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Charakteristika der Gewerbeimmobilie als Wirtschaftsgut

Im Dokument EUROPEAN BUSINESS SCHOOL (Seite 48-53)

2. Die Gewerbeimmobilie als Handlungsobjekt offener Immobilien- Immobilien-fonds

2.2. Besonderheiten gewerblicher Immobilien

2.2.1. Charakteristika der Gewerbeimmobilie als Wirtschaftsgut

Die Gewerbeimmobilie unterscheidet sich in ihren Eigenschaften als Wirt-schaftsgut103 in erheblichem Maße von den Charakteristika mobiler Güter.

Die im folgenden dargestellten Besonderheiten der Gewerbeimmobilie als Wirtschaftsgut104 verdeutlichen die Notwendigkeit eines auf die spezifi-schen Verhältnisse der Immobilienwirtschaft abgestimmten und entspre-chend modifizierten strategischen Managements.105

Immobilität

Herausragendes Merkmal einer Immobilie ist ihre Ortsgebundenheit. Die tatsächlichen und potentiellen Nutzenstiftungen einer Immobilie sind ab-hängig von den rechtlichen und faktischen Gegebenheiten des Grund und Bodens. Boden und Gebäude sind damit als komplementäre Güter anzu-sehen.106

Die oben bereits angesprochene Verfügungsberechtigung und Gestal-tungsfreiheit des Eigentümers ist eingeschränkt durch die Einbindung der Immobilie in ein bauliches Umfeld, welches den Mikrostandort107 be-stimmt, und damit von den Entscheidungen anderer Investoren abhän-gig.108 Sie wird weiterhin determiniert durch eine Vielzahl von Faktoren,

103 Aus betriebswirtschaftlicher Sicht können Nutzenstiftung, Zweckbezogenheit, Ver-fügbarkeit, Marktfähigkeit und relative Knappheit als wesentliche Merkmale eines Wirtschaftsgutes genannt werden. Diese Kriterien werden von Immobilien zwei-felsfrei erfüllt, so daß die nachfolgenden Ausführungen auf die besonderen Merk-male von Gewerbeimmobilien beschränkt werden können. Vgl. Abromeit-Kremser, Immobilieninvestmentfonds, S. 103.

104 Vgl. hierzu Heuer, Wohnungswirtschaft, S. 39 ff.; Heuer, Wohnungsmärkte, S. 22 ff.;

Eekhoff, Bodenmarkt, S. 2 ff.; Löprick, Markt, S. 3 ff.; Abromeit-Kremser, Immobilienin-vestmentfonds, S. 127 ff.; Ferguson/Heizer, Real Estate, S. 3 ff.; Pyhrr/Cooper/et al., Real Estate, S. 9 f.; Millington, Valuation, S. 22 f., Shafer, Economics, S. 74 ff.

105 Vgl. auch Leinberger, Planning, S. 39.

106 Vgl. Heuer, Wohnungswirtschaft, S. 41.

107 Der Ausdruck “Mikrostandort” findet im Rahmen der Standortanalyse Verwendung und bezeichnet das Grundstück selbst und die unmittelbare Umgebung des Grund-stücks. Davon abzugrenzen ist der “Makrostandort”, welcher sich auf den gesamten räumlichen Teilmarkt bezieht. Vgl. Falk, Immobilien-Handbuch, Kap. 12.1, S. 1 f.; Na-gel, Analyse, S. 15.

108 Vgl. Heuer, Wohnungswirtschaft, S. 41; Millington, Valuation, S. 22.

von denen nur hier die Planungshoheit der Kommune109 als entscheiden-des Element genannt werden soll.

Heterogenität

Eng verbunden mit dem Faktor der Ortsbindung ist die Eigenschaft der Heterogenität der Immobilie. Jede Immobilie ist einzig; sie unterscheidet sich von anderen im wesentlichen durch ihre Lage, ihre Gestaltung und ihre Nutzung. Der Umstand, daß zwei Immobilien nicht identisch sein können, begründet das Erfordernis der Segmentierung des Immobilien-marktes in sachliche und räumliche Teilmärkte.110 Im Grunde genommen bildet “jede Immobilie aufgrund ihrer Individualität einen eigenen Markt”111 mit spezifischen Bedingungen. Die Heterogenität von Immobi-lien bewirkt - z.B. im Gegensatz zu Wertpapieren - nicht nur eine einge-schränkte Markttransparenz, sondern auch eine geringere Fungibilität.112

Dauer des Entwicklungsprozesses

Für die Entwicklung einer Immobilie113 von dem Erwerb eines unbebau-ten Grundstücks bis zur Baufertigstellung und Vermietung des Projektes sind in aller Regel Zeiträume von drei bis fünf Jahren zu veranschlagen.114

109 Die Planungshoheit bezieht sich hauptsächlich auf die Aufstellung der Bauleitpläne zur Festlegung der baulichen und sonstigen Nutzung der Grundstücke im Rahmen der städtebaulichen Entwicklung einer Kommune, welche gemäß § 1 Abs. 2 und § 2 Abs. 1 BauGB in den Verantwortungsbereich der Gemeinde fällt. Die sich daraus er-gebenden Konsequenzen für die Tätigkeit der Investoren beschreibt Hohmann, Markt, S. 439 und 441.

110 Vgl. Eekhoff, Bodenmarkt, S. 3; Ferguson/Heizer, Real Estate, S. 7; Falk, Immobilien-Handbuch, Kap. 4.1, S. 2.; Sögtrop, Boomzeiten, S. 440; Nabarro, Market, S. 47.

111 Feinen, Markt, S. 314. Eine gleichartige Feststellung trifft Hohmann (Markt, S. 440):

“Jede Immobilie ist hinsichtlich Lage und Gebäudesubstanz ein Unikat. Jedes Ge-bäude ist eine Null-Serie.” Vgl. auch Fußnote 11 auf Seite 2.

112 Die Eigenschaft der Heterogenität verbunden mit den anderen Charakteristika der Immobilie führt zu der Einsicht, daß das volkswirtschaftliche Modell der vollkom-menen Konkurrenz nicht auf den Immmobilienmarkt anwendbar ist. Vgl. Eekhoff, Bodenmarkt, S. 3; Harvey, Urban Land, S. 25; Scarrett, Valuation, S. 19 ff.; Fraser, Prin-ciples, S. 121 ff.; Shafer, Economics, S. 29.

113 Das hier angesprochene Thema Projektentwicklung ist Gegenstand des Abschnitts 2.4. auf S. 40.

114 Vgl. v. Weichs, Kontrolle, S. 184; Falk, Immobilien-Handbuch, Kap. 15.1, S. 9; Schner-mann, Projektentwicklung, S. 306.

Dies ist nicht nur auf fertigungstechnisch bedingte lange Bauzeiten zu-rückzuführen, sondern auch auf die immer zeitaufwendiger werdenden Phasen der Initiierung und Konkretisierung des Immobilienprojektes, ins-besondere die Erlangung des Baurechts.

Die Langwierigkeit des Produktionsprozesses hat zur Folge, daß Reak-tionsgeschwindigkeit und Anpassungsflexibilität an veränderte Marktla-gen in der Immobilienwirtschaft nur schwach ausgeprägt sind.115 Die auch empirisch zu beobachtenden Time-Lag-Effekte bewirken, daß sich für den Investor das wirtschaftliche und technische Risiko der Projektent-wicklung erhöht. Als Konsequenz ergibt sich ebenso, daß sich Marktver-änderungen zunächst auf den Objektbestand auswirken und erst mit Ver-zögerung durch die Neubauproduktion aufgefangen werden, die ohnehin im Verhältnis zu dem vorhandenen Bestand nur einen geringen Anteil aufweist.116

Höhe des Investitionsvolumens

Immobilien zählen zu den aufwendigsten und hochwertigsten Kapitalan-lagen. Sie kommen nur für einen begrenzten Kreis potentieller Investoren in Frage.117 Für den Investor bedeutet der direkte Immobilienerwerb eine hohe und dauerhafte Kapitalbindung, die neben dem Eigenkapitaleinsatz regelmäßig die Fremdfinanzierung des Investitionsvolumens notwendig macht.118 Die Immobilienanlage ist daher als Langfristanlage zu betrach-ten, da der Kapitaleinsatz durch die von der Immobilie abgegebenen Nut-zungen nur über eine längere Periode wieder erwirtschaftet werden kann.

115 Vgl. Hesse, Wohnungswirtschaft, S. 56; Heuer, Wohnungswirtschaft, S. 44.

116 Dies erklärt auch zum überwiegenden Teil die in der Praxis beobachtbaren zykli-schen Marktschwankungen in der Bau- und Immobilienwirtschaft. Siehe hierzu auch die Ausführungen zu den Abschnitten 2.4.3.1. auf Seite 49 und 4.2.2.2. auf Seite 124.

117 Neben dem direkten Immobilieneigentum haben sich auch Formen des indirekten Immobilienerwerbs etabliert, die einen geringeren Kapitaleinsatz erfordern. Diesbe-züglich sind z.B. das Teileigentum oder Bruchteilseigentum sowie der Erwerb von Immobilienfondszertifikaten zu nennen. Ein wichtiges gesellschaftspolitisches Motiv bestand für den Gesetzgeber im Rahmen der Zulassung offener Immobilienfonds durch die Novellierung des KAGG im Jahre 1969 darin, breiten Bevölkerungskreisen einen einfacheren Zugang zu Sachwerteigentum zu ermöglichen. Vgl. Laux/Ohl, Grundstücksinvestment, S. 20 f.

118 Die Fremdfinanzierung der Immobilienanlage bringt die Abhängigkeit des Immobi-lienmarktes von der aktuellen Kapitalmarktlage zum Ausdruck.

Häufig kann das in Immobilien investierte Kapital auch erst über die Rea-lisierung von Wertsteigerungen durch Desinvestition wiedergewonnen werden.

Höhe der Transaktionskosten

Die Übertragung von Immobilieneigentum verursacht Transaktionsko-sten. Dazu sind neben den beim Immobilienkauf anfallenden Kontraktko-sten (Grunderwerbsteuer, Notargebühren) auch die z.T. beträchtlichen In-formations- und Suchkosten aufgrund mangelnder Markttransparenz und Homogenität zu zählen. Diese fallen z.B. auch bei Mieterwechseln oder Entwicklungsmaßnahmen am vorhandenen Objekt an. Im Falle von Leer-ständen entstehen darüber hinaus Bevorratungskosten.

In der Höhe der Investitions- und Transaktionskosten ist eine Ursache für die geringe Kapitalumschlagsgeschwindigkeit und die eingeschränkte Fungibilität von Immobilienanlagen zu sehen.119

Länge des Lebenszyklusses

Die Immobilie stellt eines der langlebigsten Wirtschaftgüter dar. Während Grund und Boden zeitlich gesehen eine quasi unbegrenzt nutzbare Res-source ist, können hinsichtlich des Gebäudes eine physische und eine öko-nomische Lebensdauer unterschieden werden. In aller Regel übertrifft die physische Lebenserwartung die ökonomische.120

Aus ökonomischer Sicht endet die Nutzenstiftung eines Gebäudes zum einen dann, wenn die durch das Gebäude entstehenden Kosten die Er-träge121 übersteigen und die Ergreifung von Sanierungs- und Umstruktu-rierungs- oder Umnutzungsmaßnahmen nicht mehr zu nachhaltigen Er-tragszuwächsen führt. Dies hat entweder Leerstand oder Flächenrecy-cling, d.h. Abriß und Neuentwicklung zur Folge, bevor die eigentliche physische Lebensdauer des Objektes beendet ist. Die Länge des physi-schen Lebenszyklusses kann andererseits jedoch auch durch geeignete In-standhaltungs- und Modernisierungsaufwendungen verlängert werden,

119 Vgl. Sheerin, Land, S. 17; vgl. auch Pyhrr/Cooper/et al., Real Estate, S. 13.

120 Vgl. Ferguson/Heizer, Real Estate, S. 5; vgl. auch Apgar, View, S. 7.

121 Gemeint sind hier jeweils die Gesamtkosten und Gesamterträge, so daß auch nicht zahlungswirksame Faktoren, wie z.B. Opportunitätskosten oder Wertsteigerungen, in die Betrachtung einfließen.

um den natürlichen Alterungsprozeß abzuschwächen und gleichzeitig die ökonomische Attraktivität der Immobilie nachhaltig zu bewahren bzw. zu verbessern.

Zum anderen kann der Entschluß zur Veräußerung einer Immobilie auch durch die Vornahme einer Ersatzinvestition in eine ökonomisch attrakti-vere Immobilie motiviert sein.122

Die lange Lebensdauer von Immobilien führt dazu, daß sie im Zeitablauf in aller Regel mehrfach am Markt in Erscheinung treten und zur Nutzung oder zur Veräußerung angeboten werden. Für den Entwickler oder Inve-stor wird damit die Berücksichtigung eines sehr langfristigen Planungs-zeitraumes für die Immobilie notwendig, wenn er beabsichtigt, daß das Gebäude auch bei einem zukünftigen Mieterwechsel insgesamt wettbe-werbsfähig bleiben soll.123 Dieser Umstand verdeutlicht zum einen die hohe Komplexität der Investitionsentscheidung, welche z.B. bereits im Rahmen der Projektierung die Nutzungsflexibilität124 und Drittverwen-dungsfähigkeit der Immobilie in das Kalkül einbeziehen muß, zum ande-ren aber auch die Unerläßlichkeit einer permanenten Beschäftigung mit dem Objekt und den sich wandelnden Bedürfnissen auf den Verkaufs- und Vermietungsmärkten.125

Abhängigkeit von vor- und nachgelagerten Märkten

Der Immobilienmarkt steht in direkter Abhängigkeit zu vor- und nachge-lagerten Märkten. Zu nennen sind insbesondere der Markt für Bauleistun-gen und der Kapitalmarkt, deren Kapazität und Entwicklung die Situation des Immobilienmarktes beeinflussen.126 Von besonderer Bedeutung für die Entwicklung des Vermietungsmarktes sind ferner die gesamtwirt-schaftlichen Rahmenbedingungen, so z.B. die konjunkturelle Verfassung und die Beschäftigtenentwicklung, sowie die politische, gesellschaftliche und technologische Situation bzw. Entwicklung.

122 Siehe hierzu auch Abschnitt Fehler! Verweisquelle konnte nicht gefunden werden., Seite 45 ff.

123 Vgl. auch Hohmann, Markt, S. 439.

124 Siehe hierzu Falk, Immobilien-Handbuch, Kap. 15.3, S. 1 ff.

125 Vgl. auch Stork, Markt, S. 314 f.

126 Vgl. eine diesbezügliche Untersuchung bei Schulte-Kemper, Bauinvestitionen, S. 322 ff.

Begrenzte Substituierbarkeit

Ebenso wie das Wohnen bzw. das Verfügungsrecht über Wohnraum zu den grundlegenden Bedürfnissen zählt127, ist der für gewerbliche Nut-zungen notwendige Raum Grundvoraussetzung für die Erhaltung der un-ternehmerischen Existenz. Der Bedarf an Gewerbeimmobilien ist daher nicht durch andere Wirtschaftsgüter substituierbar. Er läßt sich nur in zeit-licher und qualitativer Hinsicht aufschieben.128 Gleichwohl ist eine Wahlmöglichkeit zwischen den verschiedenen Formen der Verfügungsbe-rechtigung über Gewerberaum gegeben. Diese kann durch den direkten Immobilienerwerb, die Miete oder etwa das Immobilienleasing erlangt werden, so daß in diesem Rahmen allenfalls von einer begrenzten, nicht aber grundsätzlichen Substituierbarkeit gesprochen werden kann.

Auf die aus den oben beschriebenen gutsspezifischen Merkmalen folgen-den Konsequenzen für die Bildung eines Immobilienmarktes und das An-gebot einer Immobilieninvestment-Dienstleistung soll im Rahmen der Strategieentwicklung für offene Immobilienfonds näher eingegangen werden.129

2.2.2. Erscheinungsformen gewerblicher Immobilien - ein

Im Dokument EUROPEAN BUSINESS SCHOOL (Seite 48-53)