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5.2 Einfluß von PTHrP auf den intestinalen Calciumtransport

PTHrP-Applikation (ex vivo-Versuche)

Eine intramuskuläre Applikation von PTHrP-Fragmenten aus der Molekülmitte führte zu einer signifikanten Steigerung des Calciumtransportes in vitro. Ferner korrelierte der Plasmagehalt an PTHrP(38-94) positiv mit dem aktiven Calciumtransport. Dieser Befund spricht dafür, daß PTHrP-Fragmente aus der Molekülmitte den aktiven intestinalen Calciumtransport von der serosalen Schleimhautseite stimulieren. Unter den Kontrollferkeln waren zwei mit einem relativ hohen basalen Gehallt an PTHrP im Plasma. Es konnte nicht geklärt werden, warum bei diesen beiden Ferkeln der PTHrP-Gehalt im Plasma erhöht war. Die Tatsache, daß bei diesen Ferkeln auch der Calciumtransport im Vergleich zu den anderen Kontrollen erhöht war, unterstreicht jedoch die Vermutung über einen causalen Zusammenhang zwischen PTHrP(38-94) und intestinalem Calciumtransport.

Die Ergebnisse deuten stark darauf hin, daß PTHrP-Fragmente aus der Molekülmitte aus der Milch den aktiven intestinalen Calciumtransport durch einen Kurzzeiteffekt stimulieren.

Da dieser Effekt von PTHrP innerhalb einer Stunde eintrat, könnte man ihn analog zu den Untersuchungen der Arbeitsgruppe um NORMAN als Transcaltachia ansprechen (ZOUH et al. 1992). Es erscheint jedoch unwahrscheinlich, daß es sich um den selben Mechanismus handelt, da in den Untersuchungen von ZOUH N-terminales PTHrP eingesetzt wurde und der Effekt von den Autoren auf Interaktion mit dem klassischen PTH/PTHrP-Rezeptor zurückgeführt wurde. In der vorliegenden Studie wurden hingegen PTHrP-Fragmente aus der Molekülmitte eingesetzt, die höchstwahrscheinlich nicht an diesen Rezeptor binden.

Es liegen bisher nur wenige Untersuchungen darüber vor, ob PTHrP-Fragmente den intestinalen Calciumtransport bei Neugeborenen beeinflussen. In Untersuchungen von HILLMAN et al. (1997) konnte kein stimulierender Effekt von oral appliziertem PTHrP auf die Calciumhomöostase junger Ferkel gefunden werden. In dieser Studie wurden neugeborene Ferkel im Alter von 2 Tagen abgesetzt und über einen Zeitraum von 14 Tagen mit einem Milchaustauscher auf Sojabasis gefüttert. Bei der einen Hälfte der Ferkel wurde 1 nmol/l PTHrP(1-86) zu der Tränke gemischt, bei der anderen Hälfte erfolgte kein solcher Zusatz. Es wurden in dieser Untersuchung keine Unterschiede in der intestinalen Calciumabsorption, in der Mineralisation der Knochen oder im PTHrP(1-86)-Gehalt des Plasmas zwischen den beiden Gruppen festgestellt.

Die Beobachtung, daß kein Unterschied im Plasma-PTHrP(1-86)-Spiegel zwischen den Gruppen gefunden wurde, könnte darin begründet sein, daß natives PTHrP im Magen-Darm-Trakt sehr schnell abgebaut wird, und es somit unwahrscheinlich ist, daß natives PTHrP im Ferkeldarm überhaupt für eine Absorption verfügbar ist. Die Konzentration von verschiedenen PTHrP-Fragmenten im Chymus der Ferkel wurde in der oben zitierten Untersuchung nicht gemessen. Es ist aber zu vermuten, daß bei einer Futterzulage von 1 nmol/l PTHrP(1-86) im Magen-Darm-Trakt der Ferkel durch enzymatischen Abbau maximal 1 nmol/l an PTHrP-Fragmenten aus der Molekülmitte entstehen. Die Konzentration von PTHrP-Fragmenten aus der Molekülmitte im Duodenalchymus liegt jedoch nach eigenen Untersuchungen bei etwa 3 nmol/l. Die Befunde von HILLMAN können daher nicht ausschließen, daß PTHrP-Fragmente aus der Molekülmitte den intestinalen Calciumtransport fördern. Bei der Interpretation der Ergebnisse der Fütterungsstudie von HILLMAN ist außerdem anzumerken, daß die Tiere im Alter von 2 Tagen von der Sau abgesetzt wurden. Es erscheint fraglich, ob diese kurze Zeit ausreichte, um den Tieren genügend kolostrale Antikörper für eine passive Immunisierung zur Verfügung zu stellen.

Eigene Erfahrungen haben gezeigt, daß Ferkel mit einer zu geringen Aufnahme an kolostralen Antikörpern rasch therapeutisch kaum zu beeinflussende Durchfälle

entwickeln, welche die Untersuchung physiologischer intestinaler Absorptionsvorgänge unmöglich machen. Der Gesundheitszustand der beiden Gruppen wurde nicht näher beschrieben, jedoch haben von den 20 Ferkeln, die abgesetzt wurden, nur 16 Tiere bis zum Alter von 16 Tagen überlebt.

Zugabe von PTHrP zu isolierter Schleimhaut (in vitro-Versuche)

Weder die synthetischen Fragmente PTHrP(1-86) und PTHrP(38-94) noch das in Sauenmilch enthaltene PTHrP hatte einen unmittelbaren Einfluß auf den intestinalen Calciumtransport. Um diesen Befund besser beurteilen zu können, war es von Interesse zu vergleichen, ob die PTHrP-Konzentration in vitro auf der mucosalen bzw. serosalen Seite der Schleimhaut der physiologischen PTHrP-Konzentration im Dünndarmchymus bzw. im Plasma entsprach.

PTHrP-Gehalte auf der mucosalen Seite der Schleimhaut

Die Konzentration der PTHrP-Fragmente im mucosalen Inkubationspuffer und im Duodenalchymus sind in Tabelle 5.1 zusammengestellt.

Tabelle 5.1 Konzentrationen an PTHrP und PTHrP-Fragmenten im Chymus des proximalen Dünndarms und im mucosalen Inkubationspuffer aus Ussingkammerversuchen nach mucosaler Zugabe von PTHrP-Fragmenten (in nmol/l)

PTHrP(1-86) PTHrP(38-94) PTHrP(1-34)

PTHrP im Duodenalchymus 0 3 0,6 direkt nach Zugabe von 70 nmol/l PTHrP(38-94)

0 70 0

PTHrP im Inkubationspuffer direkt nach Zugabe von Sauenmilch

0,94 11,86 1,68

Bei der Interpretation dieser Zahlen ist zu beachten, daß die gegen N-terminale Fragmente und Fragmente aus der Molekülmitte gerichteten Assays auch jeweils das native Peptid erkennen. Da jedoch die Konzentration des nativen PTHrP im Dünndarmchymus wie auch in der Inkubationslösung deutlich unter den Konzentrationen der anderen beiden Fragmente lag, dürfte es sich bei diesen Konzentrationsangaben fast ausschließlich um Fragmente handeln.

Aus Tabelle 5.1 geht hervor, daß die Konzentrationen der einzelnen PTHrP-Fragmente in der Inkubationslösung 60 Minuten nach Zugabe von PTHrP(1-86) etwa denen im Dünndarmchymus entsprachen. Aus technischen Gründen wurde nicht überprüft, wie sich die PTHrP-Konzentrationen im Verlauf der 60-minütigen Inkubation nach Zugabe von PTHrP(38-94) bzw. Sauenmilch veränderten. In Vorversuchen wurden jedoch Abbauraten für die verschiedenen PTHrP-Fragmente nach Zugabe von PTHrP zur mucosalen Seite isolierter Schleimhäute ermittelt. Sie betrug für PTHrP(38-94) 70%, für PTHrP(1-86) 99,5% und für PTHrP(1-34) 94% in 60 Minuten (KLEIN, 1999). Damit läßt sich abschätzen, daß eine Stunde nach

Zugabe von 70 nmol/l PTHrP(38-94) noch 21nmol/l, und nach Zugabe von Sauenmilch noch etwa 3,6 nmol/l PTHrP(38-94) auf der mucosalen Seite der Schleimhaut vorhanden waren. Diese Konzentrationen an Fragmenten aus der Molekülmitte entsprechen der im Duodenalchymus bzw. liegen sogar deutlich über dieser Konzentration.

Es ist davon auszugehen, daß nach Zugabe von PTHrP(38-94) keine N-terminalen PTHrP-Fragmente im Inkubationspuffer entstanden sind. Mit Hilfe der oben genannten in vitro-Abbauraten läßt sich abschätzen, daß eine Stunde nach Zugabe von Sauenmilch kein natives PTHrP mehr auf der mucosalen Seite vorhanden war, und der Gehalt an PTHrP(1-34) bei etwa 0,1 nmol/l lag. Somit liegt der Gehalt an PTHrP(1-34) im mucosalen Inkubationspuffer 60 Minuten nach Zugabe von PTHrP(38-94) bzw. Sauenmilch deutlich unter der Konzentration im Dünndarmchymus. Natives PTHrP ist auch im Dünndarm gesäugter Ferkel nicht mehr auffindbar und entspricht daher der Konzentration im mucosalen Inkubationspuffer.

PTHrP-Gehalte auf der serosalen Seite der Schleimhaut

Da die bisherigen Versuche auf eine PTHrP-Wirkung von serosal hindeuteten, wurden die sich serosal einstellenden Konzentrationen der PTHrP-Fragmente mit den PTHrP-Spiegeln im Plasma bei gesäugten Ferkel verglichen (Tab. 5.2).

Tabelle 5.2 Konzentrationen an PTHrP und PTHrP-Fragmenten im Ferkelplasma und im serosalen Inkubationspuffer aus Ussingkammerversuchen nach serosaler Zugabe von verschiedenen PTHrP-Fragmenten (in nmol/l)

PTHrP(1-86) PTHrP(38-94) PTHrP(1-34) PTHrP im Plasma [nmol/l] 0,003-0,005 1,2 -1,8 0,08-0,12 PTHrP im Inkubationspuffer

60 min nach Zugabe von 10 nmol/l PTHrP(1-86)

0,3 10 1,2

PTHrP im Inkubationspuffer direkt nach Zugabe von 7 nmol/l PTHrP(38-94)

0 7 0

PTHrP im Inkubationspuffer direkt nach Zugabe von Sauenmilch

0,94 11,86 1,68

In Vorversuchen hatte sich gezeigt, daß PTHrP-Fragmente aus der Molekülmitte nach 60-Minütiger Inkubation auf der serosalen Seite von Jejunalschleimhäuten in Ussingkammern nicht abgebaut werden (KLEIN, 1999). Dies wird bestätigt durch Untersuchungen von WADHWA et al. 1999, in denen 100 Minuten nach Zugabe von PTHrP(38-94) zur serosalen Seite isolierter Pansenschleimhaut in Ussingkammern keine Abnahme der PTHrP-Konzentration auf der serosalen Seite festgestellt werden konnte. Es kann also davon ausgegangen werden, daß in der vorliegenden Untersuchung der Gehalt an PTHrP-Fragmenten aus der Molekülmitte 60 Minuten nach Zugabe von Sauenmilch bzw. PTHrP(38-94) nicht nennenswert verändert hat.

Somit liegt nach allen drei Zugaben der Gehalt an PTHrP-Fragmenten aus der Molekülmitte im serosalen Inkubationspuffer deutlich über der Konzentration im Plasma gesäugter Ferkel.

Für PTHrP(1-34) und natives PTHrP wurden in den Vorversuchen auf der serosalen Schleimhautseite in vitro-Abbauraten von 88% bzw. 97% in 60 Minuten ermittelt.

Damit läßt sich abschätzen, daß eine Stunde nach Zugabe von Sauenmilch noch etwa 0,03 nmol/l natives PTHrP und 0,2 nmol/l PTHrP(1-34) auf der serosalen Seite

vorhanden waren. Der Gehalt an N-terminalen Fragmenten im Inkubationsmedium war also nach Zugabe von Sauenmilch und PTHrP(1-86) ebenfalls deutlich höher als im Ferkelplasma.

Effekt der PTHrP-Zugaben auf den Calciumtransport in vitro

In den vorliegenden Untersuchungen hatte weder die Zugabe von synthetischen PTHrP-Fragmenten, noch die Zugabe von Sauenmilch zum Inkubationspuffer eine Wirkung auf den intestinalen Calciumtransport. Dies galt für die Zugabe zur serosalen und zur mucosalen Seite der Schleimhaut. In beiden Fällen entsprach die in vitro-Konzentration der PTHrP-Fragmente aus der Molekülmitte derjenigen in vivo, oder lag sogar deutlich darüber (Tab. 5.1 und 5.2). Es wäre jedoch möglich, daß die Fragmente, die in vivo im Magen-Darm-Trakt entstehen und absorbiert werden, nicht mit den in vitro zugesetzten Fragmenten identisch sind. Zwar konnten mit dem PTHrP(38-94)-Assay nach Zugabe von PTHrP bzw. Milch im Inkubationspuffer wie im Darmchymus und im Plasma PTHrP-Fragmente nachgewiesen werden. Es handelt es sich jedoch um einen einseitigen Assay, mit dem es nicht möglich ist festzustellen, ob er die gleichen Fragmente im Inkubationspuffer und im Chymus detektiert. Ein fehlender Effekt der Zugabe von PTHrP-Fragmenten in vitro auf den intestinalen Calciumtransport könnte also darin begründet sein, daß PTHrP erst durch Enzyme des Magen-Darm-Traktes in wirksame Fragmente umgebaut werden muß. Dies findet unter in vitro-Bedingungen natürlich nicht mehr statt.

Auch nach intramuskulärer PTHrP-Applikation und nach Milchfütterung könnten die PTHrP-Fragmentmuster im Plasma verschieden sein. Das könnte die unterschiedlichen Steigungen der Regressionsgeraden zwischen Calciumtransport und PTHrP-Gehalt im Plasma unter diesen beiden Bedingungen erklären. Nach intramuskulärer PTHrP-Applikation nahm der Calciumtransport in vitro pro nmol/l PTHrP um 7 nmol/(cm²·h) zu. Kurze Zeit nach Milchaufnahme war dieser Wert etwa 6-frach größer (Abb. 4.8 und 4.13).

Nicht völlig außer Acht lassen darf man aber auch, daß sich der durch PTHrP-vermittelte Effekt auf den Calciumtransport aus methodischen Gründen nicht durch PTHrP-Zugabe in Ussingkammern direkt nachweisen läßt. In Ussingkammern werden nur die absorptiven Eigenschaften einer isolierten (gestrippten) Mucosa erfaßt. Es ist aber denkbar, daß der Effekt von PTHrP auf die Absorption unter Vermittlung des Nervensystems oder hormoneller Faktoren zustande kommt, die in Ussingkammerversuchen nicht mehr wirksam sein können.

Gegen beide Möglichkeit sprechen jedoch Untersuchungen der Arbeitsgruppe CARE, die in ähnlichen in vitro-Versuchen eine positive Wirkung von synthetischem PTHrP(38-94) auf den Calciumtransport im Schaf-Pansen nachweisen konnten. In Ussingkammerversuchen mit isoliertem Pansenepithel stimulierte die Zugabe von 3, 6 und 15 nmol/l PTHrP(38-94) zur serosalen Schleimhautseite den Netto-Calciumflux um jeweils 42%, 47% bzw. 56%. Eine mucosale Zugabe von PTHrP(38-94) hatte dagegen keinen Effekt auf den Calciumtransport (WADHWA et al. 1999). Die Equilibrierungszeit der Schleimhaut mit PTHrP war in diesen Versuchen (25 Min) ähnlich wie in den eigenen (20 Min). Es erscheint daher unwahrscheinlich, daß die fehlende Wirkung von PTHrP(38-94) im Duodenum auf eine unzureichende Einwirkdauer zurückzuführen ist. Es wäre jedoch denkbar, daß ein möglicher PTHrP-Rezeptor im Dünndarm spezifischer ist als einer im Pansen, und daher nicht mit den nicht-physiologischen, synthetischen PTHrP-Fragmenten interagieren kann.

Zusammenfassend zeigen die Ergebnisse dieser Studie, daß ein Anstieg der PTHrP-Konzentration im Plasma innerhalb einer Stunde nach intramuskulärer Verabreichung von PTHrP(38-94) mit einem Anstieg des aktiven intestinalen Calciumtransportes einhergeht. In vitro ist ein Effekt von PTHrP auf den Calciumtransport nicht nachweisbar.

5.3 Einfluß von Prolaktin auf den intestinalen