• Keine Ergebnisse gefunden

Ableitung und Überprüfung alternativer Positionierungsansätze am Beispiel einer fiktiven Luftverkehrsallianz

Im Dokument Strategische Allianzen im Luftverkehr (Seite 170-178)

2. Strategische Luftverkehrsallianzen im Spannungsfeld zwischen End- End-nutzern, Absatzmittlern und Wettbewerbern End-nutzern, Absatzmittlern und Wettbewerbern

2.2 Konzeptionelle Überlegungen und empirische Befunde zu den end- end-nutzergerichteten Beziehungen strategischer Luftverkehrsallianzen

2.3.4 Ableitung und Überprüfung alternativer Positionierungsansätze am Beispiel einer fiktiven Luftverkehrsallianz

Um konkrete Aufschlüsse über die Dominanzfunktion einer Luftverkehrsallianz und über ihre Differenzierungsfähigkeit gegenüber einzeln agierenden Fluggesell-schaften zu erhalten,428 wurden den Vielfliegern vier unterschiedliche verbale Sti-muli präsentiert. Die Reaktionen in den Gruppendiskussionen wurden erfaßt und zu prägnanten Beschreibungen verdichtet. Diese Vorgehensweise kann daher nicht mit einer Positionierung im herkömmlichen Sinne verglichen werden, in de-ren Zuge Objekte auf der Grundlage von Eigenschafts- oder

Ähnlichkeitsbeurtei-428 Vgl. Woratschek, H., Positionierung - Analysemethoden, Entscheidungen, Umsetzung, in:

Handbuch Dienstleistungs-Marketing, Band 1, Hrsg.: Meyer, A., Stuttgart 1998, S. 698 u. S.

705f.

lungen im Wahrnehmungsraum von Befragungspersonen positioniert werden, wo-bei möglichst repräsentative Stichproben zugrunde liegen und multivariate Analy-semethoden zur Anwendung gelangen.429

Als Stimulus 1 fungierte der aus semantischen Gründen nicht übersetzte Satz

„We're Putting the World on Your Schedule". Diese Aussage führte nach dem Bekunden von 130 Befragungspersonen dazu, eine Luftverkehrsallianz als mög-lichen Problemlösungsanbieter Betracht zu ziehen. Hervorgehoben wurden die mit diesem Satz verbundene Möglichkeit zur effizienten Zeitnutzung, die aus zusätz-lichen Flugzielen und Verbindungen pro Strecke erwachsenden Flexibilitätsspiel-räume bei der Reiseplanung sowie die bequeme Regelung komplexer Reise-abläufe aus der Hand „eines" Leistungsanbieters. Damit korrespondierte dieser Stimulus mit dem Problemfreiheitsbedürfnis. U.a. wurden folgende Aussagen zitiert: .,You spend less time waiting ... you are in control", .,Time is money", .,1 want my trip tobe as trouble-free as possible".

Als zweiter Stimulus wurde die Wortfolge „Simpler, More Seamless Internatio-nal Travel" eingesetzt. Dieser Aussage maßen 112 Vielflieger eine entspre-chende Problemlösungskompetenz bei. Einige Zitate ließen eine lehrbuchhafte Verbindung dieser Aussage mit dem Wesen strategischer Luftverkehrsallianzen erkennen und damit die Prägung durch Presseberichte deutlich werden (,,lsn't this the point of an alliance?", .,Not coming out of one system and into another''). Im Mittelpunkt der Reaktionen stand jedoch die von den Vielfliegern mit dieser Wort-folge verbundene Fähigkeit einer Allianz, eine von Streß und Ärgernissen freie Flugdienstleistung zu erstellen, in deren Zuge alle potentiellen Probleme proaktiv durch den Anbieter gelöst werden.

Die Phrase „We'd Recognize You Anywhere in the World" kam als dritter Sti-mulus zum Einsatz und vereinte die allianzspezifischen Assoziationen von 95 Befragungspersonen auf sich. Während schon zwischen Stimulus 1 und 2 gewisse Überschneidungen der Assoziationen feststellbar waren, traten an dieser Stelle nahezu identische Aussagen wie bei Stimulus 2 auf, die sich auf den - hier jedoch statusabhängigen - störungsfreien Ablauf einer Flugdienstleistung bezo-gen. Daneben verbanden die Vielflieger vor allem auf ihren Status abgestimmte

429 Vgl. Backhaus, K., u.a.. Multivariate Analysemethoden: eine anwendungsorientierte Einführung, 8., verb. Aufl., Berlin u.a. 1996, S. 432ft.

Frithjof Netzer - 978-3-631-75092-6

Sonderbehandlungen mit der Phrase weltweiter Anerkennung. Die Aussagen las-sen auf eine rational basierte Vorteilssuche schließen, die sich bei britischen und asiatischen Befragungspersonen stärker auf das Sammeln von Meilen und den Erhalt von Bonusflügen konzentrierte als auf die Erlangung statusbezogener Vor-teile wie bevorzugtes Check-in oder Wartelistenpriorisierung.

Der vierte Stimulus stellte das Merkmal der Diversität von Allianzen in den Vor-dergrund und lautete „You Get the Best of Each ... and the Best of All". 80 Viel-flieger assoziierten diesen Satz mit Luftverkehrsallianzen und konnten sich vor-stellen, von einer Vereinigung der partnerschaftlichen Stärken auch als Endnutzer zu profitieren. Die Zitate, die sich zwecks Beleg dieser Aussage in der Dokumen-tation finden, wirken jedoch eher halbherzig und ungenau: ,.The whole thing has people behind it working for you, so it's got to be good!" oder „More heads the better. They can share ideas. They won't try and hide it if they discover something good a·s they probably do now". Bei der Vereinigung von Stärken konnten natio-nalitätsbedingte Einflüsse festgestellt werden, die den Partnerfluggesellschaften herkunftslandbedingte Leistungsvorteile beimaßen. Als Beispiel wurde die Betreu-ungsqualität an Bord asiatischer Fluggesellschaften hervorgehoben. Andere Viel-flieger sahen für Airlines ihrer eigenen Nationalität Chancen, die eigene Lei-stungsfähigkeit durch die Allianz mit anderen Fluggesellschaften zu steigern.

Abschließend empfahl die Studie eine an „tangiblen Leistungsmerkmalen"

ausgerichtete Positionierung für die Allianz,430 um später unter der Voraussetzung einer gestiegenen Bekanntheit und gewachsener endnutzerseitiger Erfahrungen im Umgang mit Allianz-Flugdienstleistungen einen stärker emotional geprägten Positionierungsansatz zu verfolgen. Aufbauend auf den Erkenntnissen der bishe-rigen Untersuchungsschritte wurde im vierten Teil der Studie ein Positionierungs-ansatz für die Allianz der Auftraggeber vorgeschlagen.

2.3.5 „Worldwide Recognition" als vielfliegerorientierter Positionierungs-ansatz für eine strategische Luftverkehrsallianz

Der Vorschlag, eine gemeinsame, auf Nutzenerwartungen aufbauende Allianz-marke zu schaffen, bildete den Ausgangspunkt des letzten

Untersuchungsschrit-• 30 Mit „tangibel" ist in diesem Zusammenhang „handfesr, .,unmittelbar ersichtlich", aber auch .meßbar" gemeint. Nach dieser Auffassung wäre beispielsweise der weltweite Loungezugang tangibel, während eine „Kombination der individuellen Stärken der Partner" eher als intangibel zu bezeichnen wäre.

tes.431 Zunächst wurde das Merkmal der individualisierten Betreuung aufgrund des als gering bis sehr gering beurteilten allianzseitigen Erfüllungsgrades ausge-sondert, um dann anhand der übrigen fünf explorierten Nutzenerwartungen die Kerneigenschaften der Allianzmarke zu definieren.432 Dabei wurde eine Nutzen-hierarchie entwickelt, deren Fundament in dem Merkmal „weltweiter Sicherheits-standard" bestand. Auf diesem Fundament bauten die übrigen Nutzenerwartun-gen „konsistentes Komfortniveau", ,,weltweites Streckennetzes/flexible Buchungs-optionen", ,,nahtloses Reisen vom Anfang bis zum Ende" sowie „Vieltliegervorteile Status/Privilegien" auf. Für jedes Merkmal wurde ein aus Endnutzerperspektive formulierter Leitsatz entwickelt, der in Abbildung 18 wiedergegeben ist.

431 Diese Überlegung erweist sich als richtig, zumal angesichts der nebeneinander geführten, etablierten Unternehmensmarken der Partner-Fluggesellschaften eine .gemeinsame Klammer"

fehlt. Meffert ( 1994) geht in seinem entscheidungsorientierten Ansatz der Markenpolitik bereits implizit von der Existenz einer Marke aus, für die Ziele, Positionierung, Strategie sowie Detailentscheidungen und Anpassungsentscheidungen zu bestimmen bzw. zu treffen sind. Vgl.

Meffert, H., Entscheidungsorientierter Ansatz der Markenpolitik, a.a.O., S. 175.

432 An dieser Stelle sei ausdrücklich auf die spitze Zielgruppendefinition hingewiesen (vgl. die Anlage der Untersuchung), auf die das Allianz-Flugdienstleistungsangebot ausgerichtet wurde.

Frithjof Netzer - 978-3-631-75092-6

N htloses Rei en on Anfang b

Ende

Weltweites Strecken netz /flexible Buchungsoptionen

Konsistentes Komfortniveau

Weltweiter Sicherheitsstandard

Leitsatz:

Egal mit welcher Fluggesellschaft ich fliege - ich erhalte denselben Status und dieselben Privilegien, die ich von meiner Lieblings-Airline gewöhnt bin. Ich bin auf der ganzen Welt ein geschätzter Kunde.

Ich brauche nur einmal einzu-checken, der Rest läuft wie von selbst. Die Wege am Flughafen sind kürzer, und jede Partner-Air-line kann meine Fragen beant-worten und meine Probleme lö-sen, egal wo ich gerade bin.

Bei dieser Allianz erwartet mich ein Flugplan, der genau auf meine Bedürfnisse zugeschnitten ist. Mir stehen mehrere

Möglich-eilen für meine weltweiten Rei-n offeRei-n.

Sitzplätze und

Abb. 18: Kerneigenschaften der Allianzmarke (Idealposition)

Im Anschluß an die solchermaßen bestimmte Idealposition wurden die Vielflieger um die Beurteilung der Real-Ausprägungen dieser Kerneigenschaften am Bei-spiel der Auftraggeber-Allianz gebeten. Dabei dienten konkurrierende Luftver-kehrsallianzen explizit als Vergleichsobjekte. Die fundamentale Eigenschaft der

Auftraggeber-Allianz, die Nutzenerwartung eines weltweiten Sicherheitsstandards zu erfüllen, wurde dabei weder als dominantes Merkmal identifiziert noch für signifikant besser oder schlechter gehalten als im Fall anderer Luftverkehrsallianzen. Insgesamt werteten die Befragungspersonen die Allianz jedoch als eine „Mischung aus sicheren Fluggesellschaften".

Sehr knapp fiel die Beurteilung der Realausprägung des Merkmals „konsistentes Komfortniveau" aus, für das die Vielflieger in den Gruppendiskussionen weder eine dominante Position konstatierten noch Unterschiede zu den konkurrierenden strategischen Luftverkehrsallianzen ausmachten.

Mit relativ geringem Abstand zur Idealposition beurteilten die befragten Vielflieger die Real-Ausprägung des Merkmals „weltweites Streckennetz/flexible Buchungsoptionen", durch das sich die Luftverkehrsallianz zudem deutlich von den Wettbewerbs-Allianzen differenzieren konnte. In bezug auf ein „nahtloses Reisen vom Anfang bis zum Ende" attestierten die Befragten der Luftverkehrs-allianz demgegenüber keine Dominanz. Im Vergleich zu den übrigen Allianzen wurde darüber hinaus deutlich, daß einige Vielflieger offenbar aufgrund schlechter Erfahrungen Zweifel an der Eignung der Allianz zur Befriedigung des Problemfrei-heitsbedürfnisses hatten.

Hinsichtlich der Kerneigenschaft „Vielfliegervorteile Status/Privilegien" maßen die Befragungspersonen der Luftverkehrsallianz zum Untersuchungszeitpunkt keine dominante Position in ihrem eigenen Wahrnehmungsraum zu. Zugleich wurde die mangelnde Differenzierung gegenüber anderen Allianznetzwerken her-vorgehoben, in denen ebenfalls eine gegenseitige Anerkennung der partner-schaftlichen Vielfliegerprogramme praktiziert wurde. Potential zur Abgrenzung gegenüber anderen Allianzen sahen die Befragungspersonen dagegen in einer Übertragbarkeit von Statusmerkmalen zwischen den Partner-Fluggesellschaf ten.433

Um schließlich die zwischen Ideal- und Real-Ausprägungen der Kerneigenschaf-ten bestehenden Unterschiede bei möglichst großem DifferenzierungspoKerneigenschaf-tential gegenüber dem Wettbewerb zu überwinden, schlugen die Forscher auf Basis der

433 Dieser Hinweis beruht vermutlich auf einem eigennützigen Streben der Befragungspersonen, die durch derartige Äußerungen entsprechende Änderungen zu initiieren hoffen.

Frithjof Netzer - 978-3-631-75092-6

gewonnenen Erkenntnisse die Anwendung eines als „Worldwide Recognition"

bezeichneten Positionierungsansatzes vor. Im Kern dieses Konzepts stand die Aussage des persönlichen (Wieder-)Erkennens (.,recognition") von Vielfliegern in allen Teilen der Welt (.worldwide"). Die in dem Positionierungskonzept enthalte-nen Vorschläge für ausgewählte Maßnahmen lassen sich im Zusammenhang mit den identifizierten Ideal-Real-Unterschieden der Nutzenerwartungen darstellen (vgl. Abbildung 19).

Nutzenerwartung Befund zur Dominanz Befund zur Dlfferenzle- Maßnahmen zur

Profi-rung llerung

Weltweiter Sicherheits- keine Dominanz keine Differenzierung keine Angabe standard

Konsistentes Komfort- keine Dominanz keine Differenzierung keine Angabe niveau

Weltweites Strecken- hohe Dominanz deutliche Differenzierung keine Angabe netz/flexible

Buchungs-Optionen

Nahtloses Reisen vom keine Dominanz leicht negative Differen- Ermöglichung eines ent•

Anfang bis zum Ende zierung aufgrund spannten Reisens durch

schlechter Erfahrungen bevorzugte Behandlung Vielfliegervorteile Sta- keine Dominanz kaum Differenzierung Schaffung eines gemein•

tus/Privilegien aufgrund von Nach• samen Markennamens,

ahmungen; Differenzie- um Orientierung und

Abb.19: Ansatzpunkte für die Positionierung am Beispiel einer strate-gischen Luftverkehrsallianz

Die der Studie zu entnehmenden Vorschläge für die Ergreifung von Maßnahmen zur Erreichung der angestrebten strategischen Positionierung der Allianz stellen

ersichtlich auf die Erfüllung von Nutzenerwartungen ab, die einen sehr spezifi-schen Bezug zur Gruppe der Vielflieger aufweisen. Wenngleich sich die vorlie-genden Ausführungen damit auf ein mengenmäßig eher kleines Segment von Fluggästen beziehen, wurde bereits früher auf die hohe wertmäßige Bedeutung von Vielfliegern für Fluggesellschaften hingewiesen. Die Auswahl dieser Gruppe für die Focusgruppenbefragung dürfte zudem vor dem Hintergrund ihres Erfah-rungswissens erfolgt sein, das zur Beurteilung des Untersuchungsobjektes not-wendig ist. Offen bleibt jedoch insgesamt die konkrete Erfassung des allianzspe-zifischen (Zusatz-)Nutzens über ein geeignetes Meßinstrumentarium, so daß die Diskussion von Ansatzpunkten zur Ausgestaltung des Marketing-Instrumenta-riums auf lediglich qualitativen Daten aufbauen kann.

Frithjof Netzer - 978-3-631-75092-6

3. Nachfragergerichtete Ausgestaltung strategischer

Im Dokument Strategische Allianzen im Luftverkehr (Seite 170-178)

Outline

ÄHNLICHE DOKUMENTE