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Allianzseitiges Netzmanagement durch gegenseitige Abstimmung von Flugplänen

Im Dokument Strategische Allianzen im Luftverkehr (Seite 194-198)

3. Nachfragergerichtete Ausgestaltung strategischer Luftverkehrsallian- Luftverkehrsallian-zen

3.2 Leistungspolitik der strategischen Luftverkehrsallianz

3.2.1 Allianzseitiges Netzmanagement durch gegenseitige Abstimmung von Flugplänen

Die an der strategischen Allianz beteiligten Partner-Fluggesellschaften bringen jeweils ein eigenes, von ihnen bedientes Streckennetz in die Allianz ein, das durch geographische Abflug- und Zielorte definiert ist. Den Flugstrecken werden wie-derum bestimmte Kapazitäten zugeordnet, die sich aus dem eingesetzten Flug-gerät sowie der Bedienungshäufigkeit ergeben.484 Zunächst sind der technische Zustand des eingesetzten Fluggeräts sowie der Ausbildungsstand des Cockpit-Personals auf die Erfüllung der Nutzenerwartung eines weltweiten Sicherheits-standards auszurichten. Eine objektive, statistisch meßbare Sicherheit kann durch kontinuierliche Wartungs- und lnstandhaltungsarbeiten, regelmäßige Ersatzbeschaffungen von Fluggerät sowie Schulungen des Cockpit-Personals erreicht werden. Darüber hinaus ist die von den Vielfliegern empfundene subjek-tive Sicherheit zu berücksichtigen,485 die sich in der Einschätzung bestimmter Merkmale wie beispielsweise dem optischen Zustand der Flugzeuge ausdrückt.

Da der technische Zustand des Fluggeräts und die Qualifikation des Cockpit-Per-sonals letztlich nicht oder nur zu prohibitiv hohen Kosten durch den Vielflieger selbst beurteilt werden können,486 kommt dem Aufbau von Vertrauen eine zen-trale Bedeutung zu. idealerweise können die Allianzpartner bereits auf ein in den jeweiligen Firmenmarken enthaltenes Vertrauenspotential zurückgreifen, das im Zuge gemeinsamer Aktivitäten auf die Allianz übertragen wird. Ein großes Sicher-heitsgefälle zwischen den Partnern wäre der Erfüllung der Nutzenerwartung ,,weltweiter Sicherheitsstandard" daher abträglich. Steigt ein Passagier beispiels-weise auf einem Code Share-Flug von American Airlines in ein Flugzeug dessen Allianzpartners China Airlines um, erhöht sich statistisch gesehen sein Risiko, mit der Maschine abzustürzen, um das 76-fache.487

484 Zur Gestaltung des Streckenangebots vgl. z.B. Neu, M., Marketing-Strategien für den internationalen Wettbewerb von Luftfahrtgesellschaften, Würzburg 1989, S. 111.

485 Vgl. Leonhardt-Weber, B., Die Entwicklung der Qualitätsmerkmale im Verkehr, a.a.O., S. 29.

486 Die Beurteilbarkeit von Güter- und Dienstleistungseigenschaften ist Gegenstand informationsökonomischer Überlegungen. Bei der Sicherheit von Flugdienstleistungen kann demnach von einem hohen Anteil an Vertrauenseigenschaften ausgegangen werden. Vgl. z.B.

Kaas, K.P., Busch, A., Inspektions-, Erfahrungs- und Vertrauenseigenschaften von Produkten, in: Marketing ZFP, 18. Jg., Nr. 4, 1996, S. 244.

487 Als Berechnungsgrundlage dient der statistisch ermittelte Wert „Tote pro eine Million Flüge von 1969-1994", der für American Airlines 0,15 und für China Airlines 11,43 ausweist. Vgl. Kolf, F., Lange Zeit blind vertraut, in: Wirtschaftswoche, Nr. 8, 1996, S. 88. American Airlines und China Airlines führen seit Dezember 1997 Code Sharing auf den Strecken Taipeh-Los Angeles,

Die Ergebnisse der Focusgruppenbefragung belegen, daß die strategische Luft-verkehrsallianz bezüglich der Nutzendimension „weltweiter Sicherheitsstandard"

weder eine dominante noch differenzierende Position innehat. Von kritischer Bedeutung ist daher die Etablierung eines allianzweiten Sicherheitsstandards, der sich in der gemeinsamen Dachmarke ausdrückt. Die Voraussetzungen hierfür scheinen angesichts der Beurteilung der Allianz als „Mischung sicherer Flug-gesellschaften" grundsätzlich gegeben zu sein. Restriktionen bei der Umsetzung des Allianz-Sicherheitsstandards resultieren gleichwohl aus wenig oder nicht beeinflußbaren Faktoren wie der Luftraumüberwachung oder der Flughafen-sicherheit, die den sicherheitsrelevanten Teil der Infrastruktur für Fluggesell-schaften zur Verfügung stellen.488

Um nun der vielfliegerseitigen Nutzenerwartung eines weltweiten Streckennet-zes zu genügen, sind die partnerschaftlichen Streckennetze theoretisch so mit-einander zu kombinieren, daß sich eine einhundertprozentige Abdeckung aller Verkehrsmärkte ergibt. Ein Vorteil besteht dabei in der Kombination starker Hei-matmarktpositionen der Partner-Fluggesellschaften, die sich beispielsweise in der hohen Präsenz an Drehkreuzen und in einer ausgeprägten Kenntnis der lokalen Marktverhältnisse ausdrücken.489 idealerweise ist es dann für die Vielflieger mög-lich, an jedem Flughafen Zugang zu mindestens einer der Partner-Fluggesell-schaften zu erhalten und die gewünschte Streckenverbindung direkt oder durch die Kombination von mehreren, im Allianznetzwerk bedienten Teilstrecken in Anspruch nehmen zu können. Eine derartige Maximal-Erfüllung der

Nutzen-Taipeh-San Francisco sowie auf inneramerikanischen Verbindungen durch. Vgl. Gallacher, J., Hold your horses, in: Airline Business, No. 6, 1998, S. 58.

488 Sinton (1995) erkennt eine besondere Herausforderung bei der Etablierung von Sicherheitsstandards in gewachsenen Sicherheits-Infrastrukturen, die von den Fluggesellschaften als gegeben akzeptiert werden müssen. Vgl. Sinton, L., Seamless Security Screening, in: Air Transport Progress, Hrsg.: Goold, 1., London 1995, S. 195.

469 Die Bedeutung von Drehkreuzen, die im sogenannten hub-and-spoke-System die Nabe (hub) bilden, in welcher der aus den Speichen (spokes) zuströmende Nebenverkehr gesammelt und auf Hauptstrecken verteilt wird, geht aus den Marktanteilen großer Fluggesellschaften an Großflughäfen hervor. So vereinigt American Airlines in ihrem Hub Dallas Fort Worth 63 Prozent des gesamten dortigen Passagieraufkommens auf sich, während United Airlines in Denver 78 Prozent und Delta Air Lines in Atlanta 85 Prozent aller Passagiere befördern. Vgl.

Flint, P. Will four go into two? in: Air Transport World, No. 6, 1998, S. 40. Für Thai Airways erweisen sich die mit dem Drehkreuz Bangkok verbundenen Schwierigkeiten (Kapazitätsbegrenzungen sowie technische Probleme) als positionsgefährdend innerhalb der Star Alliance. Vgl. Ballantyne, T., Walker, K., Thai is hardly Star choice, in: Airline Business, No. 7, 1997, S. 12.

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erwartung „weltweites Streckennetz/flexible Buchungsoptionen" ist jedoch ohne gleichzeitige Berücksichtigung des Oberziels Gewinn ökonomisch wenig sinnvoll, da nicht alle theoretisch denkbaren Verkehrsströme gewinnbringend zu bedienen sind.490 Weber (1997) beispielsweise ermittelt anhand der Anzahl von weltweit 5.000 Verkehrsflughäfen die theoretische Gesamtzahl von x*(x-1) = 24.995.000 Verkehrsströmen, die sich jedoch durch ökonomische und marktstrategische Überlegungen auf handhabbare ca. 10.000 bis 20.000 Verkehrsströme reduzieren läßt.491 Die Auswahl der im Zuge der Allianz bedienten Flugstrecken hat sich daher an der aktuellen und potentiellen Bedeutung bestimmter Verkehrsströme für die Zielgruppe der Vielflieger - gemessen an ihrem Anteil an der Gesamtzahl Pas-sagiere in diesen Verkehrsströmen - zu orientieren. Durch die Zusammenführung von streckenspezifischen Umsatz- und Kostendaten im Rahmen der Luftverkehrs-allianz sowie durch die Auswertung von Daten aus den Vielfliegerprogrammen der Partner-Fluggesellschaften können die erfolgskritischen Verkehrsströme ermittelt werden, an denen sich die Gestaltung des Allianz-Streckennetzes zu orientieren hat. Aus Sicht einer einzelnen Partner-Airline kann eine Entscheidung des Allianz-Netzmanagement durchaus negative Folgen für weiterhin im Allein-gang bediente Flugstrecken haben. In solchen Fällen tritt das Einzel-Optimum hinter dem Allianz-Gesamtoptimum zurück.492

Bezüglich der damit festgelegten Streckennetzbreite ist es der betrachteten Luft-verkehrsallianz offenbar bereits gelungen, eine dominante Position bei den

Viel-490 Die ökonomische Vorteilhaftigkeit der Streckenbedienung wird maßgeblich durch die Streckenlänge (steigende Stückkosten bei sinkender Länge) und den Sitzladefaktor (steigende Stückkosten bei sinkendem Sitzladefaktor) beeinflußt und läßt insbesondere Kurzstrecken sowie wenig nachgefragte Strecken unvorteilhaft erscheinen. Vgl. Oum, T.H., Winning Airlines:

productivity and cost competitiveness of the world's major airlines, Norwell 1998, S. 143.

Desungeachtet finden sich im Luftverkehr Fälle, in denen verlustbringende Strecken von Fluggesellschaften dauerhaft bedient werden, da sich entweder ökonomisch positive Netzeffekte durch Zubringerfunktionen ergeben oder die Strecke gehalten wird, um Wettbewerber zu attackieren bzw. um den Markteintritt neuer Wettbewerber zu verhindern.

491 Vgl. Weber, G., Erfolgsfaktoren im Kerngeschäft von europäischen Luftverkehrsgesellschaften, a.a.O., S. 59. Ökonomische Restriktionen ergeben sich Weber zufolge durch eine Mindestentfernung von 250 km Luftlinie, unterhalb derer Flüge nur als Zubringerflüge vertretbar sind. Nach absatzmarktgerichteten Überlegungen erweist sich dagegen die Bedienung bestimmter Strecken angesichts des Heimatmarktes von Fluggesellschaften als nicht sinnvoll (z.B. Bedienung Tokio-New York durch eine europäische Airline).

492 In den Expertengesprächen offenbarte sich bezüglich des dort praktizierten Allianz-Netzmanagement ein wechselseitiger Prozeß des „Gebens und Nehmens" von Strecken und Bedienungszuständigkeiten, der nicht zuletzt durch Verhandlungsgeschick und entsprechende Kontrollmaßnahmen gestaltet wurde. Vgl. Anhang 1.

fliegern einzunehmen und sich darüber hinaus deutlich gegenüber den konkurrie-renden Allianzen abzugrenzen. Neben der Breite des Netzes ist eine auf die viel-fliegerseitig gewünschte Flexibilität angelegte Streckennetztiefe anzustreben, welche die Bedienungshäufigkeit strategisch bedeutsamer Flugverbindungen erhöht. Auch in dieser Hinsicht haben die Allianzpartner augenscheinlich durch zusätzliche Code Share-Verbindungen eine dominante und differenzierende Posi-tion bei den Vielfliegern erreicht. Als limitierende Faktoren eines Allianz-Netz-management sind vor allem die Anzahl und die Qualität verfügbarer Luftverkehrsrechte sowie die Anzahl und die zeitliche Lage von Start- und Lande-rechten zu nennen, die eine Kapazitätsbeschränkung darstellen.493

Eine weitere Aufgabe des Allianz-Netzmanagement besteht in der Ermöglichung eines nahtlosen Reisens durch eine entsprechende Anpassung der Flugpläne der Allianzpartner. Dabei ist zunächst eine möglichst hohe Anzahl an Code Share-Direktverbindungen in der Allianz anzustreben, deren Vorziehenswürdigkeit in der Untersuchung von Gellman Research Associates empirisch belegt werden konnte.494 Direktverbindungen vermeiden den bei Umsteigeflügen notwendigen Flugzeugwechsel und verkürzen die Reisezeit. Zudem lassen sich weitere Vorteile nutzen, die im Zuge des Produkt- und Servicemanagement von Allianzen erörtert werden. Für die Erreichung eines nahtlosen Reisens ist aufseiten des Netzmana-gement ferner die Optimierung von Übergangszeiten, die bei Umsteigeverbin-dungen entstehen, von entscheidender Bedeutung. Die Ankunfts- und Abflugzei-ten von Flügen innerhalb des Allianz-Netzwerks sind so aufeinander abzustim-men, daß den Vielfliegern am Umsteigeflughafen einerseits genügend Zeit zum Erreichen des Anschlußfluges bleibt, andererseits jedoch die Wartezeit bis zum Abflug möglichst gering gehalten wird. Bei der Planung derartiger nahtloser Über-gänge sollten die Allianzpartner gemeinsam sogenannte time banks oder Zeit-knoten an Flughäfen belegen,495 innerhalb derer Start- und Landevorgänge

mög-493 Diese Kapazitätsbeschränkung kann auch durch die gegenseitige Erschließung von Slots oder Luftverkehrsrechten in Allianzen nur in Grenzen umgangen werden. Nach Lüking (1993) hängt die für das Netzmanagement bedeutungsvolle Kapazität eines Verkehrsstroms generell von der Kapazität des jeweils am wenigsten leistungsfähigen Flughafens oder Luftraumsektors ab.

Diese Kapazität kann beispielsweise über die Kennziffer der .praktischen Kapazität" gemessen werden, welche die Höchstzahl der Starts und Landungen pro Zeiteinheit auf tolerierbarem Sicherheits- und Verspätungsniveau beinhaltet. Vgl. Lüking, J., Angebotsplanung und Fluggastverhalten im überlasteten Luftverkehrssystem, Bern u.a. 1993, S. 33 u. 35.

494 Vgl. Kapitel B 2.2.4.

495 Zu einer Darstellung der zeitlichen Verteilung von Kapazitäten an Flughäfen vgl. Sterzenbach, R., Luftverkehr, a.a.O., S. 171. Zu den Auswirkungen von Flugverschiebungen im Knoten eines

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liehst ineinander übergreifend abgewickelt werden. Vormachtstellungen der Part-ner-Airlines an ihren Drehkreuzen können in diesem Zuge genutzt werden, da eine große Anzahl an Start- und Landerechten eine entsprechend flexible Dispo-sition ermöglicht. Als Restriktionen erweisen sich wiederum Kapazitätsengpässe an Flughäfen sowie situative Faktoren wie Verspätungen, welche die Erfüllung der Nutzenerwartung eines störungsfreien Reisens konterkarieren können (z.B. ver-paßter Anschlußflug).

Die Herausforderung an die strategische Luftverkehrsallianz, die Nutzenerwartung des nahtlosen Reisens zu erfüllen, ist als hoch einzustufen, da die befragten Viel-flieger diesbezüglich einen relativen Wettbewerbsnachteil der Allianz konstatier-ten.496 Durch eine „reibungslose" Abstimmung boden- und bordbezogener Pro-zesse müssen die Allianzpartner demnach zu einer Überwindung des bestehen-den Wettbewerbsnachteils beitragen und zugleich die Erfüllung der weiteren Nut-zenerwartungen seitens der Vielflieger anstreben. Diese Aufgaben stellen sich dem im folgenden zu erläuternden Produkt- und Servicemanagement der Allianz.

3.2.2 Produkt- und Servicemanagement der strategischen

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