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Konzerninvasion und Ausbreitung

Im Dokument DISSERTATION. Doctoral Thesis (Seite 197-0)

Der Prozess der Invasion von Krebszellen in nachbarschaftliches Gewebe (als ersten Schritt der Verbreitung im menschlichen Organismus) findet seine Analogie in der Ausbreitung der Konzernfilialen: Zwei Wochen, nachdem das North American Free Trade Agreement (NAFTA) in Kraft getreten war, verkündete der Konzern „Wal-Mart“ seine Ausweitung nach Kanada. Im ersten Schritt kaufte Wal-Mart 120 Filialen einer kanadischen Kaufhauskette, welche wenige Chancen im Preiskampf gegen den Konzern hatte. Das US-amerikanische Wochenblatt „business week“ bezeichnete dies im Jahr 1994 als „a full-scale invasion of the Canadian market“. Ein kanadischer Einzelhandelskonsulent beschrieb die absehbare Entwicklung damit, dass bis Ende der 1990er Jahre die Hälfte der kanadischen Einzelhändler ihr Geschäft verloren haben werden.2 Die höchste Konzern-Konzentration wurde bei Gebrauchsgütern festgestellt, wo fünf Konzerne 70% des gesamten Weltmarktes kontrollieren. Im Automobil-, Elektronikindustrie, Flugzeug- und Stahlindustriesektor kontrollieren die Top 5 Konzerne mehr als 50 Prozent des Weltmarktes. 3 Die Globalisierung hat also nicht die Vielfalt durch Wettbewerb erhöht, sondern die Tendenzen in Richtung weltweiter Monopolisierung erhöht.

Zwischen 1935 bis 1989 reduzierte sich die Anzahl kleiner Bauernhöfe in den USA von 6,8 Mio. auf unter 2,1 Mio., während sich im selben Zeitraum die US-Bevölkerung verdoppelte.

Daneben kontrollieren einige wenige Konzerne zwischen 50 bis 85% der verschiedenen Getreide- oder Fleischmärkte.4

Somit wird klar, dass die gigantischen Weltkonzerne ein System des gelenkten Wettbewerbs darstellen, welches den Wettbewerb unter ihnen selbst reduziert, aber jenen unter den kleineren Unternehmen und der Zulieferindustrie weiter erhöht. Damit werden die peripheren Strukturen des Produktionsprozesses in Form der Zulieferindustrie gezwungen die Kosten für die Wertschöpfung (Lohnkosten, etc.) zu übernehmen während das Kerngeschäft sich auf Profitwachstum konzentriert, um am Wettbewerb des globalen Finanzsystem teilnehmen zu können.

Folgerichtig wird durch den institutionellen Umbau, angetrieben durch die ökonomische Globalisierung, entscheidungsrelevante Freiheitsgrade von Menschen und Gemeinden reduziert und in globalen Institutionen in Form der Konzerne konzentriert, welche jedoch nicht im Sinne menschlicher bzw. gesellschaftlicher Interessen handeln, sondern durch Teilnahme am globalen Finanzsystem ausschließlich der Profitmaximierung verpflichtet sind.

Behilflich dabei sind ihnen Verkehrsinfrastrukturen, die es ermöglichen, Arbeitnehmer rasch zu den Produktions- und Firmenstandorten der Konzerne zu bringen und gleichzeitig die Warendistribution über weite Strecken zu erleichtern.

1 Vgl. http://www.globalbrutal.net/ausbeutung/afrika.php

2 Korten (1995), S.236

3 Korten (1995), S.233

4 Korten (1995), S.224

Solche steigenden Unternehmenskonzentrationen fordern traditionelle Handelstheorien heraus, die darauf basieren, dass eine Menge gesunder kleiner und mittelgroßer Unternehmen miteinander konkurrieren und damit Qualität, Preis und Entwicklung bestimmen. Damit werden auch alle Voraussetzungen, die zu einer Demokratie, zu einer ökonomischen Gerechtigkeit und zu einem Schutz der Umwelt führen, verhindert.1

y = 5E-81e0,097x R² = 0,980

0 2.000 4.000 6.000 8.000 10.000 12.000 14.000 16.000 18.000

1950 1960 1970 1980 1990 2000 2010

Export (in Mrd. $)

Jahr

Welthandel (Waren-Exporte) in Milliarden US-Dollar

Abbildung 119: Entwicklung des weltweiten Warenhandels als Folge des Abbaus von Handelbarrieren, technologischen Entwicklungen, Automatisierung und Beschleunigungen der Transportsysteme bei gleichzeitiger Kostenreduktion für die Konzerne.2

Mit dem Abbau von Handelsbarrieren und der Beschleunigung der Transportsysteme, die ihren Höhepunkt in den Echtzeitverbindungen mit Lichtgeschwindigkeit der Datenautobahnen findet, wurden Konzentrationsprozesse in der Wirtschaft zuerst in Gang gesetzt und danach weiter beschleunigt. Die „economy of scale“ führt zu neuen Abhängigkeitsverhältnissen und die Konzentration wirtschaftlicher Einheiten führte zu Machtkonzentrationen.

Der Prozess, Menschen auf diese Art und Weise abhängig zu machen, begann bereits mit der Privatisierung von Allmenden in England um den Nutzen der Produktion in wenigen Händen zu konzentrieren. Die koloniale Ära erweiterte diesen Prozess auf nicht industrialisierte Länder. Nach dem 2.Weltkrieg wurde dieser Prozess mittels den Institutionen von Bretton Woods durch die schrittweise Monetarisierung aller Lebensbereiche fortgesetzt und gleichzeitig lokale Systeme der Landwirtschaft, des Gesundheits- und Bildungswesen und Verwaltung zerstört bzw. einzelne Funktionen der lokalen Hoheit entzogen und zentralisiert. Jene Bereiche die nicht dem Monetarisierungsprozess unterworfen wurden (bzw. sich unterwerfen ließen) wurden als „unproduktive“ Teile der Gesellschaft vom neuen Indikator BIP ausgenommen.

1 Vgl. Ibesich (2005), S.43

2 WTO (2008)

In vielen kolonisierten Ländern wurde das Aufzwingen von Steuern, die nur in Bargeld bezahlt werden konnten benutzt, um die Menschen in die Geldökonomie zu zwingen. Vor allem Grundnahrungsmittel wurden dafür herangezogen. In Vietnam zwangen die Franzosen Steuern auf Salz, Alkohol und Opium, im Sudan erhoben die Engländer Steuern unter anderem auf Tiere und Häuser. Noch brutaler gingen die Franzosen bei der Steuereintreibung in ihren westafrikanischen Kolonien vor. 1

Der Kapitalstock weltweiter ausländischer Direktinvestitionen (FDI, Foreign Direct Investment) ist seit dem Beginn der 1980er Jahren rapide angestiegen. Auch die Menge an Beschäftigten Personen, die in ausländischen Konzernfilialen ihren Arbeitsplatz haben steigt.

Abbildung 120: Kapitalstock weltweiter ausländischer Direktinvestitionen und Beschäftigung in ausländischen Konzernen. 2

Jeder fünfte Arbeitnehmer in Österreich arbeitet für einen ausländischen Konzern. Im Jahr 2007 wurden 8.762 heimische Betriebe, das sind rund drei Prozent, mit 497.100 Beschäftigten (rund 19 Prozent aller heimischen Arbeitnehmer) und knapp 200 Milliarden Euro Umsatz von ausländischen Konzernen kontrolliert. Österreichische Konzerne kontrollieren im Ausland wiederum 4.287 Unternehmen mit 795.400 Beschäftigten und rund 180 Milliarden Euro Umsatz. 3

Die „Invasion“ der EU in den ehemaligen osteuropäischen Staaten

Von entscheidender Wichtigkeit für das weitere finanzielle Wachstum der europäischen aber auch der anderen internationalen Konzernstrukturen, war die Erweiterung der Europäischen Union im Osten. Somit konnten Strukturen der Konzerne weiter metastasieren und fanden ein Absatzgebiet für ihre Produkte und Dienstleistungen. Durch die politischen Veränderungen in vielen Staaten des ehemaligen Ostblocks und der wachsenden finanziellen Macht des neoliberalen Regimes in Form von Konzernen, deren

1 Korten (1995), S.247

2 UNCTAD (2007), World Investment Report, S.9

3 Die Presse, 28.9.2009, mit Bezug auf Statistik Austria

Interessensvertretungen und politischen Handlangern, wie in der EU, kam es zu radikalen Umbauten im Wirtschafts- und Sozialsystem dieser Staaten. So werden die Menschen, die einstmals – vor allem die ländliche Bevölkerung – Selbstversorger waren – abhängig gemacht, ihr Land wird enteignet und an Konzerne verkauft, vielen von ihnen erhoffen sich in der Stadt finanziellen Wohlstand und begeben sich somit in direkte Abhängigkeit der Konzerne. Unter dem Deckmantel eines finanziellen „Wohlstandes“ kommt es zu entscheidenden gesellschaftlichen Umbauprozessen.

Balanyá (2001) meint dazu, dass sowohl ERT wie UNICE (Union of Industrial and Employer’s Confederation of Europe = Union der Industrie- und Arbeitgeberverbände Europas) kräftig für die rasche Osterweiterung der EU lobbyierten. Konzerne mit Standorten in Westeuropa betrachteten die Länder Mittel- und Osteuropas als einen enormen Markt, der nur auf eine Eroberung wartete und als Reservoir für hoch qualifizierte und billige Arbeitskräfte diene. Er zitiert den früheren ERT-Generalsekretär Keith Richardson, der meinte, dass die Erweiterungsländer materielle Ressourcen, darunter Land und Energie, sowie neue Absatzmärkte brächten. 1

Beide Lobbygruppen bestanden allerdings darauf, dass sich die osteuropäischen Länder vor einem Beitritt strengen strukturellen Anpassungen zu unterziehen haben. Diese stellten quasi die Randbedingungen für die „Metastasierung“ dar. Sowie die meisten Krebsarten nicht notwendigerweise den gesamten Organismus beim Menschen befallen, wenn sie metastasieren, so versuchen die Konzerne über ihre Lobbygruppen das zu befallene Gewebe entsprechend zu schwächen und die Randbedingungen so zu modifizieren, dass es ihre Invasion erleichtert.

Die nationale Wirtschaftspolitik mussten mit jener der Union harmonisiert werden, und die Märkte mussten sich vollkommen für westliche Waren, Dienstleistungen und Investitionen öffnen. Dies bedeutete das Ende für die lokal verankerte Wirtschaft. 2

Neben der indirekten Ausbeutung der Massen über das Kapitalsystem verfolgt das Krebsgeschwür Konzern eine offensichtliche Ausbeutung menschlicher und natürlicher Ressourcen, unabhängig der Konsequenzen, lediglich um dem eigenen ungehemmten Wachstum (angetrieben vom Kapitalmarkt) Folge leisten zu können.

Wenn zum Beispiel Coca Cola im südindischen Kerala das gesamte Grundwasser abgesaugt hat und bei Plänen zur Wasserprivatisierung in Nicaragua durch Strafen verboten wird, einem durstenden Nachbar, der sich keinen Wasseranschluss leisten kann, mit lebensnotwendigen Wasser zu helfen, dann handelt es sich dabei um fundamentale Anschläge auf die Lebenschancen des einzelnen.3 Der Prozess, menschliches Leben dem Kapital zu unterwerfen und Ressourcen, die als Lebensgrundlagen dienen zu monetarisieren, gipfelt in den barbarischen Akt der Gentechnik. Dabei geht es nicht um Verbesserungen, sondern um die Errichtung von globalen Monopolen.4 Wenn zigtausende indische Bauern ihre Existenz verlieren und in Folge dessen Selbstmord begehen, weil der Monsanto Konzern durch genmanipuliertes Saatgut, welches absichtlich nur einmal fruchtbar ist, diese von ihm abhängig machen will, kann von indirektem Mord gesprochen werden. „WTO kills farmers!“ ist inzwischen der Slogan der genauso betroffenen südkoreanischen Bauern.5

1 Balanyá (2001), S.117

2 Vgl. Balanyá (2001), S.118

3 Von Werlhof (2007), S.49

4 Von Werlhof (2007), S.53

5 Von Werlhof (2007), S.53

Im Dokument DISSERTATION. Doctoral Thesis (Seite 197-0)