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Auswirkungen strategischer Luftverkehrsallianzen auf die Beziehun- Beziehun-gen zu Reisebüros

Im Dokument Strategische Allianzen im Luftverkehr (Seite 113-117)

2. Strategische Luftverkehrsallianzen im Spannungsfeld zwischen End- End-nutzern, Absatzmittlern und Wettbewerbern End-nutzern, Absatzmittlern und Wettbewerbern

2.1 Strategische Luftverkehrsallianzen aus Sicht des vertikalen Marketing Fluggesellschaften können durch die Festlegung der vertikalen

2.1.1 Auswirkungen strategischer Luftverkehrsallianzen auf die Beziehun- Beziehun-gen zu Reisebüros

Reisebüros sind Unternehmen, deren Zweck in der Vermittlung von reise- und freizeitrelevanten Produkten und Dienstleistungen besteht.312 Hierzu zählen vor allem Reiseveranstaltungen (z.B. Pauschalreiseangebote), Hotels, Flugdienstlei-stungen, Bahnreisen, Mietwagen, Veranstaltungstickets (z.B. Theaterkarten) und Reiseliteratur. Für die Vermittlung von Flugdienstleistungen erhalten sie von den betreffenden Fluggesellschaften Provisionszahlungen, deren Betrag sich i.d.R.

als Prozentsatz vom fluggesellschaftsspezifischen Umsatz berechnet. 1995 belief sich die durchschnittliche Provisionshöhe für Flüge innerhalb der USA beispiels-weise auf 9, 17 Prozent und sank 1996 auf 8,57 Prozent, während die Provisionen für internationale Flüge im selben Zeitraum von durchschnittlich 16,24 auf 15,37 Prozent fielen.313 Darüber hinaus gewähren viele Fluggesellschaften Rabatte an Reisebüros, deren Höhe von dem jeweils mit ihnen realisierten Umsatzvolumen abhängt, um das Empfehlungsverhalten der Reisebüros zu ihren eigenen Gun-sten zu beeinflussen.314 Im Gegenzug übernehmen die Reisebüros alle

Vermitt-erstellen. Vgl. Deiß, G., Aufgaben und Gestaltungsprobleme betrieblicher Reisestellen, in:

Betriebswirtschaftliche Studien zum Personenverkehr und Tourismus, Hrsg.: Brauer, K.M., Berlin 1985, S. 83. Die Begriffe „Reisestelle" und .Firmen-Reisestelle" werden im folgenden synonym verwendet.

311 Der Stellenwert von Firmenkunden kann exemplarisch an dem Verband Deutsches Reisemanagement verdeutlicht werden: Er repräsentiert nach eigenen Angaben 300 Wirtschaftsunternehmen, die jährlich jeweils einen Flugscheinumsatz in zweistelliger Millionenhöhe aufweisen. Vgl. Haas, S., Jetzt sind auch noch die Firmenkunden sauer, in: fvw, Nr. 27, 1997, S. 8. Die Bedeutung des Geschäftsreisevolumens geht auch aus einer Studie von United Airlines hervor, nach der nur 9 Prozent aller Fluggäste für 44 Prozent des Gesamtumsatzes verantwortlich zeichnen. Diese Gruppe reist aus geschäftlichem Anlaß und überträgt die Buchungsabwicklung i.d.R. auf Firmen-Reisestellen oder Reisebüros. Vgl. Flint, P., Will the real United please stand up?, a.a.0., S. 31.

312 Vgl. z.B. Freyer, W., Tourismus: Einführung in die Fremdenverkehrsökonomie, 3., erg. und aktualisierte Aufl., München, Wien 1991, S. 41.

313 Vgl. Levere, J., Agents of change, in: Airline Business, No. 8, 1997, S. 52. Auch in Europa ist insbesondere seit Anfang 1997 eine Tendenz zur Senkung der Provionshöhe zu beobachten.

Die Fluggesellschaften Ryanair (Irland), KLM sowie SAS streben eine Senkung von 9 auf 7,5 Prozent an oder haben diese bereits umgesetzt. Vgl. Jones, L., Euro agents fight change, in:

Airline Business, No. 5, 1997, S. 18.

314 Die Deutsche BA beispielsweise gewährt den Reisebüros neben den 5 Prozent Provisionen zusätzlich 2 Prozent Rabatt, wenn das Umsatzvolumen des Vorjahres erreicht wird. Vgl. Haas, S., Auch die Briten halten die Reisebüros jetzt kurz, in: fvw, Nr. 27, 1997, S. 11 (in dieser Form

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lungsfunktionen, die an der Schnittstelle zwischen Fluggesellschaft und Endnut-zer anfallen. Hervorzuheben sind die Information und Beratung von Kunden sowie die buchungstechnische Abwicklung von Flugdienstleistungen.

Aus solchen Beziehungen können entsprechend dem netzwerktheoretischen Gedankengut langfristige Bindungen zwischen Fluggesellschaften und Reisebüros erwachsen. Das Spannungsfeld zwischen Anreizen und Beiträgen kann jedoch zugleich in Diskussionen um die Höhe der Provisionen und Rabatte sowie um die Bewertung der Reisebüroleistungen ihren Niederschlag finden. Um Aufschluß über die Bewertung der Reisebüroleistungen zu gewinnen, wurde 1997 eine Pro-zeßkostenanalyse in 15 deutschen Reisebüros mit IATA-Lizenz315 durchgeführt.

Für den Bereich der Vermittlung von Flugdienstleistungen lassen sich folgende Ergebnisse zusammenfassen:316

Die Vermittlungstätigkeiten für Flugdienstleistungen nehmen 76,0 Prozent, Bahnfahrten 20,0 Prozent und Hotels/Mietwagen 4,0 Prozent des gesamten Vermittlungszeitvolumens in den Reisebüros ein.

Innerhalb des Vermittlungsvorgangs für eine Flugdienstleistung verteilt sich der Zeitaufwand wie folgt: Buchung/Flugscheinausstellung 66,0 Prozent, Flugaus-künfte 20, 1 Prozent, Umbuchungen von Flugscheinen 7,2 Prozent, Rücker-stattung 5,5 Prozent und Stornierungen 1,2 Prozent.

Die Gesamtprozeßkosten einer einzelnen Flugbuchung belaufen sich bei Betrachtung der reinen Prozeßzeit auf 1,52 DM pro Minute. Zusatztätigkeiten und Warte-/Bereitschaftszeit erhöhen diesen Wert auf 3,22 DM pro Minute (Vollkostenbasis).

Die durchschnittlichen Gesamtkosten einer Flugbuchung liegen bei 35,53 DM (reine Prozeßkosten) und bei 53,83 DM, wenn auf Vollkostenbasis gerechnet wird.

scheint ein .,Anreizsystem" allerdings nur bei einem Marktrückgang ökonomisch sinnvoll zu sein).

315 Die IATA-Lizenz ermächtigt ein Reisebüro, rechtlich als Handelsvertreter für alle Mitgliedsgesellschaften der IATA zu fungieren. Die Erteilung der Lizenz erfolgt nach einem festgelegten Zulassungsverfahren und ist an bestimmte Voraussetzungen gebunden. Vgl.

weiterführend Pompl, W., Luftverkehr: eine ökonomische Einführung, a.a.O., S. 178-180.

316 Die Studie beruht auf 61 Beobachtungen und Interviews in den betreffenden Reisebüros und wurde vom Deutschen Reisebüro Verband sowie dem Berufsverband mittelständischer Reisebürounternehmen in Auftrag gegeben. Die Finanzierung übernahmen die Deutsche Luftahnsa, das Bundesministerium für Wirtschaft sowie die beteiligten Reisebüros. Vgl.

Jahrfeld, M., Der Weg zum Mehrwert bleibt verschlungen, in: fvw, Nr. 23, 1997, S. 15.

Wenngleich diese Ergebnisse Einschränkungen unterliegen, die sich aus dem Design und der Methodik der Untersuchung ergeben, lassen sich aus Sicht der Reisebüros eine Verringerung des Zeitaufwands pro Buchung sowie eine im Ver-gleich zu den Prozeßkosten „angemessene" Provisions- und Rabatthöhe grund-sätzlich als bedeutsame Anforderungen an das Leistungsangebot von Flugge-sellschaften ableiten. Darauf aufbauend ist nun zu überprüfen, wie sich strategi-sche Luftverkehrsallianzen auf die Beziehungen zwistrategi-schen Fluggesellschaften und Reisebüros auswirken. Durch eine Ausweitung des Streckennetzes im Zuge der Code Sharing-Vereinbarungen zwischen den Allianzpartnern können möglicher-weise das Gesamtreiseaufkommen gesteigert und das Provisionsvolumen für die Reisebüros entsprechend erhöht werden. Ein positiver Mengeneffekt kann sich auch dann ergeben, wenn strategische Allianzen zu geringeren Flugpreisen füh-ren. In einem solchen Fall müßten die Mengensteigerungen jedoch die aus niedri-geren Preisen resultierenden Mindereinnahmen überkompensieren, um eine Zunahme der Provisionen zu bewirken.317 Der Zeitaufwand für die Buchung und Bearbeitung von Tickets könnte aufseiten der Reisebüros darüber hinaus gesenkt werden, wenn die Allianzpartner ihre Vertriebsverträge harmonisieren und damit Transaktionskosten vermindern.318 Ein im Rahmen der Expertengespräche befragter Allianzmanager gab beispielsweise an, Reisebüros könnten durch die Bündelung von drei Allianzpartnern in einem Vertrag nahezu 90 Prozent der Rei-sebedürfnisse ihrer Kunden, d.h. der Fluggäste, decken und die Buchungen ver-einfacht abwickeln, anstatt - wie zuvor - mit drei einzelnen Fluggesellschaften zu drei unterschiedlichen Konditionen abzurechnen.319

Andererseits liegen Vermutungen nahe, die auf eine mißbräuchliche Ausnutzung von Marktmacht durch die in Allianzen verbündeten Fluggesellschaften gegenüber

317 Für die exakte Bestimmung des aus der Preissenkung resultierenden Umsatzeffekts ist die Kenntnis der Preiselastizitäten der Endnutzer notwendig, die als Verhältnis der relativen Änderung der Nachfrage nach einer Flugdienstleistung i zu der sie auslösenden relativen Änderung des Preises für diese Flugdienstleistung definiert werden kann. Vgl. Meffert, H., Marketing: Grundlagen marktorientierter Unternehmensführung, a.a.O., S. 476.

318 Eine Harmonisierung der hiermit angesprochenen Konditionenpolitik im Rahmen strategischer Allianzen kann vorbehaltlich der wettbewerbsrechllichen Zulässigkeit erfolgen. Unter Transaktionskosten sind Kosten zu verstehen, die zum Abschluß einer vertraglichen Vereinbarung führen (z.B. Informations-, Verhandlungs- und Vertragskosten), sowie Kosten der Absicherung, Durchsetzung und ggf. Anpassung der vertraglichen Vereinbarungen. Vgl. Ebers, M., Gotsch, W., lnstitutionenökonomische Theorien der Organisation, a.a.O., S. 209.

319 Vgl. Anhang 3.

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den Reisebüros schließen lassen. Eine Bündelung von Allianzpartnern in einem einheitlichen Vertriebsvertrag könnte z.B. zu einer Senkung der Provisions- und Rabattsätze genutzt werden. In Verbindung mit mangelnden Ausweichmöglich-keiten auf andere Fluggesellschaften entstünden den Reisebüros dann Einnah-meeinbußen. Eine solche Bedrohung aus Reisebürosicht besteht jedoch nur bei strategischen Allianzen, die im Besitz einer Ausnahmegenehmigung von kartell-rechtlichen Vorschriften sind wie beispielsweise KLM-Northwest Airlines und Luft-hansa-United Airlines in den USA sowie Lufthansa-SAS in Europa.320 Angesichts eines branchenweit zu verzeichnenden Trends zur Kürzung von Provisionen321 dürfte es z.Zt. in Abhängigkeit vom Niveau der allianzseitigen Kürzungen zudem relativ schwerfallen, ein derartiges Verhalten in strategischen Allianzen als miß-bräuchlich zu identifizieren.

Neben nachteiligen Auswirkungen strategischer Luftverkehrsallianzen auf die Entwicklung von Provisionen und Rabatten ist ein erhöhter Informations- und damit Zeitaufwand für die Vermittlung von Code Share-Flügen vorstellbar. Die Gründe hierfür liegen zum einen in der relativ hohen Erklärungsbedürftigkeit der von mindestens zwei verschiedenen Fluggesellschaften erbrachten Flugdienstlei-stung gegenüber den Reisebürokunden und zum anderen in der technischen Systeminfrastruktur, auf der die Interaktionen zwischen Fluggesellschaften und Reisebüros aufbauen. Da derzeit keine gesetzlich festgelegte Pflicht zur Informa-tion der Endnutzer von Flugdienstleistungen besteht, bleibt es letztlich den Reise-büromitarbeitern überlassen, ob und in welchem Umfang sie ihre Kunden über das Wesen von Code Share-Flügen aufklären.322 Die Ausführungen zur Arbeits-teilung zwischen den Fluggesellschaften haben den Komplexitätsgrad von Code Share-Flugdienstleistungen deutlich werden lassen. Im Sinne einer vollständigen, kundenorientierten Aufklärung müßten Reisebüromitarbeiter demzufolge die

320 Grundsätzlich unterliegen strategische Allianzen, die wie hier in den Bereichen Produktion und Vertrieb gebildet werden, aufgrund ihrer wettbewerbsbeschränkenden Wirkung im deutschen Recht den Regelungen des § 1 GWB (Kartellverbot). Das europäische Recht sieht in Art. 85 III EWGV - ähnlich wie die §§ 2 bis 8 GWB - die Möglichkeit zur Freistellung vor. Daher ist mit der oben erwähnten Ausnutzung eines solchen Freiraums in bestimmten Bandbreiten zu rechnen.

Vgl. Schäfer-Kunz, J., Strategische Allianzen im deutschen und europäischen Kartellrecht, a.a.O., S. 245.

321 Vgl. z.B. McGee, W.J., Reshaping the Relationship, in: Air Transport World, No. 12, 1997, S.

57-59; Spielberger, M., Provisionskürzungen machen Agenten das Leben schwer, in: fvw, Nr.

1, 1998, s. 9-12.

322 Vgl. Beyhoff, S., Ehmer, H., Wilken, D., Code-Sharing im internationalen Luftverkehr der Bundesrepublik Deutschland, a.a.O., S. 49.

jeweils vorliegende Form des Code Sharing identifizieren, die Auswirkungen auf den Verlauf der Flugdienstleistung erfassen und dieses Wissen an ihre Kunden weitergeben. Neben dieser Informationsfunktion ist i.d.R. eine Beratung gefordert, die zentrale Vor- und Nachteile gegenüber konkurrierenden Angeboten verdeut-licht. In dem Spannungsfeld zwischen Zeitdruck und dienstleistungsspezifischer Erklärungsbedürftigkeit ist daher bei einer unterstellten Kundenorientierung der Reisebüros von wachsendem Zeitaufwand und steigenden Prozeßkosten für Code Share-Flugdienstleistungen auszugehen. Sofern die zusätzlichen Kosten nicht durch allianzspezifische Sonderleistungen seitens der Fluggesellschaften kompensiert werden, liegt die Annahme nahe, daß Reisebüros nur ein Mindest-maß an kundenorientierter Information und Beratung bei Code Share-Angeboten gewährleisten oder sogar gänzlich auf entsprechende Hinweise verzichten. Dieser potentielle allianzspezifische Nachteil ist gleichwohl den oben erörterten poten-tiellen Vorteilen einer Harmonisierung gegenüberzustellen.

Zu den Kunden von Reisebüros zählen neben Endnutzern auch Unternehmen und öffentliche Institutionen - im folgenden als „Firmenkunden" bezeichnet -, deren Mitarbeiter im Zuge ihrer betrieblichen Tätigkeit Flugdienstleistungen in Anspruch nehmen. Darüber hinaus treten Firmenkunden z.T. direkt mit Flug-gesellschaften in Interaktion, um Flugscheine zu erwerben. Die Auswirkungen strategischer Luftverkehrsallianzen auf die Beziehungen zwischen Firmenkunden und Fluggesellschaften werden im folgenden erläutert.

2.1.2 Auswirkungen strategischer Luftverkehrsallianzen auf die

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