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Entwicklung eines Leitbildes für einen offenen Immobilienfonds Die Normen, Regeln und Werte, die im unternehmenspolitischen Rahmen

Im Dokument EUROPEAN BUSINESS SCHOOL (Seite 122-128)

4. Strategieentwicklung für offene Immobilienfonds

4.1. Der unternehmenspolitische Rahmen als Ausgangspunkt strategi- strategi-scher Überlegungen

4.1.1. Entwicklung eines Leitbildes für einen offenen Immobilienfonds Die Normen, Regeln und Werte, die im unternehmenspolitischen Rahmen

zum Ausdruck kommen, werden in der Praxis häufig schriftlich niederge-legt und als “Leitbild” bzw. “Vision” bezeichnet.352 Ein Positionspapier dieser Art kann anhand der Beantwortung eines Fragenkataloges verdeut-licht werden.

352 Vgl. auch die in Fußnote 348 auf S. 94 angegebene Literatur.

Abbildung 18353 enthält die Darstellung eines solchen Fragenkataloges und liefert Ansätze zu seiner Beantwortung. Es wurde exemplarisch ver-sucht, ein mögliches Leitbild für einen offenen Immobilienfonds zu ent-wickeln.

Abb. 18: Exemplarisches Unternehmensleitbild eines offenen Immobilienfonds

1. Welche Anlegerbedürfnisse wollen wir mit unseren Marktleistungen befrie-digen?

Wir entsprechen dem Bedürfnis privater Kapitalanleger nach einer sicheren, “mobi-len Immobilienanlage” mit professionellem Management bei geringem Kapital-einsatz. Wir wollen den Kapitalanleger an einem entwicklungsfähigen und diver-sifizierten Immobilienportfolio beteiligen.

Unsere Immobilienaktivitäten orientieren sich an dem Ziel, den Mietern unserer Immobilien überlegene und flexible Problemlösungen für ihre individuellen Raum-bedürfnisse anzubieten.

2. Welchen grundlegenden Anforderungen sollen unsere Marktleistungen entsprechen?

Für unsere Anleger erbringen wir die Dienstleistungen der Anlage in Immobilien-objekte und der Entwicklung von eigenen Bauprojekten. Unsere Marktleistung dient der Erzielung einer hohen Rendite unter Wahrung einer genügenden Sicher-heit bzw. Risikostreuung und Liquidität.

Neben den notwendigen Finanzanlagen wollen wir ein ausgewogenes Portfolio von größeren Büro- und Geschäftshäusern in hervorragenden Lagen mit hochwertiger Bausubstanz und ausgeglichenem Mietermix aufbauen. Aus grundsätzlichen Er-wägungen verzichten wir auf Investitionen in andere Immobilienarten (Wohnim-mobilien, Hotels, Freizeitim(Wohnim-mobilien, etc.).

3. In welchen geographischen Regionen soll unser Unternehmen tätig wer-den?

Wir betätigen uns im wesentlichen auf dem deutschen und dem europäischen Im-mobilienmarkt, in geringerem Umfang auch auf ausgesuchten

außsereuropäischen Märkten. Wir beschränken uns dabei auf die Ballungsräume der jeweiligen Länder und entwickeln aus Risikoerwägungen keine eigenen Baupro-jekte außerhalb Deutschlands.

Voraussetzung für internationale Immobilientransaktionen ist die ausreichende Kenntnis des länderspezifischen Immobilienmarktes und die Möglichkeit einer Ko-operation mit Immobilienmanagementunternehmen vor Ort.

353 Die Fragen wurden in Anlehnung an Ulrich (Unternehmungspolitik, S. 94) formu-liert. Vgl. auch Hax/Majluf, Management, S. 65 ff.; Hinterhuber, Unternehmungsfüh-rung, S. 61 f. Hinsichtlich des unternehmenspolitischen Rahmens bei Immobilienun-ternehmen siehe erste Überlegungen bei Suchman, Interviews, S. 7 ff.; Abromeit-Krem-ser, Immobilieninvestmentfonds, S. 151 ff.; Würtz, Grundstücksmakler, S. 125.

4. Welche Marktstellung wollen wir erreichen?

Unter den offenen Immobilienfonds wollen wir eine maßgebliche Marktposition, gemessen am Gesamtvermögen, erreichen. Auf dem gesamten Immobilien-anlagemarkt wollen wir zu den seriösen, kompetenten und risikobewußten institu-tionellen Investoren zählen und eine führende Stellung im Wettbewerb, gemessen am jährlichen Immobilieninvestitiosvolumen, einnehmen.

5. Welche Grundsätze bestimmen unser Verhalten gegenüber unseren Markt-partnern?

Im Mittelpunkt unserer Markleistungen am Immobilienmarkt stehen die Mieter unserer Immobilie. Den Mietern wollen wir ein offener und kompetenter Ge-sprächspartner sein und ihnen helfen, ihre individuellen Raumbedürfnisse mit mi-nimaler Beanspruchung ihrer Ressourcen zu befriedigen.

Das Verhalten gegenüber unseren Konkurrenten soll durch einen fairen und part-nerschaftlichen Wettbewerb geprägt sein, da wir sowohl als Entwickler und Anbie-ter als auch als Nachfrager von Immobilien am Markt in Erscheinung treten.

Die mit uns im Rahmen unserer Geschäftstätigkeit in Kontakt stehenden öffent-lichen und privaten Institutionen (Kommunen, Makler, Developer, Investoren, Nutzer) sehen wir als Partner im Rahmen unseres Bestrebens, eine hochwertige Immobilieninvestmentdienstleistung zu erstellen.

6. Welche Grundsätze bestimmen unser Verhalten gegenüber unseren Mitar-beitern?

Die Qualität unserer Markleistung wird bestimmt durch die Qualität und Moti-vation unserer Mitarbeiter. Die Mitarbeiter sollen sich in einem freien und offenen Umfeld entfalten können, das sie ermutigt und unterstützt, sich mit dem Unter-nehmen zu identifizieren und ihre persönlichen Ziele zu erreichen.

7. Wie stehen wir zu unserem sozialen Umfeld?

Unsere Marktleistung zielt auf das in einer Gesellschaft vorhandene, fundamentale Bedürfnis nach geeignetem Raum für die Entfaltung unterschiedlichster Nut-zungsmöglichkeiten ab. Unsere Immobilien sollen daher nicht nur ein-zelwirtschaftlichen sondern auch gesamtwirtschaftlichen Belangen genügen. Wir wollen einen Beitrag zur städtebaulichen und umweltorientierten Entwicklung un-seres gesellschaftlichen Umfeldes leisten.

8. Welche Zielvorstellungen haben wir bezüglich Gewinn, Wachstum und Si-cherheit?

Der wichtigste operative Gradmesser unseres Erfolges ist die Gesamtperformance unseres Immobilienportfolios. Unser Ziel besteht darin, eine Performance zu er-wirtschaften, die oberhalb des Branchendurchschnitts liegt und damit weitere Mit-telbereitstellungen seitens der Kapitalanleger anregt. Wir denken, daß sich über-durchschnittliche Markleistungen am besten in einer Wachstumsumgebung erzie-len lassen. Der Vermögenszuwachs soll damit ebenfalls oberhalb des allgemeinen Branchenwachstums liegen. Bedingung für Wachstum und Erfolg soll die Einhal-tung einer ausreichenden Sicherheit innerhalb des Immobilienportfolios sein.

Die exemplarische Darstellung verdeutlicht, daß die Aufzeichnung des Leitbildes eines offenen Immobilienfonds in hohem Maße auf explorative und wenig standardisierungsfähige Überlegungen angewiesen ist.354 Die sich in der Praxis ergebenden Unterschiede zwischen den Leitbildern der offenen Fonds müssen grundsätzlich als historisch gewachsen und da-mit als Ergebnis der individuellen Unternehmensevolution angesehen werden. Der unternehmenspolitische Rahmen ist dem direkten dispositi-ven Zugriff der Unternehmensführung also nur begrenzt zugänglich.355 Vor allem kann er nicht durch kurzfristige Planungs- und Steuerungsmaß-nahmen des Managements verändert werden. Vielmehr müssen gewün-schte Veränderungen des Systemzustands die gewachsene Struktur und die - bewußt oder unbewußt vorhandenen - Denkmuster des Systems auf-greifen und berücksichtigen. Unternehmenspolitische Neuorientierungen können daher nur mit langfristiger Perspektive angestrebt werden und müssen alle Instanzen des Systems umfassen bzw. ganzheitlich ansetzen.

Andererseits sieht sich ein Unternehmen als lebendiges offenes System ei-ner laufenden Transformation seines unternehmenspolitischen Rahmens ausgesetzt, die aus seiner Einbindung in ein sozioökonomisches Umfeld resultiert. Der permanente Wandel dieses gesellschaftlichen Unterneh-mensumfeldes bedingt geänderte Einstellungen und Werte bei den Mitar-beitern des Unternehmens und damit Änderungen des strategischen Rah-mens des UnternehRah-mens selbst - ohne daß dies notwendigerweise offiziell belegt wird.

Von gleicher Bedeutung ist ein Wandel auf den Märkten, in denen sich das Unternehmen bewegt. Geänderte Rahmenbedingungen können hier zu sogenannten “Misfits”356 führen. Diese sind “als mittelfristige Be-schränkungen für das strategische Manövrieren zu beachten, gleichzeitig [sind, d. Verf.] aber auch behutsame Maßnahmen zu initiieren, die zu ei-ner langfristigen Behebung der erkannten Misfits führen können”357.

354 Vgl. Kirsch/Knyphausen/Ringlstetter, Grundideen, S. 11.

355 Vgl. Kirsch/Roventa/Trux, Individualität, S. 356; Kirsch/Knyphausen/Ringlstetter, Grundideen, S. 11.

356 Vgl. Kirsch, Unternehmensführung, S. 314.

357 Kirsch, Unternehmensführung, S. 314 f.

Mit der inhaltlichen Darstellung des Leitbildes werden auch dessen Funk-tionen im Rahmen des strategischen Managements von offenen Immobi-lienfonds deutlich.

Dem Leitbild sind generell eine allgemeine orientierungs- und impulsge-bende Funktion sowie eine Steuerungs- und Koordinationsfunktion zuzu-schreiben358; es dient damit der Formulierung von Herausforderungen für alle Unternehmensmitglieder, der Offenlegung und Vermittlung positiv belegter Normen und Werte sowie der Schaffung einer richtungweisenden und motivierenden Kraft für die zielorientierte Übernahme strategischer und operativer Aufgaben.359

In erweiterter Sicht ist das Unternehmensleitbild als strategischer Filter zu sehen, der unternehmerische Entscheidungen verhindert, die nicht den Leitmaximen des offenen Immobilienfonds entsprechen.360 Von wesentli-cher Bedeutung ist daher die Integration von unternehmenspolitischem Rahmen und Zielen, Strategien und Maßnahmen des offenen Immobilien-fonds. Die beabsichtigten strategischen Entscheidungen und Handlungen müssen den im Unternehmen vorliegenden Werthaltungen, Potentialen und Verhaltensweisen entsprechen und einer laufenden Abstimmung un-terworfen werden.361

In der Praxis ist ein erhöhter Bedarf an unternehmensexterner Kommuni-kation für die Immobilienwirtschaft im allgemeinen festzustellen.362 Die bewußte Definition eines Unternehmensleitbildes eröffnet den offenen Immobilienfonds die Gelegenheit, ihr unternehmerisches Selbstverständ-nis nicht nur nach innen, sondern auch den Anteilseignern, Mietern und Marktpartnern auf eingängige Weise zu vermitteln.

Diese Vorgehensweise erscheint primär aufgrund der Einsicht empfeh-lenswert, daß den offenen Immobilienfonds - bedingt durch die geringe

358 Vgl. Wiedmann/Kreutzer, Marketingplanung, S. 71 f.; Hinterhuber, Unternehmungsfüh-rung, S. 68 f.; vgl. auch Bleicher, KodifizieUnternehmungsfüh-rung, S. 71.

359 Vgl. Hax/Majluf, Management, S. 63.

360 Vgl. Kirsch/Knyphausen/Ringlstetter, Grundideen, 11; Wiedmann/Kreutzer, Marketing-planung, S. 72; Staehle, Management, S. 573.

361 Vgl. Wiedmann/Kreutzer, Marketingplanung, S. 76.

362 Ein exemplarisches Modell für die Kommunikation der Unternehmenskultur bei Bausparkassen, welches auch für Immobilienunternehmen Relevanz besitzt, wurde von Baumann (Bausparkassen, S. 285 ff.) entwickelt.

Differenzierbarkeit ihrer Marktleistung363 - nur wenige Möglichkeiten of-fenstehen, sich für ihre Mieter, Anteilsinhaber und Marktpartner von den Wettbewerbern abzuheben. Ein stringentes Leitbild stellt den geeigneten Rahmen für die Darstellung der Unternehmensidentität und -individuali-tät zur Verfügung.

4.1.2. Strategische Grundhaltung offener Immobilienfonds im

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