Rangreihung nach den

Häu-Frithjof Netzer - 978-3-631-75092-6

figkeiten der „sehr wichtig"- und „wichtig"-Nennungen vorgenommen. Sie ergab eine dominante Wichtigkeit des weltweiten Sicherheitsstandards (166 Nennun-gen), gefolgt vom höchsten Komfortniveau (130), dem weltweiten Streckennetz mit flexiblen Buchungsmöglichkeiten (129) und dem nahtlosen Reisen (122). Mit einigem Abstand schlossen sich Vielfliegervorteile (82) und die individualisierte Betreuung (63) an. Angesichts der mangelnden Repräsentativität der Daten und der mit einer solchen Erfassung verbundenen Anspruchsinflation sind diese Wich-tigkeiten jedoch mit Vorsicht zu interpretieren. Nicht zuletzt aus diesem Grunde wurden zusätzliche Marktforschungsdaten bemüht, um die Wichtigkeiten allianz-spezifischer Nutzenerwartungen zu erfassen. Die Auswertung empirischer Daten einer Tracking-Studie, in deren Zuge regelmäßig Befragungen an Bord von Flug-zeugen der Allianzpartner durchgeführt wurden, ergab ein von den Focusgrup-penergebnissen abweichendes Bild. 92 Prozent der befragten Fluggäste nannten die Möglichkeit, Meilen mit der Partnerfluggesellschaft sammeln zu können, als sehr wichtige nutzenstiftende Eigenschaft einer strategischen Luftverkehrsallianz.

Mit deutlichem Abstand schlossen sich die Merkmale .komfortables Reisen" (67 Prozent), ,,zusätzliche Anzahl Flüge pro bestehender Strecke und zusätzliche Ziele" (66 Prozent) sowie der „Zugang zu Lounges der Partner-Airlines" (59 Pro-zent) an.

Im nächsten Untersuchungsschritt wurden auf Basis dieser Erkenntnisse vier ver-bale Positionierungskonzepte für eine fiktive strategische Luftverkehrsallianz ent-wickelt und auf ihre Akzeptanz bei den Focusgruppen-Teilnehmern geprüft.

2.3.4 Ableitung und Überprüfung alternativer Positionierungsansätze am

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