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Einfluß von Milchfütterung auf den intestinalen Calciumtransport

5 Diskussion

5.1 Einfluß von Milchfütterung auf den intestinalen Calciumtransport

Langzeiteffekt

Die In vivo und ex vivo Untersuchungen haben gezeigt, daß mit Milch gefütterte bzw.

gesäugte Ferkel mehr Calcium auf dem Darm aufnahmen, als ihre Wurfgeschwister, die für mindestens 7 Tage milchfrei ernährt wurden.

Aus den unter in vivo gewonnenen Radioaktivitäts-Zeit-Kurven kann die intestinal absorbierte Calciummenge nicht berechnet werden, da die Eliminationsraten des Calciums aus dem Plasma nicht bekannt war. Es wurde jedoch davon ausgegangen, daß sich die Calcium-Eliminationsraten zwischen gesäugten und milchfrei ernährten Ferkeln nicht gravierend unterscheiden, so daß die Flächen unter den Radioaktivitäts-Zeit-Kurven (Are Unter He Kurve, AUC) als Schätzwert für die intestinale Calciumaufnahme dienen können. Sie waren bei gesäugten Ferkeln etwa doppelt so groß wie bei den milchfrei ernährten Ferkeln. Daraus wurde geschlossen, daß gesäugte Ferkel deutlich mehr Calcium aus dem Darm absorbierten als milchfrei ernährte.

In den ex vivo-Versuche zeigten gesäugte Ferkel bis zu einem Alter von 3 Wochen ebenfalls eine deutlich größere Calciumabsorption als milchfrei ernährte Ferkel. Da die Flure in vitro in Abwesenheit elektrischer oder chemischer Gradienten gemessen wurden, ist die unter diesen Bedingungen gemessenen Netto-Calciumabsorption als aktiver transepithelialen Transport anzusprechen. Dafür, daß es sich bei der in vitro

meßbaren Calciumabsorption um ein physiologisches Merkmal handelte, spricht auch die Beobachtung, daß diese ebenso wie die in vivo gemessene bei den gesäugten Ferkel mit zunehmendem Alter abnahm. Diese Beobachtung bestätigt die bekannte Altersabhängigkeit des intestinalen Vitamin-D- unabhängigen Calciumtransportes bei Ferkeln mit erblichem Calcitriolmangel (LACHENMEIER-CURRLE und HARMEYER 1988, SCHRÖDER et al. 1993). Die Netto-Calciumabsorption gesäugter Ferkel nahm in vitro von 70 bis 100 nmol/(cm²·h) in der zweiten Lebenswoche auf etwa 20 nmol/(cm²·h) in der 4. Lebenswoche ab. Die Werte stimmen gut mit intestinalen Calciumfluxen von Ferkeln mit erblichem Calcitriolmangel anderer Untersuchungen überein, bei denen der Netto-Calciumflux von 72 ± 21 nmol/(cm²·h) in der ersten Lebenswoche auf 35 ± 15 nmol/(cm²·h) in der 4. Lebenswoche (jeweils 0 ± SEM) abnahm (SCHROEDER et al. 1998).

Kurzzeiteffekt

In den ex vivo Versuchen nahm der intestinale aktive Calciumtransport innerhalb einer Stunde nach dem Saugen signifikant zu. Dieser Effekt war in den ersten Lebenstagen besonders markant (300%) und wurde mit zunehmendem Alter der Tiere schwächer. Dies spricht dafür, daß Milchinhaltsstoffe den aktiven Calciumtransport durch einen Kurzzeiteffekt stimulieren, und daß der diesem Effekt zugrunde liegende Mechanismus mit zunehmendem Alter an Bedeutung verliert. Die Altersabhängigkeit des Calciumtransports beim Kurzzeiteffekt folgt der gleichen Regressionsgeraden wie die beim Langzeiteffekt (Abb. 4.6 und 4.7). Möglicherweise werden beide Effekte durch einen gleichen Mechanismus bewirkt. Angenommen, PTHrP-Fragmente aus der Molekülmitte würden von der serosalen Schleimhautseite den intestinalen Calciumtransport stimulieren, dann könnte die altersbedingte Abnahme der intestinalen Protein- und PTHrP-Absorption (Kap. 5.6) auch Grund für die altersbedingte Abnahme des Calciumtransportes sein. Gestützt wird diese Vermutung dadurch, daß der PTHrP-Spiegel im Plasma kurz nach dem Saugen

(Versuche zu einem Kurzzeiteffekt von Milchfütterung) mit dem aktiven Calciumtransport der Tiere korrelierte. In den Versuchen zur Bestimmung eines Langzeiteffektes korrelierten diese beiden Werte nicht. Die fehlende Korrelation könnte jedoch in diesem Falle durch die nicht standardisierten Zeiträume zwischen Milchaufnahme und Versuchsbeginn in vitro, und mit dem daraus resultierenden unterschiedlichen Einfluß auf die PTHrP-Spiegel im Plasma bedingt sein. Die Beobachtung, daß in den Versuchen zum Langzeiteffekt von Milch auch gesäugte Ferkel über einen hohen aktiven Calciumtransport verfügten, die keinen erhöhten Plasma-PTHrP-Spiegel aufwiesen, deutet darauf hin, daß der PTHrP-Effekt über eine gewisse Zeit erhalten bleibt. Sechs bis neun Stunden nach dem Saugen war er jedoch wieder verschwunden (Abb. 4.7).

Der ausbleibende Effekt einer Zugabe von Sauenmilch zu isolierten Darmschleimhäuten auf die Calciumabsorption wird im Kapitel 5.2 diskutiert.

Einfluß von Milchfütterung auf den Calciumstatus

Der Calciumstatus gesäugter und für 11-18 Tage milchfrei ernährter Ferkel wurde mit Hilfe des Knochenminaralstoffgehaltes (BMC) und des Plasmacalciums beurteilt.

Der Knochenmineralstoffgehalt wurde anhand des Ascherückstandes der getrockneten und entfetteten Tibiae erfaßt. Vor allem durch Verluste an Phosphat, die bei hohen Veraschungstemperaturen eintreten, unterscheiden sich diese BMC-Werte von denen, die durch nicht-invasive Methoden wie der Photonen-Absorptiometrie, ermittelt werden. Im Blutplasma wurde die Konzentration des ionisierten Calciums im bestimmt. Die Konzentration des ionisierten Calciums entspricht -pH-abhängig- in etwa der Hälfte der Konzentration des Gesamtcalciums.

Die höhere Calciumabsorption bei gesäugten im Vergleich zu milchfrei ernährten Ferkeln schlug sich in einem höheren Knochenmineralstoffgehalt bei den gesäugten Ferkel nieder. Der Mineralstoffgehalt des Knochens wird bestimmt durch ein

Gleichgewicht zwischen Mineralisation und Mobilisierung. Folglich sollten gesäugte Ferkel, die einen höheren Mineralstoffgehalt im Knochen aufwiesen, entweder mehr Calcium in die Knochen eingebaut, und/oder weniger aus den Knochen mobilisiert haben als milchfrei ernährte Tieren. Der Plasmagehalt an ionisiertem Calcium dagegen war in erster Linie altersabhängig und korrelierte nicht mit dem in vitro gemessenen Calciumtransport. Milchfrei ernährte Ferkel zeigten im Vergleich zu gesäugten Ferkeln eine sehr stark verminderte intestinale Calciumabsorption und einen deutlich geringeren Knochenmineralstoffgehalt, aber nur geringfügig niedrigere Plasmacalciumspiegel. Dies bestätigt nur, daß das Plasmacalcium eine von vielen hormonellen Faktoren abhängige Regelgröße darstellt. Diese Studie erlaubt keine Schlüsse darauf, ob PTHrP einen Effekt auf die Knochenmineralisation hat.

Andererseits sprechen die Ergebnisse dafür, daß sich bei verbesserter intestinaler Calciumabsorption das Gleichgewicht zwischen Knochenmineralisation und -mobilisation in Richtung einer besseren Nettodisposition verschiebt.

Möglicher Effekt anderer Milchinhaltsstoffe auf den Calciumtransport

Die in vivo- und die ex vivo- Messungen geben Hinweise darauf, daß Milchinhaltsstoffe den intestinalen Calciumtransport stimulieren und die Knochenmineralisation verbessern. Ob dieser Effekt durch PTHrP oder andere Stoffe hervorgerufen wird, können diese Versuche nicht klären. Generell kommen mehrere Milchinhaltsstoffe in Betracht, z.B. Lactose und Phosphopeptide. Ein möglicher Effekt von Prolaktin wird in Zusammenhang mit den eigenen Untersuchungen gesondert diskutiert.

Lactose

Ein fördernder Effekt von Lactose auf die Calciumverdaulichkeit ist schon lange bekannt (ENTRINGER et al. 1975, ALI und EVANS 1967). Der Wirkungsmechanismus ist jedoch bis heute unklar. Verschiedene Beobachtungen

sprechen dafür, daß der Effekt nicht lactosespezifisch, sondern allen schwerverdaulichen Zuckern gemein ist (WASSERMAN und COMAR 1959). Eine Hypothese erkärt den Effekt durch einen vermehrten mikrobiellen Abbau im Darm und dem damit verbundenen pH-Abfall. Dies könnte eine bessere Calciumlöslichkeit bewirken. Bestätigt wird diese Annahme dadurch, daß Lactose nur bei erwachsenen Ratten und Schweinen die intestinale Calciumabsorption fördert (GISHAN et al.

1982), nicht aber bei jüngeren Tieren, die noch eine relativ hohe Lactase-Aktivität in der Dünndarmmucosa aufweisen (SCHLUMBOHM und HARMEYER 1991, GISHAN et al. 1982). Für einen Einfluß der Lactaseaktivität spricht auch eine klinische Studie von DEBONGNIE et al. (1979). In dieser Untersuchung nahmen Menschen mit Lactase-Defizienz mehr Calcium aus dem Darm auf als die einer Kontrollgruppe, die -wie die meisten Nordeuropäer (MONTGOMERY et al. 1991)- auch im Erwachsenenalter noch über eine hohe Lactase-Aktivität verfügen.

Andere Erklärungen über die Wirkung von Lactose auf den intestinalen Calciumtransport gehen von einer Änderung des transmuralen Potentials (MARTIN und DELUCA 1969) oder einer Erhöhung der Membranpermeabilität für Erdalkalimetalle (WASSERMANN 1964) aus.

All diesen Erklärungsversuche führen den Lactose-Effekt jedoch auf eine Stimulation passiver Transportmechanismen zurück. In den hier vorliegenden Untersuchungen zeigten gesäugte Ferkel in vivo und in vitro eine höhere Calciumabsorption als milchfrei ernährte Ferkel. Bei dem unter in vivo- Bedingungen beobachteten Effekt kann nicht beurteilt werden, welchen Effekt die Milchlactose auf die Calciumabsorption bei gesäugten Ferkeln hatte. Gegen einen solchen Effekt generell sprechen aber Untersuchungen von SCHLUMBOHM und HARMEYER 1991, die in Fütterungsversuchen mit Calciumbilanzen keinen Einfluß von Lactose auf die intestinale Calciumabsorption feststellen konnten.

Anders als in vivo zeigen die in vitro-Versuche eindeutig, daß die bessere Calciumabsorption bei gesäugten im Vergleich zu den milchfrei ernährten Ferkeln

auf einer Stimulierung des aktiven Calciumtransports beruht. Dies macht es sehr unwahrscheinlich, daß es sich beim Milcheffekt um einen Lactose-Effekt handelt.

Wäre das dennoch der Fall, müßte es sich beim Lactose-Effekt um eine Langzeitwirkung handeln, da die Darmepithelien in vitro in lactosefreier Lösung inkubiert wurden. Dies stünde im Gegensatz zu allen bislang den Lactose-Effekt erklärenden Vorstellungen.

Phosphopeptide

Phosphopeptide sind phosphorylierte Casein-Fragmente und entstehen durch tryptische Hydrolyse von Casein, dem Hauptbestandteil des Milcheiweißes.

In zahlreichen Untersuchungen wurde inzwischen gezeigt, daß Phosphopeptide die Bioverfügbarkeit von Calcium im Dünndarmchymus erhöhen (SATO et al. 1986, KITTS et al. 1992, HANSEN et al. 1996) und die intestinale Absorption von Calcium fördern (MYKKANEN und WASSERMANN 1980, SATO et al. 1986, LI et al. 1989, KITTS et al. 1992, SAITO et al. 1998, GALZIGNA et al. 1998).

Es wird vermutet, daß Phosphopeptide mit Calcium lösliche Organophosphat-Salze bilden und so mit anorganischem Phosphat um das in der Nahrung enthaltene freie Calcium konkurrieren. Dadurch hemmen sie die Bildung von unlöslichen Calciumphosphaten und erhöhen die Verfügbarkeit des Calciums in der Nahrung (LEE et al.1983). Die stimulierende Wirkung auf die Calciumabsorption beruht daher auf einer Förderung des passiven Calciumtransportes durch Erhöhung des chemischen Gradienten für Calcium zwischen Chymus und Blut.

Ussingkammerversuche mit isolierter Ileumschleimhaut von Ratten bestätigen, daß Phosphopeptide über die Veräderung der freien Calciumkonzentration wirken, und nicht über Interaktion mit der Darmschleimhaut (LI et al. 1989). In diesen Untersuchungen wurde die Konzentration des freien Calciums in der Inkubationslösung durch mucosale Zugabe von Phosphopeptiden vermindert. Unter in vitro Bedingungen kommt auf Grund der geringen Phosphat- und

Calciumkonzentrationen im Puffer nicht zur Bildung von unlöslichen Calciumphosphaten, und daher vermindert sich hier die Konzentration von freiem Calcium durch die Anwesenheit von Phosphopeptiden. Der von mucosal nach serosal gerichtete Calciumflux nahm nach der Zugabe von Phosphopeptiden zur mucosalen Inkubationsflüssigkeit stark ab, der Transport in der Gegenrichtung blieb unbeeinflußt. Die Abnahme des Calciumtransportes führen die Autoren auf die verminderte Konzentration an freiem Calcium zurück. Eine Stimulation des Calciumtransportes, z.B. durch Interaktion von Phosphopeptiden mit der Darmschleimhaut, konnte nicht beobachtet werden.

In den eigenen Untersuchungen kann nicht ausgeschlossen werden, daß bei gesäugten Ferkeln Phosphopeptide im Darmchymus die Bioverfügbarkeit von Calcium gefördert, und in vivo mit zu einer höheren intestinalen Calciumabsorption beigetragen haben. In vitro können Phosphopeptide jedoch keine Rolle gespielt haben, und somit auch nicht die Unterschiede im Calciumtransport zwischen gesäugten und milchfrei ernährten Ferkeln erklären.

5.2 Einfluß von PTHrP auf den intestinalen