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2 Literaturübersicht

2.2 Mechanismen und Regulation des intestinalen Calciumtransportes

2.2.2 Aktiver Transport

2.2.2.1 Eintritt von Calcium durch die Bürstensaummembran

Der Mechanismus des Calciumeintritts in die Zelle konnte bis heute nicht eindeutig geklärt werden. Sicher scheint jedoch, daß dieser Schritt ATP-unabhängig verläuft.

Die Calciumkonzentration in der Zelle beträgt 0,1 µmol/l gegenüber 1 bis 5 mmol/l auf der Lumenseite (chemischer Gradient). Darüber hinaus ist das Zellinnere der Enterozyten gegenüber dem Lumen elektrisch negativ geladen mit einer Potentialdifferenz von etwa -55 mV (elektrischer Gradient). Die Ausrichtung beider Gradienten fördert den Calciumeintritt in die Zelle.

Die aus einer Lipiddoppelschicht bestehende Bürstensaummembran ist primär für Calicumionen undurchlässig. Für den transmembranalen Transport könnten daher spezifische Membranproteine (Calciumkanäle („Poren“) bzw. Transportproteine) oder die Lipidzusammensetzung der Membran und somit dessen Fluidität eine Rolle spielen.

1) Calciumkanäle

In Ussingkammerversuchen mit isolierter Dünndarmschleimhaut und an abgebundenen Dünndarmsegmenten („ligated loop“) von Ratten bzw. Schweinen

konnte mit Calciumkanalblockern wie Verapamil in hohen Dosen (> 50 µmol/l) die Calciumabsorption gehemmt werden (PENTO und JOHNSON 1983, FOX und GREEN 1986, KAUNE et al. 1992, FAVUS und TEMBE, 1992). Verapamil ist ein spezifischer Blocker für spannungsabhängige Calciumkanäle in erregbaren Geweben, wie Muskeln und Nerven. Die meisten der in diesen Geweben vorkommenden Kanäle besitzen eine relativ hohe Aktivierungsschwelle (L-Typ).

Diese Calciumkanäle werden im Herzmuskel über eine Änderung des Membranpotentials aktiviert. In Untersuchungen mit Zellkulturen nicht erregbarer Zellen (Caco-2-Zellen) führte eine Änderung des Membranpotentials jedoch zu keiner vermehrten Calciumaufnahme (TIEN et al. 1993). In ähnlichen Untersuchungen an Enterozyten-Suspensionen vom Kabeljau waren hingegen Calciumkanäle durch Membrandepolarisation aktivierbar und durch Zugabe des Calciumkanalblockers Nifedipin in einer Konzentration von 5 µmol/l hemmbar (LARSSON et al. 1998).

In neueren molekularbiologischen Untersuchungen am Kaninchendarm wurde in Duodenum und Jejunum die Expression eines epithelialen Calciumkanals (ECaC) nachgewiesen, der nur in calcitriolsensitiven Geweben wie der Niere und der Placenta vorkommt (HOENDEROP et al. 1999a). Die Kanäle werden durch Hyperpolarisation aktiviert (HOENDEROP et al. 1999b). Im Folgenden konnte die selbe Arbeitsgruppe mit immunhistochemischen Methoden zeigen, daß dieser Calciumkanal in der apikalen Membran von Enterozyten an der Zottenspitze lokalisiert ist (HOENDEROP et al. 2000a). Seine Primärstruktur weist potentielle regulatorisch wirkende Phosphorylierungsstellen für Proteinkinase C sowie für cAMP- und cGMP-abhängige Kinasen auf (HOENDEROP et al. 2000b). Des weiteren ist die Expression des epithelialen Calciumkanals calcitriolabhängig (HOENDEROP et al. 2000b). Daher vermuten die Autoren, daß die intestinale Absorptionsrate von Calcium auf der Stufe der luminalen Calciumaufnahme reguliert wird, und daß ECaC dabei eine herausragende Funktion zukommt.

2) Calciumtransportprotein

Mit molekularbiologischen Methoden identifizierten PENG et al. (1999) in Rattenmucosa aus Duodenum, prox. Jejunum, Caecum und Colon ein Calciumtransportprotein (CAT1). Die Expression des Proteins wird nicht durch Calcitriol oder Calciummangel stimuliert. Nach ihren Untersuchungen in transfizierten Xenopus laevis Oozyten vermittelt das Protein einen sättigbaren elektrogenen Calciumtransport mit einem Ladungs/Ca2+-Verhältnis von etwa 2:1. Dies läßt vermuten, daß der Calciumtransport nicht mit anderen Ionen gekoppelt ist. Die Autoren messen diesem Protein, daß im Sinne einer erleichterten Diffusion den Eintritt von Calcium in die Enterozyten vermitteln könnte, eine große Bedeutung bei.

Diese Auffassung stützt sich u.a. auf die Untersuchung der Primärstruktur des Proteins, die potentielle Phosphorylierungsstellen für Proteinkinasen aufweist. Durch diese Phosphorylierungsstellen könnte die Aktivität des Calciumtransportproteins reguliert werden.

3) andere Bürstensaummembran-Proteine

Es wurden noch andere Proteine in der Bürstensaummembran identifiziert, von denen eine Beteiligung an der apikalen Calciumaufnahme angenommen wird.

Calmodulin

Calmodulin wird mittels Myosin I an die duodenale Bürstensaummembran gebunden (BIKLE et al. 1991). Calcitriol steigert den Gehalt des membrangebundenen Calmodulins, ohne den Gesamtcalmodulingehalt der Zelle zu verändern (BIKLE und MUNSON 1985). Untersuchungen an Bürstensaummebranvesikeln haben gezeigt, daß Calmodulinantagonisten den durch Calcitriol stimulierten Calciumtransport hemmen (FULLMER 1992).

Calbindin-D9k

Calbindin-D9k ist ein Protein mit sehr hoher Calciumaffinität. Seine Expression wird durch Calcitriol stark stimuliert (WASSERMANN et al. 1966). Der größte Teil des in

den Enterozyten vorkommenden Calbindins befindet sich zwar im Zytosol, jedoch ist ein Teil auch in der Bürstensaummembranfraktion nachweisbar. Ferner wurden in der Bürstensaummembran mehrere calbindinbindende Proteine gefunden (FULLMER 1992).

IMCal

Ein weiteres calciumbindendes Protein (IMCal = intestinal membrane calcium binding protein) findet sich hauptsächlich in der Bürstensaummembran des proximalen Dünndarms. Es wird bei Calcitrioldepletion und niedrigem Calciumgehalt im Futter vermehrt exprimiert. Mit zunehmendem Alter nimmt der Gehalt dieses Proteinkomplexes in der Bürstensaummembran ab (SCHACHTER und KOWARSKI 1982).

4) Membranfluidität

Wenn man annimmt, daß bürstensaumseitig ein Teil des Calciums durch Endozytose in Form von Vesikeln aufgenommen wird (NEMERE 1992), könnte die Fluidität der apikalen Membran auf diesen Prozeß einen Einfluß haben.

Die Lipidzusammensetzung der Bürstensaummembran wird durch Calcitriol beeinflußt (RASMUSSEN et al. 1982). Durch Änderung des Fettsäurenmusters nahm die Bürstensaummembran bei Vitamin-D-depletierten Ratten einen steiferen und weniger fluiden Zustand ein als bei Tieren mit physiologischem Calcitriolstatus.

Durch Calcitriolbehandlung glich sich das Fettsäurenmuster der Bürstensaummembranen von depletierten Tiere innerhalb von 1 bis 2 Stunden an das der Kontrolltiere an (BRASITUS et al. 1986). Da diese Änderung im Fettsäurenmuster mit einer Zunahme der intestinalen Calciumabsorption korrelierte, zogen die Autoren daraus den Schluß, daß die Lipidzusammensetzung der Bürstensaummembran einen Einfluß auf die intestinale Calciumabsorption hat.

SCHEDL et al. (1989) konnten in Untersuchungen mit Bürstensaummembranvesikeln zeigen, daß eine Zunahme des Phospholipid- oder

Cholesteringehaltes der Membran die Calciumaufnahme in die Vesikel verminderte.

Durch Behandlung mit Vitamin D änderte sich die Membranfluidität jedoch nicht (SCHEDL et al. 1994). Auch BIKLE et al. (1984) konnten keine Beziehung zwischen Vitamin D, Membranfluidität und Calciumaufnahme durch die Bürstensaummembran nachweisen. Zusammenfassend weisen die meisten Untersuchungen zwar darauf hin, daß die Aufnahme von Calcium an der Bürstensaummembran durch deren Fluidität beeinflußt werden kann, es erscheint jedoch eher unwahrscheinlich, daß Calcitriol die apikale Calciumaufnahme durch eine Beeinflussung der Membranfluidität stimuliert.