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Die Entstehung der Konzerne

Im Dokument DISSERTATION. Doctoral Thesis (Seite 49-54)

9  Konzerne und ihre Entwicklung

9.1  Die Entstehung der Konzerne

Im Laufe der letzten 300 Jahre (und im Besonderen innerhalb der vergangenen 150 Jahre) haben die Kapitalgesellschaften einen kometenhaften Aufstieg erlebt und sich zur weltweit dominierenden Wirtschaftsinstitution verwandelt. 4 Bakan (2005) beschreibt als das Geniale an der Kapitalgesellschaft als Unternehmensform und als Begründung für ihren bemerkenswerten Aufstieg im Verlauf der letzten drei Jahrhunderte ihre Fähigkeit, das Kapital und somit die wirtschaftliche Macht, einer unbegrenzten Anzahl von Menschen zu bündeln. 5 Dabei spielten schnelle Verkehrssysteme eine wesentliche Rolle.

Die Konzerne haben sich dabei seit Mitte des 19.Jahrhunderts verstärkt darum bemüht ihre Rechte auszuweiten, und weniger Verantwortung im gesellschaftlichen Sinne übernehmen zu müssen. Weltweit, ausgehend von England, haben sich die Konzerne vor allem in den

1 Bakan (2005), S.8

2 Bakan (2005), S.7

3 Bakan (2005), S.8

4 Bakan (2005), S.11

5 Bakan (2005), S.15

vergangenen 150 Jahren bemüht, die staatlichen Gesetze und die Regierungen in ihrem Interesse zu beeinflussen. Gleichzeitig sind sie zu dominanten Institutionen herangewachsen, die viele nationalstaatliche Regierungen in Größe und Macht übertreffen (gemessen sowohl an wirtschaftlichem Output, aber auch an direkter Macht durch Einflussnahme auch weltpolitische Entscheidungen). 1

Für Korten (1995) entwickelten Konzerne dabei im Zuge ihres Wachstumsprozesses (und dem damit einhergehenden Wachstum an Macht) ihre eigenen institutionellen Programme, welche auf ihre Natur und Struktur abgestimmt sind, sich im Ganzen jedoch der Kontrolle selbst jener entziehen, die sie erfunden haben und managen. Diese Programme seien, so Korten, auf Profitwachstum und Protektionsmaßnahmen vor Ungewissheiten des Marktes ausgerichtet. 2

Dieser Markt war von Beginn an der Aktienmarkt der shareholder, die sich durch ihre Beteiligung am Unternehmen Gewinn erhofften. Betrachtet man die Geschichte des Aktienwesens, führt diese bis in das Mittelalter zurück. Als Vorläufer der heutigen Gesellschaften können die Gewerkschaften des Bergbaus, die im 12. Jahrhundert. im südlichen Frankreich entstandenen Mühlengenossenschaften, dann in Italien die schon im 11. Jahrhundert vorkommende, unserer heutigen Kommanditgesellschaft ähnliche Commenda, bezeichnet werden. Echte Kapitalvereinigungen waren auch die italienischen Montes, Banken, deren Anteile übertragbar waren, wobei der Erwerber nur eine beschränkte Haft übernahm. Unter dem Einfluss der damaligen Bestimmungen über Zins und Wucher traten dieselben vielfach als Wohltätigkeitsanstalten auf. 3 Entscheidend bei all diesen Zusammenschlüssen zur Kapitalbildung war jedoch der hoheitliche Einfluss des Staates.

In der Steiermark beispielsweise, wurden der Erzabbau und die Erzverarbeitung zu teuer, um sie aus einer Hand zu finanzieren. So wurden im Jahr 1415 in Leoben und bald im ganzen deutschen Sprachraum Genossenschaften gegründet, die sich durch Anteile, sogenannte Kuxe, finanzierten. Diese Kuxe wurden an Kaufleute, Adel und Klöster ausgegeben, gehandelt und stiegen und fielen in ihrem Wert, stellten also in diesem Sinne die ersten Aktien dar.

Die Anfänge des Kapitalismus sieht Scherhorn (2004) im Europa des Mittelalters. „Pate stand „das Fernhandel treibende Großbürgertum, ein vielfach verflochtener, relativ kleiner Personenkreis,“ der aus weit entlegenen Ländern Gewürze, Heringe, Seide herbeischaffte und damit große Summen verdiente, die häufig in Bergwerke, Gewerbe und Banken investiert wurden. So entstanden in der Renaissance die ersten großen Handelshäuser. 4 Bereits damals zeigt sich die Nähe von Geld und Macht. Scherhorn weist darauf hin, dass diese großen Handelshäuser die Fürstenhöfe bis hin zum Kaiserhof finanzierten und sich dafür staatliche Monopole, wie die Fugger aushandelten. Das Transportsystem der technisch weiterentwickelten Schiffsfahrt spielte eine wesentliche Rolle. „Die importierten Produkte waren selten und knapp, der Wettbewerb war gering, das Verlustrisiko war groß und die vermögenden Schichten waren potente Käufer, kurz: Die Handelshäuser konnten teuer verkaufen. So stand, laut Scherhorn, schon am Anfang des Kapitalismus mit seiner Monopolpräferenz ein problematischer Aspekt.5

1 Korten (1995), S.53

2 Ebenda.

3 Meyers Konversationslexikon, S.267 (http://www.retrobibliothek.de)

4 Scherhorn in Woltron (2004), S.79

5 Ebenda.

Scherhorn (2004) sieht den Beginn des kapitalistischen Wirtschaftssystems eng verbunden mit der Entwicklung einer kapitalistischen Landwirtschaft, die schon vor dem 16. Jahrhundert einsetzte und im Großgrundbesitz wurzelte:

„Die adligen Grundbesitzer beanspruchten den Boden und den Ertrag, aber mit dem Verkauf von Agrarprodukten konnten sie hohe Gewinne nicht durch hohe Preise erzielen, also drückten sie die Kosten, indem sie die von ihnen abhängigen Landarbeiter oder Pächter ausbeuteten. 200 Jahre später, im 18. Jahrhundert, wurde dieses Prinzip von der landwirtschaftlichen auf die technische Produktion übertragen, die inzwischen von großbürgerlichen Fabrikanten betrieben wurde. Ihnen gehörten die Produktionsanlagen und der Ertrag, aus dem sie den von ihnen abhängigen Arbeitern und Angestellten nur so viel abgaben, dass ein beträchtlicher Gewinn verblieb.“ 1

Das Ausbeutungsprinzip natürlicher Ressourcen, wurde im großen Stil auf die Menschen und ihre Arbeitskraft übertragen. Gleichzeitig wurden aber auch rechtliche Rahmenbedingungen für die Existenz der Konzerne geschaffen.

Zur Zeiten des Seehandels Englands mit seinen Kolonien im 16. Jahrhundert war die Überquerung des Seeweges unvermeidbar mit hohen Gefahren verbunden, und es konnte durchaus passieren, dass die gesamte Fracht durch schlechtes Wetter oder Piraten verloren ging, was den Ruin der Investoren und deren Familien bedeutet hätte. Die „Corporation“, der Konzern, repräsentierte dabei eine wichtige institutionelle Innovation um diese Barriere im internationalen Handel zu überwinden. 2

Die so genannte „Corporation charter“ repräsentierte eine Garantie der Krone, welche die Haftung des Investors auf seinen Teil der Investition beschränkte; ein Recht, dass nicht für einzelne Bürger galt. Als Gegenleistung für dieses spezielle Privileg der Risikoübernahme, gingen die Profite an die Krone. Die Unternehmens-Charter wurde von der Krone vergeben und konnte jederzeit entzogen werden.

Eine der ersten als transnationale Aktiengesellschaft organisierte Unternehmung war die im Jahr 1602 gegründete niederländische Ostindien-Kompanie. Durch den überseeischen Handel kam es zur Gründung vieler privilegierter Aktiengesellschaften unter dem Titel von Handelskompanien:

• die „britisch-ostindische Kompagnie“ von 1599;

• die „niederländisch-ostindische Kompangie“ im Jahre 1602, für die erstmals Aktien gehandelt wurden und so gesehen als erster „multinationaler Konzern“ bezeichnet werden kann.

• die französische „Compagnie des Indes occidentales“ von 1628.

Diese Gesellschaften wurden von England dazu benutzt, ihre Kolonien weitgehend zu kontrollieren. Englands Regierung, welche zur Zeit des 17. und 18. Jahrhunderts vor allem aus reichen Landbesitzern, Handelskaufleuten und Industriellen bestand versuchte ihre Monopolstellung in Bezug auf die Kolonien zu halten bzw. auszubauen. Beispielsweise wurde ein Gesetz verabschiedet, welches verlangte, dass alle Güter die nach Europa importiert wurden, zuerst England passieren mussten. Der so genannte „Navigation Act“ verlangte, dass alle Schiffe die Waren von bzw. den Kolonien transportierten, koloniale bzw. englische Schiffe waren. Den Kolonisten war es nicht erlaubt eigene Waren zu

1 Scherhorn in Woltron (2004), S.80

2 Korten (1995), S.54

produzieren. Die Rohstoffe mussten nach England gebracht werden, und durften erst dort verarbeitet werden (um dann wieder an die Kolonien verschifft zu werden).

A.Smith sah in „The Wealth of Nations“ die Gesellschaften genauso wie die Regierungen als Instrumente zur Unterdrückung kompetitiver Marktkräfte. Den Konzernen selbst sprach Smith jedoch keine positive Qualität zu.1

Bis in das 19te Jahrhundert hinein war die Gründung einer Aktiengesellschaft nur durch einen hoheitlichen Akt möglich Das Oktroisystem ist ein Begriff aus dieser Geschichte der Aktiengesellschaft und zeigt die Abhängigkeit der Begründungsmethode von öffentlicher (hoheitsrechtlicher) Konzession. Die Konzessionierung erfolgte durch eine staatliche Urkunde („oktroi“). Damit erhielten die Kompanien öffentlich-rechtlichen Charakter.

Wie noch zu zeigen sein wird, war mit dem Einsetzen der industriellen Revolution und den immer größer werdenden Anforderungen an Kapitalmengen für Maschinen und Fabriken klar, dass das Kapital abseits der klassisch legalen Form von Besitz einen neuen legalen Status benötigte. Ein Drang der – bis zu einem gewissen Grad - aus dem Kapital selbst entstand.

Schnell wurde erkannt, dass durch den Verkauf von Aktien das Investitionskapital erhöht werden konnte und Ende des siebzehnten Jahrhundert gab es bereits mehrere körperschaftlich organisierte Kapitalgesellschaften mit jeweils ein paar hundert Mitgliedern.

Korton (1995) betont, dass die Kapitalgesellschaften in der letzten Dekade des siebzehnten Jahrhunderts wie Pilze aus dem Boden schossen, und sich die Gesamtinvestitionen in Kapitalgesellschaften verdoppelten, als diese Organisationsform ein beliebtes Mittel zur Finanzierung von Unternehmungen in den Kolonien wurde.2

Dabei waren bereits während des siebzehnten und Anfang des achtzehnten Jahrhunderts Wertpapiermakler in England auf der Suche nach „leichtgläubigen Anlegern“, denen sie Anteile an Schwindelunternehmen verkaufen konnten. Nach Bakan (2005) gediehen solche Firmen, die ihren Aufschwung Spekulationen zu verdanken hatten, kurzfristig, bevor sie wie ein Kartenhaus einstürzten. Während es zwischen den Jahren 1690 und 1695 dreiundneunzig dieser öffentlich gehandelten „Kapitalgesellschaften“ gab, war ihre Anzahl 1698 wieder auf 20 geschrumpft.3

Bereits im Jahr 1696 wurden bekannte sprachliche Metaphern, die heute auch den Tumorzellen zugeschrieben werden können benutzt, um das Verhalten der Kapitalgesellschaften zu beschreiben. Englische Handelskommissare berichteten, dass diese Unternehmensform „völlig entartet“ sei durch den Verkauf von Anteilen an unwissende Menschen, die durch das trügerisch aufgewertete und geschickt verbreitete Ansehen, was den gedeihlichen Zustand der Wertpapiere anbelangt, angezogen wurden.4

Erste Bedenken der Verantwortlichkeit dieser „Kunstwesen“ wurden laut: „Da sie keine Seele besitzen, können sie weder Hochverrat begehen noch für vogelfrei erklärt, noch exkommuniziert werden“ (Sir Eward Coke, 17. Jhdt). Bakan (2005) zitiert ebenfalls den Lordkanzler Lord Thurlow, dass „Aktiengesellschaften weder Körper, die man bestrafen, noch Seelen haben, die man verdammen könnte; daher tun sie, was ihnen gefällt.“ 5

1 Vgl. Korten (1995), S.56

2 Ebenda.

3 Bakan (2005), S.12

4 Ebenda.

5 Bakan (2005), S.33

9.1.1 Einfluss neuer Verkehrssysteme

Mit der Erfindung der Dampfmaschine und ihrem Einsatz in Industrie und als Verkehrsmittel der Eisenbahn, erweiterte sich der Aktionsradius von Bergbau- und Textilunternehmen sowie anderen Industriezweigen. Die Kapitalgesellschaften vermehrten sich rapide, da die in größerem Stil operierenden Unternehmungen erheblich mehr Kapital erforderten, als Personengesellschaften aufbringen konnten.“ So stieg in Amerika beispielsweise die Anzahl der Kapitalgesellschaften zwischen den Jahren 1781 und 1790 um das Zehnfach von 33 auf 328. 1

Das neue Transportsystem der Dampflokomotiven und der Eisenbahn erweiterte nicht nur den Aktionsradius der Unternehmen und erhöhte deren Absatzmarkt, es war auch darüber hinaus ein Treiber des Wachstums der Kapitalgesellschaften. Die Eisenbahn spielte eine entscheidende Rolle bei der Unterstützung für die Entwicklung eines überregionalen Marktes für die Wertpapiere von Unternehmen. 2

Im Gegensatz zu den damals üblichen Personengesellschaften – bei der verhältnismäßig kleine Gruppen von Männern durch persönliche Loyalität und gegenseitiges Vertrauen miteinander verbunden, ihre Ressourcen zusammenlegten, um Firmen zu gründen, die sie sowohl leiteten als auch besaßen – waren bei einer Kapitalgesellschaft Firmenbesitz und Firmenleitung voneinander getrennt. Das Management war für die Geschäftsführung zuständig, während eine andere Gruppe, die Aktionäre, Eigentümer war. Viele meinten, dass bei einer solchen, für die damalige Zeit einzigartigen Konstruktion, Korruption und Skandale geradezu vorprogrammiert waren.

Selbst Adam Smith warnte im Jahr 1776 in „Der Wohlstand der Nationen“, davor, dass man Führungskräften nicht „das Geld anderer Leute“ anvertrauen sollte, weil „Nachlässigkeit und Verschwendung“ unabwendbar seien, wenn Unternehmen sich zu Kapitalgesellschaften zusammenschließen.3

Im Jahr 1720 wurde in England vom Parlament der sogenannte „Bubble Act“ erlassen (als Anlassgesetzgebung für den berüchtigten Zusammenbruch der South Sea Company), der die Gründung von Unternehmen, die sich „erdreisten eine Körperschaft zu sein“ und

„übertragbare Wertpapiere ohne Rechtsbefugnis aufzulegen“ als Verstoß gegen das Gesetz ahndete. 4

Nachdem sich vorher zahlreiche nicht privilegierte Gesellschaften gebildet hatten, welche sich der solidarischen Haftung durch Ausgabe von Inhaberaktien zu entziehen suchten, wurden jetzt alle nicht von der Krone durch Freibriefe oder vom Parlament inkorporierten Gesellschaften unterdrückt und die Gründung neuer Vereine mit Ausschließung der Solidarhaft und Übertragbarkeit der Anteile verboten. Das Jahr 1824 brachte ein neues Gründungsfieber. Infolgedessen wurde 1825 die genannte Akte aufgehoben, und es trat das gemeine Recht für Aktiengesellschaften wieder in Kraft. Mit dem Aussetzen des „Bubble Act“, nahm auch hier die Anzahl der Kapitalgesellschaften dramatisch zu.5

1 Bakan (2005), S.16

2 Bakan (2005), S.18

3 Bakan (2005), S.12

4 Bakan (2005), S.14

5 Bakan (2005), S.16

Das Eisenbahnwesen gab Veranlassung zum „Joint Stock Companies Registration and Regulation Act“ (1844) welcher klar zwischen Kapitalgesellschaften und Gesellschaft bürgerlichen Rechts unterschied. Das Gesetz stellte für alle anderen als die durch königliche Freibriefe oder durch das Parlament inkorporierten Kapitalgesellschaften die Solidarhaft wieder her (joint stock companies without limited liability).

Im Dokument DISSERTATION. Doctoral Thesis (Seite 49-54)