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2 Entwicklung eines Web-basierten Meldesystems für Anomalien beim Rind

SCHULZE, U., DISTL, O.

Institut für Tierzucht und Vererbungsforschung, Stiftung Tierärztliche Hochschule Hannover

SCHULZE, U., DISTL, O. (2006): Entwicklung eines Web-basierten Meldesystems für Anomalien beim Rind. Tierärztl. Prax.

Schlüsselwörter: Kongenitale Anomalien – Rind – Meldesystem - Internet

Zusammenfassung

Gegenstand und Ziel: Entwicklung eines Web-basierten Meldesystems für angeborene Anomalien beim Rind, um landesweit kongenitale Anomalien zu erfassen und deren Ursachen aufzuklären. Material und Methoden: Das Web-basierte System zur Meldung von Missbildungen beim Rind ist für alle interessierten Personen, wie Landwirte, Tierärzte und Zuchtorganisationen zugänglich. Häufig vorkommende Anomalien wurden kurz beschrieben und mit Bildmaterial veranschaulicht. Der Fragebogen enthält Angaben zur Herkunft des Tieres und zur Art der Missbildung. Das System ist unabhängig von einer Organisation oder einem Landeskontrollverband, der auf einzelne Länder oder Bezirke begrenzt ist, verfügbar und es bietet zugleich die Möglichkeit, sofort persönlichen Kontakt zu dem Untersucher herzustellen. Weiterhin können weitere Informationen, wie z. B. digitale Fotos oder Röntgenbilder, schnell ausgetauscht werden. Da die Meldungen häufig bereits kurz nach der Geburt der Kälber erfolgten, konnten viele Fälle weitergehenden klinischen, molekulargenetischen und pathomorphologischen Untersuchungen unterzogen werden. Ergebnisse: Insgesamt gingen von August 2004 bis November 2005 109 Meldungen ein, wovon 46 über die Rinder-Union West, und 11 Fälle über die Kliniken der Stiftung Tierärztliche Hochschule Hannover an das Institut für Tierzucht und Vererbungsforschung erfolgten. Eine detaillierte Untersuchung der missgebildeten Kälber erfolgte für 17 Fälle. Am häufigsten wurden Missbildungen des Verdauungssystems (19%), des Kopfes (18%), der Wirbelsäule

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(17%) und der Gliedmaßen (14%) registriert. Schlussfolgerungen und klinische Relevanz: Ein weiterer Ausbau des bisherigen Systems mit einem verbesserten Rückfluss von Informationen an den Tierbesitzer und Tierarzt sowie aktuellen Informationen zu den kongenitalen Anomalien erscheint angebracht und erfolgversprechend, um das Meldesystem zu verbessern und weiter zu verbreiten.

Auf diese Weise können Ursachen für kongenitale Anomalien beim Rind besser aufgeklärt werden.

Key words: Congenital anomalies – cattle - monitoring system - internet

Summary

Development of a web-based monitoring system for congenital anomalies in cattle.

Objective: Development of a web-based reporting system in order to record congenital anomalies in cattle as well as to elucidate the underlying causes.

Materials and Methods: A web-based reporting system for bovine malformations was developed. This system is accessible via internet for all persons such as farmers, veterinarians and breeding organizations. A brief description was provided for frequently observed anomalies and photographs were added to illustrate these cases.

A questionnaire can be filled to record the origin and pedigree of the animals and the type of malformation. The advantages of this system are its instant and far-ranging availability as well as the possibility to immediately contract the responsible person at the institute. In addition, further information such as digital photos or radiographs can be quickly exchanged. As the reports were frequently made shortly after the births of the calves, a lot of cases could be submitted to further clinical, molecular genetic and pathomorphological examinations. Results: From August 2004 to November 2005 altogether 109 reports were filed, with 46 registered by Rinder-Union West, and 11 by clinics of the University of Veterinary Medicine Hannover and passed on to the Institute for Animal Breeding and Genetics. A detailed examination of the deformed calves was carried out in 17 cases. Malformations of the digestive system (19%), the head (18%), the spinal column (17%), and limbs (14%) were most frequently registered. Conclusion and clinical relevance: A further extension of the present system with improved feedback of information to farmers and veterinarians as well as

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topical information about anomalies would appear reasonable and promising, so as to improve and enlarge the system of reporting malformations. In this way underlying causes of anomalies can be elucidated.

Einleitung

Trotz moderner Zuchtprogramme treten auch heute noch eine Vielzahl von kongenitalen Anomalien beim Rind auf. Sie entstehen während der Entwicklung von Lebewesen im Mutterleib und manifestieren sich als Miss- und Fehlbildungen einzelner Körperteile, Organe oder Organsysteme. Die Ursachen dieser Anomalien können aus der Umwelt stammende Faktoren, wie z.B. Infektionserreger oder toxische Stoffe, sein oder durch genetische Faktoren ausgelöst werden. Die Vererbung kann sowohl rezessiv als auch dominant sein. Rezessiv vererbte Erbfehler treten dabei erst in Erscheinung, wenn homozygote Genotypen entstehen. Deshalb kann es zur Verbreitung von Defektgenen kommen, bevor diese erkannt werden.

Missgebildete Kälber sind oft nicht lebensfähig oder werden abortiert, wodurch dem Landwirt hohe Verluste entstehen. Einige Missbildungen erfordern bei der Abkalbung geburtshilfliche Eingriffe durch den Tierarzt, wodurch auch Schäden am Muttertier entstehen können. Die Ursachen vieler Missbildungen sind bis heute unbekannt.

Beim Rind wurden viele verschiedene angeborene Anomalien beschrieben, was eine systematische Erhebung erschwert. Die Frequenzen von kongenitalen Anomalien variieren dabei zum Teil beträchtlich (1). Aus diesem Grunde wurde immer wieder versucht, ein Monitoringsystem zur systematischen Erfassung der kongenitalen Anomalien beim Rind aufzubauen. Hierbei sind verschiedene Ansätze zu unterscheiden.

Es wurden Untersuchungen an Tierkörperbeseitigungsanstalten durchgeführt (7, 8, 14). Dabei wurden totgeborene oder kurz nach der Geburt verendete Kälber auf Missbildungen untersucht. Bei der Untersuchung von Totgeburten ist zu bedenken, dass nur die Anomalien erfasst werden, die nicht mit dem Leben vereinbar sind.

Eine weitere Möglichkeit zur Frequenzschätzung von Anomalien ist, das Vorkommen von Missbildungen innerhalb einer Klinik zu beurteilen (3, 15). Bei dieser Art von Untersuchungen werden missgebildete Kälber erfasst, deren Mütter wegen einer Schwergeburt in die Klinik eingeliefert wurden oder solche Tiere, die wegen angeborenen Anomalien oder anderen Gründen zur Therapie bzw. Operation

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vorgestellt wurden. Totgeborene und kurz nach der Geburt im Betrieb verendete Kälber werden auf diese Weise nicht erfasst.

Aus diesem Grund wurde schon häufiger versucht, die Missbildungsfrequenz in Bezug auf eine bestimmte Population oder Region zu erfassen (5, 6, 9, 10, 12, 13).

So wurde die Frequenz von Missbildungen in 87 Milchviehherden mit 4980 geborenen Kälbern untersucht (6).

Zurzeit bieten einige Rinderbesamungsstationen eine freiwillige Meldung von Missbildungen an. Außerdem gibt es auch Tierärzte, die sich mit dem Auftreten von Missbildungen in ihrem Praxisgebiet beschäftigen (1). In Bayern läuft zurzeit ein Projekt, bei dem Meldebögen zu den Missbildungen über den für die Milchleistungsprüfung zuständigen Leistungsoberprüfer verteilt werden, die jeder Landwirt ausfüllen soll (11). Seit November 2005 werden die Landwirte mittels dieses Erfassungsbogens aufgefordert, bei Geburt eines missgebildeten Kalbes den Tiergesundheitsdienst Bayern e.V. (TGD) zu verständigen. Daraufhin holt ein Mitarbeiter des TGD das missgebildete Kalb für eine pathologische Untersuchung ab.

Hierdurch können genauere Diagnosen gestellt werden (persönliche Mitteilung Bernhard Luntz, Bayerische Landesanstalt für Landwirtschaft).

In Frankreich wird jedem Landwirt ein Fragebogen zur Meldung von Missbildungen zugesandt. Im Falle einer Missbildung soll er dann diesen, zusammen mit einer Gewebeprobe des toten Kalbes, an eine zentrale Sammelstelle zurückschicken (4).

Der Schweizer Braunviehzuchtverband (SBZV) erinnert die Züchter regelmäßig alle 4 Monate im Zusammenhang mit den monatlichen Rückmeldungen der Milchprobenergebnisse kongenitale Anomalien über das mitgesandte Formular zu melden. Rückmeldungen an den Zuchtverband sind dabei auch über das Internet möglich. Die Züchter werden zudem über die Monatszeitschrift regelmäßig auf die Meldungen aufmerksam gemacht, wobei bei schweren Missbildungen und bei Erbfehlerverdacht eine telefonische Meldung gefordert wird, bevor das Kalb den Betrieb verlässt. Wird Arachnomelie, Spinale Muskelatrophie, Spinale Dysmyelogenese oder Weaver-Syndrom am Tierspital Zürich diagnostiziert und somit ein Erbfehlerträger identifiziert, bekommt der Landwirt eine Aufwandsentschädigung von 100 CHF (2). Dies steigert vermutlich die Motivation beträchtlich. Neuerdings ist auch eine Meldung über die nationale Tierdatenbank der Schweiz möglich (persönliche Mitteilung Oskar Grüter, Schweizer Braunviehzuchtverband).

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Da eine systematische Erfassung von angeborenen Missbildungen beim Rind dringend notwendig ist, um umweltbedingte von erblichen Anomalien zu differenzieren, sollte im Rahmen dieser Arbeit eine über das Internet zugängliche Dokumentation der wichtigsten Anomalien beim Rind aufgebaut und ein Meldesystem über das Internet entwickelt werden, das Landwirten, Tierärzten und Zuchtorganisationen leicht zugänglich ist.

Material und Methoden

Da über das Internet immer mehr Personen erreicht werden können, sollte im Rahmen dieser Arbeit ein Internet-basierter Fragebogen erstellt werden. Dieser ist über die Seite des Instituts für Tierzucht und Vererbungsforschung als Online-Fragebogen abrufbar und läuft auf dem Webserver der Stiftung Tierärztliche Hochschule Hannover (Betriebssystem AIX, Webserver Apache 1.3). Gesteuert wird die Erhebung und Speicherung der Daten durch CGI-Skripten in der Programmiersprache PERL. Die Daten werden in Form Tabulator-separierter ASCII-Dateien ausgegeben und in Excel importiert, um von dort weiter verarbeitet zu werden. Alternativ kann der Benutzer den Fragebogen als Worddokument ausdrucken. In diesem Bogen werden die häufigsten Missbildungen mit Fotos dargestellt und bei einem entspechenden Fall muss das entsprechende Feld nur angekreuzt werden. Außerdem wird jedes Organsystem einzeln abgefragt, um weitere Missbildungen zu erkennen.

Weiterhin wurde durch Artikel in landwirtschaftlichen Fachzeitschriften auf dieses Projekt aufmerksam gemacht, und dadurch die Landwirte und Tierärzte zur Meldung von Anomalien beim Rind ermuntert.

Zusätzlich wurden auch die der Rinder-Union West (RUW) im Zeitraum von November 2004 bis Dezember 2005 gemeldeten Fälle von angeborenen Anomalien beim Rind mit aufgenommen.

Ergebnisse

Anzahl und Verteilung der Meldungen

Zwischen August 2004 bis November 2005 erfolgten 63 Meldungen an das Institut für Tierzucht und Vererbungsforschung. Zusätzlich wurden noch 46 Meldungen von der RUW erfasst und in das Meldesystem übertragen.

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Art der Missbildungen

Bei den 109 gemeldeten Fällen wurde bei 76 Meldungen nur ein Organsystem genannt. Bei den restlichen 33 Fällen war mehr als ein Organsystem beteiligt.

Die Missbildungen wurden zur Auswertung in ein Schema nach Organsystemen eingeteilt (Tab. 1). Am häufigsten vertreten waren Missbildungen der Verdauungsorgane. Hierbei wurden ausschließlich Atresien einzelner Darmabschnitte genannt. Darauf folgten Missbildungen des Kopfes. Hierbei waren zumeist Brachygnathien und Gaumenspalten genannt. Als Einzelfälle wurden auch andere Anomalien am Kopf gemeldet. Auch die Wirbelsäule wurde häufig als missgebildetes Organ genannt. Dabei war in 7 von 18 Fällen die Schwanzwirbelsäule betroffen.

Rassenverteilung und Geschlechterverhältnis

Tab. 2 gibt einen Überblick über die Verteilung nach Rassen. Der Großteil der Fälle gehörte dabei der Rasse Deutsche Holsteins an. Alle anderen Rassen wurden nur selten gemeldet. Über die RUW wurden ausschließlich Deutsche Holsteins gemeldet.

Von den 109 gemeldeten Tieren waren 39 männlich und 50 weiblich. Bei 20 Tieren konnte keine Aussage über das Geschlecht gemacht werden.

Abstammung der missgebildeten Tiere

Die missgebildeten Tiere, die von der RUW gemeldet wurden, stammten ausschließlich von Besamungsbullen ab. Bei keinem der Väter konnte eine signifikante Häufung einer Missbildung gefunden werden. Die meisten Väter traten nur ein oder zwei Mal auf. Nur ein Bulle trat bei drei Tieren als Vater auf. Dieser Vater hatte ausschließlich Meldungen von Nachkommen mit Gliedmaßenverkrümmungen.

Allerdings stammten alle drei Tiere aus einem Betrieb, so dass auch umweltbedingte Ursachen in Frage kamen. Bei den direkt an das Institut für Tierzucht und Vererbungsforschung eingegangenen Meldungen kamen auch Natursprungbullen als Väter der missgebildeten Kälber vor.

Diskussion

Das web-basierte Meldesystem hatte in der kurzen Zeit der Einführung einen sehr hohen Bekanntheitsgrad erreicht, so dass eine große Zahl von Meldungen einging.

Da die Information über die Entwicklung eines derartigen web-basierten

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Meldesystems über Artikel von Fachzeitschriften vorgenommen wurde, war das Einzugsgebiet der Meldungen vorwiegend auf das Verbreitungsgebiet dieser Journale (Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen, Rheinland) beschränkt. Die Internetseiten erwiesen sich als sehr hilfreich, dass missgebildete Kälber gemeldet wurden.

Allerdings bevorzugten die Landwirte zur Rückmeldung das Telefon. Dies hing mit dem Wunsch der Landwirte zusammen, sofort über die Art und Ursachen der gemeldeten Missbildung, und wie sich solche Missbildungen vermeiden ließen, Informationen zu erhalten. Eine weitere Steigerung des Bekanntheitsgrades des Meldesystems sollte angestrebt werden, denn bisher ist die Existenz dieses Systems für die Meldung von Missbildungen vielen Landwirten und Tierärzten nach unserer Einschätzung noch nicht bekannt. Das von uns entwickelte System bietet eine solide Basis für ein landesweites Erfassungssystem. Ein wesentlicher Punkt für die Motivation der Landwirte, bei einem solchen Projekt mitzuarbeiten, ist jedoch, dass Informationen über die Untersuchungsergebnisse und Ursachen der gemeldeten Missbildungen an den Landwirt schnell zurückfließen, um mögliche Ursachen sofort beseitigen zu können. Ein wichtiges Ziel ist auch eine Aufklärung dahingehend, dass durch die Sammlung von Einzelmissbildungen eine Häufung, z. B. für bestimmte Bullen oder bestimmte Umweltfaktoren, entdeckt oder ausgeschlossen werden könnten. Das Wissen um die Chancen, über eine Meldung von Missbildungen zur Aufklärung der Ursachen beizutragen und damit bessere Informationen zu bekommen, müsste in wesentlichen Punkten verbessert werden. Dies führte, z.B. bei den von mehreren Betrieben gemeldeten Fällen von Diprosopus dazu, dass erstmals eine familiäre Ursache nachgewiesen werden konnte (16). Ein zusätzliches Belohnungssystem, wie es beim Schweizer Braunviehverband durchgeführt wird, wäre sicherlich sinnvoll, um weitere Landwirte und Tierärzte zur Meldung zu motivieren. Allerdings ist nicht klar, wer diese Mittel aufbringen sollte.

Einzelmissbildungen traten in 73 % der Fälle auf, die restlichen Missbildungen betrafen mindestens zwei Organsysteme. Hierbei ist zu beachten, dass vermutlich weitere Missbildungen oft übersehen wurden. Da gerade bei der RUW viele Meldungen direkt durch den Landwirt gemacht wurden, könnten hier auch weitere, nicht so schwerwiegende Missbildungen wie eine Verkürzung des Schwanzes nicht mehr gemeldet werden. Bedenkt man dann noch, dass ohne eine klinische oder pathologische Untersuchung gerade Störungen der inneren Organe nicht zu

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diagnostizieren sind, wird deutlich, dass viele Mehrfachmissbildungen unerkannt bleiben. Aus diesen Gründen sind Meldesysteme über das Internet, wie in dem hier durchgeführten Projekt oder wie sie in Bayern existieren, sehr sinnvoll. In dem hier vorgestellten Projekt konnten anschließend differenzierte Untersuchungen am noch lebenden Tier durchgeführt werden, da die Landwirte die Meldungen meist kurz nach der Geburt der Tiere vornahmen. Wenn die Meldungen auf tote Tiere reduziert werden, erfolgt wiederum eine Selektion der Fälle und zudem sind bereits einige Untersuchungen erschwert oder nicht mehr möglich, wie z. B.

Genexpressionsanalysen.

Als häufigstes betroffenes Organsystem wurden, zumeist als Folge von Atresien verschiedener Darmabschnitte, die Verdauungsorgane genannt. Dem folgten Kopfmissbildungen, bei denen es sich zumeist um Brachygnathien oder Gaumenspalten handelte. Missbildungen der Wirbelsäule in Formen von Brachyurien waren ähnlich häufig wie Missbildungen im Kopfbereich und Verkrümmungen der Wirbelsäule.

Gliedmaßenverkrümmungen, die bei anderen Autoren sehr häufig gemeldet wurden (1), kamen in diesem Projekt nur selten vor. Allerdings gilt es dabei zu bedenken, dass sich leichte Fehlstellungen der Beine häufig von selber korrigieren und nur in den schwereren Fällen bleibend sind. Bei dieser Art von Missbildung lässt sich, genauso wie bei den Missbildungen der Bauchwand davon ausgehen, dass nur die wenigsten Fälle gemeldet wurden, weil sie für den Landwirt vermeintlich zu wenig gravierend waren und keine direkten Verluste verursachten. Ähnliches gilt auch für Defekte der Bauchwand, zu denen auch der Nabelbruch gehört. Diese treten, wenn man einzelne Bestände beobachtet, recht häufig auf, werden aber nur in den seltensten Fällen gemeldet. In diesem Fall kamen Meldungen zum Nabelbruch ausschließlich von Kleinbetrieben mit weit unter 50 Kühen. Doppelmissbildungen traten mit einer Frequenz von 9 % gar nicht so selten auf. Doppelmissbildungen sind zumeist sehr spektakulär, so dass sie fast immer auffallen. Nur geringgradige Doppelmissbildungen, wie ein Diprosopus Grad I mit einem zusätzlichen Nasenloch, können hierbei eventuell übersehen werden. Da aber auch beim Menschen über Doppelmissbildungen in der Presse viel berichtet wird, ist das Interesse an solchen Missbildungen vermutlich groß.

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Die meisten Anomalien betrafen die Rasse Deutsche Holsteins. Dies war zu erwarten, da dies die am weitesten verbreitete Rasse in Deutschland ist, und sich der Bekanntheitsgrad des Meldesystems vorwiegend auf Norddeutschland beschränkte, in denen die süddeutschen Milchviehrassen Deutsches Fleckvieh und Brauvieh nicht oder nur in Ausnahmefällen anzutreffen sind. Die Überprüfung der väterlichen Abstammung der missgebildeten Kälber brachte keine überproportionale Häufung nach Vätern. Wurden Bullen mehrfach genannt, wurden sie meist mit einer hohen Frequenz eingesetzt. Dies deutet darauf hin, dass keine massive Verbreitung der hier erfassten Erbfehler durch einzelne Bullen vorzuliegen scheint.

36% der gemeldeten Tiere waren männlich, während 46% der Tiere weiblich waren.

Der höhere Anteil an weiblichen Tieren könnte sich aus den weniger gravierenden Missbildungen erklären. Männliche Tiere bei Deutschen Holsteins mit einer Missbildung, wie zum Beispiel einer Brachygnathia inferior, fallen vermutlich kaum auf, da sie kurz nach der Geburt zum Mäster gehen. Weibliche Tiere sind für den Landwirt hingegen sehr wertvoll, da sie meist ohne Ausnahme zur Nachzucht verwendet werden. Weniger gravierende Missbildungen fallen bei diesen Tieren also eher auf. Der relativ hohe Anteil von 18 % der Kälber, bei denen das Geschlecht unbekannt war, ist auf die Meldungen an die RUW zurückzuführen, da bei diesem System auf weitere Angaben zu dem missgebildeten Tier zu wenig Wert gelegt wird.

Fazit für die Praxis

Der Aufbau eines web-basierten Informationssystems über Missbildungen erscheint erfolgversprechend. Ein derartiges System kann aktuelle Informationen über die Verbreitung und die Ursachen einzelner Missbildungen zur Verfügung stellen, ist zudem landesweit einsetzbar und nicht an Organisationsstrukturen von einzelnen Zuchtverbänden gebunden. Zudem können Frequenzen von Anomalien für einzelne Besamungsbullen und Regionen dargestellt werden. Der praktische Tierarzt kann wesentlich zur Aufklärung von kongenitalen Anomalien beitragen, wenn er die Fälle aus seiner Praxis meldet. Durch systematische klinische und pathomorphologische Untersuchungen kann eine Klassifizierung der Fälle vorgenommen und über einen Vergleich mit analogen Fällen bei anderen Spezies wie Mensch oder Maus eine molekulargenetische Aufklärung ermöglicht werden.

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Literatur

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