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2 Literaturübersicht

2.3 Neonatale Entwicklung des Gastro-Intestinal-Traktes

2.3.2 Funktionelle Veränderungen

2.3.2.3 Abbau von Kohlenhydraten

Die Hauptkohlenhydratquelle für Saugferkel ist Lactose (4-0-((β-D-Galactopyranosyl)-D-Glucopyranose) der Milch. Nach dem Absetzten tritt vor allem Stärke an dessen Stelle. Abgesehen von vielen pflanzenspezifischen Unterschieden besteht Stärke zu etwa 80% aus Amylose (unverzweigtes Glucosepolymerisat in 1,4α- glycosidischer Bindung) und zu etwa 20% aus Amylopektin (verzweigtes Glucosepolymerisat mit zusätzlicher 1,6α- Verknüpfung). Neben Stärke werden von Schweinen nach dem Absetzen auch Disaccharide wie Maltose Glucopyranose) und Saccharose (4-0-(α-D-Glucopyranosyl)-D-Fructofuranosid) aufgenommen. Der Stärkeabbau erfolgt in zwei Schritten. Im ersten Schritt werden die Polysaccharide intraluminal durch Speichelamylase und durch Endogycosidasen der Bauchspeicheldrüse in kleinere Bruchstücke gespalten. Die α-Amylase spaltet die 1-4α-glycosidischen Bindungen der Amylose mit Ausnahme der

in unmittelbarer Nachbarschaft zur Anheftung der 1,6α-Seitenketten gelegenen und der endständigen 1,4α-Bindung. Als Endprodukt des Stärkeabbaus entstehen Maltose, Maltotriose (3 Glucosemoleküle mit jeweils 1,4α- glycosidischer Bindung) und sogenannte Grenzdextrine (verzweigte Glucoseketten aus im Mittel 8 Glucosemolekülen). Diese Abbauprodukte, wie auch Saccharose und Lactose werden anschließend von in der Bürstensaummembran verankerten Disaccharasen gespalten und als Monosaccharide von spezifischen Transportsystemen absorbiert.

Entero-Disaccharasen

Unter den 13 bekannten in die Bürstensaummembran integrierten Hydrolasen (KENNY und MARCOUX 1982, SEMENZA, 1986) befinden sich sechs verschiedene Disaccharasen von denen hier die Lactase, Saccharase und Isomaltase besprochen werden sollen.

Lactase (β-galactosidase, EC 3.2.1.23)

Lactase spaltet hauptsächlich Milchzucker, Lactose, der als freies Molekül ausschließlich in der Milch von Säugetieren in einer Konzentraton von 50-70 g/l vorkommt. Lactase ist die einzige intestinale Disaccharase, bei der die Hydrolyse den limitierenden Schritt für die Verdauung darstellt. Aus diesem Grund führt nur bei Lactose eine Endprodukthemmung zu einer sichtbaren Aktivitätsabnahme (GRAY 1992).

Die Aktivität der Lactase ist schon bei neugeborenen Ferkeln voll ausgebildet (DAHLQUIST 1961, KIDDER und MANNERS 1980). Die Lactaseaktivität ist nicht gleichmäßig über den Darmtrakt verteilt sondern ist im proximalen Jejunum am höchsten, und sowohl weiter proximal als auch weiter distal niedriger („horizontaler Gradient“, KIDDER und MANNERS 1980). Andererseits existiert auch ein „vertikaler Gradient“, der sich darauf bezieht, daß die Lactaseaktivität von der Krypte zur

Villusspitze stetig zunimmt (GODA et al. 1999). Diese Zunahme der Aktivität ist Ausdruck eines Reifungsprozesses, den die Enterozyten bei ihrer Wanderung aus der Krypte bis zur Zottenspitze durchlaufen.

Mit zunehmendem Alter läßt die Lactaseaktivität nach (DAHLQUIST 1961). Aber auch im Darm ausgewachsener Schweine ist noch eine Restaktivität vorhanden (KIDDER und MANNERS 1980).

Einfluß der Fütterung auf die Lactaseaktivität

Die Aktivität der intestinalen Lactase wird nicht primär über das Lactoseangebot im Futter reguliert. Fütterungsversuche mit Ferkeln haben gezeigt, daß abgesetzte und lactosearm gefütterte Ferkel eine ebenso hohe Lactaseaktivität aufwiesen, wie gleichalte, gesäugte Wurfgeschwister (KIDDER und MANNERS 1980). Auch Untersuchungen an jungen Ratten sprechen dafür, daß die Lactaseaktivität nicht, oder zumindest nicht nur, über ihr Substrat reguliert wird. In diesen Untersuchungen konnte eine verlängerte Säugeperiode den Abfall der Lactaseaktivität zwar etwas verzögern, aber nicht verhindern (LEBENTHAL et al. 1973). Andererseits wiesen adulte Ratten, die mit einer lactosereichen Diät gefüttert wurden, nach einer Fütterungsperiode von 5 bis 8 Wochen eine erhöhte jejunale Lactasekonzentration auf. (BOLIN et al.1969). In diesem Versuch stimulierte auch eine erhöhte Glucosekonzentration im Futter die Lactaseaktivität. Eine substratspezifische Induktion der Aktivität konnte in diesem Versuch also nicht eindeutig belegt werden.

Die bisher zu dieser Frage vorliegenden Befunde sprechen dafür, daß der Abfall der Lactaseaktivität mit zunehmendem Alter in erster Linie genetisch programmiert ist, und daß der Abfall in einem gewissem Umfang durch die Zusammensetzung der Nahrung modifiziert werden kann.

Saccharase (sucrose glycoamylase, EC 3.2.1.48) wird zusammen mit Isomaltase als Enzymkomplex von den Enterozyten synthetisiert. Der Komplex wird nach Einlagerung in der apikalen Membran durch Proteasen der Bauchspeicheldrüse in

seine zwei Untereinheiten gespalten. Saccharase und Isomaltase bleiben aber auch danach in nicht-kovalenter Bindung miteinander assoziiert (GALAND 1989).

Saccharase spaltet die 1,4α-glykosidischen Bindungen der Saccharose und Maltose.

Endprodukte sind folglich Glucose und Fructose.

Isomaltase (oligo-1,6-glucosidase, EC 3.2.1.10) spaltet 1,4α- und 1,6α–

glycosidische Bindungen in Maltotriose und in Grenzdextrinen. Abbauprodukte sind Glucose und Maltose.

In der Bürstensaummembran kommen insgesamt drei Disaccharasen mit Maltaseaktivität vor: Saccharase und Isomaltase machen zusammen 80% der Maltaseaktivität aus. Außerdem existiert noch eine eigentliche Maltase, auf die 20%

der Maltasaktivität entfällt (GALAND 1989). Auch die Aktivität von Saccharase und Isomaltase ist im Dünndarms ungleichmäßig verteilt. Nach Untersuchungen von KIDDER and MANNERS (1980) ist sie bei 5 bis 8 Wochen alten Schweinen im zweiten Drittel des Jejunums am höchsten. Untersuchungen über eine vertikale Aktivitätsverteilung von Saccharase und Isomaltase entlang der Krypten-Villus-Achse liegen nicht vor.

Bei neugeborenen Ferkeln ist im Darm praktisch keine Saccharase- oder Isomaltaseaktivität nachweisbar (AUMAITRE und CORRING 1978, JAMES et al.

1987). Innerhalb weniger Wochen steigt ihre Aktivität dann auf Werte adulter Tiere (AUMAITRE und CORRING 1978). Während der Säugeperiode stimulieren Glucocorticoide die Aktivität von Saccharase und Isomaltase im Dünndarm. In Untersuchungen von DOELL und KRETCHMER (1964) mit Kaninchen, Ratten und Mäusen konnte die Saccharaseaktivität während der ersten 17 Lebenstage durch Glucocorticoide induziert, und deren Expression durch Adrenalektomie deutlich verzögert werden. Nach dieser Zeit haben Glucocorticoide keinen Einfluß mehr auf die Saccharaseexpression (HENNING und SIMS 1979), obwohl immer noch Glucocorticoidrezeptoren im Zytosol der Enterozyten vorhanden sind (HENNING et al. 1975).

Einfluß der Fütterung auf die Saccharase- und Isomaltaseaktivität

Die Aktivität der Saccharase und Isomaltase ist nicht nur ontogenetisch determiniert.

Sie hängt in stärkerem Maße als die Lactaseaktivität auch von der Substratkonzentration in der Nahrung ab (CORRING 1980, LUND und SMITH 1987, KELLY et al. 1991, MANNERS und STEVENS 1972). Fütterungsversuche von KIDDER und MANNERS (1980) haben ergeben, daß die Isomaltase- ebenso wie die Saccharaseaktivität bei 3- und 5-Wochen alten abgesetzten Ferkeln höher war als bei gleichalten gesäugten Wurfgeschwistern. In diesen Versuchen stieg die Saccharaseaktivität in der Dünndarmschleimhaut von Ferkeln nach dem Absetzen von 20 auf 80 und die Isomaltaseaktivität von 18 auf 40 U/g Protein in der Schleimhaut.

Absorption von Monosacchariden

Abbauprodukte der hydrolytischen Spaltung der Kohlenhydrate im Magen-Darm-Trakt sind vor allem Monosaccharide, wie D-Glucose, D-Galactose und D-Fructose.

Diese Zuckermonomere werden von den reifen Enterozyten im oberen Drittel der Dünndarmzotten aktiv oder passiv absorbiert.

Glucose und Galactose werden von einem Natrium abhängigen Glucosetransporter (SGLT1, sodium-dependent glucose transport) sekundär aktiv absorbiert, wobei die Affinität des Transporters zu Galactose geringer ist als zu Glucose (HEDIGER und RHOADS 1994). Der Glucosetransport ist dabei energetisch an den zelleinwärts gerichteten elektrochemischen Gradienten für Natriumionen gekoppelt (CRANE et al.

1967). Beim Transport werden mit jedem Glucosemolekül zwei Natriumionen in die Zelle geschleust. Die vom Enterozyten absorbierte Glucose wird durch den in der basolateralen Membran gelegenen GLUT2-Transporter ins Blut abgegeben (THORENS et al. 1990).

Die Absorption von Fructose ist Natrium unabhängig (SIGRIST-NELSON und HOPFER 1974) und erfolgt wahrscheinlich in Form einer erleichterten Diffusion über den in der apikalen Membran lokalisierten GLUT5-Transporter (BURANT und SAXENA 1994). Basolateral wird Fructose wie Glucose durch den GLUT2-Transporter ins Blut abgegeben (BURANT et al. 1992).

Für alle drei Transportsysteme (SGLT1, GLUT2 und GLUT5) besteht ein vertikaler Gradient insofern, als sie hauptsächlich in reifen Enterozyten im oberen Drittel der Zotten vorkommen (STIRLING und KINTER 1967, HWANG et al. 1991, THORENS et al. 1990, DAVIDSON et al. 1992).

Einfluß der Fütterung auf die Absorption von Monosacchariden

Die Aktivität des Natrium gekoppelten Glucosetransporters ist Substrat induziert. Die Umstellung von kohlenhydratarmer Kost auf kohlenhydratreiche Kost ist ein physiologischer Vorgang, der bei allen omnivoren Säugetierspezies zum Zeitpunkt des Absetzens zu beobachten ist. Während Milch einen relativ geringen Kohlenhydratanteil aufweist (40-60 g/kg, KAMPUES et al. 1999), ist er in Getreideprodukten und Knollenfrüchten sehr hoch (600-800 g/kg, FRANKE 1989). In vitro-Untersuchungen mit Schleimhäuten omnivorer Spezies haben gezeigt, daß die Aufnahmekapazität des Darms für Monosaccharide mit zunehmendem Alter steigt.

Dabei ist besonders zum Zeitpunkt des Absetzens ein markanter Anstieg zu beobachten (TOLOZA und DIAMOND 1992). Bei fleischfressenden Spezies, die nach dem Absetzen vorwiegend proteinreiche Nahrung aufnehmen, nimmt der Transport von Monosacchariden dagegen mit dem Absetzen ab (BUDDINGTON und DIAMOND 1992). In Fütterungsversuchen mit Mäusen wurde durch Verabreichung kohlenhydratreichen Futters die SGLT1-Expression im Dünndarm um das 2- bis 3- fache gesteigert (FERRARIS et al. 1992). Auch die Fructoseabsorption wird durch vorausgehende Fructosefütterung stimuliert (SOLBERG und DIAMOND 1987).