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5. Organisationale Sozialisation

5.3 Empirische Studien

Kündigungsper-spektive wurde die Beziehung zwischen individuellen Erwartungen und Ergebnisvariab-len (Fluktuation, Commitment) nach Eintritt in die Organisation untersucht (vgl. Rehn 1990: 18). Außer dem Input-Output-Modell wurde sich auch dem Verunsicherungs- (vgl. Freimuth/Elfers 1992) und dem Konfliktpotential (vgl. Porter et al. 1975) von An-fangssituationen zugewandt.

Zusammenfassend kann also festgestellt werden, dass die organisationale Sozialisation in dieser Perspektive speziell hinsichtlich der Faktoren untersucht wurde, die zu einer möglichen Kündigung durch den Sozialisanden führen können. Besonderes Interesse erlangten hierbei unerfüllte und teilweise unrealistische Erwartungen, aber auch Kon-flikte zwischen dem Neuling und der Organisation sowie Unsicherheit in der Anfangs-zeit wurden als mögliche Ursachen für das Verlassen der Organisation thematisiert.

Phasenbereiche Vorbereitung, Orientierung und Bewältigung ab. Als wichtigste Ergeb-nisse können festgehalten werden (ebd. 240ff.):

- Für die neuen Mitarbeiter beginnt der Eingliederungsprozess nicht erst mit An-treten der neuen Stelle, sondern sein Verlauf wird besonders vom Ausmaß an Vorinformationen über den künftigen Arbeitsplatz, dem sozialen Umfeld und der Art der Eingliederung geprägt.

- Das Vorenthalten wichtiger Vorinformationen führt bei den Neulingen zu einem unangenehmen Empfinden, das in einem geringeren Zusammengehörigkeitsge-fühl und weniger Zufriedenheit zum Ausdruck kommt.

- Die Phase der Orientierung geht mit einem hohen Unsicherheitsempfinden ein-her: „Bildlich gesprochen werden neue Mitarbeiter in ein neues Umfeld ,verpflanzt’“ (ebd. 241), weshalb es für die Sozialisanden von großer Bedeutung ist, Kontakte zu ihren Kollegen zu finden und sich ihrer Arbeitsgruppe zugehö-rig zu fühlen. Gelingt dieser Prozess nicht, dann kommt es häufig zu vielen „un-angenehmen Überraschungen“ wie enttäuschte Erwartungen und geringere Ar-beitszufriedenheit, die häufig schon nach kurzer Zeit in einem Unternehmen zu Kündigungen führen können.

- Soziale Unterstützung durch die Kollegen wird gerade in Unsicherheits- und Enttäuschungsphasen zu einem entscheidenden „Puffer“ zwischen Belastungen und Belastungsfolgen.

- Die Phase der Bewältigung zeichnet sich für die Sozialisanden durch die Über-nahme der Normen und Werte der Organisation aus. „So sind die neuen Mitar-beiter während der ersten Monate damit beschäftigt, diese ,Spielregeln’ im Un-ternehmen zu lernen und ihr neues organisationales Umfeld zu ordnen.“ (Ebd.

243)

- Auch diese Phase wird für die neuen Mitarbeiter zu einer Entscheidungsprobe für oder gegen das Unternehmen: Kann er die Normen und Werte der Organisa-tion annehmen und akzeptieren, wird er sich für das Bleiben entscheiden, kann er sich hingegen nicht mit diesen identifizieren, droht die Entscheidung, das Un-ternehmen zu verlassen.

5.3.2 Der Berufseinstieg von Wirtschaftsakademikern von Heike Welte (1999)

Weltes Forschungsinteresse richtet sich auf die empirische Überprüfung der Phasenmo-delle der organisationalen Sozialisation. Sie geht in ihrem theoretischen Ansatz davon aus, dass Sozialisation und Identitätsbildung denselben Prozessen unterliegen. Dabei konzentriert sie sich auf die drei Hauptphasen nach Feldman 1981: „Anticipatory Socialization“, „Encounter“ und „Change and acquisition“.

Welte wählte eine qualitative, sich auf einzelne Fallbeispiele konzentrierende Vor-gangsweise, da es ihr nicht darum ging, bestimmte Hypothesen auf ihre Gültigkeit zu testen, sondern vielmehr „um ,situatives’ Vorgehen, um die Frage nach der Passung von Organisation und Persönlichkeit“ (ebd.: 5). Im Gegensatz zu Rehn, die den Versuch unternommen hat, die Entwicklung der Eingliederung Schritt für Schritt mithilfe eines Längsschnittdesigns nachzuzeichnen, erhob Welte ihre Daten retrospektiv mithilfe eines qualitativen Querschnittdesigns. Sie führte 15 qualitative Interviews mit Berufseinstei-gern durch, die sich nach ihrem Studium der Wirtschaftswissenschaften für eine Tätig-keit im Personalbereich entschieden haben. In der Arbeit wird der Verlauf der Identi-tätsbildung und der Sozialisation jedoch nur anhand dreier beispielhafter Fälle beschrie-ben. Folgende Erfahrungen und Ereignisse können für die einzelnen Phasen festgehalten werden:

- Anticipatory Socialization: In der ersten Phase werden familiale, schulische und geschlechtsspezifische Sozialisationsprozesse beschrieben. Dabei wird speziell auf den Einfluss dieser auf die Handlungs- und Berufsorientierung eingegangen.

Desweiteren wird die Wahl des Studiums und die universitäre Ausbildung the-matisiert. Interessant ist hierbei, dass die Wissensvermittlung in der Schule und der Universität von den Befragten als wenig nützlich für die spätere Berufsaus-übung betrachtet wird und stattdessen der Wert von Praktika und studienbeglei-tenden Jobs für die spätere Berufswahl in den Vordergrund rückt. Ähnlich wie bei Rehn ist diese Phase außerdem durch das Bewerbungsverfahren und dabei durch die Wichtigkeit der Vorinformationen über die spätere Tätigkeit bestimmt.

So werden die Bewerbungs- und Auswahlprozesse und die Zeit der Arbeitslo-sigkeit nach dem Studienabschluss beschrieben. Der Erfolg bzw. Misserfolg des Bewerbungsverfahrens hat Auswirkungen auf das Selbstbild und Selbstbewusst-sein der Absolventen und prägt diese bezüglich ihres weiteren Bewerbungsver-haltens.

- Encounter: Der Eintritt in die Organisation gilt jedoch bezüglich der Identitäts-bildung prägender als die antizipatorische Sozialisation. In dieser Phase stehen die Findung des richtigen Rollenverhaltens und die Interaktion mit Kollegen und Vorgesetzten im Mittelpunkt. Außerdem muss der Sozialisand seine Fähigkeiten und Fertigkeiten ausbauen und sein Verhalten den organisationalen Normen und Werten anpassen. Dabei kommt es häufig zu Konflikten zwischen den individu-ellen Erwartungen und dem tatsächlichen „Arbeitsleben“, was häufig zu Modifi-kationen dieser führt. Es werden verschiedene Einführungsstrategien und ihre Wirkung auf die Berufseinsteiger besprochen, wobei das geringe Durchführen dieser durch die Aussagen der Befragten auffällt. Da die Stichprobe nur Absol-venten, die im Personalbereich tätig sind, umfasst, werden im Besonderen Schwierigkeiten der Personalverantwortlichen angesprochen. So wird deutlich, dass sich die übrigen Abteilungen eher distanziert dem Personalbereich gegen-über verhalten, was gerade für Neulinge anfangs zusätzlich belastend ist.

- Change and acquisition: In der letzten Phase werden Prozesse der Veränderung von Handlungen und Einstellungen sowie die Entwicklung von Ich-Identitäten thematisiert, wobei auch auf individuelle Schlüsselerlebnisse der Befragten ein-gegangen wird.

5.3.3 Organisationale Sozialisation. Eine Studie über das Wohlbefinden von Berufseinsteigern von Peter Drescher (1993)

Drescher verfasste eine Längsschnittstudie über das Wohlbefinden von Betriebseinstei-gern. Als Grundlage für diese Untersuchung dienten Befragungen und Tagebücher von 24 Betriebsneulingen. Deren Analyse zeigt, dass Merkmale der Persönlichkeit wie auch Merkmale der Situation das Wohlbefinden am Arbeitsplatz wesentlich beeinflussen. Die Rekrutierung der Versuchspersonen wurde nicht dem Zufall überlassen, sondern es wurden Personalleiter bestimmter Unternehmen angeschrieben und über die Studie in-formiert. An sie wurde die Aufgabe gerichtet, diese Informationen an Organisationsneu-linge weiterzugeben. Daraufhin konnten sich diese selbst entscheiden, ob sie an der Un-tersuchung teilnehmen wollen oder nicht.

Als erstes Untersuchungsverfahren wurde der 16-Persönlichkeitsfaktoren-Test einge-setzt, um eine Einschätzung der vorherrschenden Persönlichkeitsmerkmale vornehmen zu können. Im zweiten Schritt wurden die Teilnehmer gebeten, einen Fragebogen mit

„Skalen zur Erfassung perzipierter Tätigkeitsmerkmale“ auszufüllen, wobei die

einzel-nen Items in Erwartungen umformuliert wurden. Nachdem die Erwartungen an die neue Tätigkeit erhoben wurden, erfolgte die Aufklärung über das Führen des Tagebuchs: so wurden die Versuchspersonen gebeten, in den ersten 14 Tagen am Arbeitsplatz, vom 29.

– 35. Tag, vom 64. – 70. Tag, sowie die letzten beiden Wochen der ersten sechs Monate das Befindenstagebuch zu führen. Die empirische Erhebung wurde 1-7 Tage vor der letzten Tagebuchperiode mit persönlichen Interviews, die sowohl standardisierte als auch unstandardisierte Fragen enthielten, abgeschlossen (vgl. ebd.: 148ff.).

Dreschers Darstellungsweise der Untersuchungsergebnisse ist sehr komplex, so dass eine detaillierte Wiedergabe der Ergebnisse hier nicht möglich ist, es bleibt jedoch fest-zuhalten, dass deutlich wurde, dass sowohl Persönlichkeitsmerkmale (Interversion, Ext-raversion, Ängstlichkeit oder Impulsivität), Situationsmerkmale (bspw. Jobkomplexi-tät), als auch soziale Unterstützung das Wohlbefinden der neuen Mitarbeiter beeinflus-sen.